Trotz allem immer Wir || Prolog online || Fantasy

- PROLOG -

Ist es wirklich schon ein Jahr her?
Natürlich ist es das. Alle Erinnerungen, alle Bilder sind in meinem Kopf und werden dort für alle Ewigkeit bleiben. Ich weiß, dass es unmöglich ist, all das in einem Tag zu erleben, aber genauso fühlt es sich an; so, als wäre das gesamte letzte Jahr erst gestern passiert. Wie kommt es sonst, dass all die Gefühle noch immer frisch zu sein scheinen? Ist es nicht eigentlich unmöglich, sich so lange und so klar an einzelne Wortfetzen, Gesten und auch Schmerzen zu erinnern?
Ich lächele und blicke in den Himmel, der dank der untergehenden Sonne in den schönsten Farben erstrahlt. Die Wolken, die schon den ganzen Tag den Blick auf einen makellos blauen Horizont versperrt haben, sind nun der Grund für ein Bild, das man sonst nur in Zeitschriften und auf Plakaten sieht. Orange, Gelb, oberhalb der Wolken sogar ein dunkles Lila – so einfach und doch so wunderschön. Ist das nicht das beste Beispiel dafür, dass ein Ende nicht immer etwas Schlechtes sein muss? Ein vergangener Tag, an dem man vielleicht nicht all das erreicht hat, was man erreichen wollte, aber dennoch wunderschön. Denn schließlich ist es gleichzeitig auch die Vorbereitung für einen neuen Tag. Und selbst die Nacht, die dazwischen liegt, ist nichts Schlimmes. Manchmal vielleicht unheimlich und immer voller Geheimnisse, aber deshalb nicht gleichzeitig schlecht.
Als ich die Träne bemerke, die mir langsam die Wange herunterrollt kann ich nicht anders, als kurz aufzulachen. Es ist keine Trauer, kein richtiger Schmerz, der mich zum Weinen bringt. Eher das Gefühl, dass etwas fehlt. Und natürlich habe ich im vergangenen Jahr so einiges verloren. Aber im Grunde ist doch alles gut geworden, so märchenhaft sich das auch anhören mag. Es könnte besser sein, aber es ist nicht schlecht. Und Verluste wird es immer geben. Ich habe lange gebraucht, um das zu begreifen und daran gewöhnen werde ich mich sicher nie. Aber Schmerz zu akzeptieren und zu wissen, dass wieder bessere Zeiten kommen, wird mir auch durch die Tiefs helfen, die ich noch durchmachen werde. Egal, wie sie aussehen werden.
„Samantha!“
Die Spur, die die Träne auf meinem Gesicht hinterlassen hatte, war bereits vertrocknet, als ich mich umwandte und zu der Person blickte, die mich gerufen hatte. Der Sonnenuntergang, die Vertrautheit zu dem Menschen, der meinen Namen genannt hatte, ... das hatte ich schon einmal erlebt. Das selbe Gefühl, auch wenn sich so vieles verändert hatte. So viel war in dem letzten Jahr passiert. Damals, als ich meinen letzten Schultag hinter mich gebracht hatte, hätte ich mir wohl nie träumen lassen, wie ereignisreich der Sommer wirklich werden würde. Und nicht nur der Sommer, sondern auch der Herbst, der Winter und der darauffolgende Frühling. Und ob es jetzt schlussendlich mit der Aufregung vorbei ist ...?
Nein, ich denke nicht.
Ich hoffe nicht.

Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zum letzten Mal von MYxDISASTER: 23.10.2007 14:26.