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Zitat: |
Original von kleine-Araberstute So, ich habe die Zeit gefunden etwas mehr online zu stellen, wobei ich oben noch etwas angefügt habe. Sprich: Wer den ersten Teil gelesen hat muss nochmal schauen, wo er war ![]() ![]() Ich bin gespannt, was ihr zum nächsten Teil sagt. Wie immer ist Kritik mehr als erwünscht ![]() Liebe Grüße Kerstin Dann fang ich mal an mit dem Teufelstext ![]() Liebster Cavien, es sind nunmehr sechzehn Jahre vergangen seit ich dir diesen Brief schrieb. Etwas unlogisch, weil dann hätte sie/er es nicht jetzt gerade fertig, wenn der Brief vor 16 Jahren entstanden ist o.OAus meinem kleinen Jungen ist ein Mann geworden, der auf sich selbst achten kann, der sich im Leben zurechtgefunden hat. Du bist erwachsen. Momentan kann ich mir dies noch gar nicht vorstellen. Du sitzt in auf meinemmeinem Schoß und schaust der Tinte fasziniert beim Trocknen zu. Dein Lachen wärmt mein Herz und lässt mich für diesen Augenblickt alle Not und Eile vergessen. Wie klein du bist, und so voller Vertrauen in die Welt und das Leben! Ich wünschte, ich könnte dich auf deinem Weg begleiten! Dir zeigen, wie man lebt, dich beschützten und auf deine Aufgabe vorbereiten. Wie kann ich dich mit solch einer Bürde zurücklassen, alleine? Dennoch zweifle ich keine Sekunde an dir, du wirst es schaffen. Es tut mir so Leid, dass ich die letzten vierzehn Jahre nicht bei dir sein konnte. Glaube mir, ich wünschte, es wäre nie soweit gekommen. Ich wünschte, du wärst nicht der Cavien. Doch ich habe gelernt, dass man sein Schicksal nicht ändern kann. Man kann nur bestimmen, wie man mit dem Gegebenen umgeht. Wehre dich nicht, glaube an dich so wie ich an dieses kleine Wesen in meinem Schoß glaube. Ich vertraue dir, auch wenn du erst ein paar Tage auf der Welt bist. Ich weiß, dass du das alles überstehen wirst. Ich schreibe dir diesen Brief in der Hoffnung, dass er dir Mut geben wird. Es ist alles, was ich noch für dich tun kann. Ich werde versuchen, dir einiges zu erklären, denn du bist etwas Besonderes. Denke jede Minute, jede Sekunde an meine Worte und sei stolz darauf, der zu sein, der du bist. Suche bei niemandem die Schuld für etwas, an dem keiner mehr etwas zu ändern vermag. Die Entscheidung nach Jodgarth zu gehen war für mich nicht einfach, deinetwegen. Ich weiß, dass dir viel Verwirrung erspart geblieben wäre, würdest du in der geheimen Elbenstadt Zirnail aufwachsen. Doch ich brachte es nicht übers Herz weiterhin dort zu leben. Zu groß war der Schmerz, an dem keiner Schuld hatte. Am allerwenigsten dein Vater, doch das begriff ich erst, als ich schon fünf Tagesmärsche von ihm entfernt war. Ich hoffe, du wirst mich eines Tages verstehen und mir vergeben. Schöner Brief (: Die Wortwahl wieder gut gewählt und flüssig geschrieben. Es war das erste Mal, dass Cavien etwas über seinen Vater erfuhr. Stets hatte man ihm eingeredet, dass er unehelich und dass seine Mutter deswegen gestorben sei. Dass er von den Göttern verflucht ist. Cavien hatte es geglaubt, er hatte irgendwann einmal aufgehört zu widersprechen, hatte die Kommentare über seine Herkunft so hingenommen. Lydia hatte ihn dennoch geliebt und auch Tamor, sein Vater in so vielen Dingen, hatte es ihm nie zum Vorwurf gemacht. Er war immer Cavien, ihr Sohn, gewesen. Und so hatte er sich auch gefühlt. Seine Trauer über den Tod der beiden hatte schließlich auch die Dorfbewohner davon überzeugt, dass er fähig war zu lieben und sie hatten ihn in der Gemeinschaft aufgenommen. Nach dem Tod seiner Eltern war er endlich das geworden, als das er sich immer gefühlt hatte: Der Sohn von Lydia und Tamor. Umso mehr verwirrte es ihn nun, einen Brief in der Hand zu halten, den zuletzt die Finger seiner leiblichen Mutter berührt hatten, Worte zu lesen, die ihn aufbauen sollten und von seinem Erzeuger erzählten. Er hatte Helena nie für herzlos gehalten, er hatte gewusst, dass sie ihn geliebt hatte. Sie war zu früh gestorben, doch sie hatte ihm das Leben geschenkt. Er wüsste nicht, wofür er ihr vergeben müsste, sie war doch nicht absichtlich gestorben. Doch immer, wenn er an seinen Erzeuger dachte, dessen Name er nicht einmal kannte und bei dem er sich weigerte eine Verbindung zwischen ihm und dem Wort ‚Vater’ zu sehen, regte sich Zorn in ihm. Er hasste ihn dafür, dass er seine Mutter nicht begleitet hatte, dass er sie hochschwanger hatte reisen lassen und dass er sich in diesen sechzehn Jahren nicht einmal gemeldet hatte. Es war ihm anscheinend egal, dass er einen Sohn hatte. Wahrscheinlich wusste er nicht einmal, dass Helena tot war! Wütend blinzelte Cavien die Tränen zurück, die sowohl vom Hass als auch von Trauer rührten. Das hatte seine Mutter, wie auch immer sie gewesen war, nicht verdient. Wie gerne würde er diesen Menschen kennen lernen, ihm sagen, wie er ihn hasste! Cavien wollte verstehen, was ihn dazu veranlasst hatte, Helena zu verlassen. Denn er war sich sicher, dass sie deswegen hochschwanger nach Jodgarth gekommen war. Ohne Mann, ohne Geld. Auf sich allein gestellt. Was wäre gewesen, wenn Lydia und Tamor sie nicht aufgenommen hätten? Was, wenn er keine neuen Eltern gehabt hätte, sondern irgendwo elendig verhungert oder erfroren wäre? Hätte sein Erzeuger sich überhaupt nach ihm erkundigt? Hätte es ihm etwas ausgemacht, dass er tot wäre? Wofür sollte er Helena vergeben? Wie konnte sie sich selbst die Schuld geben und seinen Erzeuger somit von ebenjener Schuld befreien? Aranulf kann nichts für meine Entscheidung, auch er hat sich sein Schicksal nicht ausgesucht. Auch er musste mit dem Gegebenen leben. Ich hatte die Wahl und habe mich für diesen Weg entschieden. Es tut mir so Leid, dass alles dadurch noch schwieriger und komplizierte für dich ist als es sein muss. Ich habe ihn geliebt, Cavien, mehr als alles andere. Und er liebt mich auch, das weiß ich. Er wird es dir erklären, wenn du ihn triffst. Doch das ist nur ein kleiner Grund, warum du nach Zirnail musst. Vertrau Bari und geh mit ihr, sie wird dich zu Hajid bringen, der dich alles Wichtige lehren wird. Es ist eine Bürde, die dir auferlegt wurde, und keiner kann dich von ihr befreien. Denn du bist der Cavien. Dein Name ist nicht nur ein einfacher Name, sondern dein Schicksal. Mehr kann, mehr darf ich dir nicht schreiben, falls dieser Brief verloren geht. Du weißt gar nicht, was er für einen Schaden anstellen könnte, würde er in die Hände des Königs gelangen. Geh mit Bari mit. Und sei ihr nicht böse, weil sie ist wie sie ist. Sie ist trotz ihres Hasses auf deiner Seite, sie wird dir helfen. Egal, was du über sie erfahren wirst, vertraue ihr. Die Vergangenheit ist etwas, das vergessen werden sollte. Jeder macht Fehler, doch wir müssen im Stande sein zu vergeben. Sie hasst dich nicht. Welchen Grund hätte sie auch dazu? Du bist so ein hübscher Junge. Gott kann nichts anderes für dich vorgesehen haben als das Leben, du wirst es schaffen. Wie gerne würde ich dir mehr auf den Weg geben als diese Worte! Doch ich weiß, dass meine Zeit abgelaufen ist. Ich weiß nicht, was sie dir erzählen werden, warum ich sterben werde, warum ich gestorben sein werde wenn du zum ersten Mal sprichst, deine ersten Schritte gehst. Vergeblich versuchte Cavien die folgenden Worte lesen zu können, doch sie waren sorgfältig durchgestrichen worden, sodass er nur noch einzelne Buchstaben erkennen konnte. Ich habe dir ein Medaillon hinterlassen mit der Bitte an Lydia dich großzuziehen und es dir zu geben, wenn du alt genug bist. Ich hoffe, du hast es noch? Es ist etwas, was ich dir zeigen möchte. Durch Menschenhand lässt es sich nicht öffnen, doch wenn du „Nulatha; hresam dus!“ sprichst wird dir gezeigt werden, was sich im Innern befindet. Es ist das Letzte, was ich dir geben kann, damit du weißt, von wem du abstammst. Ich werde dich immer lieben. Helena „Was stand da?“, fragte er und hielt Bari den Brief hin. Er hatte das Gefühl, dass dort etwas über ihren Tod gestanden hatte, doch aus welchem Grund auch immer hatte es jemand durchgestrichen. Sie selbst? War es zu grausam, was dort stand? Oder wollte jemand nicht, dass er erfuhr, was sie ihm dort hatte mitteilen wollen? „Woher soll ich das denn wissen? Glaubst du mir jetzt endlich?“, fauchte Bari, doch Cavien hatte das Gefühl, dass sie es sehr wohl wusste. Oder dass sie zumindest eine Ahnung hatte. Er glaubte nicht, dass Helena die Worte selbst durchgestrichen hatte. Die Tinte, mit der ihre Sätze geschrieben worden waren, schien sich auch in Farbe und Konsistenz von der anderen zu unterscheiden, auch wenn Cavien es in dem schwachen Licht nicht sicher sagen konnte. Verwundert stellte er fest, dass es draußen zu dämmern begonnen hatte. Sein Fenster zeigte gengen? Norden, weswegen er die Uhrzeit nur schlecht schätzen konnte. Er vermutete jedoch, dass es nur noch ein paar Minuten bis Einbruch der Nacht waren. Doch diese Tatsache beunruhigte ihn nicht mehr, er wollte Bari nicht mehr aus seiner Hütte scheuchen. Nicht, ehe er nicht seine Antworten erhalten hatte; nicht, bevor sie die Verwirrung, die sie über ihn gelegt hatte, nicht wieder klärte. Es war, als hätte er durch diesen Brief in seinen Händen die Augen geöffnet bekommen, als hätte er bis jetzt in einer fremden Hülle gehaust. Cavien konnte die Unwissenheit seiner Abstammung beinahe körperlich spüren. Sie drückte von außen und schien zu versuchen ihn in sein tiefes Inneres zu verbannen, einzuschließen. Ein kleiner Teil von ihm wollte es zulassen, wollte sich wegsperren lassen, in der Hoffnung dadurch die Unwissenheit zu verlieren. Ihm wurde von einem auf den anderen Moment bewusst, dass er bis jetzt immer als jemand ausgegeben worden war, der gar nicht in ihm lebte. Er war nicht Cavien, Lydias und Tamors Sohn, sein Vater hieß Aranulf und lebte irgendwo in Zirnail. Soeben hatte sich einer seiner größten Wünsche erfüllt, er hatte, hier und jetzt, die Möglichkeit aufzubrechen um seinem Vater gegenüber zu treten. Er würde ihm endlich seinen Zorn zeigen können! Doch Cavien konnte sich seltsamerweise nicht darüber freuen. Er spürte nichts als die drückende Unwissenheit, die nagende Verwirrtheit und eine beklemmende Angst. |