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Anns grosses Abenteuer |
***Lara*** unregistriert
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"Ann, halt dich gerade!"
"Ja, Tante Adel."
"Leg die Beine nicht übereinander"
"Ja, Tante Adele"
"Hör mit dem Daumendrehen auf"
Die alte Dame, bis ans Kinn in kaffeebraune Seide gehüllt, bekräftigte jede dieser Ermahnungen mit einem Stirnrunzeln, das den auf ihrer Nase balancierenden Zwicker ins Wanken brachte.
Neben ihr auf der Bank hockte eine dicke,kleine Alte, rot und verhutzelt, und strickte an einem Schal. Bei jeder Bemerkung schreckte sie zusammen und liess die letzte Masche fallen, die sie dann mit bewundernswerter Geduld wieder aufnahm.
Im Übrigen hörte man nur das gleichmässige Rattern des Zuges, der durch die felsige, dürre Lndschaft dahinrollte.
Die gepolsterten Sitze des Damenabteils waren mit blassgrünem Samt bezogen. Vier Personen sassen darin: die beiden alten Damen, eine weitere Frau mittleren Alters in einem kanariengelben Reisekleid und ein sehr junges Mädchen, kerzengerade, die Hände über den Knien zusammengelegt, das Gesicht zum Fenster gewand.
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von ***Lara***: 31.12.2005 15:01.
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30.12.2005 08:56 |
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***Lara*** unregistriert
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Von Zeit zu Zeit musterten es die beiden Begleiterinnen mit düsterem Blick. Das Mädchen mochte vielleicht siebzehn Jahre alt sein; es war nicht schön, ja kaum hübsch zu nennen. Schlank, fast mager, mit braunen, leicht gewelltem Haar, das von einem schwarzen Samtband gehalten wurde, mit einem schmalen Gesicht, etwas zu breitem Mund und zu schmaler Nase. Das einzige Schöne an ihr waren die Augen, gross und grau, umschattet von langen Wimpern und dunkelbraunen, fast schwarze Augenbrauen. Sie trug ein hochgeschlossenes weisses Kleid. So unbeteiligt sie sich gab - ihre nervösen Hände und ihre lebhaften, unruhige Augen zeigte, dass sie es in Wirklichkeit nicht war.
Die Dame im kaffeebraunen Seidenkleid dämmerte mit halb geschlossenen Augen vor sich hin. Die kleine Alte strickte; die Reisende in Kanariengelb blätterte in alten Modejournalen... und das junge Mädchen lies gelangweilt seine Blicke über die Landschaft gleiten. Felsen und immer nur Felsen, hier und da Dornengestrüpp, riesige Kakteen, unförmige Kandelabern gleich - und immer wieder Felsen, deren Färbung von hellem Ocker bis zu dunklem Rot spielte... bis an den diesigen Horizont. Während sie die Landschaft betrachte, gingen die Gedanken der jungen Ann ihre eigene Wege. Arizona war doch wirklich eine fremdartige Gegend! Dies dürre, feindselige Land war so völlig anders als Georgia, wo Ann geboren war. Dort war alles heiter, lachend und frisch; Ann erinnerte sich der tiefen grünen Wälder, der Seen, der üppigen Plantagen, die sich zwischen sanfte Hügel schmiegten.
Damals wohnte sie am Ufer eines Flusses, in einem grossen weissen Haus. Ann verbrachte dort ihre Kindheit - heiter und sorglos, obwohl sie ihre Mutter früh verloren hatte.
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30.12.2005 15:23 |
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***Lara*** unregistriert
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Danke
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Dann, als sie 11 Jahre alt war, sah sie auch ihren Vater sterben, und das war ein grosser Schmerz für sie; sie ahnte auf einmal, ja, sie wusste es mit Bestimmtheit: Nun waren die schönsten Kinderjahre zu Ende.
Ein paar Tage später hatte Tante Adel sie zu sich geholt. Sie war eine Halbschwester des Verstorbenen und besass in Phoenix in Arizona ein altes Haus und einen kleinen Garten. Eine schwere Umstellung war das für das freiheitsliebende Kind, das gewöhnt war den kleinsten Wunsch erfüllt zu bekommen. Tante Adel hatte sich in den Kopf gesetzt aus ihrer Nichte eine tüchtige Hausfrau zu machen; daneben versuchte sie mit allen Mitteln ihren Freiheitsdrang zu zähmen - ohne sonderlichen Erfolg allerdings. Denn wenn Ann schliesslich auch Lauchsuppe kochen, Leintücher säumen, Spitzen köppeln und das sticken lernte, so versäumte sie doch keine Gelegenheit, sich davonzustehlen und zusammen mit anderen Kindern ihres Alters irgendwo draussen vor der Stadt umherzustreifen.
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30.12.2005 16:41 |
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***Lara*** unregistriert
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Hi Steffy danke für deine Kritik, die Tante heisst Adele. und das auch habe ich eingesetzt weil sie ihre Mutter sterben sah und dan ihren Vater. wie auch immer hier der nächste Teil:
Aber das Mädchen wurde allmählich vernünftiger - wenigstens schien es so - und die alte Dame vermerkte mit Freude, wie schön sie sie gezähmt hatte. Dabei sah sie nicht, dass Ann, wie ein Vogel im Käfig, nur auf eine Gelegenheit wartete, auf und davon zu fliegen und dieser engen und steifen Umgebung zu entwischen. Aufseufzend schüttelte Ann ihre Haare. Was war das doch für eine langweilige Fahrt! Sie hatte Mitleid mit sich selbst: Tante Adele fuhr nämlich zu einer alten Freundin, die in Tucson ein Hotel besass, nun aber erkrankt war und Hilfe brauchte. Und Tante Adele war wie geschaffen dafür, das Zepter zu schwingen! Natürlich fiel es der alten Dame nicht im Traum ein in der Zwischenzeit ihre Nichte sich selbst zu überlasse; sie hatte sie mit sich genommen, ohne nach ihrer Meinung zu fragen. Übrigens haben junge Mädchen ja gar keine Meinung zu haben, das weiss man doch! Mit einem Seufzer wandte Ann sich von der eintönigen Landschaft ab und nahm das Abteil und seine Insassen in Augenschein. Tante Adele sass mit geschlossenen Augen da; Eulalie, Anns alte Kinderfrau, strickte unentwegt, die Nase über ihre Arbeit gebeugt. Oh, jetzt eine Maus oder irgendein anderes kleines Tierchen hier im Abteil loslassen - wie hätte das Spass gemacht! Mit einem spitzen Schrei würde Tante Adele auf die Bank springen und sich die Röcke zuhalten...
Ein urkomisches Bild!
Vorsichtshalber nahm Ann die Hand vor den Mund - da fiel ihr Blick auf die Dame in Gelb, die immer noch las. Ann starrte sie neidisch an - anscheinend mit solcher Kraft, dass die Lesende plötzlich aufschaute. "Sie langweilen sich doch sicher? Möchten Sie gern etwas lesen?", fragte sie und reichte der verdutzten und zugleich entzückten Ann eines ihrer Hefte herüber. Tante Adele zuckte zusammen - Ann fühlte das mehr, als sie es sah; aber sie achtete nicht darauf, sondern nahm da sHeft und bedankte sich. Rasch machte sie sich ans Lesen und fühlte dabei den zornigen Blick ihrer Tante auf sich. Nach einer Weile begann diese zu hüsteln. Ann blickte nicht einmal auf, sie war völlig in der Betrachtung der Modelbildervertieft, in diese Gestalten in weiten Seiden - und Samtkrinolinen mit gewaltigem, manchmal fast komischen Hüten, die so gross waren wie Wagenräder!
Ann unterhielt sich königlich dabei und genoss es, von Seite zu Seite zu blättern. Als aber schliesslich Nachthemde und Unterwäsche mit Bändern und Spitzen sichtbar wurde, da verschluckte sich Tante Adele und erlitt einen Hustenanfall.
"Hm...ch...Ann, mein Kind, zeig mir doch bitte mal diese Zeitschrift; die scheint ja sehr interessant zu sein" säuselt sie mit honigsüsser Stimme.
Alter Drache!, dachte Ann und reichte ihrer Tante das Heft. Die nahm es zwischen Daumen und Zeigefinger, legte es auf die Knie, sah sich die Titelseite an, die ein Ballkleid mit reichem Flitterwerk zeigte, zog dabei ein Gesicht, als hätte sie eine bittere Arznei geschluckt, lächelte schliesslich säuerlich und reichte die Zeitschrift, immer noch mit Daumen und Zeigefinger, der gelben gekleideten Dame zurück, die ihr mit belustigter Miene zusah.
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31.12.2005 14:54 |
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Zitat: |
Original von ***Lara***
Hi Steffy danke für deine Kritik, die Tante heisst Adele. und das auch habe ich eingesetzt weil sie ihre Mutter sterben sah und dan ihren Vater. wie auch immer hier der nächste Teil:
Aber das Mädchen wurde allmählich vernünftiger - wenigstens schien es so - und die alte Dame vermerkte mit Freude, wie schön sie sie gezähmt hatte. Dabei sah sie nicht, dass Ann, wie ein Vogel im Käfig, nur auf eine Gelegenheit wartete, auf und davon zu fliegen und dieser engen und steifen Umgebung zu entwischen. Aufseufzend schüttelte Ann ihre Haare. Was war das doch für eine langweilige Fahrt! Sie hatte Mitleid mit sich selbst: Tante Adele fuhr nämlich zu einer alten Freundin, die in Tucson ein Hotel besass, nun aber erkrankt war und Hilfe brauchte. Und Tante Adele war wie geschaffen dafür, das Zepter zu schwingen! Natürlich fiel es der alten Dame nicht im Traum ein in der Zwischenzeit ihre Nichte sich selbst zu überlasse; sie hatte sie mit sich genommen, ohne nach ihrer Meinung zu fragen. Übrigens haben junge Mädchen ja gar keine Meinung zu haben, das weiss man doch! Mit einem Seufzer wandte Ann sich von der eintönigen Landschaft ab und nahm das Abteil und seine Insassen in Augenschein. Tante Adele sass mit geschlossenen Augen da; Eulalie, Anns alte Kinderfrau, strickte unentwegt, die Nase über ihre Arbeit gebeugt. Oh, jetzt eine Maus oder irgendein anderes kleines Tierchen hier im Abteil loslassen - wie hätte das Spass gemacht! Mit einem spitzen Schrei würde Tante Adele auf die Bank springen und sich die Röcke zuhalten...
Ein urkomisches Bild!
Vorsichtshalber nahm Ann die Hand vor den Mund - da fiel ihr Blick auf die Dame in Gelb, die immer noch las. Ann starrte sie neidisch an - anscheinend mit solcher Kraft, dass die Lesende plötzlich aufschaute. "Sie langweilen sich doch sicher? Möchten Sie gern etwas lesen?", fragte sie und reichte der verdutzten und zugleich entzückten Ann eines ihrer Hefte herüber. Tante Adele zuckte zusammen - Ann fühlte das mehr, als sie es sah; aber sie achtete nicht darauf, sondern nahm da sHeft und bedankte sich. Rasch machte sie sich ans Lesen und fühlte dabei den zornigen Blick ihrer Tante auf sich. Nach einer Weile begann diese zu hüsteln. Ann blickte nicht einmal auf, sie war völlig in der Betrachtung der Modelbildervertieft, in diese Gestalten in weiten Seiden - und Samtkrinolinen mit gewaltigem, manchmal fast komischen Hüten, die so gross waren wie Wagenräder!
Ann unterhielt sich königlich dabei und genoss es, von Seite zu Seite zu blättern. Als aber schliesslich Nachthemde und Unterwäsche mit Bändern und Spitzen sichtbar wurde, da verschluckte sich Tante Adele und erlitt einen Hustenanfall.
"Hm...ch...Ann, mein Kind, zeig mir doch bitte mal diese Zeitschrift; die scheint ja sehr interessant zu sein" säuselt sie mit honigsüsser Stimme.
Alter Drache!, dachte Ann und reichte ihrer Tante das Heft. Die nahm es zwischen Daumen und Zeigefinger, legte es auf die Knie, sah sich die Titelseite an, die ein Ballkleid mit reichem Flitterwerk zeigte, zog dabei ein Gesicht, als hätte sie eine bittere Arznei geschluckt, lächelte schliesslich säuerlich und reichte die Zeitschrift, immer noch mit Daumen und Zeigefinger, der gelben gekleideten Dame zurück, die ihr mit belustigter Miene zusah. |
Da meintest du wohl Kindermädchen, oder?
An und für sich ist deine Geschichte schön zu lesen und mal was ganz anderes. Ich frag mich was du noch aus dieser Geschichte machst, aber was mich stört ist, dass sich Ann für ihre 17 Jahre sich verhält als ob sie viel jünger wär. Kommt mir einfach so vor.
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When you t r y your best, but you don't s u c c e e d
When y o u get what you w a n t, but not what you need
When you f e e l so tired, but you can't s l e e p
stuck in r e v e r s e {
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01.01.2006 02:33 |
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Rennpferd
Mitglied
Dabei seit: 15.02.2005
Beiträge: 1.101
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Gefällt mir sehr. Spielt das heute?
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01.01.2006 12:11 |
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***Lara*** unregistriert
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ja es sollte Kindermädchen heissen und die Geschichte spielt früher also um die Zeit wo deine Urgrossmutter lebte, hier der nächste Teil:
Als die Frau ausgestiegen war sagte Tante Adele:
"Hm... Annette- Beatrix, du hast dich ja wieder einmal unmöglich aufgeführt!" Tante Adele hatte jetzt die Augen offen und durchbohrte Ann mit wütenden Blicken. Da faltet das Mädchen die Hände über die Knien. "Ja, Tante Adele", sagte sie zerstreut. "Ohne Rücksicht auf deine Würde, auf deine Herkunft und auf deine Erziehung wagst du es, an diese... diese Person das Wort zu richten? Wagst es - ich sagte: wagst es, dich durch den Anblick solch unmoralischer Abbildung zu besudeln? Schäm dich! Aber - hörst du mir überhaupt zu?" Ann schien offenkundig durch irgendwas abgelenkt zu werden. Plötzlich sprang sie vom Sitz auf. "Na, was gibt es denn schon wieder?" Ohne zu antworten, trat das Mädchen zu dem Platz, auf dem die Dame in Gelb gesessen hatte, bückte sich und hob einen ziemlich zerknitterten Schal auf, der unter die Bamk geglitten sein musste. Sie breitete ihn auseinander. "Oh, ist der Schön" Ann überlegte nicht lange, die Frau war ja so nett zu ihr, sie musste ihn zurückbringen! Sie schaute schnell aus dem Fenster, sah die Frau in Gelb und sprang aus dem Zug, Tante Adele schrie Ann noch hinterher, doch vergebens. Ann war schon lange ausgestiegen. Und lief zur Frau. Der Zug fuhr ohne sie ab....
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01.01.2006 13:07 |
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