Gegen Bilderklau - Das Original (https://www.gegen-bilderklau.net/index.php)
- Prosa, Epik, Kunst (https://www.gegen-bilderklau.net/board.php?boardid=133)
--- Schreibecke (https://www.gegen-bilderklau.net/board.php?boardid=71)
---- Geschichten (https://www.gegen-bilderklau.net/board.php?boardid=77)
----- Liebes Tagebuch.. | kurzer Text (https://www.gegen-bilderklau.net/thread.php?threadid=121039)
Geschrieben von Ayana am 23.10.2007 um 20:11:
Liebes Tagebuch.. | kurzer Text
Liebes Tagebuch,
es ist wie verhext. Ich denke viel zu viel nach, mein Leben besteht einzig und alleine aus einem großen Fragezeichen. Wer hat die Frage „Warum?“ erfunden? Ich hasse ihn dafür. Wegen dieser Person, deren Namen ich nicht einmal kenne, stelle ich mir diese Frage mindestens ein Dutzend Mal am Tag. Warum hatte ich das Pech in genau diesem – meinem – Körper geboren zu sein? Warum kann ich nicht einfach normal sein, so wie alle anderen in meiner Klasse auch? Warum kann ich nicht einfach Freunde haben, so wie alle Mädchen in meinem Alter?
Es gibt sowieso zu viele Fragen. Und alle sind nur dazu da, um mich zum Nachdenken zu bringen, mich traurig zu machen und mich zu veranlassen, mich noch weiter zurückzuziehen. Jede Frage bringt mich ein weiteres Stück abseits, jede Frage holt mich ein weiteres Stück zurück in mein Inneres, bis ich irgendwann in mir selbst versinke. Ich stehe inmitten der Menge, weiß aber genau, dass ich eigentlich meilenweit entfernt bin. Mein Leben zieht an mir vorbei, ich bin nur die Zweitbesetzung für die Hauptrolle in meinem Leben. Ich betrachte mich als fremde Person. Wem soll ich vertrauen, wenn ich nicht einmal mir selbst vertrauen kann?
Vielleicht seh’ ich mein Leben aber auch einfach nur zu kritisch? Meine Banknachbarin in der Schule meinte letztens zu mir, ich sei kein Außenseiter, obwohl ich mich selbst immer als einer gesehen habe. Gehöre ich eigentlich doch dazu? Oder ist es nur die Erstbesetzung, die damit gemeint war. Es gibt Momente, in denen ich mich selbst sehe, so fern, als wäre es nicht ich. Aber wiederum existieren Zeiten, in denen ich wirklich lebe, in denen ich wirklich ich bin.
Wie kann es denn sein, dass ich so unentschlossen, so hin- und hergerissen bin? Wie kann das alles so laufen, wie es läuft, wenn ich doch eigentlich einen klaren Weg habe? Wenn ich genau weiß, was ich will und das auch durchziehe? Wieso kann mir keiner erklären, wer mein Leben lenkt, wer das Zepter in der Hand hält. Habe ich zwei Seelen, bin ich zweigespalten oder eine multiple Persönlichkeit? Vielleicht wäre der Weg zu einem Psychiater der richtige für mich, doch ich weiß nicht, ob ich mich einem fremden Menschen anvertrauen, wenn ich nicht einmal meinen Eltern erzählen kann, was wirklich mit mir los ist.
Wer hat mein Leben zerstört? Wer hat meine Seele gespalten? Wer hat mich zu dem gemacht, was ich bin? Bin gar ich selbst mein eigener Mörder? Habe ich mich selbst in dieses Unheil gestürzt und glaube nur die kalten Hände eines anderen auf meinen Schultern zu spüren, die mich kraftvoll und eisern in die Tiefe drücken, deren Griff nicht nachlässt? Bin ich das wirklich selbst? Kann man sein eigenes Ich in die Verdammnis befördern, ohne es bewusst zu wollen oder überhaupt zu bemerken?
Verdammt, ich weiß, wieso ich dir zuvor nie etwas anvertraut habe. Es ist noch zermürbender, wenn man sich endlich traut, einem anderen seine Gedanken preiszugeben und dann merkt, dass man keine Hilfe zu erwarten hat. Du bist nicht anders, als die, die sich meine Freunde nennen. Hören dir nicht zu, verstehen es nicht, sehen es nicht. Es – es, das mich umbringt…
____________________________________________________
Ich würde mich über sachliche und konstruktive Kritik freuen. Dieser Text ist vollständig, eine Fortsetzung ist nicht vorgesehen. Vielen Dank für eure Kommentare.
Geschrieben von Ayana am 23.10.2007 um 20:22:
Danke, Jana. Wir haben ja über den Sinn und alles schon geredet, freut mich, dass du eine Antwort geschrieben hast. Ich denke, ich werde jetzt desöfteren versuchen, kürzere Texte zu schreiben.
Geschrieben von Ayana am 23.10.2007 um 21:13:
Zitat: |
Original von Jeanny
Zitat: |
Es gibt sowieso zu viele Fragen. Und alle sind nur dazu da, um mich zum Nachdenken zu bringen, mich traurig zu machen und mich zu veranlassen, mich noch weiter zurückzuziehen. Jede Frage bringt mich ein weiteres Stück abseits, jede Frage holt mich ein weiteres Stück zurück in mein Inneres, bis ich irgendwann in mir selbst versunken bin.(Ich glaube hier hast du die Zeit geändert oder? Beabsichtigt? ) Ich stehe inmitten der Menge, weiß aber genau, dass ich eigentlich meilenweit entfernt bin. Mein Leben zieht an mir vorbei, ich bin nur die Zweitbesetzung für die Hauptrolle in meinem Leben. Ich betrachte mich als fremde Person. Wem soll ich vertrauen, wenn ich nicht einmal mir selbst vertrauen kann? |
Ansonsten schließe ich mich Jana an. Finds wirklich schön geschrieben. Traurig, irgendwo macht es einen auch nachdenklich, vielleicht auch einfach weil es "vielerlei" widerspiegelt. Hm.... egal.
Wie dem auch sei, mir gefällt der Text, habe nichts dran auszusetzen.
|
Ne, das war keine Absicht, ich änder das gleich um, vielen Dank
Zu dem "Traurig, irgendwo macht es einen auch nachdenklich, vielleicht auch einfach weil es "vielerlei" wiedergspiegelt." möchte ich nur kurz etwas erwähnen. Es ist beabsichtigt, dass es den Leser zum Nachdenken bringen soll. Zum einen sind dort meine eigenen Gefühle und Gedanken verarbeitet, zum anderen aber auch einfach Sachen, die ich gelesen, aufgeschnappt oder geträumt habe. Vielerlei ist in diesem Text zusammengekommen und ich denke, genau das merkt man auch.
Vielen Dank für deine Kritik und dein Lob, Jeanny.
Geschrieben von leli am 25.10.2007 um 14:47:
Sehr schön, wirklich... Berührt & spricht mich total an. Weiter so, freue mich mehr von dir zu lesen.
Zwei kleine Fehler:
Zitat: |
Wieso kann mir keiner erklären, wer mein Leben lenkt, wir (wer?)das Zepter in der Hand hält. Habe ich zwei Seelen, bin ich zweigespalten (eigentlich doch zwiegespalten, oder?) oder eine multiple Persönlichkeit? |
Geschrieben von *Jessi* am 25.10.2007 um 18:15:
ich mag den Text, er berührt die Seele... deswegen find ich den sooo schön
für mich hat er eine ambivalente Bedeutung,
er regt wirklich sehr zum nachdenken an...
aber ist irgendwie so unberschreiblich schön und auf der andere seite voll traurig...
Genauso hab ich mich vor einem Jahr gefühlt...
deswegen berührt der mich auch so
nja dein schreibstill ist dazu auch noch hammer, der ist echt genial
Mach weiter so
Jessi
Geschrieben von Ayana am 25.10.2007 um 18:38:
Wow, erstmal *Jessi*, dir vielen Dank, das ist echt.. unglaublich für mich, so viel Lob zu hören, muss ich doch zugeben, dass ich mir nicht viele Gedanken gemacht habe, was ich da eigentlich schreibe, sondern nur meine eigenen Gedanken aufgeschrieben habe. Da tut so ein Lob doch richtig gut

Vielen Dank.
Auch an dich vielen Dank, leli. Mit zwiegespalten oder zweigespalten bin ich mir nicht ganz sicher, ich werde mich informieren, notfalls eben einen Lehrer fragen

das wie != wer ändere ich sofort, danke!

Ich freu' mich über dein Lob.
Geschrieben von Luca am 27.10.2007 um 18:21:
Ich dann mal

.
Du hast einen schönen Schreibstil, einen schöne Wortwahl und auch das Thema sehr gut deutlich gemacht, wie ich finde.
Es berührt auf jeden Fall, gleichwohl es teilweise einfach zu geschwollen klingt. Das wäre für eine Geschichte absolut richtig, aber für einen inneren Monolog (aus der heutigen Zeit), welcher ein Tagebucheintrag ja ist, einfach etwas unpassend. Ich finde, das nimmt dem ganzen ein ganz klein wenig die Eindringlichkeit.
Dennoch wirklich gut gelungen. Daumen hoch.
Geschrieben von Verena1993 am 27.10.2007 um 18:51:
könnte aus meinem Tagebuch stammen...
gefällt mir sehr gut...
Geschrieben von Ayana am 27.10.2007 um 22:15:
Luca

Ich stimme dir da schon zu, hatte da auch selbst einige bedenken damit, hatte auch eine Version auf Papier, die weniger geschwollen war, aber das klang in meinen Augen naiv, kindlich, so unförmig. Ich selber schreibe - auch in mein Tagebuch - in solch einer Wortwahl, einfach, weil ich mit gehobeneren Ausdrücken meine Gefühle und Gedanken besser ausdrücken kann, als mit einem "platten" Deutsch, was die meisten eben in ihr Tagebuch schreiben. Das Thema berührt mich eben wirklich stark, deshalb habe ich es auch so geschrieben, wie ich es - würde ich regelmäßig Tagebuch führen und hätte ich nicht Angst, dass es jemand liest, weshalb ich es einfach als ausgedachten Text von mir im PC speichere - in mein Tagebuch schreiben würde. Danke aber für dein Lob und dafür, dass du dir Gedanken gemacht hast
Danke auch dir Verena, auch wenn ich bezweifle, dass du in solch einer Ausführung in dein Tagebuch schreibst, was aber eine andere Sache ist
Geschrieben von animal.love am 27.10.2007 um 23:13:
Zitat: |
Original von Jana
Wunderschön geschrieben, Aya.
Berührt mich total & spricht mich an - so traurig es auch ist.
Einfach wahnsinnig toll. <3 |
Dito
Geschrieben von pcdfan am 28.10.2007 um 08:55:
Doch, toll geschrieben. Die Wortwahl finde ich spitze. <3 Auf solche Wörter wie 'Erstbesetzung' ,... wäre ich niemals gekommen
Auch wenn ich die Geschichte nicht wirklich spannend fand, der Schreibstil ist toll
Geschrieben von Ayana am 29.10.2007 um 20:20:
Danke, pcdfan. Um deiner Kritik entgegenzu kommen - auch wenn ich sie nicht hinunterspielen möchte, da sie durchaus berechtigt ist: Es soll gar keine Spannung aufkommen, das ist durchaus gewollt so. Es soll einzig und alleine zum Nachdenken anregen und meine Gedanken Preis geben.
Forensoftware: Burning Board, entwickelt von WoltLab GmbH