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Geschrieben von tears. am 08.07.2007 um 16:58:
Bis hierhin für immer
- Bis hierhin für immer -
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Kapitel 1
Seit einer kleinen Ewigkeit, zumindest erschien es mir so, haftete mein Blick nun schon an der großen, runden Plastikuhr, die über der Tafel hing und deren Zeiger sich so langsam wie nie zuvor zu bewegen schienen. Schule besonders diese letzte Stunde am Montag, nämlich Mathematik war schon immer langsamer vergangen, als der Rest des Tages. Das war eine Tatsache, auch wenn es noch nicht wissenschaftlich bewiesen war. Und sofern es noch möglich war, schlichen die Sekunden an diesem heißen Junitag noch schleppender dahin. Das lag einzig und allein an dem Mann, der uns seit etwa einer halben Stunde eine Standpauke hielt. Es war der Direktor unserer Schule Herr Karlson , der schwitzend an dem Lehrerpult stand, an dem ausnahmsweise mal nicht unser Mathelehrer saß. Der lehnte nämlich an der Wand neben dem einzigen offenen Fenster im Raum und nickte immer mal wieder bekräftigend.
Warum? Ich weiß es nicht genau, denn wirklich zugehört habe ich nicht. Es war zu warm, noch dazu ein Montag der unbeliebteste Tag der ganzen Woche und es sah ganz danach aus, als wenn unser Schulleiter die Stunde noch überziehen würde. Das tat er nämlich immer, wenn er irgendeine Klasse zu erziehen versuchte.
Die meisten von uns hatten bereits nach dem ersten Satz abgeschaltet. Es ging um den Abgängerstreich, den wir als erstes Jahrgang nicht machen durften, weshalb wir natürlich lautstark protestiert hatten. Zehn Jahre bei manchem waren es sogar noch mehr harter Plackerei und nun durften wir die Früchte nicht ernten, den Tag nicht erleben, auf den wir uns gefreut hatten, seit wir als Grundschulkinder selbst eingeseift worden waren. Von den damals noch so großen, unerreichbaren Abgängern. Die, vor denen wir Angst gehabt hatten, vor denen wir kreischend davongelaufen waren, wenn sie mit fauligen Eiern und Rasierschaum auf uns zukamen, nur um im nächsten Moment wieder wagemutig näher zu kommen.
Es war ein Spaß gewesen, solange sie uns nicht wirklich nassgespritzt oder mit Farbe bemalt hatten. Dann hatten wir gegrummelt, in der nächsten Stunde gewetteifert, wessen Klamotten am meisten ruiniert worden waren und uns geschworen, den späteren Kleinen mal alles heimzuzahlen.
Jetzt durften wir das nicht mehr, weil der Jahrgang vom letzten Jahr das Auto von einem Lehrer kaputt gemacht hatte. Zwar war der Schaden ersetzt worden, aber ein Risiko wollte man trotzdem nicht mehr eingehen.
Mir war inzwischen alles egal. Ich freute mich nur noch darauf, endlich die Schule beenden zu können. Wie, kümmerte mich nicht mehr. So ging es offensichtlich den meisten meiner Klasse. Einige versuchten, wie ich, die Uhr aus purer Willenskraft zum schneller laufen zu bringen, andere starrten aus den geschlossenen Fenstern in den Himmel, der sich wie ein blaues Seidentuch über den grünen Stadtpark spannte, der direkt neben der Schule lag. Es war paradiesisch, vor allem, wenn man an die letzten zwei Wochen dachte, die ziemlich verregnet, grau und kühl gewesen waren. Der Sommer ging jetzt scheinbar endlich los, pünktlich zum Schulende. Dumm nur, dass wir in unserem stickigen Klassenraum sitzen mussten.
Es gab allerdings auch noch ein paar Leute unter meinen Mitschülern sie waren zum Großteil männlich , die versuchten, den übergewichtigen Direktor umzustimmen. Den interessierte das jedoch nicht die Bohne, das sah man ihm deutlich an seinen Lippen an, die er immer dann zusammenpresste, wenn einer der Schüler es wagte, ihn mit erhobenem Arm zu unterbrechen, um ihn mit den blumigsten Theorien zu erklären, warum dieses Ereignis im Leben eines Heranwachsenden pädagogisch wertvoll sei.
Genervt verdrehte ich die Augen und wandte mich von der Uhr ab, um mich zu dem Teil der Schüler zu gesellen, die aus dem Fenster stierten. Aus dem Augenwinkel sah ich dabei meinen Mathelehrer, der gleichzeitig auch mein Klassenlehrer war. Er schien aufgehört zu haben, Autorität ausüben zu wollen, denn er nickte nicht mehr. Stattdessen zuckte es verdächtig um seine Mundwinkel, als Steffen der Klassenclown irgendwas von Freud plapperte, von dem er selbstverständlich keine Ahnung hatte.
Herr Behrens war nicht der Grund, warum wir Mathe nicht mochten unsere Abneigung lag in dem Fall ganz einfach an dem Stoff. Mit ihm als Lehrer dagegen konnten wir uns glücklich schätzen. Er war nicht unbedingt besonders gnädig, aber er hatte für gewöhnlich immer eine Geschichte auf Lager, mit der er schon mal den ganzen Unterricht ausfüllen konnte, nur um dann überrascht zu bemerken, dass er eine ganze dreiviertel Stunde von seinem Urlaub in Frankreich berichtet hatte, anstatt mit uns lineare Funktionen durchzugehen. Nur wenn sein Boss im Raum war, riss er sich zusammen, aber immer gelang ihm das auch nicht. So wie jetzt, auch wenn es nur eine kleine Gefühlsregung war.
Sicher war aber auch er erleichtert, als Herr Karlson schlussendlich fünf Minuten nach dem Glockenläuten mit der Hand auf das Pult schlug das Holz ächzte verdächtig unter der Last und den Tag als beendet erklärte. Wie die fünfzehn anderen Schüler um mich herum, schoss auch ich wie von der Tarantel geschossen hoch, packte meine Sachen und stürmte aus dem Klassenraum. Na endlich ... ich war ja noch verabredet!
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Das ist der Anfang einer Geschichte, die mir gerade in den Sinn gekommen ist. Über ein paar Kommentare und ernst gemeinte Kritik würde ich mich freuen (:
Geschrieben von kleine-Araberstute am 08.07.2007 um 19:52:
RE: Bis hierhin für immer
Zitat: |
Original von tears.
- Bis hierhin für immer -
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Ein sehr interessanter Titel. Um welches Genre geht es denn?
Kapitel 1
Seit einer kleinen Ewigkeit, zumindest erschien es mir so, haftete mein Blick nun schon an der großen, runden Plastikuhr, die über der Tafel hing und deren Zeiger sich so langsam wie nie zuvor zu bewegen schienen.Unten ist sie/er felsenfest davon überzeugt. Nimm also ihm/ihr diese Einstellung nicht im ersten Satz! "Seit einer Ewigkeit schon haftete mein Blick an der großen (dass sie rund ist ist fast klar, deswegen würd ich des streichen, sondern eher die Farbe einbringen) blauen Plastikuhr, die über der Tafel hing und und deren Zeiger einen neuen Rekord in Lahmheit aufstellte."[...] Schule besonders diese letzte Stunde am Montag, nämlich Mathematikbesonders diese letzte Stunde Mathematik war schon immer langsamer vergangen, als der Rest des Tages. Das war eine Tatsache, auch wenn es noch nicht wissenschaftlich bewiesen war +grins+ Kenne ich
. Und sofern es noch möglich war, schlichen die Sekunden an diesem heißen Junitag noch schleppender dahin. Auch wenn "Und" am Anfang des Satzes nicht gerne gesehen wird, würde ich es hier einsetzten. Finde, es passt da sehr gut rein
Das lag einzig und allein an dem Mann, der uns seit etwa einer halben Stunde eine Standpauke hielt. Es war der Direktor unserer Schule - musst du durch ; ersetzten
Herr Karlson , der schwitzend an dem Lehrerpult stand, an dem ausnahmsweise mal nicht unser Mathelehrer saß. Der lehnte nämlich an der Wand neben dem einzigen offenen Fenster im Raum und nickte immer mal wieder bekräftigend. Ich find, bekräftigend könnte man seeeeehr gut durch eifrig ersetzten
Warum? Ich weiß es nicht genau, denn wirklich zugehört habe ich nicht. Es war zu warm, noch dazu ein Montag wieder kein Bindestrich sondern ein Komma der unbeliebteste Tag der ganzen Woche und es sah ganz danach aus, als wenn unser Schulleiter die Stunde noch überziehen würde. Das tat er nämlich immer, wenn er irgendeine Klasse zu erziehen versuchte.
Die meisten von uns hatten bereits nach dem ersten Satz abgeschaltet - oder auch schon davor. so genau konnte man das bei uns nicht sagen.. Es ging um den Abgängerstreich, den wir als erstes Jahrgang nicht machen durften, weshalb wir natürlich lautstark protestiert hatten.OH! Bisj etzt hatte ich das Gefühl, dass sie ein 14jähriges Mädchen ist O_o Zehn Jahre bei manchem waren es sogar noch mehr harter Plackerei und nun durften wir die Früchte nicht ernten, den Tag nicht erleben, auf den wir uns gefreut hatten, seit wir als Grundschulkinder selbst eingeseift worden waren. Von den damals noch so großen, unerreichbaren Abgängern. Die, vor denen wir Angst gehabtgehabt würd ich streichen hatten, vor denen wir kreischend davongelaufen waren, wenn sie mit fauligen Eiern und Rasierschaum auf uns zukamen, nur um im nächsten Moment wieder wagemutig näher zu kommen. Hört sich an, als würden die Abgänger dann wagemutig näherkommen. Satz umstellen^^
Es war ein Spaß gewesen, solange sie uns nicht wirklich nassgespritzt oder mit Farbe bemalt hatten. Dann hatten wir gegrummelt, in der nächsten Stunde gewetteifert, wessen Klamotten am meisten ruiniert worden waren und uns geschworen, den späteren Kleinen mal alles heimzuzahlen.
Jetzt durften wir das nicht mehr, weil der Jahrgang vom letzten Jahr das Auto von einem Lehrer kaputt gemacht hatte. Zwar war der Schaden ersetzt worden, aber ein Risiko wollte man trotzdem nicht mehr eingehen.
Mir war inzwischen alles egal. Hörte sich oben nicht so an.Ich freute mich nur noch darauf, endlich die Schule beenden zu können. Wie, kümmerte mich nicht mehr. So ging es offensichtlich den meisten meiner Klasse. Einige versuchten, wie ich, die Uhr aus purer Willenskraft zum schneller laufenzur Eile zu bewegen zu bringen, andere starrten aus den geschlossenen Fenstern in den Himmel, der sich wie ein blaues Seidentuch über den grünen Stadtpark spannte, der direkt neben der Schule lag. Es war paradiesisch, vor allem, wenn man an die letzten zwei Wochen dachte, die ziemlich verregnet, grau und kühl gewesen waren. Der Sommer ging jetzt scheinbar endlich los, pünktlich zum Schulende. Dumm nur, dass wir noch in unserem stickigen Klassenraum sitzen mussten.
Es gab allerdings auch noch ein paar Leute unter meinen Mitschülern sie waren zum Großteil männlich , die versuchten, den übergewichtigen Direktor umzustimmen. Den interessierte das jedoch nicht die Bohne, das sah man ihm deutlich an seinen Lippen an, die er immer dann zusammenpresste, wenn einer der Schüler es wagte, ihn mit erhobenem Arm zu unterbrechen, um ihn mit den blumigsten Theorien zu erklären, warum dieses Ereignis im Leben eines Heranwachsenden pädagogisch wertvoll sei. Die Geste Lippenzusammenpressen passt nicht wirklich. Für mich drükt das Missmut aus.
Genervt verdrehte ich die Augen und wandte mich von der Uhr ab, um mich zu dem Teil der Schüler zu gesellen, die aus dem Fenster stierten. Aus dem Augenwinkel sah ich dabei meinen Mathelehrer, der gleichzeitig auch mein Klassenlehrer war. Er schien aufgehört zu haben, Autorität ausüben zu wollen, denn er nickte nicht mehr. Stattdessen zuckte es verdächtig um seine Mundwinkel, als Steffen der Klassenclown irgendwas von Freud plapperte, von dem er selbstverständlich keine Ahnung hatte.
Herr Behrens war nicht der Grund, warum wir Mathe nicht mochten unsere Abneigung lag in dem Fall ganz einfach an dem Stoff. Mit ihm als Lehrer dagegen konnten wir uns glücklich schätzen. Er war nicht unbedingt besonders gnädig, aber er hatte für gewöhnlich immer eine Geschichte auf Lager, mit der er schon mal den ganzen Unterricht ausfüllen konnte, nur um dann überrascht zu bemerken, dass er eine ganze dreiviertel Stunde von seinem Urlaub in Frankreich berichtet hatte, anstatt mit uns lineare Funktionen lineare Funktionen in der 10. Klasse? Ich komm jetzt in die 9. und wir haben das schon lange hinter uns - zum Glück
durchzugehen. Nur wenn sein Boss im Raum war, riss er sich zusammen, aber immer gelang ihm das auch nicht. So wie jetzt, auch wenn es nur eine kleine Gefühlsregung war.
Sicher war aber auch er erleichtert, als Herr Karlson schlussendlich fünf Minuten nach dem Glockenläuten mit der Hand auf das Pult schlug das Holz ächzte verdächtig unter der Last und den Tag als beendet erklärte. Wie die fünfzehn anderen Schüler um mich herum, schoss auch ich wie von der Tarantel geschossen hoch, packte meine Sachen und stürmte aus dem Klassenraum. Na endlich ... ich war ja noch verabredet!
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Das ist der Anfang einer Geschichte, die mir gerade in den Sinn gekommen ist. Über ein paar Kommentare und ernst gemeinte Kritik würde ich mich freuen (: |
Es gefällt mir. Flüssig zu lesen und die Protagonistin ist mir symphatisch
Bin gespannt, worum es geht, wo du doch so viel Zeit mit dieser einen (unwichtigen?) Szene verbracht hast^^
Hoffe, ich konnt dir ein bisschen helfen.
Liebe Grüße
Kerstin
Geschrieben von Anna1985 am 08.07.2007 um 20:09:
Dein Schreibstil gefällt mir sehr gut. Du beschreibst schön, erzählst schön ausführlich und nimmst den Leser sozusagen in deine Geschichte mit, was mir sehr gut gefällt. Außerdem merke ich, dass du dir beim Schreiben Mühe gegeben hast.
Was mir besonders gefällt ist der Schluss, weil du damit auf den nächsten Teil neugierig machst, was dir bei mir auch sehr gut gelungen ist. Ich werde weiterlesen.
lg
Geschrieben von tears. am 08.07.2007 um 20:59:
²kleine-Araberstute: Danke für die ausführliche Bewertung (: Ich gehe nicht auf jeden einzelnen Punkt ein, denk' aber bitte nicht, dass ich die Kritik deshalb einfach so in den Wind schlage (;
Nur zu einer Sache: Ich weiß ja nicht, ob du auf dem Gymnasium oder auf der Realschule bist, aber ich war auf der Realschule und hatte einen sehr lahmarschigen Mathelehrer. Lineare Funktionen hatten wir auch erst in der zehnten Klasse ^.-
Was das Genre angeht, ist das Ganze momentan Richtung Teen/Dramatik ausgelegt und ich denke nicht, dass sich da im Laufe der Geschichte was dran ändert.
Zitat: |
so viel Zeit mit dieser einen (unwichtigen?) Szene verbracht hast |
Das habe ich absichtlich gemacht, weil ich der Meinung bin, das man nicht gleich mit Action anfangen sollte. Das war sozusagen ein kleiner Einstieg.
²Anna: Dir auch ein großes Dankeschön

Freut mich wirklich, dass dir die Geschichte gefällt und ich hoffe, dass ich dich nicht enttäuscht, wenn du weiterliest ^^
Geschrieben von kleine-Araberstute am 09.07.2007 um 13:26:
Tears, ich bin auf dem Gymnasium. Ui, dann hattet ihr wirklich einen lahmen Lehrer. Naja, besser als unserer, der hetzt uns durch den Stoff >.<
Das mit dem Einstieg finde ich gut. Es soll also keine Kurzgeschichte werden

Denn dann wäre das der absolut falsche Anfang. In dieser einen Szene hast du uns mit der Protagonistin vertraut gemacht, uns ihre Denkweise gezeigt. Sie ist mir symphatisch geworden. Sehr gut gelungen also!
Geschrieben von TerraTX am 13.07.2007 um 20:00:
@Tears: Ich bin auch in der 8. Klasse eines Gyms und hatte lineare Funktionen im ersten Halbjahr, wenn ich mich richtig erinner xD
Zum Text: wow O_O ich vergötter dich... die Zusammenhänge sind toll, er ist total flüssig - das einzige, was ich zu bemängeln habe, ist, dass es nicht mein Thema ist. Der Text ist nicht wirklich langweilig, aber er interessiert mich eben nicht. Ich bin dieser typische Fantasyleser, zumindest meisten, naja, okay, eigentlich nie... aber... ^_^" wenn ich ein Buch, das in der heutigen Zeit spielt, lese, muss ich immer das Thema wissen, weil es mich halt sonst nicht interessiert xD
Geschrieben von tears. am 13.07.2007 um 20:35:
Wie gesagt ... Ich war in der Realschule und hab's definitiv erst in der zehnten Klasse durchgenommen xD Mein Mathelehrer war eben nicht so ... bombig
Danke für das Lob (: Dass es nicht dein Thema ist ... na ja, dagegen kann ich ja nicht viel machen ^^" Vielleicht schreib' ich irgendwann auch mal wieder eine Fantasy-Geschichte und stell sie dann auch rein ...
Ja, also erst einmal Entschuldigung, dass es so lange gedauert hat, bis zum nächsten Teil. Ich hatte in den letzten Tagen nicht viel Zeit, kreativ zu sein ...
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Meinen schwarzen Rucksack ließ ich über die rechte Schulter baumeln, während ich mir, ohne großartig darüber nachzudenken, einen Weg durch die Schule bahnte. Seit der siebten Klasse war ich nun schon hier fast vier Jahre. Anfangs hatte ich mich oft verirrt, obwohl unsere Schule wirklich nicht groß war. Obwohl Hauptschule, Realschule und Gymnasium hier untergebracht waren, gab es gerade mal sechshundert andere Schüler. Dementsprechend überschaubar war auch das Gebäude, aber ich hatte schon immer einen ziemlich schlechten Orientierungssinn gehabt und mich in meinen Anfangszeiten öfters mal verlaufen.
Inzwischen kannte ich jede einzelne Ecke und hätte selbst im Dunkeln nach draußen gefunden. Auf die Urkunden an den Wänden, die Aushänge und Türen, an denen auf großen Plastikschildern Namen von Lehrern und Raumnummern standen, achtete ich deshalb auch nicht mehr.
Die meisten der Schüler, die jetzt noch im Gebäude waren, hasteten in eine andere Richtung. Ich war ein kleiner Geisterläufer inmitten einer Horde Leute, die darauf hoffte, ihre Busse noch rechtzeitig zu erwischen. Aussichtslos, den die fuhren pünktlich ab und so würden die meisten der Schüler, die etwas spät dran waren, wohl oder übel auf den nächsten Bus warten müssen. Mit leiser Schadenfreude dachte ich daran, dass ich meinen persönlichen Chauffeur hatte, der mich nach Hause bringen würde.
Nachdem ich drei letzte Treppenstufen mit einem kleinen Sprung überwunden hatte, stieß ich endlich eine Nebentür auf, die eigentlich nur benutzt werden sollte, wenn man einen der Fluchtwege benutzen musste. Kümmern tat mich das nicht, denn von hier aus konnte ich direkt zum Parkplatz gehen, anstatt einen Umweg an der Hauptstraße entlang zu machen.
Die Luft draußen war schwül; man merkte deutlich, dass es in letzter Zeit viel Regen gegeben hatte. Im ersten Moment dachte ich sehnsüchtig an die neue Klimaanlage in der Schule, tröstete mich dann aber mit dem Gedanken, dass ich gleich wieder in einem Auto sitzen würde, in dem man den Außentemperaturen auch trotzen konnte. Mit dieser Aussicht im Hinterkopf vergrößerte ich meine Schritte noch und umfasste die breiten Träger meines Rucksacks etwas fester. Ich kam allerdings nicht sonderlich weit schon nach ein paar Metern hörte ich ein leises Lachen in meinem Rücken und dann eine tiefe Stimme, die ich unter Tausenden wiedererkannt hätte: Mikayla, wo willst du denn hin?
Kein Zweifel, dass ich angesprochen worden war. Ich hatte keinen 0815-Namen, zumindest für eine Deutsche. Ich war Deutsch, ja. Genau wie meine Eltern und Großeltern. Ich glaube nicht, dass ich irgendwo amerikanische Verwandte habe. Abgesehen von meiner Tante und meinem Onkel, die vor zehn Jahren ausgewandert sind. Die Beiden haben damit einen Traum in die Tat umgesetzt, den meine Eltern seit Jahren verfolgen. Sie sind schon seit langem total verrückt nach den USA und ich weiß, dass sie am liebsten schon längst aus Deutschland verschwunden wären. Der Grund, warum sie es noch nicht getan haben, bin ich, denn als sie endlich genug Geld zusammen hatten, war ich alt genug, um meine Zickigkeit dank Pubertät richtig ausleben zu können. Ein wenig schuldig fühle ich mich inzwischen schon, aber damals wollte ich nicht weg aus Deutschland, von meinen Freunden und dem gewohnten Leben.
Mein Name dagegen war amerikanisch und ich hatte ihn schon immer gemocht, weil er originell war. Der Grund, warum ich mich mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht umdrehte, war allerdings die Person, die mich gerufen hatte: Jonas, mein Freund, der jetzt einen Arm um mich legte und mit mir gemeinsam den Weg zu seinem Auto einschlug. Er war neunzehn, hatte die Schule vor zwei Jahren abgeschlossen und machte eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Ich habe mich natürlich wegen seines Charakters in ihn verliebt, aber es ist Fakt, dass er unglaublich gut aussieht und früher auch ein ziemlicher Womanizer war. Aber er hat sich verändert, seit wir zusammen sind. Er liebt mich, das weiß ich, denn er zeigt es mir jeden Tag.
Ich hab schon gedacht, du hättest mich versetzt., sagte er jetzt mit einem Lächeln und ich konnte nicht anders, als leise zu lachen. Ich liebte ihn wirklich und hatte mich auch nie davon beeindrucken lassen, dass viele meiner Freunde mir geraten hatten, mich lieber nicht mit ihm einzulassen. Ein Frauenheld, der mir auf kurz oder lang das Herz brechen würde, das hatten sie gesagt. Aber er hatte sich geändert; vielleicht hatte ich ihn sogar geändert. Für mich bestand kein Zweifel, dass ich mit diesem Mann den Rest meines Lebens verbringen würde.
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