Löa

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Dabei seit: 25.04.2006
Beiträge: 572
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Kurzgeschichte: Lauf in die Unendlichkeit |
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Hallö,
Mal wieder eine Geschichte von mir. Ich persönlich mag sie, obgleich man sie gewiss hätte detailliert schreiben können. Aber nun ja, ich wüsste gerne eure Meinung dazu und wäre sehr dankbar für konstruktive und hilfreiche Kritik, die möglichst nicht auf Beleidigungen beruht. natürlich höre ich auch das eine oder andere Lob sehr gerne.
Ich hoffe ich erhalte viele Bewertungen, hier die Geschichte
LG Löa
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LAUF IN DIE UNENDLICHKEIT
Es fiel mir in jenem Augenblick schwer, zu sagen, wie lange ich bereits auf diesen Moment wartete. Es waren auf jeden Fall viele Tage, einige Wochen, zahlreiche Monate und womöglich gar eine Menge Jahre, in denen das Leben fehlte. Hinter Gitter brachte man mich, als man mich hockend neben der blutenden Leiche sah. Ich habe sie nicht umgebracht. Ich wollte ihr helfen, sehen, ob sie vielleicht durchkommt. Aber wer hört schon auf die Aussage eines armen, nichts sagenden Mannes? Es ging für sie alle nur darum, der Bevölkerung mitteilen zu können, dass jemand hinter Gitter war, damit sie sich alle am Abend mit einem verfälschten, aber doch auf groteske Art und Weise guten Gewissen in ihre Betten legen konnten. Sie alle wussten, dass sie mit dem Leben eines unschuldigen Mannes spielten, aber keiner wollte es sehen. Die Menschen hatten nie die Wahrheit sehen wollen, wenn es ihnen nur Nachteile verschaffte.
Leben. In meinen Augen ist diese Sache nur zu einem bloßen Traum geworden. Ich lebte nicht, wenngleich mein Körper funktionieren mochte, aber meine Seele trocknete mit jedem Tag weiter aus. Als fehlte ihr Wasser und die nötige Luft zum Atmen. Manchmal lag ich auf der harten Matratze und bekam das Gefühl, mir fehlte jegliche Luft. Ich glaube, dass ich stets dann kurz davor war, aufzugeben. Zu ersticken.
Aber damals war jener Moment da, auf den ich seit dem ersten Tag wartete. Jener Moment, der es mir vielleicht vergönnte, zu fliehen. Viele hatten mir gesagt, dass es unmöglich war. Man sprach nicht von einer Mauer, die man überwinden musste, sondern von weiteren Zäunen, einigen Hunden, einigen Männern mit Waffen, denen es nicht Skrupellosigkeit fehlte, mir einfach den letzten Schuss zu verpassen. Aber was hatte ich schon zu verlieren? Es war nichts. Ich konnte versuchen, in die Freiheit zu fliehen oder ich verreckte an diesem Ort. Viele hier hatten einfach Angst vor dem Tod oder Angst davor zu versagen.
Ich nicht.
Es war in jenem Moment so, als würde ich ganz einfach nach Instinkt handeln. Mein Ich schien irgendwo in meinem Innern verkapselt zu werden, als sich meine Beine nun in Bewegung setzten und ich auf das Tor zusprintete, welches sich langsam schloss. Ein Brüllen folgte mir. „HEY! STEHEN BLEIBEN!“ Aber es schien weit, weit weg zu sein. Gerade im rechten Moment passierte ich das Tor und fand doch knappe zehn Meter von mir entfernt einen weiteren Zaun vor. Stacheldraht an seinem obersten Ende. Ein schmaler Graben davor. Ich zweifelte für den Bruchteil einer Sekunde daran, dass ich es schaffen würde. Mein Ich kehrte für den Augenblick zurück, bis es erneut verdrängt wurde, als ein Knall folgte.
Ich meinte die Kugel knapp an meinem Kopf vorbeisurren zu hören. Vielleicht war es Einbildung und doch will ich nicht daran zweifeln, dass der Tod haarscharf an mir vorbei geflogen ist. Weil es wie ein Zeichen ist, weil so ist, als würde der Tod an mir vorbeifliegen, ohne zurück zu können und das hieß, ich würde es schaffen.
Erneut hechtete ich los, machte einen Satz über den Graben. Ich drohte wegzurutschen, aber ich fing mich rechtzeitig, um auf den Beinen zu bleiben. Ein Kläffen ertönte. Sie hatten die Hunde heraus gelassen. Ein weiterer Knall. Ein letzter Satz. Ein Sprung an den Zaun ich kroch einem erbärmlichen Affen gleich, die steile Wand hinauf. Jene Wand, die mich nur noch ansatzweise von der Freiheit trennte, nach der sich meine Seele schon so lange verzerrte. Ich spürte, wie sich ein paar Zähne in meinem Bein versenkten und meine Seele schrie in ihrer Panik, dass die Freiheit weggerissen werden könnte, kreischend auf. Es war wie ein Schwall an Kraft, der mich durchdrang und mir die Chance gab, meinen Fuß zu befreien. Ich riss mich los und zog mich weiter hinauf. Man könnte meinen, der Stacheldraht würde ohnehin alles versauen. Ich selber dachte es für einen kurzen Augenblick, bis ich mich dann auf irgendeine Weise hindurch gezwängt hatte. Ich schlug auf dem Boden auf, die Hunde krachten direkt an meiner Seite gegen den Zaun.
Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, in der ich einfach dalag und versuchte zu begreifen, dass ich es geschafft hatte, dass ich es überhaupt wirklich getan hatte. Ich war geflohen, ich war frei. Aber es konnten nur Sekunden gewesen sein, denn noch immer lag ein letzter Sprint vor mir. Ich musste aufgesprungen und losgerannt sein. Ich rannte in Richtung der Sonne, diesem heiligen Licht entgegen, der grüne, saftige Boden flog unter meinem Füßen nur so hinweg und diese himmlische Luft der Freiheit erfüllte meine Lunge, welche nicht nur meine Muskeln mit einer unheimlich starken Macht versorgte, sondern auch meine Seele. Es war als würde ein Knoten in meinem Innern platzten, als würde meine Seele tief durchatmen und sich von den schweren Kette, die man ihr einst angelegt hatte, befreien. Es war ein Gefühl, wie ich es bisher nie in meinem Leben empfunden hatte. Es lag eine unheimliche Stärke darin, die mir das Gefühl gab, Bäume, Berge, ganze Welten zu versetzten, zu werfen, zu ändern.
Ich wusste, sie würden mich nicht packen, denn jene Kraft, die mir allein diese göttliche Freiheit verlieh, machte mich unbesiegbar. Ich spürte nicht einmal den Schmerz der zahlreichen Schürfwunden und der Bisswunde an meinem Beinen, welches ich benutzten konnte, als wäre es gesund.
Die Erinnerungen an jenes Dasein hinter Gittern hatten sich tief in meinem Innern eingebrannt. Manchmal schmerzt es. Aber es ist gut so. Denn ich öffne jeden Morgen in meinem kleinen Haus die Augen, trete mit einer Tasse Kaffee auf die Veranda und genieße den Ausblick auf den Horizont, an dem sich die Sonne langsam hervorwagt. Die Welt glich der Unendlichkeit.
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30.10.2007 13:56 |
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Hornisse

Dum amo vivo
 

Dabei seit: 22.07.2005
Beiträge: 4.286
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ich finde es ganz gut, ein paar mal ungluecklich formuliert vielleicht, aber insgesamt gefaellt es mir.
ich stehe ueberhaupt nicht auf happy endings, aber das ist ja geschmackssache, und danach kannst du dich ja nicht richten
ich fuer meinen teil haette der geschichte an folgender stelle eine wendung gegeben, und irgendwie hatte ich sie auch erwartet:
Zitat: |
Ich rannte in Richtung der Sonne, diesem heiligen Licht entgegen, der grüne, saftige Boden flog unter meinem Füßen nur so hinweg und diese himmlische Luft der Freiheit erfüllte meine Lunge, welche nicht nur meine Muskeln mit einer unheimlich starken Macht versorgte, sondern auch meine Seele. |
da habe ich kurz daran gedacht, dass dieses eine nahtoderfahrung ist, und der mann doch getroffen wurde und grade stirbt (von wegen ins licht gehen, fliegen, ohne schmerzen..) irgendwie haette ich es wahnsinnig gut gefunden, wenn es so gewesen waere, er also am ende der geschichte tot ist. das wahre ende (kleines haus, tasse kaeffe, veranda) wirkt fuer mich hingegen ein wenig plump, aber vllt ist das auch nur meine auffassung, weil ich eben irgendwie stark diesen anderen schluss erwartet hatte.
so frage ich mich am ende der story, warum sie ihn nicht wieder gefasst haben, wie er sich einfach so eine neue existenz aufbaue konnte usw. hm, weiss auch nciht
aber ich finds nicht schlecht.
bin gespannt, was andere sagen.
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Life isn't about waiting for the storm to pass. It is about learning how to dance in the rain.
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30.10.2007 19:29 |
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Löa

Mitglied
 

Dabei seit: 25.04.2006
Beiträge: 572
Themenstarter
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Danke an euch beiden
Ich habe bewusst nicht beschrieben, wie er [oder halt sie] weiter rennt, sich womöglich versteckt, man nach ihm sucht, aber ihn nicht findet und er die Chance hat, beispielsweise in ein anderes Land zu fliehen. Bewusst nicht geschrieben, dass er einen Job findet, sich hoch ackert, ein neues Leben hat.
In meinen Augen ist das alles unwichtig. Es kommt einfach nur auf dieses Gefühl an, dieses Gefühl, dass endlich alle Lasten weggefallen sind, dass man frei ist, dass einen nichts mehr aufhalten kann.
Es kam mir auch auf die Tatsache an, dass man nicht aufhören sollte zu hoffen, weil es immer irgendeinen Ausweg gibt, dass man frei sein kann, wenn man sich nur entschließt dafür zu kämpfen, daran festzuhalten.
Und ich wollte ein Happy End. Man kann sagen, dass zu viele Geschichten damit enden und viel zu viele Filme ebenfalls. Aber das Leben der meisten Menschen endet nur selten mit einem Happy End. Und deshalb sollte es hier sein.
Und ich wollte, dass er lebt, weil ich darauf aufmerksam machen wollte, wie wenige Menschen ihre Freiheit noch zu schätzen wissen. Viel zu wenige. Wann schauen wir schon gen Horizont und werden uns bewusst, was wir alles machen können? Wie viel Glück wir haben? Wie reich wir sind und damit spreche ich nicht von dem Reichtum in Form von Geld. Wir denken doch immer nur daran, wie schrecklich unser Leben ist, was falsch ist, was wir nicht da haben wollen, wie gerne wir jetzt irgendwo ganz, ganz weit wegen wären, um alle Probleme beseitigen zu können. Wir alle sehen viel zu selten das Gute im Leben und das macht uns alle auf eine groteske Art und Weise kaputt.
Und auch hierbei bestätigen Ausnahmen nur die Regel
Und man könnte mir jetzt vorenthalten, dass er mit dem beruhigenden Wissen hätte sterben können, dass er am Ende frei war. Aber ich wollte dass er diesen Genuss der Freiheit lange empfinden kann.
+seufz+ Jetzt habe ich versucht meine Geschichte auf irgendeine Weise zu rechtfertigen, dabei wollte ich das eigentlich gar nicht. Aber ich wollte irgendwie auch, dass man diesen ganzen Hintergedanken der Geschichte versteht.
Vielleicht ändert das ja etwas an euerer Kritik und wenn nicht, dann sei es mir Recht. Ich bin euch auf jeden Fall sehr, sehr dankbar für diese Kritik und nehme sie gerne an.
Und trotzdem freue ich mich selbstverständlich über weitere Kommentare.
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30.10.2007 20:57 |
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Rabia
Mitglied
 

Dabei seit: 14.09.2007
Beiträge: 364
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Sehr schöne Idee und auch in der Formulierung sehr gelungen, wenn der Text an manchen Stellen in der Tat detaillreicher sein könnte, aber nun gut, dann könnte man aus der ganzen Geschichte auch wieder ein richtiges Buch machen... ;D Mir gefällt auch der Schluss, gerade weil ich beim Lesen ähnliche Gesichtspunkte wie die von dir genannten vor Augen hatte. Mein großes Lob.
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01.11.2007 11:39 |
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dschinny
what to do?
 

Dabei seit: 07.02.2007
Beiträge: 182
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Ich wusste, sie würden mich nicht packenfangen?, denn jene Kraft, die mir allein diese göttliche Freiheit verlieh, machte mich unbesiegbar. Ich spürte nicht einmal den Schmerz der zahlreichen Schürfwunden und der Bisswunde an meinem Beinen, welches ich benutzten konnte, als wäre es gesund.
Sehr schön. Gut zu lesen, bis auf die stelle oben, da bin ich hängen geblieben. inhaltlich interessant.
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Not believe in Santa Claus! You might as well not believe in fairies.
Fotografie (:
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01.11.2007 17:17 |
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Löa

Mitglied
 

Dabei seit: 25.04.2006
Beiträge: 572
Themenstarter
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Hm... packen... fangen... +grübel+ Ich weiß nicht, ich mag beide Formulierungen, ich lass es vorerst so. Danke für die Kritik.
Und auch die sei gedankt Rabia. Schön, dass du meine Ansicht verstehst und ähnllich empfindest.
Weitere Kommentare?
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01.11.2007 18:34 |
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