Gegen Bilderklau - Das Original

Registrierung Mitgliederliste Teammitglieder Suche Häufig gestellte Fragen Statistik Chat Karte Zur Startseite

Gegen Bilderklau - Das Original » Prosa, Epik, Kunst » Schreibecke » Geschichten » Der Sturz der Rosinante | ein Brief » Hallo Gast [Anmelden|Registrieren]
Letzter Beitrag | Erster ungelesener Beitrag Druckvorschau | Thema zu Favoriten hinzufügen
Neues Thema erstellen Antwort erstellen
Zum Ende der Seite springen Der Sturz der Rosinante | ein Brief
Autor
Beitrag « Vorheriges Thema | Nächstes Thema »
Luca Luca ist weiblich
Pemberley


images/avatars/avatar-46677.jpg

Dabei seit: 09.02.2005
Beiträge: 6.269

Der Sturz der Rosinante | ein Brief Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Martin,

was soll ich noch sagen? Ich weiss nichts mehr auf deine Fragen zu antworten. Und es zerfrisst mich innerlich, denn ich weiss, wie du dich fühlst.
Du magst denken oder sagen, dass ich keine Ahnung habe, schließlich bin ich es, die es durch die Finger gleiten lässt, die aufgibt, die nicht mehr kämpft. Vielleicht bin ich es auch. Vielleicht ist es meine Schuld. Was bringt alles flehen, alles hoffen, alles beten, wenn keine Hoffnung mehr gegeben ist. Was dann? Wofür weiter hoffen? Der Hoffnung wegen?
Du sagst, ich habe aufgegeben. Ja, das habe ich. Aber was glaubst du, warum? Meinst du nicht, dass ich meine Entscheidung anders gefällt hätte, würde ich noch einen Weg sehen, um mich durch zu kämpfen? Da ist nichts mehr. Ich sehe weder Sterne, noch Sonne, noch habe ich Schmetterlinge im Bauch. Ich sehe und fühle nichts mehr. Ich sehe nicht mal mehr das Licht am Ende des Tunnels. Nichts. Leere. Und sie umgibt mich, sie ummantelt mich, sie ist überall. Und leise, ganz leise erstickt sie mich. Erstickt - blind und gefühllos.
Du magst mir ja vieles vorwerfen - vieles. Aber das mir das, was wir hatten, nichts wert war, dass stimmt nicht. Ich kann bloß nicht mehr länger gegen Nichts kämpfen. Und es gibt nichts, woran ich mich orientieren könnte.

Ja, vielleicht. Vielleicht ist es feige, dir jetzt mit einem Brief zu antworten.
Warum nicht persönlich, warum nicht mit Augenkontakt? Ich weiss du fragst dich das. Und ich weiss, ich bin es dir eigentlich schuldig. Doch ich kann nicht mehr. Glaube mir, glaube mir nicht. Es ist mir egal. Nicht in dem Sinne egal, wie du es dir vielleicht gerade vorstellst. Anders. Nicht du bist mir egal, nicht unsere Vergangenheit und schon gar nicht unsere Zukunft. Bloß glaube ich, dass ein Mensch an einen Punkt gelangt, von dem aus er nicht mehr weiter kann. Und von dem aus, irgendwie, ihm alles egal ist.
Warum sollen wir uns wie Don Quijote vor die Windmühlen begegeben? Meinst du nicht, es wäre klüger das Unvermeidliche hinzunehmen? Ersparen wir Rosinante den Kraftakt und uns den Frust, bevor wir erkennen würden, dass wir nicht siegen können.

Ich weiss Brecht hat mal gesagt "Wer nicht kämpft, hat schon verloren".
Aber meinst du nicht, dass ein aussichtsloser Kampf genauso verloren ist, wie der nicht geführte? Wieso, frage ich dich, wieso sollten wir Energie und Mühen in etwas stecken, was scheitern wird? Warum sollten wir uns durch so eine Zeit hindurchzwängen, wieso?
Die Sicherheit mit der ich behaupte, dass es nicht klappen wird, nehme ich von mir. Mir selbst. Ich weiss es einfach, Martin. Ich weiss das wir es nicht schaffen können und auch wenn es mich verletzt, wenn die Tränen über meine Wagen strömen und mein Körper zittert bei der Erkenntnis - ich weiss es. Ein Teil von mir ist tot. Und du kannst Tote nicht zum Leben erwecken.
Und wenn ich mir das erlauben darf: Ich glaube du weisst es auch.
Tust du es?
Sagt dir nicht vielleicht schon dein Verstand, dein Herz, was dieser Brief dir jetzt erzählt? Tut es das?

Natürlich habe ich Angst. Ja, verdammt! Sehr sogar.
Glaub aber nicht, dass es nicht ebenso feige wäre, einfach weiter zu machen. Vorzugeben, dass alles perfekt wäre oder auch nur vorspielen zu müssen, dass wir es schaffen können. Ob ich Angst habe? Und wie. Ich habe Angst vor dem, was mich jetzt erwartet. Du wirfst mir vor, ich würde es so einfach wegstecken, aber das tue ich nicht. Und dieser Vorwurf beweist mir doch eigentlich wieder nur, wie wenig du mich kennst. Wer bist du, soetwas zu behaupten?
Ich fühle mich, als wäre alles von mir gefallen, als verlore ich den Boden unter meinen Füßen, als wenn die Welt, in der ich gelebt habe, nicht echt seie - und langsam reißen die Wände um mich herum ein und die Decke stürzt auf mich herab. Uhren zerfließen wie Dali es einst sah.
Und gleichzeitig befreie ich mich aus der Matrix. Ich habe sie erkannt und obwohl ich vorher vielleicht glücklich war, kann ich es nun nicht mehr sein. Zynisch, nicht? Perfektes Glück zerstört durch die Wahrheit. Ich frage mich, warum wir die Wahrheit brauchen. Wäre es ohne sie nicht so viel einfacher, glücklich zu sein? Wieso wollen wir lieber in einer zerstörerischen Wahrheit leben, als in einer wunderbaren Lüge? Ich kann es dir nicht beantworten.
Aber nun, da ein Teppich der Wahrheit vor mir ausgebreitet wurde, nun da der Boden der Lüge zerfällt, nun da ich in meiner Matrix nicht mehr glücklich werden kann, nun muss ich ausbrechen. Gleichwohl sich äußerlich nichts geändert haben mag, weiss ich um das Exestieren der Lüge - und das macht es mir unmöglich, je wieder unbeschwert in ihr zu leben.

Verstehst du mich? Verstehst du, was ich dir so verzweifelt und ungeschickt sagen möchte? Wir beide, wir sind die Lüge. Und ich habe sie erkannt - wirst du mir folgen?

Es ist für keinen von uns leicht. Du magst mehr Gefühle für mich haben, als ich für dich, vielleicht weil du noch nicht mit der Sache abgeschlossen hast. Vielleicht weil du immer noch blind glaubst, die Windmühlen besiegen zu können. Aber macht das dich zu einen besseren Menschen? Nur weil ich ihre wahre Gestalt erkannt habe, bin ich ein schlechter Mensch?
Ist es so? Muss es so sein?
Wenn ja, dann muss ich wohl hinnehmen, dass mein Pferd zu Boden gegangen, der Wind stehen geblieben und Sancho Panza verschwunden ist. Wenn die Einsicht mich zu einem schlechten Menschen macht, dann sei es so.

Ich weiss ich werde dich nicht von deinem Kampf aufhalten können. Ich weiss du wirst nicht all zu bald aufhören und weiterhin das Schwert donnernd gegen kaltes, lebloses Metal schlagen. Ich weiss du musst selbst erst die Ausweglosigkeit erkennen. Und dennoch: Gib auf. Du hast bereits verloren. Gib auf.

Ich liebe dich nicht mehr.

__________________

Romanes eunt domus!


30.09.2007 18:05 Luca ist offline Beiträge von Luca suchen Nehmen Sie Luca in Ihre Freundesliste auf
malle* malle* ist weiblich
~wolkentoelter~


images/avatars/avatar-23937.png

Dabei seit: 24.12.2006
Beiträge: 132
Herkunft: Münster/Athen

RE: Der Sturz der Rosinante | ein Brief Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Zitat:
Original von Luca
Und gleichzeitig befreie ich mich aus der Matrix. Ich habe sie erkannt und obwohl ich vorher vielleicht glücklich war, kann ich es nun nicht mehr sein. Zynisch, nicht? Perfektes Glück zerstört durch die Wahrheit. Ich frage mich, warum wir die Wahrheit brauchen. Wäre es ohne sie nicht so viel einfacher, glücklich zu sein? Wieso wollen wir lieber in einer zerstörerischen Wahrheit leben, als in einer wunderbaren Lüge? Ich kann es dir nicht beantworten.
Aber nun, da ein Teppich der Wahrheit vor mir ausgebreitet wurde, nun da cer [der] Boden der Lüge zerfällt, nun da ich in meiner Matrix nicht mehr glücklich werden kann, nun muss ich ausbrechen. Gleichwohl sich äußerlich nichts geändert haben mag, weiss ich um das Exestieren der Lüge - und das macht es mir unmöglich, je wieder unbeschwert in ihr zu leben.


woooooow! Unglaublich <3
hat mich wahrsinnig bewegt <3
Kann ich gar nich beschreiben O.o großes Grinsen
Eeeeeinfach nur toll <3

__________________


30.09.2007 23:10 malle* ist offline E-Mail an malle* senden Beiträge von malle* suchen Nehmen Sie malle* in Ihre Freundesliste auf Fügen Sie malle* in Ihre Kontaktliste ein MSN Passport-Profil von malle* anzeigen
Luca Luca ist weiblich
Pemberley


images/avatars/avatar-46677.jpg

Dabei seit: 09.02.2005
Beiträge: 6.269

Themenstarter Thema begonnen von Luca
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Dankeschön fröhlich
Freut mich das es so zu dir durchgedrungen ist (wenigsten einer smile ).

__________________

Romanes eunt domus!


02.10.2007 01:23 Luca ist offline Beiträge von Luca suchen Nehmen Sie Luca in Ihre Freundesliste auf
Ayana Ayana ist weiblich
» you're far away


images/avatars/avatar-46126.jpg

Dabei seit: 17.04.2006
Beiträge: 5.822

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Wow! Erstmal das großes Grinsen

Zitat:
Gleichwohl sich äußerlich nichts geändert haben mag, weiss ich um das Existieren der Lüge - und das macht es mir unmöglich, je wieder unbeschwert in ihr zu leben.
[...]
Ich weiss, ich werde dich nicht von deinem Kampf aufhalten * können. Ich weiss, du wirst nicht all zu bald aufhören und weiterhin das Schwert donnernd gegen kaltes, lebloses Metal schlagen.


* Aufhalten klingt in meinen Ohren komisch, unpassend. "abhalten" würde mir in diesem Zusammenhang persönlich besser gefallen, ist aber Ansichtssache und sicherlich nicht jedermanns Geschmack.

Ansonsten gefällt es mir sowohl inhaltlich als auch stilistisch absolut. Ich mag es, wie eigentlich zum einen immer klar ist, worüber sie schreibt, zum anderen es so wirklich erst am Schluss herauskommt, was genau sie denn meint. Im ganzen Text in Rätseln zu schreiben und am Ende in einem prägnanten Satz das Ziel und den Inhalt zu schreiben, ist eine Kunst, die du beherrscht. Ich mag es, wie du Persönlichkeiten, wie Brecht hineinbringst und sie so geschickt einarbeitest, dass man wirklich glaubt und auch irgendwie zu wissen scheint, dass sie (damit meine ich den Briefschreiber) nach diesen Sätzen lebt und fühlt und denkt.

__________________
Die schoensten Augenblicke im Leben sind jene,
in denen das Herz aus Freude und nicht aus Gewohnheit schlaegt!
27.12.2008 <3

04.10.2007 17:57 Ayana ist offline Beiträge von Ayana suchen Nehmen Sie Ayana in Ihre Freundesliste auf Fügen Sie Ayana in Ihre Kontaktliste ein MSN Passport-Profil von Ayana anzeigen
dschinny
what to do?


images/avatars/avatar-38664.png

Dabei seit: 07.02.2007
Beiträge: 182

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Toll. Ich finde es einfach toll, gut zu lesen und erst am ende ist klar, was gemeint ist. die briefform finde ich auch schön.

__________________

Not believe in Santa Claus! You might as well not believe in fairies.

Fotografie (:


10.10.2007 16:18 dschinny ist offline E-Mail an dschinny senden Beiträge von dschinny suchen Nehmen Sie dschinny in Ihre Freundesliste auf
Luca Luca ist weiblich
Pemberley


images/avatars/avatar-46677.jpg

Dabei seit: 09.02.2005
Beiträge: 6.269

Themenstarter Thema begonnen von Luca
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Danke schön an Jeanny und Dschinny Augenzwinkern .

Ayana: Du hast recht, abhalten klingt besser.
Und danke auch für die durchaus liebenswürdige Kritik.

Hat mich sehr gefreut.

__________________

Romanes eunt domus!


10.10.2007 17:53 Luca ist offline Beiträge von Luca suchen Nehmen Sie Luca in Ihre Freundesliste auf
dschinny
what to do?


images/avatars/avatar-38664.png

Dabei seit: 07.02.2007
Beiträge: 182

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

mir ist gerade noch aufgefallen, das ein name am ende des briefes noch schön wäre um das ganze gelungen abzurunden.

__________________

Not believe in Santa Claus! You might as well not believe in fairies.

Fotografie (:


10.10.2007 18:03 dschinny ist offline E-Mail an dschinny senden Beiträge von dschinny suchen Nehmen Sie dschinny in Ihre Freundesliste auf
Luca Luca ist weiblich
Pemberley


images/avatars/avatar-46677.jpg

Dabei seit: 09.02.2005
Beiträge: 6.269

Themenstarter Thema begonnen von Luca
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Hm, da muss ich leider protestieren.
Ich habe noch überlegt (ich mache mir generell vermutlich mehr Gedanken um einzelne Wörter, als manch einer vermuten mag...), einen Namen darunter zu setzen, aber etwas hat mich davon abgehalten.
Ein Name bringt meiner Meinung nach zu viel Abstand und auch wenn ich sozusagen gezwungen war, einen Namen an den Anfang zu setzen (wobei Namen mir sowieso in den Kopf springen und sobald sie da sind, sind sie da und die Person kann sich nciht mehr anders in meinen Geschichten vorstellen - ähnlich wie im Hier und Jetzt Augenzwinkern ), so möchte ich keinen am Ende. Er würde es zu sehr distanzieren, das mag ich nicht.

Aber danke für den Tipp fröhlich

__________________

Romanes eunt domus!


13.10.2007 23:21 Luca ist offline Beiträge von Luca suchen Nehmen Sie Luca in Ihre Freundesliste auf
Baumstruktur | Brettstruktur
Gehe zu:
Neues Thema erstellen Antwort erstellen
Gegen Bilderklau - Das Original » Prosa, Epik, Kunst » Schreibecke » Geschichten » Der Sturz der Rosinante | ein Brief

Impressum

Forensoftware: Burning Board, entwickelt von WoltLab GmbH