Blümchen
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Die Welt ist taktlos | 3. Kapitel |
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KAPITEL 1
Sie mochte die Limonade abgestanden, deshalb drehte ich den Deckel, der in der Spüle lag, auch nicht wieder auf die Flasche. Wenn Mama frische Getränke kaufte, schüttelte sie eine Flasche oft, bevor sie sie öffnete, damit möglichst viel Kohlensäure austrat. Ich mochte das Zischen, wenn sie es tat. Schon allein deshalb war ich zufrieden damit, dass sie Wasser oder Fanta nicht mit weniger Kohlensäure kaufte, insofern es das gab. Ich wusste das nicht, ich war nie mit gewesen, bei ihren geheimen Einkäufen. Geheim nannten Mayrill und ich sie deshalb, weil Mama uns nie mitnahm, selbst wenn wir darum bettelten. Und Betteln konnte Mayrill wirklich gut. Sie hatte große, runde, kastanienbraune Augen. Wenn sie mich ansah, erinnerte sie mich immer an ein Reh. Woher Mary diese Augen hatte, wusste ich nicht. Aber fest stand, dass sie nicht aus Mamas Familie waren. Denn in der hatten alle blaue Augen, so wie ich. Mama hatte regelrechte Saphieraugen und ich mochte es, wenn sie mich damit ansah. Das war, als trinke man, nachdem man drei Stunden in der Wüste gewandert war.
Ich lächelte die Limo an und die Frau auf dem Papier, das um die Flasche gewickelt war, lächelte zurück. Sie hatte schmale Lippen und eine hohe Stirn, über der einzelne blonde Strähnen hingen. Eine längere davon reichte beinah über ihre grünen Augen. In der Mitte ihres schmalen Gesichtes glänzte eine kleine Nase hervor, die mit dem Mund mitzulächeln schien.
Hätte sie keine grüne Augen gehabt, hätte sie mir ähnlich gesehen. Aber so sah sie nicht einmal Mayrill ähnlich.
"Was guckst du da an?" Mary lugte durch die Tür, die einen Spalt weit offen stand. Ich verabschiedete mich von der Blondine auf der Flasche und drehte mich zu ihr um. "Wieso schläfst du nicht?" Die kleine Brünette legte den Kopf schief und zog die Mundwinkel ein wenig nach unten. Ihre Rehaugen sahen mich an und ich konnte kaum glauben, dass sie einer 4-jährigen gehörten.
"Geh ins Bett, Mary. Wenn Mama wiederkommt und dich hier sieht, wird sie sauer sein..." Sie rümpfte die Nase. Obwohl ich vermutete, dass sie sich meiner Aufforderung widersetzte, drehte sie sich um und verschwand. Ich hörte für Sekunden wie ihre nackten Füße auf das Pakett klatschten.
Sie waren gerade mal so groß wie meine Hände. Ich betrachtete sie und drehte die linke Handfläche meinem Gesicht zu. Irgendwann, früher, in der Zeit, an die ich mich nicht erinnern konnte, hatte ich auch einmal so kleine Füße gehabt. Aber nie ihre Rehaugen.
Plötzlich überkam mich eine Lustfülle nach einer Dusche von Gefühlen. Der über mich einbrechende Drang schob mich aus dem Wohnzimmer in den Flur. Vom Flur in Marys Zimmer. Sie lag in ihrem Bett und sah mich aus den braunen Augen an, lächelte aber nicht.
"Soll ich dir was vorlesen?" Fragte ich und spürte wie sehr sich Mayrill nach jemandem sehnte, der nicht war. Aber der ich versuchte zu sein.
Sie nickte vorsichtig und legte ihr schmales Gesicht in das rote Kissen. Das ließ sie so blass und krank wirken. So hatte ich sie lange nicht mehr gesehen.
Ich setzte mich zu ihr auf die Bettkante und nahm ein Buch von der kleinen Komode an der Wand.
"Die kleine Sonja und der große Feuerwind..." Mary begann stumm zu wimmern. Wieso musste das Buch so beginnen?
Ich legte meine Hand auf ihr braunes Haar und strich sanft darüber. Ihr Kopf bebte und wenn ich vermutete, dass sie durch das Zittern gleich zerrissen werden würde, schluchzte sie ganz laut. Dann war für kurze Zeit wieder alles still, bis ein noch lauteres Schluchzen die unsichtbaren Trauerfäden, die überall im Raum verteilt schwebten, zerriss.
"Schon gut, schon gut... alles wird gut." Ich beugte mich über sie und versuchte mit meinem Geist ihren zu erreichen. Aber es gelang mir nicht. Sie war zu weit fern, in irgendeiner Welt, die sich vor mir versperrte.
"Alles wird wieder gut." Hauchte ich irgendwo zwischen ihrem Ohr und der Nase und schloss selbst die Augen. Was in ihrem Kopf vorging wusste ich nicht, aber selbst ein Blinder würde jetzt sehen, dass ihr Herz blutete und sie sich in der Angst befand den Grund für ihr blutendes Herz noch einmal durchleben zu müssen.
Sekunden vergingen. Minuten vergingen. Eine Stunde verging. Und dann trocknete die letzte Träne, die über ihre Wange geflossen war. Ihre Rehaugen waren getrübt und das grauenvolle Buch lag immernoch auf meinem Schoß.
"Lass es uns irgendwo vergraben. Irgendwohin bringen, wo es nie jemand findet." "Es... es wird immer jemand finden." Ihre Finger tasteten sich hilfesuchend auf meinen Schoß, als ihre Spitzen den Buchrücken berührten, zuckte sie zusammen und zog ihre Hände wieder zu sich.
"Irgendwann, Mary, das verspreche ich dir, wird es keiner mehr finden. Nie mehr." "Woher weißt du das?" "Ich weiß es einfach." Sie schloss die Augen und lehnte ihren kleinen Kopf gegen meine Schulter.
Einfach vergessen, für immer das vergessen, was sie erleben musste. Ich wünschte es ihr so sehr, dem unschuldigen Mädchen mit den Rehaugen.
Der Schlüssel drehte sich im Schloss um. Ein Knarren. Dann hörte ich die Schritte einer Frau. Der Frau, die Mary so liebte - die mich so liebte.
Inzwischen hatte das kleine Mädchen die Rehaugen geschlossen und schlummerte seelig vor sich hin. Ich strich ihr noch einmal über den kleinen Kopf und verließ dann ihr Zimmer. Meine Schritte waren fast lautlos, aber ich war mich sicher, dass meine Mutter mich kommen hörte. Sie hörte und fühlte alles was ich tat. Demnach überraschte es mich auch nicht, dass sie mich begrüßte, bevor ich überhaupt den Raum betreten hatte.
"Wie geht es Mayrill?" Ich lehnte die Tür zum Flur nur an und sah dann zu Mama. "Gut." Meinte ich und wusste, dass es nicht stimmte. Aber alles andere hätte Mama nur beunruhigt. Und das wollte ich nicht, sie schien tagsüber schon genug Problemen ausgesetzt zu sein.
"Schläft sie?" Ich nickte und lächelte schwach als meine Mutter einen Apfel in zwei Teile zerschnitt und mir die eine Hälfte reichte. "Du siehst müde aus, wieso gehst du nicht schlafen? Hast du morgen keine Schule?" Am liebsten hätte ich ihr gestanden, dass ich sowieso erst zur dritten Stunde hin - und in der fünften wieder heimgehen würde, doch mein gesunder Menschenverstand ließ mich dieses Detail verschweigen. "Doch, ich bin noch nicht müde." Ihr Blick durchbohrte mich und ich musste wegsehen, um nicht auf der Stelle in Tränen auszubrechen und um Verzeihung zu flehen. Weil ich so schrecklich dumm war, so eine schreckliche zweite Mutter, so eine schreckliche Schülerin... so eine schreckliche Tochter.
Im Stillen hoffte ich jetzt, dass meine Mutter mir sagte, dass das nicht so war. Doch stattdessen schwieg sie und kaute seelenruhig ihre Apfelhälfte, die sie samt den Kernen aufaß.
Ich hatte den Blick immernoch gesenkt, auch als sie langsam Richtung Tür schlenderte. Ihr Blick fixierte mich immernoch, ich sah ihre Saphieraugen direkt vor mir, obwohl ich auf den Boden starrte.
"Parry, ist alles okay?" Ein schwaches Nicken bekam sie als Antwort. Vermutlich war es das, was sie sich erhofft hatte. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass sie sich tatsächlich für meine Probleme interessierte oder vor hatte, sich mit diesen auseinander zu setzen. Verständlich, fand ich, denn immerhin war sie den ganzen Tag weg und schien nicht gerade erholt, wenn sie spät abends nach Hause kam. Dass sie dann keine Zeit mehr für meine lächerlichen Launen hatte, war klar. Ich konnte es ihr nicht übel nehmen. Oder?
"Ich gehe schlafen, du solltest das auch tun." In diesem Augenblick hasste ich ihre mütterliche Art. Wieso versuchte sie gerade jetzt wie eine zu sein, wo ich sie fast ersetzt hatte? Mary brauchte sie gar nicht mehr. Mary hatte mich, sie hatte eine Mutter, die für sie da war. Die für all ihre Probleme offen war und sich Zeit für sie nahm. Wieso musste Mama jetzt so tun als wäre sie um mich besorgt? Um uns? Um das Kind mit den schönsten Rehaugen, die es gibt und mich, das launische Mädchen?
Ich ballte meine Hände zu Fäusten, sodass meine Fingernägel mir in die Handfläche schnitten. Der Schmerz tat gut, er ließ mich vergessen, was ich gerade eben gedacht hatte und, dass meine Mutter den Raum längst verlassen hatte. Verlassen.
Erst nach einigen Minuten löste ich die Faust wieder auf und atmete tief ein, als der Schmerz mich verließ. Es war krank, sich selbst Qualen zuzufügen und ich wusste, dass ich das nicht tun durfte. Mary würde alles darum geben, keine zu empfinden. Ich durfte nicht so egoistisch sein und mir sie mit Absicht zufügen, wo sie so unter welchen litt, für die sie nichts konnte. Nichts. Unschuldig.
Das war auch der Grund, weshalb ihr diese Rehaugen so gut standen. Rehe taten niemandem etwas und ihre Blicke waren immer liebevoll und unschuldig, egal was man mit ihnen anstellte. Genau wie Mary. Sie hatte so viel durchlebt, in jener Nacht. Viel mehr, als ich mir hätte vorstellen können. Und sie hatte viel mehr gelitten, als ich es jetzt tat. Das war der Grund, weshalb ich nun nicht herum stehen und mich selbst bemitleiden durfte.
Ich zwang mich selbst zur Disziplin, zwang mich zu lautlosen Schritten, die mich in mein Zimmer führten. In diesem Augenblick wagte ich nicht die Besenkammer zu verfluchen, in der ich schlief, sondern forderte mich dazu auf, dankbar zu sein, dass ich überhaupt einen Platz zum Schlafen hatte. Es gab so viele Rehaugenkinder, die keinen hatten. Die durstig und hungrig auf dem Boden schliefen und jedem Wetter ausgesetzt waren. Ich war dankbar. Dankbar, dass ich nicht leben musste wie sie. Zumindest tat ich, als wäre ich es.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, kitzelten mich keine Sonnenstrahlen an der Nase, wie es bei der kleinen Sonja und dem großen Feuersturm vermutlich der Fall war. Es war ein Kinderbuch wie jedes andere. Es entsprach nicht der Realität und spiegelte weder meines, noch Marys Leben wieder. Das meiner Mutter erst recht nicht.
In der Küche brannte Licht, Mama hatte vergessen es auszuschalten. Die Limo neben der Spüle war verschwunden und mit ihr die schöne Blondine, die uns allen wegen ihrer Augen nicht ähnlich sah. Ich vermisste ihr Lächeln.
Mit einem Blick auf die Uhr vergewisserte ich mich, dass ich nicht pünktlich zur ersten Stunde in der Schule sein würde. Die hatte schon seit 30 Minuten begonnen und Mary schlummerte noch. Bis zum Kindergarten würden wir zu Fuß eine halbe Stunde brauchen und bis ich Mayrill überredet hätte, dass sie jeder wegen ihrer Rehaugen mochte und nicht wegen ihrer Fehler hasste, würde noch einmal die gleiche Zeit vergehen. Deshalb musste ich mich beeilen und sie wecken, ihr Brot schmieren und ihre zweite Mama sein, obwohl sie das nicht wollte. Und obwohl es nicht meine Aufgabe war und das keiner von mir verlangte. Möglicherweise tat ich es, weil ich mich für etwas schuldig fühlte, für das ich keine Schuld hatte.
Ich öffnete die Tür zu ihrem Zimmer leise und lächelte ihren schlafenden Rehaugen zu. "Guten Morgen, Sonnenschein..." Es war ein Hauch, wie ein Frühlingswind, der frischen Blütenduft mit sich brachte.
Eine braune Flut von Hoffnung blinzelte mir entgegen. Sie würde sie nie verlieren, da war ich mir sicher.
"Müssen wir schon los?" Ich schüttelte den Kopf. "Noch nicht, aber gleich. Steh auf und komm in die Küche." Mein Blick glitt zum Kleiderschrank. Massiv und alt stand er neben der Tür und freute sich darüber, dass er damals mit dem Schrecken davon gekommen war. Er war verschont geblieben, wieso nicht Mary?
"Legst du mir was raus?" Ein Nicken bekam der kleine Engel als Antwort, ich zog die zwei schweren Türen auseinander und betrachtete die wenigen Sachen, die mir zur Auswahl standen. Mary würde sich in schöneren Klamotten nicht wohler fühlen, dachte ich mir und zog wahllos etwas aus dem Schrank und warf es ihr aufs Bett. Wie sie aussah spielte keine Rolle. Ich wollte, dass jeder sah, dass sie schön war, ohne perfekt zu sein.
Als die kleine Brünette sich langsam aus ihrer Bettdecke wickelte und nur schweren Herzens ihr Bett zurück ließ, in dem sie sich so sicher fühlte, verließ ich den Raum, um in der Küche ihr Brot vorzubereiten. Kornflakes kamen bei uns nicht auf den Tisch. Das einzige, in Mamas Augen Ungesunde, was es bei uns gab, war Limonade. Und die trank nur sie, sonst keiner. Unter anderem auch, weil wir beide keine abgestandenen Getränke mochten und lieber Wasser mit viel Kohlensäure tranken, als ihr durchgeschütteltes Gesöff.
Ich schnitt zwei große Stücke von dem Vollkornbrot ab und belegte sie mit zwei größeren Scheiben Salami, sodass die Wurst von den Stücken herrunterhing und einen jämmerlichen Eindruck machte. Dass ich mich daran nicht störte, lag an meiner Einstellung. Die, die ich bekommen hatte, um nicht jeden Tag aufzuwachen und mein Leben zu verfluchen.
Fünf Minuten bevor wir regulär das Haus verlassen mussten und ich mich schon angezogen und eine kleine Tasche mit Schulsachen vollgestopft hatte, packte ich Marys Brote in eine Dose und hörte gleichauf wie ihre nackten Füße auf den Boden klatschten. Platsch. Platsch. Platsch.
"Zieh dir Schuhe an!" Rief ich ihr kopfschüttelnd zu und warf einen flüchtigen Blick zur Uhr. Die Zeit lief gegen uns, wir hatten noch zwei Minuten, dann mussten wir auf der Straße stehen.
"Müssen wir gehen?" Sie stand hinter mir. Ich hörte ihre Stimme ganz klar, ihre süße, hohe Stimme. Und ihre Rehaugen glänzten vermutlich, weil Tränen darin standen. Sie tat mir so Leid, so schrecklich Leid.
"Parry, müssen wir gehen?" Fragte sie nochmal und ich wusste, dass ich, wenn ich mich jetzt umdrehte, zu Brei zerfloss, weil ich mir nichts sehnlicher wünschte, als sie lächelnd zu sehen. Und weil es mir das Herz zerschnitt, dass ihre Rehaugen vor Angst und Schmerz glänzten, nicht vor Freude.
"Wir müssen." Es war verständlich, dass sie keine andere Antwort erwartet hatte. Und genauso verständlich, dass sie augenblicklich mehr schmerzte, als alles andere auf der Welt.
"Ich habe Angst." Sagte ihre hohe Stimme und die kleine Hand grabschte nach meiner. Sie wollte mich berühren, wollte mich sagen hören, dass wir nicht gehen mussten, wenn sie nicht wollte. Aber das konnte ich ihr nicht sagen. Ebenso wenig wie Mama mir versichern konnte, dass ich kein schrecklicher Mensch war.
Wir standen draußen. Mit zehn Minuten Verspätung. Die hätten wir aufholen müssen, vielleicht, indem wir im Dauerlauf zum Kindergarten stürmten. Aber derzeit hatte ich nicht die Kraft dafür. Und Mary vermutlich auch nicht.
Ihre Finger umschlangen meine, sie drückte ihre verschwitzte Hand ganz fest zu. "Wir müssen uns beeilen oder?" Gefügig ging sie neben mir her, wiederholte ihre Frage nicht, als ich nicht antwortete. Vielleicht ahnte sie, was in meinem Kopf vorging. Dass ich mir vorwarf die schlechteste Mutter zu sein, die es gab. Und der schrecklichste Mensch, weil ich ein kleines Rehaugenkind zwang, in den Kindergarten zu gehen, in den es nicht wollte. Und wieso?
Ich sah kurz auf sie herab. Jeder wusste es, man brauchte sie nur anzusehen und schon war klar, weshalb sie sich scheute, unter Leute zu gehen und woraus ihre Angst bestand. Die Angst, nicht akzeptiert zu werden.
Auf dem Weg zum Kindergarten kamen wir an vielen Häusern vorbei, wir liefen neben einer befahrenen Straße. Einige Autos verlangsamten ihr Tempo, als sie an uns vorbei fuhren und deren Passagiere gafften aus ihren Fenstern. Nicht, um mich zu betrachten, sondern Mayrill. Sie tat mir Leid, dass sie Aufmerksamkeit auf sich zog, die sie fürchtete, doch gleichzeitig war in mir etwas froh, nicht an ihrer Stelle zu sein. Es war das, was ich mich so schrecklich machte.
Das kleine Mädchen an meiner Seite versuchte die Blicke zu ignorieren, die zu dutzenden auf sie vielen. Doch das Unbehagen, das in ihren Rehaugen lag, konnte sie nicht verbergen. Jeder sah, wie sie litt und trotzdem konnte sich keiner zu der Disziplin zwingen, sie nicht genauer anzusehen. Nicht zwei - oder dreimal, sondern einmal.
Sie waren taktlos, lebten nach der falschen Musik und ich fragte mich, ob nicht ich der schreckliche Mensch war, sondern sie. Weil ich ohne sie nie so denken würde - und Mary nicht leiden müsste.
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Dieser Beitrag wurde 28 mal editiert, zum letzten Mal von Blümchen: 16.05.2008 15:30.
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02.05.2008 17:26 |
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Puella

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RE: Die Welt ist taktlos | 1. Kapitel |
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Na, dann werde ich mal den Anfang machen
Tja... jetzt wollte ich deinen Text zitieren und vielleicht die ein oder
anderen kleinen Fehler anstreichen - aber ich habe keine gefunden.
Wirklich, ein wunderschöner Text.
Mir gefällt es bis hierhin sehr gut.
Schön <3
Werde bestimmt weiterlesen.
Magst du vielleicht eine kleine Gegenbewertung abgeben?
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02.05.2008 17:56 |
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Blümchen
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02.05.2008 17:59 |
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Puella

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RE: Die Welt ist taktlos | 1. Kapitel |
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Zitat: |
Original von Blümchen
KAPITEL 1
[...]
Ich legte meine Hand auf ihr braunes Haar und strich sanft darüber. Ihr Kopf bebte und wenn ich vermutete, dass sie durch das Zittern gleich zerrissen werden würde, schluchzte sie ganz laut. Dann war für kurze Zeit wieder alles still, bis ein noch lauteres Schluchzen die unsichtbaren Trauerfäden, die überall im Raum verteilt schwebten, zerriss.
"Schon gut, schon gut... alles wird gut." Ich beugte mich über sie und versuchte mit meinem Geist ihren zu erreichen. Aber es gelang mir nicht. Sie war zu weit fern das hört sich etwas merkwürdig an. Vielleicht lieber 'entfernt', in irgendeiner Welt, die sich vor mir versperrte.
"Alles wird wieder gut." Hauchte ich irgendwo zwischen ihrem Ohr und der Nase und schloss selbst die Augen. Was in ihrem Kopf vorging wusste ich nicht, aber selbst ein Blinder würde jetzt sehen, dass ihr Herz blutete und sie sich in der Angst befand den Grund für ihr blutendes Herz noch einmal durchleben zu müssen.
Sekunden vergingen. Minuten vergingen. Eine Stunde verging. Und dann trocknete die letzte Träne, die über ihre Wange geflossen war. Ihre Rehaugen waren getrübt und das grauenvolle Buch lag immernoch auf meinem Schoß.
"Lass es uns irgendwo vergraben. Irgendwohin bringen, wo es nie jemand findet." "Es... es wird immer jemand finden." Ihre Finger tasteten sich hilfesuchend auf meinen Schoß, als ihre Spitzen den Buchrücken berührten, zuckte sie zusammen und sich ihre Hände wieder zu sich. ... "und sich ihre Hände wieder zu sich"? Kleiner Tippfehler (;
"Irgendwann, Mary, das verspreche ich dir, wird es keiner mehr finden. Nie mehr." "Woher weißt du das?" "Ich weiß es einfach." Sie schloss die Augen und lehnte ihren kleinen Kopf gegen meine Schulter.
Einfach vergessen, für immer das vergessen, was sie erleben musste. Ich wünschte es ihr so sehr, dem unschuldigen Mädchen mit den Rehaugen.
Der Schlüssel drehte sich im Schloss um. Ein Knarren. Dann hörte ich die Schritte einer Frau. Der Frau, die Mary so liebte - die mich so liebte.
Inzwischen hatte das kleine Mädchen die Rehaugen geschlossen und schlummerte seelig vor sich hin. Ich strich ihr noch einmal über den kleinen Kopf und verließ dann ihr Zimmer. Meine Schritte waren fast lautlos, aber ich war mich sicher, dass meine Mutter mich kommen hörte. Sie hörte und fühlte alles was ich tat. Demnach überraschte es mich auch nicht, dass sie mich begrüßte, bevor ich überhaupt den Raum betreten hatte.
"Wie geht es Mayrill?" Ich lehnte die Tür zum Flur nur an und sah dann zu Mama. "Gut." Meinte ich und wusste, dass es nicht stimmte. Aber alles andere hätte Mama nur beunruhigt. Und das wollte ich nicht, sie schien tagsüber schon genug Problemen ausgesetzt zu sein.
"Schläft sie?" Ich nickte und lächelte schwach als meine Mutter einen Apfel in zwei Teile zerschnitt und mir die eine Hälfte reichte. "Du siehst müde aus, wieso gehst du nicht schlafen? Hast du morgen keine Schule?" Am liebsten hätte ich ihr gestanden, dass ich sowieso erst zur dritten Stunde hin - und in der fünften wieder heimgehen würde, doch mein gesunder Menschenverstand ließ mich dieses Detail verschweigen. "Doch, ich bin noch nicht müde." Ihr Blick durchbohrte mich und ich musste wegsehen, um nicht auf der Stelle in Tränen auszubrechen und um Verzeihung zu flehen. Weil ich so schrecklich dumm war, so eine schreckliche zweite Mutter, so eine schreckliche Schülerin... so eine schreckliche Tochter.
Im Stillen hoffte ich jetzt, dass meine Mutter mir sagte, dass das nicht so war. Doch stattdessen schwieg sie und kaute seelenruhig ihre Apfelhälfte, die sie samt den Kernen aufaß.
Ich hatte den Blick immernoch gesenkt, auch als sie langsam Richtung Tür schlenderte. Ihr Blick fixierte mich immernoch, ich sah ihre Saphieraugen direkt vor mir, obwohl ich auf den Boden starrte.
"Parry, ist alles okay?" Ein schwaches Nicken bekam sie als Antwort. Vermutlich war es das, was sie sich erhofft hatte. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass sie sich tatsächlich für meine Probleme interessierte oder vor hatte, sich mit diesen auseinander zu setzen. Verständlich, fand ich, denn immerhin war die lieber 'sie' den ganzen Tag weg und schien nicht gerade erholt, wenn sie spät abends nach Hause kam. Dass sie dann keine Zeit mehr für meine lächerlichen Launen hatte, war klar. Ich konnte es ihr nicht übel nehmen. Oder?
"Ich gehe schlafen, du solltest das auch tun." In diesem Augenblick hasste ich ihre mütterliche Art. Wieso versuchte sie gerade jetzt wie eine zu sein, wo ich sie fast ersetzt hatte? Mary brauchte sie gar nicht mehr. Mary hatte mich, sie hatte eine Mutter, die für sie da war. Die für all ihre Probleme offen war und sich Zeit für sie nahm. Wieso musste Mama jetzt so tun als wäre sie um mich besorgt? Um uns? Um das Kind mit den schönsten Rehaugen, die es gibt und mich, das launische Mädchen?
Ich ballte meine Hände zu Fäusten, sodass meine Fingernägel mir in die Handfläche schnitten. Der Schmerz tat gut, er ließ mich vergessen, was ich gerade eben gedacht hatte und, dass meine Mutter den Raum längst verlassen hatte. Verlassen.
Erst nach einigen Minuten löste ich die Faust wieder auf und atmete tief ein, als der Schmerz mich verließ. Es war krank, sich selbst Qualen zuzufügen und ich wusste, dass ich das nicht tun durfte. Mary würde alles darum geben, keine zu empfinden. Ich durfte nicht so egoistisch sein und mir welche mit Absicht zufügen, wo sie so unter welchen litt, für die sie nichts konnte. Zweimal 'welche' - klingt nicht ganz so schön. Nichts. Unschuldig.
Das war auch der Grund, weshalb ihr diese Rehaugen so gut standen. Rehe taten niemandem was ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube 'was' ist Umgangssprache. Ausgeschrieben würde es 'etwas' heißen
und ihre Blicke waren immer liebevoll und unschuldig, egal was man mit ihnen anstellte. Genau wie Mary. Sie hatte so viel durchlebt, in jener Nacht. Viel mehr, als ich mir hätte vorstellen können. Und sie hatte viel mehr gelitten, als ich es jetzt tat. Das war der Grund, weshalb ich nun nicht herum stehen und mich selbst bemitleiden durfte.
Ich zwang mich selbst zur Disziplin, zwang mich zu lautlosen Schritten, die mich in mein Zimmer führten. In diesem Augenblick wagte ich nicht die Besenkammer zu verfluchen, in der ich schlief, sondern forderte mich dazu auf, dankbar zu sein, dass ich überhaupt einen Platz zum Schlafen hatte. Es gab so viele Rehaugenkinder, die keinen hatten. Die durstig und hungrig auf dem Boden schliefen und jedem Wetter ausgesetzt waren. Ich war dankbar. Dankbar, dass ich nicht leben musste wie sie. Zumindest tat ich, als wäre ich es. |
Ja, wie gesagt ich mag deine Geschichte sehr gerne.
Gefällt mir ausgesprochen gut. Und die "Fehler" die ich angestrichen habe, sind meistens nur Flüchtigkeitsfehler, oder Geschmacksache.
Außerdem muss ich, im Gegensatz zu den anderen sagen, dass gerade diese Fragen,
was das arme Kind durchgemacht haben muss, etc., die Geschichte noch lesenswerter machen.
Man möchte sehr gerne herausfinden, warum es Mary so schwer hat.
Ich finde es schön, wenn es noch unbekannte, wichtige Details in einer Geschichte gibt,
die dem Leser nicht gleich zu Beginn an den Kopf geknallt werden.
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03.05.2008 12:30 |
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Puella

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RE: Die Welt ist taktlos | 1. Kapitel |
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Ja, wie gesagt, ich finde es schön, wenn der Leser auch noch einmal
die Möglichkeit wahrnehmen kann, sich selbst etwas bei dem Lesen zu denken.
Und ich glaube ich habe auch schon eine kleine Vermutung, um was es gehen
könnte, aber ich will mich lieber noch etwas zurückhalten. xD
Zum weiteren ersten Kapitel:
Zitat: |
Original von Blümchen
[...]
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, kitzelten mich keine Sonnenstrahlen an der Nase, wie es bei der kleinen Sonja und dem großen Feuersturm vermutlich der Fall war. Es war ein Kinderbuch wie jedes andere. Es entsprach nicht der Realität und spiegelte weder meines, noch Marys Leben wieder. Das meiner Mutter erst recht nicht.
In der Küche brannte Licht, Mama hatte vergessen es auszuschalten. Die Limo neben der Spüle war verschwunden und mit ihr die schöne Blondine, die uns allen wegen ihrer Augen nicht ähnlich sah. Ich vermisste ihr Lächeln. Schön aufgegriffen mit der Blondinenlimo :}
Mit einem Blick auf die Uhr vergewisserte ich mich, dass ich nicht pünktlich zur ersten Stunde in der Schule sein würde. Die hatte schon seit 30 Minuten begonnen und Mary schlummerte noch. Bis zum Kindergarten würden wir zu Fuß eine halbe Stunde brauchen und bis ich Mayrill überredet hätte, dass sie jeder wegen ihrer Rehaugen mochte und nicht wegen ihrer Fehler hasste, würde noch einmal die gleiche Zeit vergehen. Deshalb musste ich mich beeilen und sie wecken, ihr Brot schmieren und ihre zweite Mama sein, obwohl sie das nicht wollte. Und obwohl es nicht meine Aufgabe war und das keiner von mir verlangte. Möglicherweise tat ich es, weil ich mich für etwas schuldig fühlte, für das ich keine Schuld hatte.
Ich öffnete die Tür zu ihrem Zimmer leise und lächelte ihren schlafenden Rehaugen zu. "Guten Morgen, Sonnenschein..." Es war ein Hauch, wie ein Frühlingswind, der frischen Blütenduft mit sich brachte.
Eine braune Flut von Hoffnung blinzelte mir entgegen. Sie würde sie nie verlieren, da war ich mir sicher.
"Müssen wir schon los?" Ich schüttelte den Kopf. "Noch nicht, aber gleich. Steh auf und komm in die Küche." Mein Blick glitt zum Kleiderschrank. Massiv und alt stand er neben der Tür und freute sich darüber, dass er damals mit dem Schrecken davon gekommen war. Er war verschont geblieben, wieso nicht Mary?
"Legst du mir was raus?" Ein Nicken bekam der kleine Engel als Antwort, ich zog die zwei schweren Türen auseinander und betrachtete die wenigen Sachen, die mir zur Auswahl standen. Mary würde sich in schöneren Klamotten nicht wohler fühlen, dachte ich mir und zog wahllos etwas aus dem Schrank und warf es ihr aufs Bett. Wie sie aussah spielte keine Rolle. Ich wollte, dass jeder sah, dass sie schön war, ohne perfekt zu sein.
Als die kleine Brünette sich langsam aus ihrer Bettdecke wickelte und nur schweren Herzens ihr Bett zurück ließ, in dem sie sich so sicher fühlte, verließ ich den Raum, um in der Küche ihr Brot vorzubereiten. Kornflakes kamen bei uns nicht auf den Tisch. Das einzige, in Mamas Augen Ungesunde, was es bei uns gab, war Limonade. Und die trank nur sie, sonst keiner. Unter anderem auch, weil wir beide keine abgestandenen Getränke mochten und lieber Wasser mit viel Kohlensäure tranken, als ihr durchgeschütteltes Gesöff.
Ich schnitt zwei große Stücke von dem Vollkornbrot ab und belegte sie mit zwei größeren Scheiben Salami, sodass die Wurst von den Stücken herrunterhing und einen jämmerlichen Eindruck machte. Dass ich mich daran nicht störte, lag an meiner Einstellung. Die, die ich bekommen hatte, um nicht jeden Tag aufzuwachen und mein Leben zu verfluchen.
Fünf Minuten bevor wir regulär das Haus verlassn verlassen mussten und ich mich schon angezogen und eine kleine Tasche mit Schulsachen vollgestopft hatte, packte ich Marys Brote in eine Dose und hörte gleichauf wie ihre nackten Füße auf den Boden klatschten. Platsch. Platsch. Platsch.
"Zieh dir Schuhe an!" Rief ich ihr kopfschüttelnd zu und warf einen flüchtigen Blick zur Uhr. Die Zeit lief gegen uns, wir hatten noch zwei Minuten, dann mussten wir auf der Straße stehen.
"Müssen wir gehen?" Sie stand hinter mir. Ich hörte ihre Stimme ganz klar, ihre süße, hohe Stimme. Und ihre Rehaugen glänzten vermutlich, weil Tränen darin standen. Sie tat mir so Leid, so schrecklich Leid.
"Parry, müssen wir gehen?" Fragte sie nochmal und ich wusste, dass ich, wenn ich mich jetzt umdrehte, zu Brei zerfloss, weil ich mir nichts sehnlicher wünschte, als sie lächelnd zu sehen. Und weil es mir das Herz zerschnitt, dass ihre Rehaugen vor Angst und Schmerz glänzten, nicht vor Freude.
"Wir müssen." Es war verständlich, dass sie keine andere Antwort erwartet hatte. Und genauso verständlich, dass sie augenblicklich mehr schmerzte, als alles andere auf der Welt. Sie schmerzte? Ich weiß nicht so ganz, ob das hier Sinn ergibt. Könntest du es mir erklären? (;
"Ich habe Angst." Sagte ihre hohe Stimme und die kleine Hand grabschte nach meiner. Sie wollte mich berühren, wollte mich sagen hören, dass wir nicht gehen mussten, wenn sie nicht wollte. Aber das konnte ich ihr nicht sagen. Ebenso wenig wie Mama mir versichern konnte, dass ich kein schrecklicher Mensch war. |
Ja - wie du siehst, hab ich nichts gefunden. ^^'
Also, wieder sehr schön geschrieben.
Ich glaube so langsam werde ich ein heimlicher Fan von dir.
Aber... pscht
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03.05.2008 17:20 |
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Puella

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RE: Die Welt ist taktlos | 1. Kapitel |
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Achso, ... vielleicht sollte ich das ein oder andere Mal besser aufpassen beim Lesen.
Ich dachte das 'schmerzen' bezieht sich auf Mary.
Aber danke für die Erklärung, jetzt kommen Langsame wie ich wieder mit xD
Zitat: |
Original von Blümchen
KAPITEL 1
Wir standen draußen. Mit zehn Minuten Verspätung. Die hätten wir aufholen müssen, vielleicht, indem wir im Dauerlauf zum Kindergarten stürmten. Aber derzeit hatte ich nicht die Kraft dafür. Und Mary vermutlich auch nicht.
Ihre Finger umschlangen meine, sie drückte ihre verschwitzte Hand ganz fest zu. "Wir müssen uns beeilen oder?" Gefügig ging sie neben mir her, wiederholte ihre Frage nicht, als ich nicht antwortete. Vielleicht ahnte sie, was in meinem Kopf vorging. Dass ich mir vorwarf die schlechteste Mutter zu sein, die es gab. Und der schrecklichste Mensch, weil ich ein kleines Rehaugenkind zwang, in den Kindergarten zu gehen, in den es nicht wollte. Und wieso?
Ich sah kurz auf sie herab. Jeder wusste es, man brauchte sie nur anzusehen und schon war klar, weshalb sie sich scheute, unter Leute zu gehen und woraus ihre Angst bestand. Die Angst, nicht akzeptiert zu werden.
Auf dem Weg zum Kindergarten kamen wir an vielen Häusern vorbei, wir liefen neben einer befahrenen Straße. Einige Autos verlangsamten ihr Tempo, als sie an uns vorbei fuhren und deren Passagiere gafften aus ihren Fenstern. Nicht, um mich zu betrachten, sondern Mayrill. Sie tat mir Leid, dass sie Aufmerksamkeit auf sich zog, die sie fürchtete, doch gleichzeitig war in mir etwas froh, nicht an ihrer Stelle zu sein. Es war das, was ich mich so schrecklich machte. hört sich irgendwie seltsam an. Vielleicht 'das, was mich so schrecklich machte'?
Das kleine Mädchen an meiner Seite versuchte die Blicke zu ignorieren, die zu dutzenden auf sie vielen. Doch das Unbehagen, das in ihren Rehaugen lag, konnte sie nicht verbergen. Jeder sah, wie sie litt und trotzdem konnte sich keiner zu der Disziplin zwingen, sie nicht genauer anzusehen. Nicht zwei - oder dreimal, sondern einmal.
Sie waren taktlos, lebten nach der falschen Musik und ich fragte mich, ob nicht ich der schreckliche Mensch war, sondern sie. Weil ich ohne sie nie so denken würde - und Mary nicht leiden müsste. |
Schöner Abschnitt, auch wenn nichts wesentliches neues darin vorkam.
Aber meine Vermutung passt sogar immer noch zu dem Text.
Wer weiß, vielleicht tipp ich ja richtig.
Wenn ja, dann Hut ab, bisher 'verheimlichst' du es ziemlich gut.
Zitat: |
kapitel 2
Mitternacht. Alles war dunkel, bis auf das eine Haus. Hell erleuchtet hob es sich von allen anderen ab, tagsüber hatte es das nie getan. Es war ein weißes Reihenhaus mit dunkelrotem Dach und einer kleinen Einfahrt, in der jeden Tag gegen 8 Uhr ein blauer Golf parkte. Hinter dem Haus lag ein kleiner Garten, er war nicht größer als zwei Parkplätze eines Supermarktes. Doch die beiden Kinder des Hauses spielten gerne dort. Meist nachmittags, wenn die Große aus der Schule kam und die Kleine aus dem Kindergarten. Sie verstanden sich gut, doch Streit blieb nicht aus. Sei es um das Spielzeug oder den schöneren Platz im Sandkasten.
Ein Mann lebte dort nicht. Die Mutter brachte auch nie welche mit nach Hause, das wusste Berthilda, die rechte Nachbarin der Familie, ganz genau. Sie verbrachte ihre freien Stunde damit, vom Fenster aus alles genau zu beobachten. Das brachte ihrem Renterleben Rentnerleben (; ein wenig Spannung ein. Sie versuchte sich mal in das kleine Mädchen mit den größsten braunen Augen, die sie je gesehen hatte, hineinzuversetzen und mal in eine der beiden anderen. Berthilda überlegte sich, wie sie an deren Stelle handeln würde und freute sich, wenn eine der Dreien genau das tat, was sie auch getan hätte. Diejenige nannte sie dann weise, weil sie sich selbst für unheimlich schlau und geschickt hielt.
Monika dachte nicht so über sie, war aber trotzdem dankbar, dass sie da war. Denn dadurch, dass sie immer ein Blick auf ihr Haus hatte, wusste sie, dass ihre Töchter in Sicherheit waren, während sie weg war.
Und sie war lange weg. Viel zu lange, ihrer Meinung nach. Sie hätte gerne mehr Zeit mir ihren beiden Lieblingen verbracht und Parry bei den Hausaufgaben geholfen. |
Ah... ein Personenwechsel (:
Auch ein schöner Abschnitt, wenn vielleicht auch nicht so detaillreich, wie
die ersten.
Was mich interessieren würde, spielt Berthilda in der weiteren Geschichte noch eine Rolle,
also außer die der Zuschauerin?
Vielleicht willst du das ja auch noch gar nicht preisgeben...
Abwarten
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03.05.2008 18:14 |
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Puella

Mitglied
 

Dabei seit: 26.10.2005
Beiträge: 483
Herkunft: - Germany -
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Bisher konnte ich mich zumindestens eigentlich recht gut in die Person einfühlen. Aber mehr Gefühle dürfen's trotzdem sein
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02.05.2008 18:03 |
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Blümchen
:)
 

Dabei seit: 29.12.2006
Beiträge: 1.141
Themenstarter
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02.05.2008 18:16 |
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Felixx
Mitglied
 

Dabei seit: 30.05.2005
Beiträge: 2.321
Herkunft: Österreich / Wien
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Ist ein wirklich wundervoller Text, sehr berühernd, bleibt im Gedächniss hängen - und macht Lust auf mehr. Also: weiter!!!
PS: Nur eine Kleinigkeit: Ich setzte mich zu ihr auf die Bettkante und nahm ein kleines Buch von der kleinen Komode an der Wand. zweimal "klein"?
Liebe Grüße, Lisi
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02.05.2008 20:15 |
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SweetDelilah

Freches Früchtchen
 

Dabei seit: 14.04.2008
Beiträge: 7
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Wirklich wunderschön geschrieben!
Ganz großes Lob von meiner Seite!
Freu mich schon aufs weiter lesen...
LG, Delilah
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02.05.2008 21:18 |
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euphoria

asdfghjkl
 

Dabei seit: 21.09.2007
Beiträge: 4.455
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Also mir gefällt es. Aber in meinem Kopf schwirrte dauernd diese Frage: Was hatte Mayrill alles durchgemacht? An was litt sie und weshalb?
Deswegen würde ich das in die Fortsetzung mit einbauen, weil Leser sonst die Interesse am Lesen verlieren, weil ihnen zu viele Fragen im Kopf herum schwirren.
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02.05.2008 23:30 |
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McLissy
Kein Mitglied
 
Dabei seit: 15.03.2006
Beiträge: 13.916
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Original von Elsüü on way to mars <3
Also mir gefällt es. Aber in meinem Kopf schwirrte dauernd diese Frage: Was hatte Mayrill alles durchgemacht? An was litt sie und weshalb?
Deswegen würde ich das in die Fortsetzung mit einbauen, weil Leser sonst die Interesse am Lesen verlieren, weil ihnen zu viele Fragen im Kopf herum schwirren. |
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03.05.2008 00:04 |
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Blümchen
:)
 

Dabei seit: 29.12.2006
Beiträge: 1.141
Themenstarter
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hehe danke, freut mich dass dir das gefällt
den fehler mit dem "verlassn" korrigier ich grad mal, hab leider kein word hier aufm pc und demnach muss ich immer selbst auf rechtschreibung achten
schmerzen ---> die antwort. die schmerzt, weil sie zwar mit ihr gerechnet hat, aber trotzdem noch genauso viel angst hat und sich natürlich tief im inneren gewünscht hat, dass die antwort nich kommt
ansonsten hab ichs erste kapitel jetz abgeschlossn, hab nurnoch bisschen vom weg zum kindergartn erzählt
kapitel 2
Mitternacht. Alles war dunkel, bis auf das eine Haus. Hell erleuchtet hob es sich von allen anderen ab, tagsüber hatte es das nie getan. Es war ein weißes Reihenhaus mit dunkelrotem Dach und einer kleinen Einfahrt, in der jeden Tag gegen 8 Uhr ein blauer Golf parkte. Hinter dem Haus lag ein kleiner Garten, er war nicht größer als zwei Parkplätze eines Supermarktes. Doch die beiden Kinder des Hauses spielten gerne dort. Meist nachmittags, wenn die Große aus der Schule kam und die Kleine aus dem Kindergarten. Sie verstanden sich gut, doch Streit blieb nicht aus. Sei es um das Spielzeug oder den schöneren Platz im Sandkasten.
Ein Mann lebte dort nicht. Die Mutter brachte auch nie welche mit nach Hause, das wusste Berthilda, die rechte Nachbarin der Familie, ganz genau. Sie verbrachte ihre freien Stunde damit, vom Fenster aus alles genau zu beobachten. Das brachte ihrem Renterleben ein wenig Spannung ein. Sie versuchte sich mal in das kleine Mädchen mit den größsten braunen Augen, die sie je gesehen hatte, hineinzuversetzen und mal in eine der beiden anderen. Berthilda überlegte sich, wie sie an deren Stelle handeln würde und freute sich, wenn eine der Dreien genau das tat, was sie auch getan hätte. Diejenige nannte sie dann weise, weil sie sich selbst für unheimlich schlau und geschickt hielt.
Monika dachte nicht so über sie, war aber trotzdem dankbar, dass sie da war. Denn dadurch, dass sie immer ein Blick auf ihr Haus hatte, wusste sie, dass ihre Töchter in Sicherheit waren, während sie weg war.
Und sie war lange weg. Viel zu lange, ihrer Meinung nach. Sie hätte gerne mehr Zeit mir ihren beiden Lieblingen verbracht und Parry bei den Hausaufgaben geholfen. Aber es gab etwas in ihrem Leben, das wichtiger war als die Kinder. Weil es für sie war und sie nicht ohne es hätten sein können.
In jener Nacht, die sich so tief in jedes Gedächtnis der einzelnen brannte, die sie in dieser Form miterlebt hatten, wurde Monika länger aufgehalten. Sie kam erst um 1 Uhr morgens nach Hause, in völliger Dunkelheit. Doch als sie zu Hause ankam erwartete sie kein vom Mondlicht schwach schillerndes Haus, sondern eines, das in Flammen stand. Ein Gefühl überkam sie, das man mit einer Horde Büffeln vergleichen konnte, die in den nächsten Sekunden über sie rennen und sie unter ihren Hufen zu Brei treten würden. Wie, was, wieso sie? Und vorallem, wo waren die Kinder? Von innerlicher Panik beinah zerrissen, stieß Monika die Autotür auf und musste die Augen zusammen pressen, um sie vor der Hitzeschwelle zu schützen, die jetzt über sie kam.
Wieso, was, wieso war noch keiner hier? "HILFE, HILFE, HIIILFEE!" Brüllte sie aus ihrem Herzen heraus, ballte die Hände zu Fäusten und weinte. Weinte. Brach weinend zusammen, war nicht mehr in der Lage sich zu rühren. In ihrem Kopf der eine Gedanke. Sie musste da rein, musste die Kinder retten. Musste das retten, was ihr mehr bedeutete als ihr eigenes Leben. Aber wieso konnte sie sich dann nicht rühren? Wieso!?
Mayrills Schrei ertönte in vollkommener Syncronität zu Monikas. In ihrem Kopf der eine Gedanke. Wieso war es plötzlich so heiß? Was passierte mit ihr? Das kleine Mädchen, gerade mal in der Lage sich selbst auf den Beinen zu halten, wackelte aus ihrem Zimmer. Wurde von Flammen empfangen. Wie Schlangen züngelten sie ihr entgegen, schienen sich nichts sehnlicher zu wünschen, als sie zu verschlingen.
"Mama..." Bettelte das kleine Kind unter Tränen. "Mama, mach weg... mach weg." Sie musste husten, der dichte Rauch machte ihr das Atmen schwer. "Bitte, Mama..." Ihre Mutter mochte es nicht, wenn sie nicht 'bitte' und 'danke' sagte. Und wenn sie es tat, wurde ihr Wille immer sofort angenommen. Und wieso jetzt nicht? Sie brauchte es augenblicklich viel mehr, als gestern oder den Tag davor. Oder den Tag vor diesem.
Mary streckte ihre Hand vor, wollte sich vergewissern, dass sie die Flammen nicht einfach wegstreichen konnte. Da sprang sie plötzlich schreiend zurück, schrie, schrie so laut, als müsse sie sterben. Der Schmerz, der ihre Hand verbrannte, fühlte sich so an. Als müsse sie sterben.
Mit 3 Jahren? Wieso jetzt? Wieso so früh? Wer gönnte ihr das? Wieso?
Die Fragezeichen, die in Monikas Augen standen, äußerten sich in Marys Gesicht in Form von Tränen. Sie hätte so gerne auf sie verzichtet. Würde so gerne noch in ihrem Bett liegen, ohne sich schrecklich heiß zu fühlen. Was war das? Sie hatte das noch nie erlebt. Und Mama war nicht da. Sie war weg, da, wo sie immer war. Weg.
Doch noch dachte der kleine Mensch nicht an Aufgeben. Sie hatte sich fest vorgenommen morgen von Parry aus dem Kindergarten abgeholt zu werden. Sie wollte nicht sterben. Noch nicht.
Mit neuer, erwachsener Hoffnung, die man am wenigsten von einer 3-jährigen erwartete, kämpfte sich das Mädchen voran. Flammen verbrannten ihr die Haare, sie kringelten sich vor der Wärme zusammen, stanken erbärmlich. Sie lief weiter, die Treppe hinunter. Über einige Stufen musste sie springen, sie waren schon verkohlt. Dabei hatte ihr Parry versichert, dass diese Stufen niemals unter ihr nachgeben würden. Mary hatte gefragt, woher sie das wusste. Und Parry geantwortet, sie wisse es einfach. Sie tat, als wisse sie sehr viel. Aber Mayrill wusste nun, dass das nicht stimmte.
Trotzdem schaffte sie es, obwohl die Treppe unter ihr nachgab. Mehr, als sie sich jemals hätte vorstellen können. Schaffte es die Treppe hinunter, hustend, halb erstickend. Von den Flammen zerfressen. Ihr Gesicht war unglaublich heiß, so heiß wie noch nie. Mary wünschte sich aus der Tür zu treten und in einen Pott Wasser zu springen. Aber das würde sie selbst jetzt, wo sie starb, nicht erwarten. Jetzt, wo sie sich sterbend fühlte.
Es wären noch wenige Meter zur Tür gewesen. Wären. Vorher brach das kleine Mädchen unter einem Hustenkrampf zusammen, zusätzlich von Angst und Emotionen überwältigt. Sie hatte keine Kontrolle mehr über ihren winzigen Körper, konnte keinen klaren Gedanken fassen. Jetzt nicht, gleich nicht, wahrscheinlich nie mehr.
Während sie im Halbschlaf versank und sich auf dem Boden zusammen krümmte, hörte sie die Sirenen der Feuerwehr. In dem Augenblick wusste sie, dass die Männer mit der auffälligen Kleidung heute etwas Schreckliches erleben mussten. Ob es möglich war aufzustehen und sie vorzuwarnen? Rauszurennen und ihnen mitzuteilen, dass Mayrill hier drinne starb? War es möglich?
Die Tür wurde aufgebrochen, lautes Gepolter durch den Flur, direkt auf sie zu. Feuerlöscher zischten, die Flammen sprangen zur Seite, züngelten sich fauchend in die Höhe, ein letzter Zug, ein letztes Mal an Größe gewinnen. Dann erloschen sie. Aber Marys Herz schlug unentwegt, die Lunge noch bedeckt von Angst und Rauch, aber sie lebte. Sie lebte in den Armen der Männer. Panik, die Arme des Mannes zitterten. Er hatte Angst, genau wie seine Kollegen. Die Männer, die dem Mädchen ins Gesicht griffen, an die Arme, Beine.
Sie waren so schnell gekommen. Ihre Rettung, die Rettung ihres Lieblings. Sie war noch in der Wohnung oder im Garten. War sie doch? Panik, Angst, Verständnislosigkeit gegenüber der Gerechtigkeit. Der, die es nicht gab. Wieso sie? Wieso? Wieso nicht... ihre Nachbarin! Sie gönnte es ihr nicht mehr als sich selbst, doch mehr, als ihren Kindern. Konnte man von Gönnen sprechen? Nein, konnte man nicht. Niemals, nie, keinesfalls.
Jetzt jaulten hinter ihr die Sirenen auf, das Feuerwehrfahrzeug brachte Hoffnung mit sich. Monika wusste nicht, dass es noch welche gab. Einer der Männer kam zu ihr, zog sie zu sich herum.
"Wie viele Leute sind da drinne? Seit wann brennt das Haus? Gibt es Tiere?" Monika öffnete den Mund, schloss ihn wieder und senkte den Kopf. Der Mann wiederholte seine Fragen. Einmal, zweimal, dreimal. Dann wurde er nervös, schüttelte die Frau, brüllte sie regelrecht an. Sie wusste, dass sie antworten musste, aber sie konnte nicht. Irgendetwas in ihr weigerte sich. Oder wurde von der Angst blockiert, die ihren ganzen Körper einnahm.
Mayrill, ihr Baby, sie war da drinne. In dem brennend Haus. Schon von den Flammen zerfressen, tot, schwarz vom Ruß des Feuers. Sie wollte sie nicht sehen, wollte nicht, dass Parry wiederkam. Wollte, dass sie erwachte. Aus dem schrecklichsten Alptraum ihres Lebens. Der Realität.
Die kräftigen Arme des Mannes bebten. Die Ausrüstung, die er trug, ließ ihn regelrecht unmenschlich erscheinen. Monika sah nur ein Monster kommen. Und in dessen Armen lag das schönste Kind, das es gab. Schwarz und trotzdem blass. Tot und trotzdem lebend. Hässlich und trotzdem wunderschön. Sie liebte sie, liebte sie mehr als alles andere auf der Welt. Und nun wünschte sich Monika nichts sehnlicher als ihre kleine Tochter in die Arme zu schließen. Aber der Mann, der sie immernoch mit den gleichen Fragen durchlöcherte, hielt sie zurück.
"Ist noch jemand im Haus?" Fragte er erneut, sah sie durchdringend an. "NEIN!" Es war die erste Antwort, die sie gab. "Lasst mich zu ihr, bitte, bitte..." Und die erste Forderung, die sie stellte. Sie kam aus ihrem tiefsten Inneren, es war das, was man Mutter-Tochter Liebe nannte. Eine Verbindung zweier Seelen, die unzertrennlich war.
"Ihre Tochter muss ärtzlich versorgt werden, bleiben Sie bitte bei mir." Es war, als sage man einem Zebra, dass es sich selbst dem Löwen zum Fraß vorwerfen müsse, damit die Gruppe überlebe. Eine Sache der Unmöglichkeit, etwas, was gegen die natürlichen Instinke war.
"Ich muss zu ihr, bitte, bitte! Bitte...." Ein erneuter Heulkrampf überkam sie, sie ging zu Boden, stürzte in die mächtigen Arme des Mannes. Er hielt sie ohne etwas zu sagen und streichelte ihren Kopf. Der Duft ihrer Haare hing in der Luft wie der einer Blume bei dunkler Nacht. Es war unpassend und doch auf eine gewisse Weise schön.
"Sie wird es schaffen, da bin ich mir sicher... sie ist stark, ganz sicher." Woher nahm er diese Sicherheit? Monika lechzte danach und er nahm sie einfach. Irgendwoher, wohin sie nicht kommen konnte. Nicht jetzt, nicht gleich, vielleicht nie mehr.
"Sie ist ein starkes Mädchen, das weiß ich. Sie wird kämpfen." Er sollte weiterreden, für immer. Monika mit seiner rauhen Männerstimme überschütten, bis sie ertrank und nicht mehr fühlen musste, dass etwas in ihr zerbrach. Ihr Herz, ihre Seele. Und ihr Leben.
"Es wird ausheilen, aber nicht vollständig." "Sie wird ein lebenlang an den schlimmsten Tag ihres Lebens erinnert werden." "Ja, Parry, aber auch an den schönsten." "Wieso an den schönsten? Was kann an dem Tag, an dem man beinah stirbt und für immer verstümmelt wird, so schön sein?" "Sag sowas nicht." "Was?" "Verstümmelt." "Aber was ist schön daran?" "Das beinah." Das beinah? Als wüsste Monika, was Parry dachte, antwortete sie darauf. "Sie ist beinah gestorben. Aber sie hat überlebt und an diesem Tag ein neues Leben geschenkt bekommen." "Um das sie nicht zu beneiden ist, scheiße, ihr versteht das alle nicht..." Monika seufzte. Sie verstand, was Parry meinte. Sah aber im Gegensatz zu ihr auch, dass Parry sich nur auf Äußerlichkeiten bezog. Dass sie oberflächlich war und jung und naiv.
Möglicherweise war es nur der Frust, der Parry so denken ließ. Und die Aufregung, vielleicht gemischt mit etwas Wiedersehensfreude. Und Angst. Gleich war es soweit. Der Arzt würde kommen, sie in seinem weißen Kittel empfangen und zu Parry lassen. Gekleidet wie er.
Schließlich war es soweit. "Sie können mir nun folgen, aber bitte verhalten Sie sich ruhig." Er wandte sich nur an Monika, Parry schien er nicht wahrzunehmen. Wieso? Weil sie ein Kind war? Wut staute sich auf, Wut auf ihn, auf sich selbst, auf alles und jeden. Woher sie kam, das wusste das Mädchen nicht. Aber sie war da.
"Ich lasse Sie einen Augenblick alleine." Er verschwand, aber Parrys Wut ließ nicht nach. Nicht, als sie Marry sah, nicht als sie ihr eingewickeltes Gesicht sah. Auch nicht, als sie ihr müdes Lächeln wahrnahm. Es war gemein, unfair. Und komisch sie so zu sehen. Das kleine Mädchen, ihre Schwester, mit der sie gestern im Garten gespielt hatte. Das würden sie so schnell nicht mehr wiederholen. Und nur wegen... wegen was? Wer war Schuld gewesen?
Monika sah Parrys glasigen Blick, sie wusste, dass in ihrem Kopf genauso viele Gedanken schwirrten, wie in ihrem eigenen.
Mit lautlosen Schritten trat sie näher ans Bett, ließ sich auf dessen Bettkante nieder. Ihre Tochter anzufassen war eine Sache der Unmöglichkeit. Zum Ersten, weil das komplette Mädchen in Verbände gewickelt war und zum Zweiten, weil es ihr weh tun würde. Noch mehr Schmerzen. Monika wusste, dass Mayrill davon zur Zeit genug hatte. Und später noch haben würde. Doch mit einem Unterschied. Die späteren Qualen, die sie tagtäglichen erleiden musste, würden innerlich sein, die jetzigen waren äußerlich.
Monika wusste was schlimmer war. Parry auch.
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Dieser Beitrag wurde 20 mal editiert, zum letzten Mal von Blümchen: 16.05.2008 15:26.
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03.05.2008 17:33 |
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Puella

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Na, dann will ich doch gleich mal weiterlesen
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Original von Blümchen
Aber es gab etwas in ihrem Leben, das wichtiger war als die Kinder. Weil es für sie war und sie nicht ohne es hätten sein können.
In jener Nacht, die sich so tief in jedes Gedächtnis der einzelnen brannte, die sie in dieser Form miterlebt hatten, wurde Monika länger aufgehalten. Sie kam erst um 1 Uhr morgens nach Hause, in völliger Dunkelheit. Doch als sie zu Hause ankam erwartete sie kein vom Mondlicht schwach schillerndes Haus, sondern eines, das in Flammen stand. Ein Gefühl überkam sie, das man mit einer Horde Büffeln vergleichen konnte, die in den nächsten Sekunden über sie rennen und sie unter ihren Hufen zu Brei treten würden. Wie, was, wieso sie? Und vorallem, wo waren die Kinder? Von innerlicher Panik beinah zerrissen, stieß Monika die Autotür auf und musste die Augen zusammen pressen, um sie vor der Hitzeschwelle zu schützen, die jetzt über sie kam.
Wieso, was, wieso war noch keiner hier? "HILFE, HILFE, HIIILFEE!" Brüllte sie aus ihrem Herzen heraus, ballte die Hände zu Fäusten und weinte. Weinte. Brach weinend zusammen, war nicht mehr in der Lage sich zu rühren. In ihrem Kopf der eine Gedanke. Sie musste da rein, musste die Kinder retten. Musste das retten, was ihr mehr bedeutete als ihr eigenes Leben. Aber wieso konnte sie sich dann nicht rühren? Wieso!?
Mayrills Schrei ertönte in vollkommener Syncronität zu Monikas. In ihrem Kopf der eine Gedanke. Wieso war es plötzlich so heiß? Was passierte mit ihr? Das kleine Mädchen, gerade mal in der Lage sich selbst auf den Beinen zu halten, wackelte aus ihrem Zimmer. Wurde von Flammen empfangen. Wie Schlangen züngelten sie ihr entgegen, schienen sich nichts sehnlicher zu wünschen, als sie zu verschlingen.
"Mama..." Bettelte das kleine Kind unter Tränen. "Mama, mach weg... mach weg." Sie musste husten, der dichte Rauch machte ihr das Atmen schwer. "Bitte, Mama..." Ihre Mutter mochte es nicht, wenn sie nicht 'bitte' und 'danke' sagte. Und wenn sie es tat, wurde ihr Wille immer sofort angenommen. Und wieso jetzt nicht? Sie brauchte es augenblicklich viel mehr, als gestern oder den Tag davor. Oder den Tag vor diesem.
Mary streckte ihre Hand vor, wollte sich vergewissern, dass sie die Flammen nicht einfach wegstreichen konnte. Da sprang sie plötzlich schreiend zurück, schrie, schrie so laut, als müsse sie sterben. Der Schmerz, der ihre Hand verbrannte, fühlte sich so an. Als müsse sie sterben.
Mit 3 Jahren? mit drei?... war sie nicht vier?... Vielleicht verwechsel ich jetzt einfach auch nur was, muss ich mal nachlesen. Aber ausschreiben solltest du die Zahl dennoch (; Wieso jetzt? Wieso so früh? Wer gönnte ihr das? Wieso?
Die Fragezeichen, die in Monikas Augen standen, äußerten sich in Marys Gesicht in Form von Tränen. Sie hätte so gerne auf sie verzichtet. Würde so gerne noch in ihrem Bett liegen, ohne sich schrecklich heiß zu fühlen. Was war das? Sie hatte das noch nie erlebt. Und Mama war nicht da. Sie war weg, da, wo sie immer war. Weg.
Doch noch dachte der kleine Mensch nicht an Aufgeben. Sie hatte sich fest vorgenommen morgen von Parry aus dem Kindergarten abgeholt zu werden. Sie wollte nicht sterben. Noch nicht.
Mit neuer, erwachsener Hoffnung, die man am wenigsten von einer 3-jährigen erwartete, kämpfte sich das Mädchen voran. Flammen verbrannten ihr die Haare, sie kringelten sich vor der Wärme zusammen, stanken erbärmlich. Sie lief weiter, die Treppe hinunter. Über einige Stufen musste sie springen, sie waren schon verkohlt. Dabei hatte ihr Parry versichert, dass diese Stufen niemals unter ihr nachgeben würden. Mary hatte gefragt, woher sie das wusste. Und Parry geantwortet, sie wisse es einfach. Sie tat, als wisse sie sehr viel. Aber Mayrill wusste nun, dass das nicht stimmte.
Trotzdem schaffte sie es, obwohl die Treppe unter ihr nachgab. Mehr, als sie sich jemals hätte vorstellen können. Schaffte es die Treppe hinunter, hustend, halb erstickend. Von den Flammen zerfressen. Ihr Gesicht war unglaublich heiß, so heiß wie noch nie. Mary wünschte sich aus der Tür zu treten und in einen Pott Wasser zu springen. Aber das würde sie selbst jetzt, wo sie starb, nicht erwarten. Jetzt, wo sie sich sterbend fühlte. |
Wieder kein Fehler xD
Den Teil finde ich auch recht schön, auch wenn mir die vorherigen irgendwie besser gefallen.
Vielleicht weil das mit dem Brand so plötzlich kam ... mh, ich weiß nicht.
Aber nichts destotrotz mag ich deinen Schreibstil (:
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04.05.2008 11:08 |
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Puella

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Achso, na gut, dann lassen wir uns mal überraschen
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03.05.2008 18:36 |
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