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Zum Ende der Seite springen Untote Verführung
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Untote Verführung Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Ich möchte euch meine schaurig-schöne Kurzgeschichte vorstellen.
Sie ist sehr privat, denn das habe ich fast 1:1 geträumt! Traurig aber wahr.
Natürlich ist sie auch sehr verwirrend, wer kennt schon die menschlichen Abgründe der eigenen Seele.
Aber irgendwie gefällt sie mir. Ich habe sie nicht richtig überarbeiten können, da ich mich immer wieder zu tief hineinziehen lasse.
Vielleicht schafft ihr das ja? Augenzwinkern

Viel Spaß.
Achja, evtl sollte man es FSK 16 raten, da es doch den ein oder anderen empören könnte!
ACHTUNG!

xXxXx
Untote Verführung

Eine Geschichte, die so unglaublich, so erschütternd-wundervoll, so schaurig und liebenswert zu gleich ist, vermag nicht eine jede, verdammte Seele zu erzählen. Nie wird sie so wahrhaftig und in derselben Atmosphäre niedergeschrieben werden können, denn neben der Realität verblassen all jene, jämmerlichen Versuche, wie der Mond, wenn er dem Tage weicht. Ein düsteres Imperium auf einem schlichten Blatt Papier zu errichten, dem untoten Leben einen belebenden Odem einzuhauchen und all jene Schreckgestalten verworrener Träume Form zu verleihen – eine Unmöglichkeit. Und doch gab ich dem sehnsuchtsvollen Drang nach, dieses Erlebnis zu Blatt zu bringen, obgleich mein Verlangen nach einem Wiedersehen selbst jetzt unbefriedigt bleibt...

Mittlerweile begann die Welt sich zu verändern, der Tag ging zur Neige und der winterliche Einbruch machte das Licht düster und fahl. Es war kein Tag, geschaffen um Spaß zu haben, sondern ein Tag, der unwillkürlich den Schrecken in sich trug. Ohne mir über die seltsame Atmosphäre weiter den Kopf zu zerbrechen, wandelte ich den engen Pfad entlang, verwirrt, von etwas getrieben, das sich nicht beschreiben ließ. Es war, als würde mich eine unsichtbare Kraft antreiben, mich immerzu weiterschieben und es nicht zulassen, dass ich mich umdrehte. Mein sonst so feiner Sinn für Stimmungswandlungen, für seltsame Empfindungen der Umwelt ließ mich vollends im Stich. Wäre ich sonst in diesen Sog von Grausamkeiten, purer Lust und Gier geraten? Immer trüber wurde es um mich her, der Nebel bedeckte bereits meine Füße und fraß sich weiter hinauf, als würde er mit kalten, nassen Fingern nach mir greifen und an meinen Kleidern zerren. Ebenso war es diese ungewohnte Kälte, die sich mit eisigen Zähnen durch mein Gebein fraß, meine Finger lähmte und meine Beine zu Blei verwandelte. Nun war der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mir hätte Sorgen machen müssen. Doch aus unerfindlichen Gründen bettete meine Ratio sich zur Ruhe, überließ mich ganz den suspekten Gefühlen, die Oberhand gewannen. Es war eine nicht zu identifizierende Mixtur aus allerlei möglicher Emotionen, ein Strudel wilden Wassers, der mich in seine Tiefen riss. Vergessen war der allabendliche Waldspaziergang, das kurze und vernünftige Aufflackern von Verstand und die Absicht umzukehren und vor Einbruch der Dunkelheit mein Zuhause aufzusuchen. Es war als würde mein Körper sich restlos ergeben. Ich wehrte mich nur physisch, doch mein Kopf hatte längst entschlossen den Weg anzutreten und die Pforte zu durchschreiten, die mir alsbald aufgetan werden sollte.
Plötzlich war da ein großes Loch. Ein Loch von Nichts. Eine Schwärze umfing mich, ich spürte weder Boden noch sonstigen Widerstand unter meinen Füßen und die kurze Schwerelosigkeit des Falls gewann mich für sich. Dann landete ich mit einem dumpfen Aufprall – jedoch nicht allzu hart. Eine Ansammlung an herbstlichen Laub hatte meinen Fall gedämpft und barg mich nun. Ich spürte mein Herz härter denn je, als es gegen meinen Brustkorb hämmerte und auch das Zittern, das wie ein Stromschlag durch meinen Körper geschickt wurde, trug dazu bei, dass ich meinen Überlebensinstinkt zurückgewann. Ich befand mich in vollkommner Düsternis und meine Augen gewohnten sich nur schlecht an sie. Panisch blickte ich nach oben, erkannte tatsächlich ein Stück grauen Himmels. Immer wieder flirrte mein Blick die Wände entlang, doch es schien keinen Ausweg aus der absurden Situation zu geben. Ich saß fest. In einer Grube. Inmitten eines Waldes. Bei erdenklich schlechtem Wetter. Erfüllt von Hysterie stockte mir der Atem. Meine Kehle war verschnürt und ich konnte nicht einmal daran denken, einen Hilfeschrei auszustoßen. Also wandte ich vorsichtig mein Haupt wieder dem Tunnel zu, der sich mir mit dem Fall geöffnet hatte. Hart schluckend tastete ich mich vor, ekelte mich zu Tode, als ich an jegliche Tiere dachte, die mir hätten begegnen können. Ein Schauer stellte mir die Härrchen auf Armen und im Nacken auf. Je weiter ich mich in den Tunnel hineinbewegte, desto angenehmer wurde die Kälte, desto dunkler wurde es um mich herum. Ich wurde sicherer in meinen Bewegungen, unvorsichtig und spürte das klebende, seidige Gewebe in meinem Gesicht erst Sekunden später. Voll Panik schlug ich um mich, wischte mir mit heftigen Bewegungen durchs Haar, welches so aus seinem Zopf gelöst wurde und mir zerzaust über die Schultern fiel. In meiner Heftigkeit strauchelte ich über eine aus dem Boden ragende Wurzel, fiel der Länge nach hin. Der typische Geruch des feuchten Waldbodens tastete sich in meine Nase, jedoch war ich viel zu aufgebracht, als dass ich für diesen sensiblen Duft hätte etwas empfinden können. Schwer atmend rappelte ich mich wieder auf, meine Ellenbogen schmerzten, denn der Boden war hier wesentlich härter gewesen, als bei meinem vergangenen Fall. Und schon einen Augenblick später sollte ich erfahren weshalb. Denn als ich mich weiter vortastete – nun wieder Zentimeter für Zentimeter – fand ich mich in einem jahrhunderte alten Gewölbe wieder, an dessen Wänden sich dünne, wachsene Kerzen fanden, welche spärlich Licht spendeten. Ohne es bemerkt zu haben, hatte ich angefangen zu weinen und die Tränen hinterließen heiße Schlieren auf meinen leichenkalten Wangen. Ich erkannte nur widerwillig, wo ich mich befand. An den Wänden waren neben den Kerzen auch Kreuze und Inschriften eingraviert. Mit einer bösen Vorahnung näherte ich mich einer von ihnen. Es stand geschrieben:
R.I.P.
Ruhe in den Gefielden der Verdammten, der Verführung ergeben, den Ergebenen verführt.
Wisse wohlweislich wer dich hierher gebracht, wer dich von hier erhöret und gerettet.
Lasse den Körper, lasse die Seele, spüre die Leichtigkeit des Seins.


Tranceartig streckte ich meine Finger aus, ließ sie langsam und zurückhaltend über die Inschrift gleiten, dachte darüber nach. Mit einem Male ertönten Glockenschläge, schaurig wiederhallend. Mönchsgesänge erreichten mein Ohr, lateinische Texte, klösterliche Choräle. Angstvoll fuhr ich herum, presste mich an die kalte Steinwand und würgte einen erstickten Angstschrei hervor. Dies alles geschah so schnell, dass ich nichts genau wahrnahm, alles erreichte mich in einem Nebel von Verworrenheit. Ich erkannte das Institut. Ich hatte eine Gruft gefunden. Ich befand mich darin. Irgendwoher kamen diese illusionierenden Klänge, die meine Angst ins Unermessliche steigerten. Etwas versetzte mir einen leichten Stoß in den Rücken, mit einem lauten, schrillen Schrei sprang ich zur Seite, erkannte, dass die Inschrift verschwunden war. Die Mönchsgesänge endeten schlagartig, einzig ein verhallendes Echo und eine flirrende Spannung im Raum hinterließen sie. Mit weit geöffneten Augen erblickte ich das Unfassbare. Die Wand öffnete ihren Schlund und gab etwas derartig Grausames zum Vorschein, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Den Atem anhaltend beäugte ich das Wesen, das die Hölle selbst gerade gebar. Ein Wesen so furchtbar, wie alle Katastrophen und Krankheiten der Welt zusammen. Mehr noch, als die Büchse der Pandora in sich bewahrte.

„Willkommen“ Die Stimme knarzte, kreischte, flüsterte und sang zugleich, ein Laut der sich nicht in jedwede Emotion einordnen ließ, die ich je erlebt hatte. Vor mir stand das, was vor vielen Jahrtausenden einmal ein Mensch gewesen sein musste. Der faulige Gestank der von ihm ausging, bestätigte meine Vermutung. Ein lebender Toter, dessen Haut grünlich schimmerte, an manchen Stellen abblätterte und den Skelettbau freigab. Einzig ein von Spinnweben behangener und verstaubter Anzug verhüllte widerliche Teile seiner Erscheinung. Mein Blick war zu Boden geheftet, mehr von dieser Gestalt konnte ich nicht ertragen, ich dachte auf der Stelle umfallen und tot sein zu müssen, wenn ich ihn nur noch einmal ansah. Aber ein Drang entfaltete sich in meinem Körper, dem ich kaum standhalten konnte, der mich dazu zwang widerwillig-schaudernd den Kopf anzuheben und ihm in die pechschwarzen, madigen Augenhöhlen zu blicken...
Eine Feuerwerk entzündete sich in meinem Körper, ich spürte Hitze überall in meinen Gliedmaßen, dachte ich würde innerlich verbrennen. Ich erkannte, dass ich dem Ende nahe war, ergab mich der aufwallenden Flammenglut meiner selbst.
Ruhige, leise Gesänge weckten meinen leblosen Körper und in einem plötzlichen Impuls zog ich mich auf die Füße. Ich war für die Flucht vor dem Wesen gewappnet, doch wieder war dieser Drang in mir, den Feind anzusehen. Als ich mich diesem ein weiteres Mal ergab war das Wesen verschwunden – an seiner Stelle stand ein junger Mann, trug ebenso einen schwarzen Anzug, jedoch nicht antiquiert. Sein Haupt wurde von vollem, zerzausten Haar bedeckt und seine Haut schien so glatt und bleich zu sein, dass das schwache Licht der vereinzelten Kerzen davon abprallte. Eine Haut wie Porzellan. Seine Augen waren von einem fantastisch faszinierenden schwarz, wie ich es noch nie gesehen hatte und unter ihnen fanden sich bläuliche Schatten, die auf viele schlaflose Nächte hinwiesen. Er war die personifizierte Schönheit. Ein Traum. Ein Engel!

Im Zuge des Augenblicks veränderte sich seine Mimik, ein seichtes Lächeln umzuckte seine Mundwinkel. Der Impuls, der meine Mundwinkel ebenso bog war nicht kontrollierbar. Strähnen meines mittlerweile verfilzten Haares bedeckten Teile meines Gesichts, als wären sie ein Vorhang, eine Art Schutzwall. Der junge Mann der mir so mysteriös erschien, hob seine Hand ein kleines Stück und eine sanfte Brise umwehte mich. Unbemerkt strich sie die Haarsträhnen hinweg. Ohne mich zu fragen woher er kam, weswegen er hier war und wer er war, nahm ich seine Anwesenheit an, akzeptierte seine Erscheinung und vergass darüber hinaus den vergangenen Schrecken.
„Gegrüßest seist du, Engel der Nacht“ Immer mehr begann ich meiner selbst aufzugeben und seine Stimme tat den Rest. Mild wie Salbei, ein Heil für meine verwundete Seele, so sonor und weich, als stünde der herzensbeste Mann vor mir. Mit leicht geöffnetem Mund starrte ich ihn an, sog alles von ihm auf. Von seinem blumigen Duft, bishin zu seiner engelsgleichen Erscheinung. Es war eine seltsame Atmosphäre an ihm, die sich meiner bemächtigte und jedwede Zweifel meiner Existenz erloschen.
„Trete näher!“ Er bot mir seine Hand an, jedoch wich er vor meiner Berührung aus. Er wollte lediglich, dass ich ihm näher kam. Ich gehorchte, er befahl. Als hätte es an meiner Unterwürfigkeit nie irgendwelchen Zweifel gegeben. Es war purer Gehorsam, der mich beherrschte. Und als ich ihm nun näher war, spürte ich die magische Aura nur stärker. Sie umwaberte ihn wie buntes Licht, einzig für mich bestimmt und darauf bedacht, mich zu kontrollieren.
„Ich werde dir alles schenken, was du dir jemals erträumtest“ Es war wie ein unglaubliches Geschenk des Himmels, eine einzige Illusion die sich bewahrheitete.
„So sei es“ Die Worte kamen mir so leicht über die Lippen, als wäre es nicht meine Antwort.
„Dann folge mir mein Liebchen“ Es gab kein Nein, keinen Widerstand meinerseits. Ich zwang meine betäubten Gliedmaßen sich zu bewegen und es fühlte sich an, als würde ich schweben, als gehöre der Körper nicht länger mir. Er wandte sich nicht einmal um, die Fucht war längst vergessen. Ich war seine Gefangene, seine Liebe, seine Leibeigene, seine angebetete Sklavin. Und alle Angst war dahin und alle Sorge vergessen. Keine Frage wühlte mich auf, kein Sinn regte sich mir. Ich verspürte einzig die Sehnsucht in seiner Nähe zu sein und mich ihm willenlos zu ergeben.
Während wir liefen begannen Konturen vor meinen Augen zu verschwimmen, alles wogte, wirbelte, mischte sich, es war kein Raum mehr, nur ein einziges Gebilde von Licht, von Farben und Schlieren. Er blieb stehen. Die Konturen festigten sich wieder, ich blickte mich voll Erstaunen um. Es war ein gänzlich neuer Raum entstanden, im gothischen Stil gehalten, mit hohen, blinden Fenstern, deren Rahmen oben spitz zusammenliefen. Doch man konnte nichts erkennen, wenn man durch die Scheibe blickte. Schwärze zeichnete sich hinter ihnen ab und ich vermied es, durch sie hindurchzusehen. Der restliche Raum war mit dunklem Holz vertäfelt, die zwei kürzeren, sich gegenüberliegenden Wände waren mit grünem, edlem Samt verkleidet. Alles war verkommen, unwirklich, Spinnweben zierten das Gebälk, die Fensterrahmen und einzig ein paar große Kerzen spendeten düsteres Licht. Es war immer noch kalt und es war mir, als müsste sogleich mein Blut gefrieren. Meine Ohren erlauschten wieder den Mönchsgesang, mir wurde unheimlich und mein Geiste wollte sich befreien, sich der Macht dieses Zaubers entziehen. Doch ich schaffe es nicht, ich kann mich nicht bewegen, ich sterbe tausend Tode und doch kämpfe ich um mein Leben. Mein Atem wird immer flacher, der Ohnmacht nahe versuche ich meinen Begleiter zu erblicken, doch dieser befindet sich in einem Schatten, ich kann ihn nur verzerrt wahrnehmen. Wieder giere ich nach seiner Nähe, der Mund steht mir offen ich starre ihn an ganz unverhohlen und er lächelt sein verführendes Lächeln, streicht leicht mit der Hand durch die Luft und ich fühle mich geborgen, geschützt, will schlafen in seinem Arm.

„Sing mein Täubchen. Dein kühnster Wunsch sei dir erfüllt!“ Seine Stimme ist ebenso samten wie die Wandverkleidung, ich würde sterben für sie, sterbe für sie, die pure Versuchung. Ich schließe die Augen, spüre eine sanfte Brise, höre auf zu frieren und meine Seele entledigt sich meines Körpers, fliegt dahin. Ich weiß, dass er mich sieht, will ihn nur glücklich machen und gebe mich selbst auf.
Mein Mund öffnet sich, ich hole Luft und beginne zu singen. Es klingt nicht nach mir, es ist eine fremde Stimme, aber so wunderschön, so klingend, hell und rein, dass ich wieder zu weinen beginne. Mich übermannt die Glückseligkeit der Welt, ich bin selig, nichts kann mich glücklicher machen als dieser Moment, ich sterbe dafür. Es war der Gesang der Engel, der Engel Stimme, die himmlische Melodie! Plötzlich stockt mir die Stimme. Es knarrt, kracht, schwerer Stein wird über eine rauhe Fläche gezerrt, knirscht, knackst. Eine samtene Wand gibt Särge frei, sie schieben sich aus dunklen Löchern, die Deckel öffnen sich, ich fühle mich gefesselt. Ich kann nicht entfliehen dem grausigen Schicksal. Leichen erheben sich aus den Todesbetten, zerfleddert, zerfressen, maidg und wurmig, eine schrecklicher als die andere. Aus einigen Särgen steigen lediglich morsche Gebeine heraus, Skelette, Knochen ohne Haut und Fleisch. Das Entsetzen lähmt mich, nie habe ich abscheulicheres gesehen. Ich würge nach Luft, jemand schnürt meine Kehle. Dann rieche ich einen heiteren, rosigen Duft, es ist mein Begleiter! Ich will ihn fasse, kann ihn spüren. Erschrocken wende ich mich ihm zu. Ich kann ihn tatsächlich berühren, es ist immer noch derselbe junge Mann. Mein Körper will zu dem seinen, ich falle in seine ausgebreiteten Arme. Da erblicke ich ein weiteres Fenster, auf dessen Scheibe mit blauer, roter, gelber und weißer Farbe eine Madonna abgebildet ist. Die heilige Jungfrau und ein schimmerndes Licht fällt durch ihr Gesicht auf den Steinboden. Die Armee der Finsternis nähert sich, ich erinnere mich an meinen Gott, an die Rettung die mir bleibt, reiße mich aus den Armen der Versuchung und beginne für ihn zu singen. Ave Maria singe ich, Ave Maria und weiter nichts. Der Klang hüllt mich in Wärme, in helles Licht, ich empfinde Stärke, Sicherheit, Geborgenheit. Die Leichen starren, schreien, kreischen und jammern, Orgeltöne erschallen, scheinen sie zu töten. Sie zerfallen zu Staub, zu Asche, der Lärm betäubt meine Ohren, doch ich singe weiter. Etwas lässt mich schwach werden, der Staub verformt sich, sie weren böse, wandern auf mich zu, unaufhörlich.

“Stop!“ Es hallt von den hohen Wänden wider, ich höre auf zu singen, die Abscheulichen halten inne, das Knurren verklingt. Mein Begleiter schwebt auf mich zu, lächelt mich an, berührt sanft meine Wange und ich spüre einen Moment Totenkälte.
„Alles sollst du haben, meine Puppe“ Das war ich. Seine Marionette, willenlos, seelenlos, körperlos.
Ein Schatten meiner selbst, ein einziger Hauch Luft, unwichtig. Ich fühle mich gut. Der
Raum wird heller, Gold bedeckt Wände, bedeckt die Fenster, die Madonna, bedeckt alles. Alles Gold.
Ich beginne zu singen.
Menschen erscheinen, alles wirkt neblig, düster, undurchsichtig. Sie tragen rote, ausladende Kleider, weiße Perücken, grüne Uniformen, singen mit mir das Lied der Lieder und ich vergehe in meiner eigenen Sehnsucht, meinem Verlangen nach Verführung. Zerschmelze in mir selbst, verklebe, fliege mit der Melodie. Alles dreht sich, alles zerfließt. Mein Herz explodiert, als wir singen, Gänsehaut bedeckt meinen Körper, eine Art erotischer Erregtheit zerreißt ihn, der schwarze Mann umschlingt meinen Körper, ich fühle wieder, fühle alles. Und ich bin verführt!
Das Lied endet, ebbt langsam ab, die Menschen um mich her werden zu leisem Hintergrundgesang. Ein Sarg wird hereingetragen. Er ist größer als alle anderen, prächtig verziert, wirkt pompös, für eine Königin gemacht. Er ist nicht aus Holz, sondern aus Porzellan. Das reine weiß schimmert im Licht der Kerzen. Alle Angst ist tot, ich fühle mich gut, strotze vor Glück, kann den Blick nicht von dem Sarg wenden. Nie, so empfinde ich, habe ich etwas schöneres, kunstvolleres gesehen als diesen Sarg. Ausgekleidet ist er mit weißen, samtenen Kissen, wirkt einladend und ich brenne.
„Du bist so müde Kind, leg dich zum schlafe nieder“ Die Stimme schwingt, meine Augenlider werden schwer, die Glieder bleiern, Müdigkeit wächst in mir, schwächt mich. Einladend sieht er aus, der weiße Sarg.
„Schlafen sollst du, Liebste“ Er lächelt nicht mehr. Er streicht nur zärtlich über mein Haar, sein Finger zeichnet meine Lippen nach und er hebt meinen Kopf an. Vereinen will ich mich mit ihm, nichts sehnlicher wünsche ich mir, alles vergessen. Ich nicke, gehe auf den Sarg zu, leise beginnt eine Frau zu singen. Mein Blick schweift, alle lachen, stumm, nicken mir zu, deuten auf den Sarg, alle laden mich ein zu schlafen. Und ich bin doch so müde. Ich wende mich um, der schwarze Mann lacht, entblößt seine makellosen Zähne und ist engelsgleich schön. Der Kreis um mich wird enger, alle lachen und tanzen und wirbeln, sie wollen mich. Ich hebe langsam ein Bein und stelle es in den Sarg. Der Kreis wird enger...
xXxX


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04.03.2009 21:25 Startpost-Retter ist offline Beiträge von Startpost-Retter suchen Nehmen Sie Startpost-Retter in Ihre Freundesliste auf
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