The story of Gwyn | Vorgeschichte |
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Ihr kennt das vielleicht, manchmal muss man bei einem Rollenspiel für einen Charakter eine Vorgeschichte und einen Chraktertext schreiben. Da ich an manchen meiner Vorgeschichten sehr lange gesessen habe und sie mir sehr ans Herz gewachsen sind, stelle ich sie hierrein. Das ist erstmal die Vorgeschichte von einem Charakter Namens Gwyn, die ich auf dem Rollenspiel Isla Escondida habe. Mit der Zeit werden sicherlich noch ein paar andere Geschichten dazukommen. Bitte wundert euch nicht, das die Geschichte kein wirkliches Ende hat, es ist nur eine Vorgeschichte. Und für mögliche Rechtschreibfehler hafte ich nicht
Kritik und Lob sind herzlich willkommen & erwünscht.
The story of Gwyn.
Wenn wir leben, dann schreiben wir eine Geschichte. Mit jedem Atemzug, den wir tun, jeder Schritt, jeder Wimpernschlag, ein neuer Satz, ein neues Kapitel. Wir leben- und genauso sterben wir. Eines Tages werden wir gehen, wir werden gehen und unsere Geschichte wird ein Ende haben. Und auch die Leute, die an unserer Geschichte teilgehabt haben, gehen, bis wir irgendwann nur noch der blasse Schimmer der Erinnerung unser selbst sind und uns irgendwo im Nichts verlieren. So traurig es auch klingt; es ist die grausame Wahrheit und so bleibt uns nichts anderes übrig, als die unsere Geschichte mit soviel Leben und Lachen zu füllen, das es keine Rolle spielt wann sie endet. Nur das es sie gegeben hat.
Als das Mädchen den Kopf hob, fielen ihr die weichen roten Locken über die schmalen Schultern. Fast ein wenig entsetzt schaute sie auf, zu dem, der vor ihr stand und sich mit zusammengezogenen Augenbrauen und einem in der Tat sehr ärgerlichen Gesichtsausdruck über sie beugte und mit den Fingern auf die Holzplatte des Tisches trommelte, der unter seinem Gewicht bedrohlich zu vibrieren begann.
„Kannst du mir das erklären?“, fragte er mit grollender Stimme, wobei er ein paar Spuckefetzen auf die blasse Haut des Mädchens beförderte, die sich daraufhin instinktiv zurück in die Lehne ihres Stuhles drückte.
„Äh nein, Mr, es tut mir Leid, aber wie war die Frage noch mal?“, sagte sie vorsichtig und versuchte einen Blick auf die Tafel zu erhaschen. Verlegen schaute sie auf ihr Hefte und versuchte sie zu ordnen, wobei ihr ein paar aus der hand glitten. Rasch bückte sie sich und hob sie peinlich berührt auf. Die Gesichter der Klasse drehten sich zu ihr, blickten sie wenig erwartungsvoll an. Sie saß in der letzten Reihe, in einer Ecke. Vor einiger Zeit war vieles anders gewesen, vieles. Die Leute, die sie nun unpersönlich anstarrten, waren mal ihre besten Freunde gewesen, sie hatten zusammen gelacht, ihre Zeit zusammen verbracht. Und nun war alles anders. Das alles änderte jedoch nichts an der Tatsache, das ihr Mathematiklehrer sie noch immer anstierte, als erwarte er, die Antwort würde ihr nun auf einmal so einfallen, als hätte ihr jemand die Antwort verraten oder zugeflüstert. Aber sie saß allein. Und es gab niemanden, der ihr die Antwort zuflüsterte.
Als sie in der Pause sich durch die Gänge zum Kunstraum schlängelte, hielt sie ihre Schulsachen fest an ihren zarten Körper gepresst. Ihre Lippen waren zusammengepresst, ihr Blick gesenkt. Heute war es genau eine Woche her. Eine Woche, 7 Tage, 168 Stunden. Sie merkte kaum, dass sie gegen jemanden stolperte, erst als ihre Bücher auf den Boden fielen, riss sie das Geräusch zurück in die Wirklichkeit. Schnell bückte sie sich, doch ihre Hände zitterten und die Papiere glitten ihre aus den Fingern. Ein Junge bückte sich und reichte ihr die Blätter.
„Hast du dir etwas getan?“, fragte er sie und lächelte. Er sammelte den Rest der Sachen auf und gab sie dem Mädchen.
„Ich…es tut mir Leid.“, sagte sie leise und lächelte unsicher. Sie fand, er sah ziemlich gut aus, auf eine eigenartige Art und Weise. Sein Gesicht kam ihr irgendwie vertraut vor.
„Wie heißt du?“, fragte er sie und schaute sie an. Sie bemühte sich um ein Lächeln, ein wenig gequält kam es ihr selbst vor, wenig glaubhaft und sie schämte sich, ihm so etwas vorspielen zu müssen.
„Gwyn…mein Name ist Gwyn.“, stotterte sie und klammerte sich wieder an ihre Bücher. Er warf einen Blick darauf.
„Darf ich dich begleiten? Ich denke wir sind im selben Kurs.“, sagte er und lächelte. Sein Lächeln, es kam ihr so bekannt vor, so eigenartig. Aber sie nickte.
Sie sollten ein Bild von ihrem Leben malen. So wie sie es empfanden, und später sollten sie es vorstellen. Vor dem ganzen Kurs. Gwyn betrachtete ihr Bild. Sie fand, dass der ganze Kurs nicht das Recht hatte, einfach so ihr Leben zu betrachten, zusammengequetscht auf einem einzigen Blatt Papier. Durch ihre Haare warf sie einen Blick zu Seite, neben ihr saß er. Sie wusste inzwischen, dass er Jake hieß. Sein Bild war ziemlich hell, doch der letzte Abschnitt war in ein tiefes Blau gefallen.
„Was ist das?“, fragte sie ihn und deutete auf den blauen Abschnitt. Er schaute sie nachdenklich mit seinen braunen Augen an, dann zuckte er mit den Schultern.
„Nicht wichtig.“, sagte er und betrachtete ihr Bild. Es war in der Mitte ein tiefer schwarzer Punkt, der sich auf die umliegenden hellen Farben auswirkte und sie bis zum Rand des Blattes verdunkelte.
„Und was ist das?“, fragte er sie und deutete auf den schwarzen Punkt. Gwyn blickte nachdenklich auf ihr Blatt.
„Das ist ein schwarzer Punkt.“
Sie schaute aus dem Fenster.
Sie saßen zusammen auf einer Bank im Park. Sie mochte Jake, und sie hatte das Gefühl, er mochte sie. Außerdem war es da immer noch, dieses eigenartige Gefühl von Vertrautheit, was sie gepackt hatte und nun nicht mehr losließ. Sie schaute ihn von der Seite an und betrachtete dann ihre Hände. Sie wollte nicht an vor einer Woche denken, sie wollte es ausblenden, vergessen. Die letzte Woche war ihr so unendlich lang vorgekommen, sie hatte sich über die Tage gequält, den Schmerz, die Schuldgefühle. Und jetzt spürte sie, wie sehr es sie getroffen hatte. Aber sie wusste, dass es ihm nicht anders ging, etwas war auch passiert, ein blauer Abschnitt. Vielleicht kam diese Vertrautheit daher.
„Was ist passiert?“, fragte sie in die Stille hinein und betrachtete Jake. Er seufzte leise.
„Nicht…nicht heute.“, sagte er. „Du würdest es nicht verstehen.“
Gwyn schaute ihn an. „Doch, das würde ich. Und wenn dann könntest du es mir erklären. Bitte…erzähl es mir.“, sagte sie eindringlich, es war ein eigenartiges Gefühl in ihr, sie wollte wissen, was sie beiden verband. Und sie würde es verstehen, denn auch sie hatte einen schwarzen Punkt.
„Nein!“, sagte er heftiger, als er wahrscheinlich gewollt hatte. Gwyn zuckte zurück.
„Es tut mir Leid…ich…ich war so neugierig. Es tut mir Leid.“, stotterte sie und senkte den Blick. Dann stand sie auf.
„Ich sollte jetzt gehen. Bis morgen.“, sagte sie knapp, stand auf und stolperte, ehe sie sich zwang, nicht zu rennen, sondern nur eilig aus seinem Blickfeld zu kommen. Sie wusste, dass er ihr hinterher rief, aber sie drehte sich nicht um. Kein einziges Mal.
An diesem Abend lag sie lange wach. Sie hatte nicht geweint, obwohl sie den Schmerz heute wieder gespürt hatte, hatte sie seit dem Unfall vor einer Woche kein einziges Mal geweint. Sie konnte es nicht. Sie schämte sich, sie fühlte sich schuldig. Es war nicht ihr Recht zu trauern, sie durfte nicht ihren Schmerz mindern, sie hatte es nicht anders verdient. Sie hatte ihn umgebracht.
Es war ihre Schuld gewesen, das er nicht mehr lachen würde. Nie mehr. Sie hatte gewusst, dass er eine Familie hatte, Eltern und einen Bruder. Vielleicht war er noch klein, wie schrecklich musste es für ihn sein, seinen großen Bruder einfach so zu verlieren? Er hatte es nicht verdient. Wieso war sie nicht gefallen, wieso war sie nicht gestorben? Wieso war auf ihren falschen Schritt nicht IHR Tod gefolgt? WIESO?
Es regnete draußen. Das leise Klopfen der Regentropfen hielt sie wach, es erinnerte sie an Tränen, die sie nicht geweint hatte. Plötzlich klopfte es an der Tür, es war ein verzweifeltes, bittendes Klopfen. Ihre Füße waren kalt auf den hölzernen Stufen. Als sie durch das Fenster schaute, sah sie Jake draußen stehen. Sie öffnete die Tür und sah ihn an.
Sein Atem ging stoßweise und er lehnte sich mit einer Hand an den Türrahmen.
„Bist du…hierher gelaufen?“, fragte sie ihn, doch er antwortete nicht.
„Gwyn…ich muss es dir erzählen. Bitte hör mir zu, es tut mir Leid, ich hätte nicht so mit dir reden dürfen…es quält mich und du bist die einzige… die einzige der ich es erzählen möchte.“, sagte er leise und schaute in ihre Augen.
Sie schlang den Morgenmantel um sich und lehnte sich an den Türrahmen. Er nahm ihre kalten Hände einfach in seine.
„Ich…mein Bruder, er ist gestorben. Ich habe mit niemandem darüber geredet, aber du…du warst so anders.“ Gwyn spürte, wie es in ihr eiskalt wurde.
„Wann…wann?“, fragte sie leise, sie merkte, wie ihre Stimme brach.
„Vor einer Woche… er ist bei einem Unfall gestorben, vor ein Lastwagen und…er war sofort…tot.“, sagte er und schaute sie an.
Sie wollte ihre Hände aus seinen ziehen, wollte sich losreißen und weglaufen, aber er hielt sie fest.
„Nein…“, hauchte sie leise, „Nein, lass mich ich…“ Sie begann zu weinen, das Schluchzen schüttelte ihren ganzen zarten Körper, es war so erleichternd, zu weinen, der Schmerz, aber es schmerzte umso mehr, die Tatsache, es zu wissen. Er nahm sie in den Arm, auch wenn sie sich schwach wehren wollte, sie weinte und er strich ihr über die Haare, verwirrt.
„Es ist ja gut… bitte wein nicht mehr. Ich mag dich sehr, du sollst nicht weinen.“, sagte er leise in ihr Ohr, doch ihr Schluchzen wurde heftiger.
„Bitte sag das nicht… du hasst mich, bitte sag, du hasst mich…bitte“, flehte sie, sie würde nicht damit leben können, sie würde es ihm nicht sagen können, wenn sie wusste, das er sie mochte, das sie ihn mochte.
„Ich hasse dich nicht, bitte, ich hasse dich nicht Gwyn.“, flüsterte er beruhigend und strich ihr über den Rücken, hielt sie fest, während sie drohte sich selbst zu verlieren.
„Aber…ich bin nicht perfekt…ich…bitte…hass mich.“, sie schrie es fast, flehend, doch ihre Stimme zitterte.
„Niemand ist das.“, versuchte er sie zu beruhigen, doch sie entzog sich seinen Armen.
„Bitte glaub mir, du hasst mich. Es tut mir so Leid. Verzeih mir…ich…wollte es nicht.“, sagte sie leise, dann schloss sie die Tür, brach zusammen und weinte still vor sich hin. Er stand noch lange vor der Tür und hörte ihr zu, wie sie weinte, so verletzlich, so traurig, dass es ihn tief und schmerzlich berührte.
Die Erde unter ihren nackten Füßen war nass, nass vom Regen. Sie war gerannt und ihre Füße schmerzten. Ihre Knie waren zerschürft, oft war sie gefallen, auf der feuchten Erde ausgerutscht. Ihre Ungeschicklichkeit verfluchte sie, doch die Schmerzen verbannte sie. Einfach weg, einfach alles hinter sich lassen. Sie trug nur ihr Nachthemd, sanft und weiß schimmerte es im Mondlicht, das zwischen den Bäumen hindurch fiel. Sie war dankbar für den Regen, denn niemand würde ihre Tränen erkennen, die sich mit den Tropfen vermischten und ihre Kleidung klamm und feucht machten. Ihr ganzer Körper zitterte, sie wusste, sie konnte nicht mehr damit leben, sie konnte es nicht, sie wollte ein Ende, es wäre besser für alle und es wäre die Rechtfertigung, das was sie verdient hätte.
Sie hörte die Autos der Hauptstraße, sah die Lichter durch das Unterholz kriechen, wenn ein Auto vorbeifuhr. Sie war am Ziel.
Der Asphalt war kalt. Nur ihre blasse Haut schimmerte im Dunkel der Nacht, bleich wie ein Gespenst, traurig und zerbrechlich.
Sie hörte das Quietschen von Reifen, spürte den Aufprall, doch der Schmerz blieb aus. Da war nur das dumpfe, leere Gefühl in ihrem Herzen. Und das letzte, was sie hörte, bevor sie in das Schwarz sank, waren die Worte eines Mannes.
„Sie ist es.“
__________________ moral is - like art - drawing a line somewhere.
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