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Geschrieben von Hornisse am 28.02.2008 um 23:21:

  Die Alte

Die Alte

Für Sophie G.

Sie können ihre Schreie nicht hören.
Unbeweglich liegt sie da,
die stumpfen Augen an die Decke gerichtet,
ihr Körper einem Skelett nahe.

Sie stirbt seit acht Jahren.

Vermag es nicht,
aufzustehen,
ihre Knochen werden sie nicht tragen,
ihre Nase den Geruch der Freiheit
nicht vernehmen.

Die Blumen auf ihrem Nachtschrank
sind verwelkt,
bald werden sie sie wegwerfen.
Vielleicht kommen Neue.
Sie spenden keine Energie,
sind tot.

Die Freude aus ihren Augen
ist verschwunden,
das Gesicht eingefallen,
die Haut grau.

Ihre Kinder –
sie hatte fünf.
Zuerst sind sie noch gekommen.
Jetzt schicken sie Blumen.

Über den Tod
denkt sie schon lange nicht mehr nach.
Was danach kommen wird?
Sie grübelt nicht mehr.

Ob sie 1998 haben oder 2002?
Wer sollte es ihr sagen?
Sie zählt die Jahre nicht.
Kraftlos.

Sie weiß nicht,
ob sie Krieg haben,
oder Frieden.
Hört nichts von George Bush
und den Arbeitslosen.
Liegt nur da. Atmet.

Am 28. Juli erklärte Österreich Serbien den Krieg.
Sie war neun Jahre alt gewesen
und half auf dem Feld.
Sie hatten zwei Pferde.

Ihr Enkelsohn ist Mikrobiologe
und lebt in Chile.
Sie weiß nicht,
wo das liegt.

Als sie jung war,
war sie einmal in Hannover.
Es ist eine riesige Stadt.
Dort hatten sie Straßenlaternen.

Sie war eine hübsche Frau gewesen,
welche geliebt wurde.
Welche geliebt hatte, und gesungen.
Ihre Stimme ist längst versiegt.

Ihr Flehen
können sie nicht hören.
Das Atmen fällt ihr schwer.
Heute wird sie nichts essen.



Geschrieben von Knopfloch am 28.02.2008 um 23:31:

 

Das Thema gefällt mir, ist nicht schon so abgedroschen, allerdings ists nicht sehr gedichtmäßig, es hätte genauso gut in einem Fließtext stehen können wie ich finde, die Zeilenumbrüche geben dem Ausdruck nicht viel, nur an paar wenigen Stellen, bzw. da ist dann sowieso meistens ne neue Strophe (also Leerzeile)

Und "Hört nichts von George Bush" will mir gar nicht gefallen, das ist irgendwie zu aktuell (auch falls der Vater gemeint ist und nicht George Walker) bzw. ein zu kleines Zeitfenster, passt nicht so zu dem Rest, der zwar in der Gegenwart verortet werden kann (klar, schon wegen der Jahreszahlen), aber doch nicht sehr konkret wird.

/edit: Okay, da ich grade den selben Text in der Geschichtenecke sehe... scheint das mit dem Fließtext ja kein so abwegiger gedanke gewesen zu sein großes Grinsen



Geschrieben von Hornisse am 28.02.2008 um 23:43:

 

danke Knopfloch.
Ob in Lyrik oder Prosa ... ich konnte mich nicht entscheiden, daher hab ich beides reingestellt und warte drauf, was besser ankommt.

Fällt dir für Goerge Bush was Anderes ein so spontan?



Geschrieben von euphoria am 19.03.2008 um 15:19:

 

<3~



Geschrieben von Hornisse am 19.03.2008 um 15:28:

 

großes Grinsen was bedeutet dieses zeichen?



Geschrieben von euphoria am 19.03.2008 um 20:01:

 

<3 = herz
~ = unendlich viel mal


Mich spricht das einfach total an. Du hast mich auch auf eine Idee gebracht. Ich finde das so schön ausgedrückt und ich musste fast heulen bei diesem text.


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