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Zwerg

Trostpreis
 
Dabei seit: 28.11.2006
Beiträge: 119
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Nachts
Die Sonne stand tief, schien mit ihren abendlichen Strahlen in das kleine Zimmer hinein und traf mit ihnen auf eine kleine, zusammengesunkene Gestalt in der Ecke.
Es war ein Mädchen, noch sehr jung, aber eine abgrundtiefe Traurigkeit hatte sich in ihre blauen Augen eingebrannt. Die schmalen Lippen bebten, als sie langsam aufstand, die steifen Glieder regte und sich durch das hellblonde feine Haar fuhr. Die Kleidung schlotterte um ihren zierlichen kleinen Körper, alles wirkte zu groß und zu wuchtig für sie.
Barfuss lief sie auf das Fenster zu, durch das die Sonne schien. Langsam verfärbte sie sich rot, bildete einen hübschen Kontrast zu dem kahlen Winterwald und dem glitzernden, weißen Schnee. Vorsichtig legte das Mädchen seine schmale Hand auf die kalte Scheibe, erschauderte.
Vor ihr lag die Freiheit, nur abgetrennt durch ein Fenster. Sachte lehnte sie ihre Stirn gegen das Glas, ließ die beruhigende Kühle auf sich wirken, atmete tief durch. Wie sehr sehnte sie sich danach, die schneidende Kälte auf ihrer bloßen Haut zu spüren, den beißenden Schmerz, wenn man zu lange Schnee ausgesetzt war. Zumindest wüsste sie dann noch, dass sie am Leben wäre.
Plötzlich entdeckte sie die fahle Mondsichel am Himmel und erschrak. Ängstlich zuckte sie vom Fenster zurück, fiel auf die Knie und sah sich mit panischen Augen um, wie ein gefangenes Tier. Am ganzen Körper zitternd umschlang sie sich selbst mit ihren Armen und wiegte sich wie in Trance hin und her. Tränen liefen über ihre Wangen, während sie leise wimmerte. Erst nach einigen Minuten hatte sie sich wieder so weit gefasst, dass sie aufstehen konnte.
Er durfte sie nicht weinen sehen, und außerdem dauerte es noch. Noch war nicht Nacht, noch stand die Sonne am Himmel und spendete ihr letztes rotes Licht. Erst wenn ihre Freundin, wie sie den strahlenden Feuerball insgeheim nannte, unterging wurde es gefährlich. Wenn die Nacht kam und das Licht auslöschte, wenn alle Sehenden blind wurden. Wenn ihr Vater kam…
Voller Scham dachte sie an die letzten Jahre zurück, als ihre Mutter verschwunden war und ihr Vater sie ignoriert hatte. Bis er eines Nachts in ihr Zimmer geschlichen kam und sich auf sie legte. Ihr Schmerzen bereitete, unerträgliche Schmerzen, sie küsste und ihr ins Ohr flüsterte, dass sie jetzt seine Frau sei und sie sein Lieblingsspiel spielen würden. Hinterher hatte er sie im Arm gehalten und getröstet, weil sie geweint hatte. Obwohl sie das nicht wollte, doch wie konnte sie sich wehren? Sie war doch erst 6 gewesen.
Das war zehn Jahre her und noch immer kam er jede Nacht, verletzte sie immer wieder aufs Neue, doch wenn sie jetzt weinte, schlug er sie. Längst hatte sie aufgehört, sich eine Reaktion anmerken zulassen, lag nur still da und betete, dass er schnell wieder ging.
Mit dunklen Augen beobachtete sie, wie die rote Sonne einen lila Stich bekam, sich immer dunkler färbte und schließlich verschwand. Die blasse Mondsichel strahlte ihr kühles Licht hinab, die ersten Sterne schienen hämisch zu funkeln. Angst setzte sich in ihr wie ein kalter Klumpen fest, der jedes schöne Gefühl in ihr erstickte, bis sie nur noch aus Panik bestand.
Plötzlich öffnete sich die Tür, sie fuhr herum und sah ihren Vater anzüglich grinsend dastehen. Er leckte sich über die Lippen, während er sie eingehend musterte.
„Hallo mein Schatz!“
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18.12.2006 20:05 |
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Anna1985

Mitglied
 

Dabei seit: 28.05.2006
Beiträge: 831
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Hi, schön geschrieben. Das Thema find ich gut und auch die Umsetzung ist dir sehr gut gelungen. Du baust Spannung auf und man muss einfach weiterlesen um zu erfahren wies weiter geht. Eben weil du nicht alles schon am Anfang verrätst. Find ich klasse. Die Gefühle kommen auch gut rüber.
lg Anna1985
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20.12.2006 10:26 |
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nymphy

Zuckerschnegge
 

Dabei seit: 30.10.2005
Beiträge: 5.257
Herkunft: Von weit weg
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Wow
Wirklich schön...
Gegenbewertung : Lauf Shatoosh,lauf ! ( Siggi )
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20.12.2006 18:46 |
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teaRdrop

CrAzY | LoNeLy | SeXy | AnGeL ?
 

Dabei seit: 31.03.2005
Beiträge: 1.410
Herkunft: ViLLagE oF AnGeLs :)
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Wow, wirklich sehr gut geschrieben und richtig ergreifend. Du hast das Thema gut und nachfühlbar aufgefasst... echt klasse!
Ich dachte jetzt, das ist eine Kurzgeschichte, oder? Und keine Story, die weitergeführt werden soll?! Oder irre ich mich da?
Als Kurzgeschichte wäre es nämlich echt super, weil es so ein tolles, offenes, aber dennoch erschreckendes Ende hat
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20.12.2006 21:13 |
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Zwerg

Trostpreis
 
Dabei seit: 28.11.2006
Beiträge: 119
Themenstarter
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Oh, danke für das viele Lob. Aber eigentlich war es wirklich nur als Kurzgeschichte gedacht.
Sonst hätte ich ja auch namen und so eingebaut, denn eine ganze geschichte ohne namen und nährere einzelheiten zu schreiben, ist doch relativ schwierig, oder?
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21.12.2006 15:23 |
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.:Vicky:.

Mitglied
 

Dabei seit: 19.12.2008
Beiträge: 384
Herkunft: Bayern
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Ich find es auch schade, dass es nicht weiter geht.
Die Story ist echt voll gut gelungen. Will mehr. Geschichten lesen sind mir genauso wichtig wie süchtigen Drogen wichtig sind. MEHR MEHR
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23.12.2006 19:36 |
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Zwerg

Trostpreis
 
Dabei seit: 28.11.2006
Beiträge: 119
Themenstarter
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Oh danke leuts, fühl mich voll geehrt.
Naja, vll bau ich des thema ja echt i-wann mal zu ner längeren geschichte aus mal sehen. aber danke für des viele lob, freu mich total.
Aber vll hat auch i-wer en bissl kritik für mich, damit ich weiß, was ich noch verbessern kann?
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25.12.2006 20:04 |
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Thema und Stimmung sind gut umgesetzt,
vermutlich könnte man aus diesem Anfang
ein ganzes Buch schreiben, wie sie sich zur
Wehr setzt... Trotzdem habe ich einen
kleinen Kritikpunkt, betreffend deinem
Schreibstil. Dein Stil ist individuell, nicht so
häufig und das finde ich gut. Jedoch setzt
du stilistische Mittel die Spannung aufbauen
in meinen Augen zu oft hintereinander
ein. Daran solltest du arbeiten, falls du den
Text tatsächlich zu einem Buch machen willst,
was ich toll fänd, denn ich würde weiterlesen *g*
Wie gesagt, das ist eigentlich so mein einziger
Kritikpunkt.
Gegenbewertung? Neues Fantasybuch | noch kein Titel
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Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Gold-Orangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?
Kennst du es wohl?
Icon von patricia.
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25.12.2006 20:10 |
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