Geschrieben von Waunca am 08.01.2006 um 12:26:
Die Sache mit der Dominanz ...
Aus dem Thread
http://www.gegen-bilderklau.net/thread.php?threadid=45630:
Zitat: |
WauncaVielleicht mal an dir selber, sprich deiner Persönlichkeit arbeiten statt es mit "Dominanz" zu versuchen. (Das Zeug geht mir echt auf den Geist. ) Das soll jetzt nicht heissen, dass du eine - salopp gesagt - minderwertige Person wärst. Aber wenn das Pferd dich am Boden nicht ernst nimmt, selbst wenn du es strafst, ist deine Ausstrahlung möglicherweise zu wenig selbstsicher. Lerne deine Stärken und Schwächen kennen, arbeite daran und entwickle deine Persönlichkeit. (Bücher und Kurse zu dem Thema gibts genug, manches findest du sicher auch im Internet.) Wenn du nicht natürlich wirkst bei dem, was du tust, wird dich dein Pferd niemals ernst nehmen. |
Zitat: |
LucaDominanz geht dir auf den Geist? Wie gehst du denn dann mit deinen Pferden um?. |
Ja, das blöde Gerede von Dominanz geht mir auf den Geist. Das Wort "Dominanz" ist in aller Munde. Aber macht man es sich nicht oft ziemlich einfach, wenn man behauptet ein Pferd hätte Dominanzprobleme?
Wenn das Pferd sich bei anderen benimmt und bei mir nicht, liegt das wirklich an der Rangordnung? Ist es nicht sehr häufig ganz einfach so, dass die Leute es versäumen, dem Pferd von Anfang an zu verstehen zu geben, dass ein gewisses Verhalten nicht gewünscht ist? Wenn das Pferd nach dem Reiten beim Führen drängelt und der Mensch reagiert nicht oder fürs Pferd nicht verständlich, ist es doch ganz normal, dass das Pferd schliesslich schnurstracks in die Box will und nicht gedenkt, zu warten, bis der Mensch abgezäumt hat. Schliesslich durfte es ja vorher auch schneller laufen als er, wieso sollte das nun auf einmal falsch sein und warum sollte es sich nun nach dem Menschen richten, der vorher ja scheinbar nichts dagegen hatte, wenn das Pferd nach seinen eigenen Vorstellungen handelte?
Wenn mir das Pferd umgekehrt gehorcht, woher weiss ich, dass es mich deshalb als ranghöher ansieht? Wenn das Pferd in meiner Gegenwart weniger Unsicherheit zeigt, kann ich annehmen, dass es gelernt hat, dass ihm nichts passiert, wenn ich dabei bin, und dass es gelernt hat, nicht zu fliehen, wenn es sich vor etwas fürchtet sondern erstmal abzuwarten. Ist es nicht so, dass das Pferd grundsätzlich durch Lob und Strafe lernt, was erwünscht ist und was nicht? Ich kann annehmen, dass das Pferd meinen Wunsch so weit verstanden hat, wenn es mir gehorcht. Und dass es weiss, welche Konsequenzen es hat, wenn es das tut oder eben nicht tut. Aber deswegen zu behaupten, das Pferd sehe mich als ranghöher an, ist das nicht vielleicht doch ein bisschen weit hergeholt?
Wenn praktisch nur ich mit dem Pferd zu tun habe und es erzogen habe, ist es dann wirklich eine Frage der Rangordnung, wenn das Pferd sich bei jemand anderem weniger gut benimmt? Ebensogut könnte es sein, dass das Pferd keine Ahnung hat, dass das, was bei mir gilt, bei anderen genau so ist. Für Tiere ist nicht alles so selbstverständlich auf alle Situationen übertragbar wie für uns Menschen! Wenn uns jemand sagt, der Satzanfang werde immer grossgeschrieben, dann haben wir kaum Probleme damit, das überall so zu machen. Tiere müssen hingegen manches in einer neuen Umgebung oder mit anderen Menschen nochmals üben. Was ein Pferd von links kann, kann es von rechts noch nicht. Wenn das Pferd sich in der Halle auf Kommando hinlegt, tut es das deswegen noch nicht auch auf einem anderen Boden, wenn man es nicht auch dort übt. Wenn das Pferd sich auf einem Ausritt alleine gut kontrollieren lässt, heisst das noch nicht, dass es die Kommandos des Reiters in der Gruppe ebenso wahrnimmt!
Ist es nicht oft so, dass die Pferde ganz einfach nicht verstehen, was man eigentlich von ihnen will? Sei es, weil der Mensch sich missverständlich ausdrückt, Dinge vom Pferd verlangt, die es rein vom Denken her gar nicht in der Lage ist, auszuführen oder sei es, weil der Mensch nicht konsequent ist, so dass das Pferd vielleicht weiss, dass eine gewisse Situation manchmal schlechte Folgen für es hat, manchmal aber auch nicht. Woher soll das Pferd wissen, dass sein Verhalten falsch ist? Oft wird die Lernfähigkeit eines Tieres überschätzt! Was drei, fünf oder zehnmal geklappt hat, hat das Tier noch nicht unbedingt wirklich gelernt und verstanden. Und dann heisst es, das Pferd wüsste eigentlich genau, dass das falsch sei. Weiss es das wirklich? Hat das etwas mit Respektlosigkeit und Dominanz zu tun?
Wenn mir das Pferd gehorcht, weil es meine Signale verstehen gelernt hat, heisst das wirklich, dass es mich als dominanter ansieht? Ist es nicht eher so, dass die Hauptmotivation fürs Pferd darin liegt, dass sich seine Situation verbessert oder zumindest nicht verschlechtert, wenn es auf meine Signale reagiert? Und ich muss ganz ehrlich sagen, bisher war immer ich es, die eigentlich von den Pferden gelernt hat, nicht umgekehrt. Ich musste meine Signale so geben, dass sie für das Pferd verständlich waren, nicht das Pferd hat gelernt, meine unklaren Signale zu entschlüsseln. Bin ich nun ranghöher?
Liegt es wirklich daran, dass das Pferd sich für den Ranghöheren hält, wenn es bei allen Leuten ungehorsam ist? Ist es nicht eher so, dass es oft versäumt wird, dem Pferd beizubringen, was man eigentlich von ihm will und was es nicht darf? Wievielen Pferden hat gar nie jemand richtig beigebracht, sich in allen Lebenslagen führen zu lassen? Wievielen Pferden wurde nie beigebracht, stillzustehen? (Und wenn man es versucht hat, wie oft geschah das mit Klapsen und Anschreien, wenn es sich bewegt hat, aber ohne Lob, wenn es wie gewünscht für einen Moment stehenblieb?) Wieviele Pferde reagieren nicht auf Stimmkommandos, weil es ihnen gar nicht richtig beigebracht bzw. reagieren nicht genügend honoriert wurde? Wieviele Pferde haben keine Ahnung, dass sie auf Druck nachgeben sollen?
Liegt es an einem Problem mit der Dominanz, wenn ich nicht bereit bin, so viel Zeit zu opfern, bis auch das "sture" Pferd begriffen hat, was ich von ihm will? Liegt es an der Dominanz, wenn meine Belohnung für das Pferd nicht motivierend genug ist? Liegt es an der Dominanz, wenn ich etwas ein paar Mal übe und danach zur nächsten Übung übergehe, weil ich meine, das Pferd könne das Geübte nun und das Pferd hat keine Ahnung davon, dass das, was ich mit ihm in der Halle geübt habe, auch draussen gilt?
Ist ein "Dominanzproblem" nicht in erster Linie eine Entschuldigung, wenn man nicht mehr weiterkommt? Lieber mal am Selbstbewusstsein des Pferdes arbeiten, damit dann alles klappt, statt sich darüber schlau zu machen, wie ein Pferd lernt und ihm alles einzeln in kleinen Schritten beizubringen?
Zu sagen, das Pferd sähe einen als Chef, weil es gelernt hat, dass es unangenehm wird, wenn es nicht tut, was ich sage, ist das nicht ein bisschen hoch gegriffen?
Gehorcht mir das Pferd, weil ich eben Chef bin oder gehorcht mir das Pferd, weil es dadurch etwas, das ihm erstrebenswert scheint, erhält? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass das Pferd alles nur für sich tut, weil ihm sein Überlebensinstinkt sagt, dass es für sich schauen muss?
Dass das Leben in der Herde hierarchisch strukturiert ist und dass Regeln Sicherheit geben (nicht nur Pferden) stelle ich nicht in Frage. Aber oft machen sich die Leute gar nicht allzugrosse Gedanken darüber, worin aus der Sicht des Pferdes der Grund für ein bestimmtes Verhalten liegt, bzw. es wird immer darauf reduziert, dass das Pferd "nicht will", "sich für ranghöher hält", "keinen Respekt" hat oder dass es ganz einfach "böse" ist, auch wenn das dann meist doch nicht so formuliert wird. Es läuft oft einfach auf dieses "Dominanzproblem" hinaus, aber man stellt nicht die Überlegung an, dass die ganze Sache für das Pferd viel weniger klar sein könnte als es für uns scheint.