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Momentaufnahme. |
Snowi
ehemals snowwhite×blackjacket.
 

Dabei seit: 21.01.2007
Beiträge: 14.099
Herkunft: wiesbaden Name: anna
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Ich bin krank.
Es ist wie ein Orgasmus. Das extasische, unkontrollierbar euphorische Gefühl, das sich wie ein wohlig warmes Tuch um den Körper legt, wenn der Eisstil in sein kaltes zu Hause gleitet und die von der Sonne geschmolzene Masse den Arm hinunterläuft, um von dem angenehmen Schutzmantel in Empfang genommen zu werden. Der Gaukler hat die Augen fest geschlossen. Seine Gliedmaßen zucken, er stöhnt ein, nein, zwei Mal auf. Sein Mund ist leicht geöffnet und er lächelt. Aber es ist kein glückliches Lächeln. Es ist ein Lächeln, wie es auf den Mündern der Toten liegt, wenn sie in der Glut ewiger Feuerbrunst zu Asche vergehen. Es hat etwas Verlorenes, Verbrauchtes, vielleicht etwas Versiegtes an sich, ist nicht mehr das, was es im Kindesalter war, als kein Schmerz zu groß gewesen war, um ihn innerhalb kürzester Zeit zu überwinden.
Der Gaukler hält inne und blickt auf. Seine Augen brennen, die Erinnerungem, die wie alte Fotos in seinem schwarzen Herz kokeln, zerreißen ihm beinahe die Brust. Er legt den Eisstiel, wie er ihn liebevoll getauft hat, beiseite und bedenkt ihn mit einem nahezu mütterlichen Blick. Kurz fährt er mit dem Finger über die raue Klinge. Die Edelstahnzähne lecken wie Feuer an seiner Fingerkuppe. Den Gaukler überkommt eine Gänsehaut. Die Tränen, die in ihm aufgestiegen sind, scheinen vergessen.
Er richtet sich auf, drückt den Finger auf seinen Arm, als wolle er ihn zum Schweigen bringen. Ganz langsam, als hätte man ihn in Zeitlupe zur Strecke gebracht, so unendlich schwerfällig, steigt er aus seiner Kleidung. Der Spiegel tut sich ihm direkt auf. Ohne eine Regung in seinen Zügen, betrachtet sich der Gaukler, Sekunden, Minuten. Ein Würgereiz bricht sich in seiner Kehle Bahn, doch er unterdrückt ihn, lächelt wieder leise und strafft die Schultern. Er ist stark, der Gaukler. Er kennt keine Schwäche und keine unlauteren Gefühle. Er ist perfekt.
Lüsternd wandert die ungeziemte Hand des Gauklers zwischen seine Schenkel und erkundet begierig, was dort in Unschuldsmanier baumelt. Ein breites Grinsen stiehlt sich auf die Lippen ihres Besitzers und es scheint, als bräche es auch aus seinen anderen Gliedmaßen hervor. Ein hässliches Grinsen, gelbzähnig, fäulnisgeplagt und erzählend von dunklen Taten, die es vollbracht.
Der Gaukler kehrt dem Spiegel den Rücken zu und betrachtet angetan die vor ihm auf dem Nachttisch liegende Klinge. Das fahle Mondlicht, das durch das milchig weiße, vom Zigarettendunst beschlagene Fenster ins Zimmer fällt, spiegelt sich auf der verunreinigten Oberfläche, doch es stört den Gaukler nicht. Seine bebende Hand greift zögernd nach dem aus Plastik gefertigten Griff und hebt es so behäbig an, als wöge es mehr als eine Tonne. Wie ein Requiem streckt er es andächtig in die Höh' und plötzlich entflieht ihm ein schrilles, gickelndes Lachen, das klingt, als komme es von einem anderen.
Unvermittelt schmeißt der Gaukler seinen Schatz nach oben gen Decke. Wie oft er das schon getan hat, kann er nicht mehr sagen und weiß doch, dass es ihn jedes Mal aufs Neue berauschen wird, das, was er gleich tun wird. Wie einen fluffigen Kuchen schneidet das Messer seine Haut, erwartet und doch überraschend. Es ist der Schmerz, der für einen kurzen Moment die Sinne des Gauklers benebelt, ihn zu Boden sinken & schreien lässt, bis sich das wohlvertraute Seufzen, das Erleichterung ausdrückt, endlich einstellt und er hechelnd und keuchend, wie ein geprügelter und dennoch treuer Hund, auf der Erde kauert und sich schwört, das es das letzte Mal gewesen ist.
Dabei weiß der Gaukler nicht, in welchem traurigen Teufelskreis er sich befindet. Glaubt er, die ganzen todtraurigen und doch beglückten Gesichter seiner Ahnengalerie ihre Krankheit besiegt habend zu wissen, so irrt er. Sie spielten alle leichtfertig mit dem Tod um das Leben und verloren, verloren sich, bis sie bettelnd und flehend, gebeutelt von der Einsicht ihrer fatalen Lebenslüge, bei Satan selbst um ihre Erlösung schrien.
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- is to think for yourself; aloud 
coco chanel
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31.07.2007 03:21 |
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