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Geschrieben von Bourrin am 17.03.2010 um 15:50:

  1967 [Überarbeitete Version]

1967
Ungeduldig trommelte der Regen gegen das schmutzige Fenster, glänzte im Licht der Straßenlaterne. Der schummrige Schein zeichnete tiefe Schatten auf ihr schlafendes Gesicht und ließ die Konturen unsrer Körper verschmelzen. Zärtlich strich ich über ihren nackten Arm, prägte mir jedes Detail dieser Sekunden ein.
Sie fühlte sich unglaublich schön an.
Richtig an.
Langsam glitt das Laken über meine nackten Beine, als ich aufstand und nach meinen Kleidern griff. Ihr ruhiger Atem endete abrupt und sie schlug die Augen auf. Sah mir zu, ihre warmen, braunen Augen unverwandt auf mein Gesicht gerichtet. Knopf um Knopf schloss sich. Ich striff die Hosenträger über meine Schultern und verbarg mein dunkelblondes Haar unter einem grauen Filzhut. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in meiner Brust breit, schien mich erdrücken zu wollen. Dann, für einen Moment, hielt ich inne und fing ihren Blick auf. Die Furcht in mir wich ein wenig. „Pass auf dich auf“, flüsterte sie leise.
„Ich liebe dich“, erwiderte mein Herz stumm.
Meine Finger zitterten, als ich nach der Türklinke griff und mich in den schlecht beleuchteten Flur hinausstahl. Braune Tapeten. Dunkelgrüner Teppich. Staub. Meine Schritte schienen laut in die Stille zu dröhnen, zu laut. Ich hielt mir die Ohren zu, schloss die Augen. Doch ich spürte die Blicke der wenigen Bilder an den Wänden, hörte ihre Stimmen. Wir wissen, was du getan hast. Wir wissen, was du bist. Mit einem leisen Aufschrei flüchtete ich in den regnerischen Novemberabend.
Kalte Luft schlug mir entgegen. Die Hosenträger schienen sich immer straffer auf meinen Schultern zu spannen, der raue Stoff des Hemdes kratzte unangenehm auf meinen nackten Brüsten. Ich wollte mir die Kleider vom Leib reißen, ihr Geruch bereitete mir plötzlich Übelkeit. Sie rochen nach Rasierwasser, nach seinem Rasierwasser. Ich blieb stehen, lehnte mich an eine Wand. Mein Atem beruhigte sich langsam, mein Kopf leerte sich. Regentropfen setzten sich wie Tränen auf meine Wangen, Tränen, die ich nicht bereit war zu weinen. Auch wenn es das letzte Mal gewesen war, dass ich mir erlaubt hatte, glücklich zu sein. Auch wenn zu Hause Menschen auf mich warteten, die an mich glaubten und nicht wussten, dass ich sie betrog.
Ich nahm mir vor, die Kleider zu waschen und in die Kirche zu gehen. Irgendwann. Ich wollte um Verzeihung bitten, mich dafür entschuldigen, dass ich so sehr gegen Gottes Gesetze verstieß, dass ich nicht einfach sein konnte, wie jede andere Frau. Und doch, innerlich wussten wir beide, Gott und ich, dass es mir nicht Leid tat.
Ich stieß mich von der Wand ab und straffte die Schultern. Und während ich die Straße in den viel zu großen, viel zu flachen Schuhen hinunterschlenderte, drang aus einem geöffneten Fenster Frank Sinatras „That´s life.“ Ich lächelte.

I said that's life, and as funny as it may seem
Some people get their kicks,
Stompin' on a dream
But I don't let it, let it get me down,
'Cause this fine ol' world it keeps spinning around...



Geschrieben von engel_ am 17.03.2010 um 16:12:

 

irgewie interressand!
schreib weiter!



Geschrieben von Bourrin am 17.03.2010 um 18:58:

 

Das ist alles ^^ Ist ne Kurzgeschichte.



Geschrieben von Linkenfels am 17.03.2010 um 19:37:

 

Keine sehr gute, zumindest dann, wenn man von den Merkmalen einer Kurzgeschichte ausgeht. Eine Kurzgeschichte, die von Anfang an klar machen sollte, worum es geht und eine Pointe haben sollte, auf die von Anfang an hingeschrieben wird, ohne, dass der Leser diese Wendung erwartet hätte. Du merkst ja schon an der ersten Reaktion, dass der Text nicht schlüssig und packend genug ist, um als wirkliche Kurzgeschichte zu gelten. Zumal das für eine Kurzgeschichte wohl noch zu kurz ist.

Vom Stil her finde ich es verbesserungswürdig, auch wenn der Text schon gute Ansätze aufzeigt. Dieses ewige Ihr, Ich, Sie, das wird mir auf Dauer zu fade und beim Lesen kommt bei mir keine Stimmung auf, auch wenn ich finde, dass du sehr darum bemüht wirktest, genau das zu schaffen - eine Stimmung aufzubauen. Vielleicht sind kleine Details da effektiver als das Reden über Regen und Staub. Gesten, Regungen, Gedanken zu einem einzelnen Gegenstand, irgend etwas.

Für mich wirkt dieser Text von der Sorte her eher wie ein Prolog. Wenn es einer wäre, könnte man sogar sagen, dass er ganz gelungen wäre, denn irgendwie ist man am Ende doch recht gespannt darauf, mehr über die Hintergründe erfahren zu können. Eine gute Kurzgeschichte gibt an Informationen schon alles her, was man wissen muss, das tut dein Text leider nicht wirklich. Trotzdem würde ich nicht sagen, dass er dir misslungen ist. ;-)



Geschrieben von Toastii am 17.03.2010 um 19:51:

 

ich denke da irgendwie anders.
also ich fand es spannend, und ich wollte wissen, wie es endet. die beschreibungen fand ich eigentlich ganz gut, man konnte sich ein bild davon machen, wo die hauptperson sich befindet,
und ich war am ende überrascht, weil ich am anfang noch dachte: männer haben keine brüste.
aber es ist ja gar kein mann. das finde ich gut.

ich finde, die stimmung kam gut rüber, irgendwie war es traurig. weil man sich ja keine gedanken darüber macht, wie frauen damals ihre neigungen auslebten. da war es ja noch anders als mit den männern.

ich finde die geschichte gut gelungen.
ja, vielleicht etwas kurz, aber in dieser hinsicht passt es ganz gut. mehr hätte es nicht sein sollen, weil es sonst doch zu langweilig gewesen wäre.



Geschrieben von Nici am 03.04.2010 um 03:46:

 

Zitat:
Original von Toastiiweil man sich ja keine gedanken darüber macht, wie frauen damals ihre neigungen auslebten


Genau! Finde ich auch..

Zitat:
Original von Toastiiund ich war am ende überrascht, weil ich am anfang noch dachte: männer haben keine brüste.

Ich auch - total überrascht! Das ist so ein richtiger Geistesblitz-Moment. Sehr gut gelungen!

Insgesamt finde ich es ehrlich gesagt superschade, dass es sich nur um eine Kurzgeschichte handelt. Denn als Prolog (wie bereits von Linkenfels erwähnt) würde es sich - meiner Meinung nacht - sehr gut eignen, um eine abenteuerliche Romanhandlung, die die Geschichte zweier Mädchen, die sich bereits von Kindheit an kennen (beste Freundinnen), später auf getrennte Schulen gehen (Standesunterschiede), die Reiche heiratet dann einen reichen Mann, die andere führt ein eher verlottertes Künstlerleben, bis sie sich wieder treffen - BAM. Das war jetzt ein bisschen phantasiert, aber so oder so ähnlich habe ich die Geschichte eben aufgrund deines Textausschnittes weitergesponnen. Obwohl es ja leider nur eine Kurzgeschichte ist. Bleibt das auch wirklich so, oder kann man dich irgendwie vom Gegenteil überzeugen??



Geschrieben von Nanni am 04.04.2010 um 23:39:

 

Beim 'Richtig an' war ich mir schon fast sicher dass es eine Frau war. Bei den Hosenträgern hatte ich mich damit abgefunden dass es ein Mann war. Und dann? Hatte ich also doch Recht großes Grinsen
Schade, dass es nur eine Kurzgeschichte ist. Ich hätte auch erwartet, dass es weitergeht (:



Geschrieben von Bourrin am 11.04.2010 um 14:15:

 

So, erstmal danke für eure zahlreichen Kommentare =D

@Linkenfels: Da hast du wohl recht =D Ich sollte besser bei Gedichten bleiben, aber ausprobieren kostet wohl nichts. Ich bin weder sehr ausdauernd noch über längere Zeit kreativ, von daher würde sich die Geschichte, falls ich jemals etwas längeres daraus machen sollte, irgendwann (so wie alle andren auch) im Sande verlaufen. Trotzdem danke für deine und auch für die Anregungen der andren fröhlich



Geschrieben von Julia&Ranko am 02.05.2010 um 21:40:

 

Mir gefällt die Kurzgeschichte ;-) sehr!

Schön zu lesen, flüssig und sehr schöne Sprache! Außerdem überraschend, nicht langweilig!

Find´s gelungen!

LG Julia


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