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Zum Ende der Seite springen Traumberuf Tierarzt
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Mephisto Mephisto ist weiblich
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Ich kann nur jedem, der in den Kleintierbereich oder in Richtung Pferd möchte (wie also rund 95% der Erstis) von einem VetMed Studium in Deutschland abraten. Da Bedarf an Fachkräften in diesen Bereichen ist mehr als ausreichend gedeckt. Die Verdienstmöglichkeiten sind, angesichts der Studiendauer und des [finanziellen] Aufwandes, lächerlich, auch wenn man sich nicht auf ein Intership (das in der Regel auf 400 Euro-Basis stattfindet) einlässt. Im Kleintierbereich hat man also im Prinzip die Wahl zwischen einer Klinikanstellung als Assistenzarzt oder einer Praxiseröffnung. Letzteres dürfte nach dem Studium für die wenigsten in Frage kommen, weil erstmal Bafög und Studienkredite zurückgezahlt werden müssen, sofern man finanziell nicht unterstützt wurde. Ein Großteil meiner Mitstudenten hat sich gegen einen Nebenjob entschieden, sodass da teilweise eine Verschuldung von bis zu 50.000 Euro während des Studiums entsteht. Keine Bank dieser Welt gewährt bei einer deartigen finanziellen Situation einen Kredit. Abgesehen davon gibt es in den meisten Großstädten bereits viel zu viele niedergelassene Tierärzte. Ich kann allein von meinem Wohnort hier in Leipzig vier Kleintierpraxen bequem zu Fuß erreichen. Keine besonders rosigen Aussichten für Kleintierinteressierte. Für Tierärzte existieren keinerlei Tarifverträge, sodass in Kliniken extrem niedrige Löhne gezahlt werden. Schlechte Arbeitsbedingungen, 700 Euro netto, haufenweise unbezahlte Überstunden. Keine Ausnahme, sondern die Regel. Und da es immer Assistenzärzte geben wird, die für die paar Kröten arbeiten, wird sich an den finanziellen Gegebenheiten in Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht viel ändern. Bedauerlicherweise lassen sich viele Studenten einreden, dass die nach dem Studium noch nicht praktizieren können, weil sie ja noch so wahnsinnig viel zu lernen hätten. In der Tat hat man als Studtent irgendwie immer das Gefühl zu wenig Praxiserfahrung zu sammeln, es ist aber keineswegs so, dass man nach bestandenem Staatsexamen erstmal dringend ein Intership zu lächerlichen Konditionen nötig hätte.
Ich habe [außerhelab des Studiums] in Pferdekliniken selbst noch keine Praktikas durchgeführt und entsprechend auch keinen näheren Kontakt zu den Angestellten gehabt, laut Mitstudenten und Absolventen soll die Situation hier aber noch drastischer sein, als im Kleintierbereich. Hier gibt es anscheinend zwar Nischen (nahmhafte Kliniken für Hochleistungspferde, Anstellung bei der FEI...), aber als Otto-Normal-Assistenzarzt ist da wahrscheinlich kaum ein Reinkommen möglich. Und mit Pferdebesitzern möchte ich persönlich nicht arbeiten. Ich reite leider selbst zur Zeit nicht, aber was ich da allein im Rahmen meines Studiums schon für merkwürdige Besitzer erlebt habe, muss ich nach meinem Staatsexamenen nicht haben. Prinzipiell ist immer der Tierarzt Schuld, es wird wahnsinnig viel diskutiert und mit Halbwissen um sich geworfen... woah.

In Deutschland besteht dafür großer Bedarf im Nutztierbereich, leider können sich nur wenige Studenten für Rinder, Schweine oder Hühner begeistern. Allerdings sind die Arbeitsbedingungen wesentlich besser (im Rahmen der Bestandsbetreuung sind geregelte Arbeitszeiten, abgesehen von Notfällen, üblich), der Verdienst ist um einiges höher. Dazu gehört im Normalfall natürlich, dass man auf's Land zieht und mit eigenwilligen Bauern umgehen kann. In kleineren privaten Betrieben wird man in der Regel erst gerufen, wenn's gar nicht mehr anders geht. Es ist zwar so, dass viele Bauern durchaus wissen, was sie tun, in gewissen Dingen aber beratungsresistent reagieren. Erst recht, wenn eine Frau vor ihnen steht, die nicht etwa in einem Kuhstall, sondern in der Stadt aufgewachsen ist. Zudem ist das etwaige Vertrauen schnell weg. Hier brauchts nicht nur Fachwissen, sondern Durchsetzungsvermögen, Fingerspitzengefühl und ein dickes Fell. Kleintierbesitzer sind zwar auch nicht immer einfach, aber die halten hier Tier eben auch nicht aufgrund von wirtschaftlichen Aspekten. Frau Müller zahlt ohne mit der Wimper zu zucken 500 Euro für operative Eingriffe an ihrem Meerschwein, obwohl sie an der nächsten Ecke für 30 Euro ein gesundes Tier aus dem Zoofachhandel bekommen könnte. Wenn sich die Behandlung für den Bauern nicht lohnt, findet sie halt nicht statt - da darf man als Tierarzt nicht heulend daneben stehen und den Rinderwirt wegen seiner Entscheidung verurteilen.
In modernen Betrieben mit großen bis sehr großen Beständen sieht die Sache schon wieder anders aus, da ist man allein oder mit einem Kollegen für mehrere hundert Tiere verantwortlich und stationär tätig. Wenn man der Meinung ist, dass etwas gemacht werden muss, wird es halt gemacht. Bei größerem finanziellen Aufwand mahlen zwar auch hier die Mühlen der Bürokratie, im Wesentlichen kann man aber selbstständig arbeiten.

Das Studium selbst ist kein Zuckerschlecken, vor allem die ständigen Testate schlauchen sehr. Mein Freund studiert Germanistik und Geschichte und hat bisher in jedem Semester ein sehr viel geringeren Lernaufwand gehabt als ich. Mir wird von anderen Studenten oft vorgehalten, dass unsere Vorlesungen ja keine Pflichtveranstaltungen sind, aber was ändert das? Schön, muss der Ersti um 8 Uhr also nicht zur Botanik-Vorlesung gehen, wenn er nicht will, aber der Stoff muss trotzdem sitzen. Bis zum Physikum hat man mit lebenden Tieren fast gar nichts zu tun, sondern ist nur mit Auswendiglernen, präparieren und aufschneiden beschäftigt. Wer zur Abwechslung mal ein nicht totes Tier vor sich haben will, muss seine Wahlpflichtfächer entsprechend legen, sonst sieht's da schlecht aus. Die Praxis kommt dann erst ab dem 5. Semester, mit Klinkrotation und so weiter. Bis dahin muss man aber erstmal kommen.
Zudem wird der Fokus an den deutschen Unis sehr auf den Bereich der Kleintiere bzw. der Pferde gelegt. Mir persönlich passt das überhaupt nicht und ist meiner Meinung nach eine Erklärung für den Mangel an Nutztierärzten hierzulande. Wer Nutztiere den Kleintieren vorzieht muss die Wahlpflitchfächer nutzen und die Semesterferien mit Praktikas füllen. Auch wenn man als Nutztierinteressierter in Leipzig besser aufgehoben ist als an manch anderer Universität (in Berlin und München beispielsweise möchte ich nicht studieren), kommt dieser Bereich eindeutig zu kurz. Stattdessen rotieren wir monatelang im Kleintierbereich und müssen uns die vermeintlichen Vorzüge eines Interships anhören.
Ich wollte damals eigentlich in Großbritannien studieren, wurde auch zu einem Interview an meiner Wunschuni eingeladen, allerdings war mein Englisch in dieser Situation ein wenig holprig, da habe ich Kultur- und Sprachschock einfach unterschätzt und habe entsprechend keinen Platz bekommen. Ich werde Deutschland aber nach dem Studium in jedem Fall verlassen. Im europäischen Ausland verdiene ich nicht nur besser, die Arbeitsbedingungen sind fairer, außerdem wird man meiner Einschätzung nach nicht so behandelt, wie ein Humanmediziner dritter Klasse (so nach dem Motto, "Für ein Medizinstudium hat dein Abi wohl nicht gereicht, was?").

Für wen das Ausland nicht in Frage kommt, dem würde ich die Humanmedizin ans Herz legen. Assistenzärzte steigen mit 4000 bis 4500 plus Zuschlägen, Weihnachts- und Urlaubsgeld ein, dass ist immernoch das Doppelte von dem, was ein Nutztierarzt verdient. Man sieht nach dem Studium einer gesicherten Zukunft entgegen, vom VetMed-Studium kann man das leider nicht behaupten. Man sollte sich halt die Frage stellen, warum es unbedingt Tiermedizin sein muss. Will ich mit Tieren arbeiten? Dann lernt Tierpfleger oder Pferdewirt, der Verdienst ist der selbe, wenn nicht sogar noch besser. Mit dem Unterschied, dass ihr euch nicht durch sechs Jahre schlauchendes und teures Studium quälen müsst. Ich habe Interesse an medizinischen Sachverhalten? Dann geht in die Humanmedizin und leistet euch von eurem Gehalt zwei Pferde und einen Hund und werdet glücklich. Als Tierarzt ist es zunächst ersteinmal fraglich, ob ihr überhaupt das Geld für ein Pferd habt, die meisten Assistenzärzte haben Probleme, ihre eigene Miete zu zahlen.

Ins außereuropäische Ausland kann man als Tierarzt übrigens nicht einfach gehen. In den USA, in Australien und Neuseeland beispielsweise kann man sich mit dem deutschen Staatsexamenen den Hintern abwischen und müsste das Studium dort jeweils komplett von vorne beginnen. Auch wenn die USA ein gutes Auswanderungsziel wären, da verdient man als VetMed oft besser als die Humanmediziner.
Wer in Deutschland Tiermedizin studiert und nicht ins Ausland möchte, ist also entweder gnadenloser Optimist, verdammt naiv, einfach nur dämlich oder hat finanzielle Unterstützung auf Lebenszeit durch wen oder was auch immer sicher. Betrachtet man das Studium und die Berufsaussichten ohne jede Sentimentalität absolut nüchtern, gibt es eigentlich keinen Grund, sich für diesen Spießrutenlauf zu entscheiden. Dann doch lieber Germanistik und Geschichte, zwar ebenso überlaufen und wenig aussichtsvoll, aber mit sehr viel weniger Streß und zeitlichem sowie finanziellem Aufwand verbunden.


Für Rechtschreibfehler, fehlende oder verdrehte Wörter möchte ich mich entschuldigen, hab zu wenig geschlafen <.<
26.10.2010 10:13 Mephisto ist offline Beiträge von Mephisto suchen Nehmen Sie Mephisto in Ihre Freundesliste auf MSN Passport-Profil von Mephisto anzeigen
Ayala Ayala ist weiblich
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Super schöner, realistisccher Bericht - danke Mephisto smile

__________________


- Pünktchen - Eventing for lifetime -

Umgangsregeln mit meinem Pferd:
1. Beschäftige es, oder es beschäftigt dich!
2. Tut sich nix, gibt's nicht!
3. Nicht für Allergiker oder Personen mit Bluthochdruck geeignet
4. Gut gebrüllt ist halb bestraft
5. Nimm ihn mit Humor (:


26.10.2010 10:21 Ayala ist offline Beiträge von Ayala suchen Nehmen Sie Ayala in Ihre Freundesliste auf Fügen Sie Ayala in Ihre Kontaktliste ein
Bille Bille ist weiblich
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Zitat:
Original von Ayala
Super schöner, realistischer Bericht - danke Mephisto smile


Dito. smile

Ist jemand interessiert an einem Bericht über die Berufschancen für Tierärzte in England?
Da könnte ich nämlich einiges beisteuern, mittlerweile smile
26.10.2010 12:54 Bille ist offline Beiträge von Bille suchen Nehmen Sie Bille in Ihre Freundesliste auf Fügen Sie Bille in Ihre Kontaktliste ein
YellowMonster
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26.10.2010 14:25 YellowMonster ist offline E-Mail an YellowMonster senden Beiträge von YellowMonster suchen Nehmen Sie YellowMonster in Ihre Freundesliste auf
Mephisto Mephisto ist weiblich
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Als Assistenzarzt der Humanmedizin kann man sich seinen Arbeitsplatz aber praktisch aussuchen, wenn man bereit ist, den Wohnort zu wechseln. Kirchliche Einrichtungen zahlen zum Beispiel in der Regel etwas weniger. Kommt halt drauf an, wo man was machen möchte und welchen Preis man bereit ist zu zahlen. Ich hätte glaube ich keine Lust auf eine riesige Klinik mit strengen hirachischen Strukturen und Ellenbogenmentalität. Aber das große Geld gibt es halt normalerweise genau dort.

Ich kann eigentlich nur jedem von einem VetMed-Studium hierzulande abraten. Amerika wäre wie gesagt ein gutes Pflaster, auch wenn es für einen Ausländer kaum realisierbar ist, dort zu studieren. Die nahmhaften Unis (Cornell University beispielsweise) müssen ihres Rufes wegen zwar eine gewisse Anzahl an nicht amerikanischen Studenten aufnehmen, die Anzahl beläuft sich je nach Studiengang aber offensichtlich nicht mal auf eine Hand voll. Die Studiengebühren sind mit den deutschen Beiträgen gar nicht zu vergleichen. Für Amerikaner ist so ein Studium auch ohne elterliche Unterstützung recht gut zu finanzieren, weil es ein großes Angebot an Stipendien gibt, die Banken bereitwilliger Kredite gewähren als bei uns oder gar eine Finanzierung direkt über die Uni möglich ist. Als VetMed verdient man in den USA halt auch wesentlich besser als bei uns. Deren Stipendien werden zu sehr großem Teil nicht an Ausländer vergeben, ohne Staatsbürgerschaft gibt es auch keinen Kredit da drüben (und bei einer deutschen Bank wird man höchstens ausgelacht, schätze ich) und keine Unifinanzierung. Bleibt also die Frage, wer die Gebühren zahlen soll. Und leben muss man ja auch noch irgendwie.
Fakt ist aber, dass die Amerikaner mit dem deutschen Staatsexamen nichts anzufangen wissen. Es gibt keinerlei Anerkennungsabkommen, wie es innerhalb Europas der Fall ist. Du müsstest in der Tat nochmal komplett von vorne studieren. Da von deinem deutschen Studium nicht mal das Physikum anerkannt wird, kannst du auch nicht einfach irgendwelche Prüfungen ablegen. Ohne Schein keine Prüfungen. Ohne Unibesuch kein Schein. Ich bezweifel, dass sich daran demnächst etwas ändern wird, ist ja nicht so, dass Amerika nach deutschen Tierärzten schreit.

Wegen München - ich habe meinen Satz im vorherigen Post gerade nochmal gelesen, dass kommt ziemlich falsch rüber. Berlin ist für den Nutztierbereich in der Tat am wenigsten zu empfehlen, gegen München aber kann man diesbezüglich nichts sagen. Zumindest nichts, was man den restlichen Standorten nicht auch vorwerfen könnte. Warum München da steht? Ich persönlich würde dort niemals studieren, das hat aber keine fachlichen Gründe. Keine Ahnung, warum ich das mit in die Klammer geschrieben habe. Hatte vorher lange gelernt, sorry verwirrt

Ich studiere übrigens in Leipzig und bin im 5. Semester. Eigentlich wäre ich jetzt bereits im 7. Semester, bin nach dem Physikum aber für ein halbes Jahr an eine britische Uni gegangen (was übrigens trotz Europa gar nicht so einfach war, diese elitären Briten). Ausschlaggebend war übrigens meine überdruchschnittliche Physikumsnote. Bis zum Physikum lautet bei den meisten Studenten ja die Devise "Hauptsache bestanden". Durchaus nachvollziebar, zählt ja nicht für's Staatsexamen. So geht es in der Regel auch immer nur darum, irgendwie durch's Physikum zu kommen, egal mit welcher Note. Wer sich bereits während des Studiums in Richtung Ausland orientieren will, sollte von dieser Einstellung Abdstand nehmen. Das britische Ausbildungssystem für VetMeds ist nicht so richtig mit unserem zu vergleichen, zumal die Unis sehr individuell lehren dürfen, da es keine einheitliche Ausbildungsverordnung gibt, wie hier in Deutschland. Es werden praktisch die großen Eckpfeiler vorgegeben, den Rest können die Universitäten selbst umsetzen. Sehr bezeichnend zum Beispiel, dass das Studium in Cambridge ein Jahr länger dauert als an allen anderen Standorten und generell irgendwie anders ist. In Deutschland undenkbar. Ich hab mich um das Auslandssemester selbst gekümmert. Die Universitäten haben ja glaube ich alle Partnerprogramme mit diversen Ländern, weiß ehrlich gesagt gerade gar nicht, welche das in Leipzig sind. Jedenfalls will man im Ausland halt irgendwas sehen, irgendwas messbares. Und da sollte die Physikumsnote nicht unbedingt eine 4 sein. Ich hätte nach dem Auslandssemesterin in London in Leipzig nicht ins 6. Semester einsteigen können, die Lerninhalte waren an beiden Unis im 5. Semester zu unterschiedlich. Also musste ich ein halbes Jahr warten. Statt hier dumm rumzusitzen, habe ich eine Praktikumsstelle in England angenommen und dort für 4 Monate in einer Rinderklinik gearbeitet. Ich war übrigens geradezu überwältigt, was ich alles machen durfte. Nach 4 Semestern in Deutschland kann man bedauerlicherweise nicht unbedingt viel. Nicht viel Praktisches. Böse Zungen behaupten, jede tiermed. Fachangestellte im ersten Lehrjahr hat mehr praktische Erfahrungen als ein VetMed Student nach zwei Jahren. Jedenfalls wurde ich dort voll integrieret und war nicht etwa für's Putzen zuständig.
Ich hätte in London gerne weitergemacht, aber das ist im Moment für mich nicht zu finanzieren. Damals hätte ich die Chance auf ein Stipendium gehabt, aufgrund der dämlichen Fristen hier in Deutschland habe ich es allerdings nicht bekommen, weil ich, vermutlich aufgrund meines eher holprigen Englischs während des Interviews, keine Direktzusage erhalten habe. Stattdessen hat man mir einen Platz angeboten, wenn es mir gelingen würde, bis zum Studienbeginn ein dem Anspruch des Studiums entsprechendes adäquates Englisch vorzuweisen. Meinem potenziellen Geldgeber war das zu schwammig, er hat dann in jemand anderen investiert. Ohne das Stipendium hatte sich die Sache dann für mich erledigt, da ich keine Finanzierungsmöglichkeit gefunden habe. Meine deutsche Hausbank hatte meinen Kreditantrag abgelehnt. An dieser Stelle muss man auch mal daran denken, dass dieser Kredit für einen Platz an einer europäischen Eliteuni gewesen wäre. Wenn's für Cambridge kein Geld gibt, für welche Uni denn dann?

Was ich damit eigentlich sagen will - wer ein sehr gutes Abitur macht, sollte sich nach einem Stipendium umsehen. In Deutschland gibt es, im Vergleich zu anderen Ländern, zwar nicht so wahnsinnig viele Angebote, aber versuchen sollte man es auf jeden Fall. Und wer sowieso ins Ausland möchte sollte nach einer Möglichkeit suchen, gleich in seinem Wunschland zu studieren. Das britische Schulsystem ist mit dem deutschen gar nicht zu vergleichen (eher im Lichtjahre besser, finde ich). In Deutschland kann man ja im Prinzip auch ohne Naturwissenschaften in den Leistungskursen VetMed studieren. So à la Leistungskurse Deutsch und Geschichte, Chemie ganz abgewählt, vier Semester Grundkurs Bio mit nie mehr als 11 Punkten, Physik nur zwei Semester mit jeweils 8 Punkten. Wenn am Ende dennoch ein ordentlicher Schnitt bei rum kommt, weil man in allen anderen Fächern glänzt, hat man den Studienplatz trotzdem. In Großbritannien funktioniert das so nicht. Unser Kurssystem der Oberstufe ist zwar nicht ins britische Bildungssystem übertragbar, wer aber in seinen letzten beiden Schuljahren seine Schwerpunkte nicht eindeutig in die Naturwissenschaften legt, hat auch keine Chance auf einen VetMed-Platz. Wer sich mit seinem deutschen Zeugnis in England bewerben will, sollte also seine Kurse entsprechend wählen und natürlich sehr gut Englisch sprechen sowie schreiben können. Mein Englisch war in der 12. Klasse auf C1-Niveau (in Berlin gabs das Abi damals erst nach 13 Jahren), ich hab das Interview trotzdem vergeigt, weil so unglaublich nervös war. Waren meine Mitbewerber zwar auch, die konnten aber zumindest in ihrer Muttersprache reden. In diesem Zusammenhang sollte man sich übrigens auch mit Dialekten auseinandersetzen. Einer der mit gegenübersitzenden Herren hat so merkwürdig gesprochen, dass ich mich im ersten Moment gefragt habe, ob der wirklich Englisch spricht. Mit dem, was ich von meiner Lehrerin bisher gehört hatte, hatte das nämlich so gar nichts zu tun.

Ich sag mal so - ich würde heute nicht nocheinmal VetMed hier in Deutschland studieren. Ich habe über die Abiturbestenquote damals direkt einen Platz an meiner Erstwunschuni Leipzig bekommen, jetzt im Nachhinein denke ich mir manchmal, dass ich mit meinem Abi auch etwas Besseres hätte anfangen können. Ich war im zweiten Jahr stellenweise echt wahnsinning frustriert, so viel blanke Theorie. Ohne das Auslandssemester und das tolle Praktikum in England hätte ich nach dem Physikum wahrscheinlich abgebrochen. Ich habe mir unter dem Studium keinen Streichelzoo vorgestellt und bin realistisch an die Sache herangegangen. Wenn man sich aber mal Ausbildungssysteme in anderen Ländern anschaut, eben zum Beispiel das in Großbritannien, bekommt man echt graue Haare. Nunja, jetzt im 5. Semester geht es auch endlich mit der Praxis los, zur Zeit ist meine Stimmung noch recht positiv.

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Mephisto: 29.10.2010 10:27.

29.10.2010 10:17 Mephisto ist offline Beiträge von Mephisto suchen Nehmen Sie Mephisto in Ihre Freundesliste auf MSN Passport-Profil von Mephisto anzeigen
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