nechtan
Ich weiß, ich weiß...Alle die schon mal angefangen haben, irgendeine Story von mir zu lesen denken sich wahrscheinlich: Nein, bei der fang ich garnicht erst wieder an, die schreibt eh nicht weiter. Doch diesmal wird das garantiert anders sein, weil ich schon sehr viel geschrieben habbe und mich das Thema mal so richtig brennend interessiert. Die anderen Themen haben mich einfach bloß in diesem Moment fasziniert, aber diese Story hier ist keine "Phase"m ich denke da werde ich endlich mal durchhalten^^ Und wenn nicht: Nevt mich einfach lange genug
Sooo, lange Rede, kurzer Sinn, hier kommt der Anfang:
Aymara - wenn ich mit den Pferden tanze
Diese geschichte schreibe ich glaube ich meinem Pferd zu liebe. Nicht das ich mit ihm all das erlebt habe, aber ich habe durch es viel gelernt und erst deshalb bin ich in der Lage, dies zu schreiben.
1. Melbourne
Melbournes Hufe wirbelten den Sand auf, als er fleißig und gleichmäßig vorwärts ging, in nettem Trab und aufrechter Haltung. Nach einigen Sekunden senkte er den Kopf und hob den Schweif noch etwas an, vollkommen entspannt schien er dahinzuschweben, immer auf das Mädchen, das ihn vorwärts trieb konzentriert.
Plötzlich jedoch riss er den Kopf empor und stand beinahe noch im selben Augenblick. Fragend wandte er den Blick zu der blonden Sophia und spitzte neugierig die Ohren.
„Sophia, das war dein Fehler. Du hast ihm den Weg abgekürzt, sieh mal wo du stehst.“, die Blonde hatte gerade eine Bodenarbeitstunde bei Rainer im Roundpen.
Und wie immer hatte der großgewachsene, schlanke Mann recht, Sophias Füße zeigten genau vor das Pferd, Melbourne hatte mit seinem plötzlichen Anhalten also absolut richtig gehandelt. „Braver Junge.“, lobte das Mädchen den kleinen Wallach etwas verspätet ging wieder auf ihre Position schräg hinter das Pferd.
Kurz überlegte sie, wandte den Blick dann in die Richtung, in die Melbourne gehen sollte, richtete die Peitschenspitze auf die Fesseln seiner Hinterbein, schnalzte kurz mit der Zunge und ging schließlich los.
Sogleich setzte sich der Rappe in Bewegung und kaute genüsslich ab, im Wissen, alles richtig gemacht zu haben. „Gut so.“, meinte Rainer jetzt und lächelte seine Schülerin kurz an, dafür dass sie erst seit wenigen Monaten Unterricht bei ihm nahm machte sie sich sehr gut.
„Und jetzt lass ihn wieder antraben!“, forderte er sie auf und studierte jede ihrer Bewegungen. Sophia hob die Peitsche etwas an, sodass sie auf das Sprunggelenk des Schwarzen zeigten und übte mit ihrem flotten Gang etwas Druck aus. Der Wallach verstand und machte einen vergnügten Satz, bevor er wieder in einen taktreinen Trab verfiel.
Lächelnd kraulte Sophia ihrem Melbourne die Stirn und strich ihm dann über den Hals. „Mein kleiner Prinz…“, flüsterte sie dem Rappen leise zu und nahm ihm dann das Halfter ab, um ihn in den Auslauf zu entlassen. Der Wallach kaute noch zufrieden ab, bevor er die Ohren freundlich spitze und zu seiner Herde trottete. Den Hals nach vorne gereckt und den Schweif aufgestellt gab er ein leises Wiehern von sich, um die Anderen auf sich aufmerksam zu machen.
Sophia blickte ihrem Pferd noch kurz nach, dann wandte sie sich ab und machte sich auf den Weg zur Sattelkammer. Dort angekommen drückte sie leicht gegen die Tür, sodass diese sich mit einem Quietschen öffnete und schließlich einen Blick in die Kammer gewährte. Der Geruch von Leder stieg dem Mädchen in die Nase und sie schritt langsam in den halbdunklen Raum, um das Halfter ihres Wallachs an seinen Platz zu hängen.
„Du hast dir deinen Rang bei Melbourne wirklich gut erarbeitet, ihr werdet zu einem richtigen Team!“, ertönte hinter ihr die Stimme Rainers und Sophia drehte sich lächelnd um. „Danke.“, erwiderte sie und fuhr dann fort: „Ich merke auch, wie ich schwierige Situationen mit ihm immer besser meistern kann, er wird wirklich zu einem Traumpferd.“ Die Blonde fing richtig an zu strahlen, als sie an die schöne Zeit mit dem Rappen dachte. „Nein, Sophia. Er war immer schon ein Traumpferd, aber jetzt lernst du, richtig mit ihm umzugehen. Raufsetzen und losreiten ist eben nicht alles.“ Sophia nickte, wusste nicht so recht, ob das nun ein Kompliment sein sollte, oder nicht. „Du kannst ein Pferd nicht verändern, du kannst nur anders über es denken.“, fuhr er fort und lächelte das Mädchen dann an.
Er wusste, wie schwer sie es mit Melbourne gehabt hatte, doch jetzt war es schön zu sehen, wie die beiden miteinander umgingen und ihre Fortschritte zu bemerken.
Er hatte immer gewusst, dass Melbourne eigentlich ganz anders war, er hatte nie zu denen gehört, die den kleinen Tinkerwallach als gefährlich einstuften, denn er war keineswegs so, wie er immer gewirkt hatte. Er war einfach ein sehr sensibles Pferd, mit dem es sehr behutsam zu sein galt. Man konnte diesen Rappen nicht so behandeln, wie es leider die meisten Reiter taten, eigentlich konnte man so mit keinem Pferd umgehen. Eine gute Ausbildung und Konsequenz waren nicht alles – die Körpersprache der Tiere zu erkennen und zu beobachten, wie sie sich in der Herde verhielten, was sie taten, um ihren Artgenossen mitzuteilen was sie von ihnen wollten – das war der Schlüssel zum Erfolg. Jede noch so kleine Bewegung konnte etwas falsches sagen und Melbourne war eines dieser Pferde, die das am aller wenigsten wegstecken konnten.
Sophia blickte kurz zu ihrem Trainer, ihrem Vorbild, auf und begann schließlich: „Ich habe gehört Sabine geht am Wochenende auf eine Auktion…Wirst du mitgehen?“ Der Mann zuckte mit den Schultern, überlegte kurz und meinte dann: „Ich würde eh nur wieder ein Pferd anschleppen, das für ihren Schulbetrieb untauglich ist, da soll sie lieber alleine hingehen und ein paar treudoofe Ponys ersteigern.“, er musste grinsen, schließlich war es bisher immer so gewesen, dass er der war, der irgendein „Problempferd“ im Reitstall unterstellte und es, nachdem er mit ihm gearbeitet hatte, weiterverkaufte.
2. Der Unfall
Leise Schritte hallten im dunklen Stall wider, hin und wieder hörte man das Räuspern eines Mannes, oder das Schnauben von Pferden. Eine dunkle Gestalt näherte sich langsam dem rot leuchtenden Lichtschalter und betätigte ihn.
Erst flackerte das Licht in der Stallgasse nur, dann erhellte es jedoch auch die einzelnen Boxen.
Nur wenige waren besetzt, sie waren mit Matratzenstreu gebettet und im ganzen Stall hatte sich ein übler Geruch verbreitet. Die meisten Pferde standen vollkommen abgestumpft mit dem Kopf in die hintere Ecke ihres Gefängnisses, andere hingegen beobachteten den Mann, der eine Peitsche mit sich trug, aufgeregt.
Zielstrebig steuerte er die hinterste Box des Gebäudes an, schon von weitem waren aus ihr die auf dem blanken Boden widerhallenden Schritte eines Pferdes zu vernehmen, sein aufgebrachtes Schnauben und der hektische Atmen.
Durch einen schmalen Lichtstrahl, der durch ein Loch im Mauerwerk fiel, konnte man seinen zierlichen Kopf entdecken, den ein halb zerrissenes Halfter bestückte. Als der Mann dem kleinen Verließ des Pferdes immer näher kam, stürmte dies mit angstgeweiteten Augen in die hinterste, halbdunkle Ecke riss den Kopf hoch und schnaubte panisch.
Das weiße in den Augen der kleinen Stute war nicht zu übersehen, ihr Blick verfolgte jede Bewegung des Fremden – doch war er ihr nicht ganz fremd, wo er doch der gewesen war, der sie hier eingesperrt hatte.
„Hey, ruhig. Spiel dich nicht so auf!“, die Stimme des Mannes klang kalt und beinahe mechanisch, als hätte er diese Worte schon tausend Mal gesagt. Ein verängstigtes, kaum hörbares aber beinahe flehendes Wiehern verließ die Kehle des Pferde und es sprang seitlich gegen die kaltfeuchte Wand – sie wollte entkommen, nur entkommen.
Mit einem Ruck öffnete ihr Peiniger die Schiebetür der Box in einer Lautstärke, dass die Scheckstute sich vor Schreck aufbäumte und ihren Leib dabei gegen die Boxenwand schlug.
Sie gab einen Ton von sich, der fast wie ein Aufschrei klang und schlug nach hinten aus - einmal, zweimal…Dann ließ sie ein lauter Knall und ein ihm folgender Schmerz innehalten. Die Stute wieherte wieder verzweifelt, als würde sie die anderen Pferde um sich herum um Hilfe bitten, doch diese wagten es nicht, sich zu bewegen, wagten kaum zu atmen.
„Gib endlich Ruhe!“, schrie der Mann sie an und peitschte erneut, doch diesmal hatte er die lange Rute nur durch die Luft zischen lassen. Aus der puren Verzweiflung heraus, begann die Stute, wild um sich zu schlagen, sie bäumte sich immer und immer wieder auf – wenn sie nicht fliehen konnte, dann würde sie kämpfen!
Plötzlich flog der Mann gegen die nur einen Spalt weit geöffnete Boxentür, sackte kurz zusammen und krümmte sich sogleich vor Schmerz. „Du Teufelstier!“, brüllte er keuchend und robbte langsam aus dem dunklen Gefängnis, des immer noch tobenden Pferdes. Sie hatte ihn erwischt, doch konnte der Mann nicht spüren, wo sie ihn mit ihren Hufen getroffen hatte, zu sehr tat ihm die ganze rechte Seite seines Körpers weh. Hinter sich zog er mit letzter Kraft, am Boden liegend, die Schiebetür zu und ließ seine Hände schließlich auf den kalten Steinboden sinken.
Nach einigen Sekunden ballte er sie zur Faust, der Schmerz hatte nachgelassen und er konnte spüren, das sie ihn wohl am Brustkorb getreten hatte, denn eine seiner Rippen durchfuhr nun ein pochender Schmerz.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht richtete sich der Verletzte auf, als er stand, sah er die Stallgasse nur noch in verschwommenen Grautönen und der Magen schien sich in seinem Leibe umzudrehen. Er musste sich etwas gebrochen haben, sonst würde er nicht so reagieren.
Etwas taumelig begann er den erhellten Gang entlang zu gehen, die Peitsche hatte er in der Box liegen lassen. Den einen Arm hielt er sich gegen die Brust, auch humpelte er etwas - sein Bein hatte sie wohl auch erwischt!
Mit düsterer, wütender Miene wandte er sich ein letztes Mal um, blickte in die verängstigten Augen des verstörten Tieres und fauchte: „Desdemonia!“
Erschöpft öffnete der Mann die Haustür und ließ sich dann vollkommen entkräftet und schweißnass auf den Boden gleiten, seine schmutzigen Finger zogen eine etwas dunkle Spur über den blank geputzten Fliesenboden.
Von den Schmerzen in der Brust geplagt schloss er die Augen und gab ein lautes Stöhnen von sich. Wieder verschwamm alles in seinem Blickfeld und er konnte die Schritte seiner Frau auf dem harten Untergrund vernehmen „klack, klack, klack…“, dann wurde alles schwarz und ruhig.
„Horst, Horst? Schatz hörst du mich?“, benommen öffnete der Dunkelhaarige die Augen, als ihm seine Ehefrau, Maria, leichte Ohrfeigen verpasste, damit er endlich aufwachte, in ihm schwirrten die Gedanken der jungen Stute, die dunkle Stallgasse…Dann schien er wieder in die Realität zurückzukehren - sein Umfeld wurde ihm klarer und er sah kurz zu der schlanken, vielleicht sogar dürren Frau auf. „Hhmhm?“, machte er leise. Erinnerte sich langsam was geschehen war. Ihm rann etwas Blut aus dem Mund und seinen Brustkorb durchfuhr erneut dieser fürcherliche Schmerz, der ihm die Luft abzuschnüren schien. Er stöhnte wieder auf, hielt die Hand auf die schmerzende Stelle, ließ jedoch gleich wieder von ihr ab, das machte alles nur noch schlimmer.
„Was ist denn passiert? Wer hat dich denn so zugerichtet?“, die Stimme der kleinen Frau drang an seine Ohren, es klang gedämpft und unwirklich. „Das Pfe…“, seine Augen rollten kurz, er glaubte kaum noch Luft zu bekommen, die Schmerzen nicht mehr aushalten zu können und sein Kopf nickte wieder zur Seite – er hatte wieder das Bewusstsein verloren.
In Windeseile stöckelte die schon etwas ältere Dame in das geräumige Wohnzimmer, griff nach dem Telefon und wählte sofort die Nummer des Notarztes, ihr Mann brauchte so schnell wie möglich Hilfe. Als jemand den Hörer abnahm, wartete sie keine Sekunde, es sprudelte förmlich aus ihr heraus:„Hallo? Können sie mir bitte helfen? Mein Mann…ich glaube er hatte einen Unfall, mit den Pferden. Kommen sie bitte so schnell wie möglich, ich glaube er hat innere Verletzungen, er blutet aus dem Mund und verliert immer wieder das Bewusstsein!“, „Moment, immer mit der Ruhe! Wer ist denn da überhaupt und wo wohnen sie?“…
Die Flügel der Notraufnahme flogen auf, überall roch es noch Medikamenten und Desinfektionsmittel. Ein Arzt in weißem Kittel mit abgenommenen Mundschutz eilte durch die Tür, verlangsamte jedoch sein Tempo, als sich die Flügel wieder verschlossen hatten. Sofort sprang Maria auf, ob ihr Mann tot war? „Was?“, doch konnte sie nicht weitersprechen, denn der Arzt begann sofort zu erklären: „Wir werden ihren Mann operieren müssen, doch der Eingriff ist nicht allzu groß.“ „Warum? Was, was ist denn mit ihm?“, besorgt versuchte sie einen Blick in den Saal zu werfen, vergebens es war eine Doppeltür. „Die gebrochene Rippe sticht in die Lunge, daher kommen auch die Blutungen aus dem Mund, doch hat der Knochen das Lungenfell noch nicht ganz durchbohrt. Haben sie keine Angst, ein solcher Eingriff ist für mein Team und mich beinahe Routine.“ „Aber…Wie hoch ist das Risiko, das er es nicht überlebt?“ “Gleich null, wie gesagt das Lungenfell ist nicht einmal ganz zerstört…Außerdem hat er sich die Kniescheibe angebrochen.“ Selbst unter Schock stehend ließ sich Maria auf einen der Stühle nieder und bettete die Stirn in ihre zierlichen Hände – Das konnte doch alles nicht wahr sein!
„Kennen sie denn den Unfallhergang?“ „Nein, er war nicht ansprechbar als ich ihn gefunden habe, aber ich denke es war etwas mit den Pferden…Oh mein Gott…Ich habe ihm doch immer gesagt, er soll nicht so rau mit ihnen sein…“
„Dieses verdammte Mistvieh!“, fluchend setzte sich Horst an den Küchentisch, sein Arm wurde mit einer Binde stabilsiert und unter seinem dünnen Hemd zeichnete sich ein enger Verband ab. „Bitte sag mir, dass du mit der Stute nicht weiterarbeiten wirst!“ bat Maria, nein sie flehte. Nun ließ auch sie sich am Tisch nieder und schob ihrem Mann den heißen Tee hin, mit viel Zucker, so wie er es mochte. „Mit diesem Teufelstier?“, erwiderte er. „Niemals, die ist doch besessen!“, er legte eine Pause ein, rührte nachdenklich in der Tasse herum. „Ich werde sie am Wochenende bei der Auktion versteigern. Es gibt viele Menschen, die einen Mustang haben wollen und wenn nicht, dann werden wenigstens die Schlachter zum Zuge kommen.“
Maria schluckte. Ihr Mann war in den letzten Jahren so kaltblütig geworden. Nach seinem Reitunfall war alles anders geworden, wo er doch früher so einfühlsam gewesen war.
Doch auch heute beobachtete sie ihn noch, wie er abends an der Box von seinem unreitbaren Powerface stand und ihm traurig die Stirn kraulte. Warum konnte es nicht mehr so sein, wie es einst einmal mit ihm gewesen war? Er war so gefühlskalt geworden, nichts berührte ihn mehr und es schien, als mache er die Pferde für seinen Unfall verantwortlich. Maria befürchtete, dass es nun, nach dem Vorfall mit der Mustangstute, noch dramatischer wurde. Wie oft hatte man Horst schon gedroht, ihn wegen Tierquälerei anzuzeigen? Er hatte Glück gehabt, bisher hatte hier noch niemand Besuch vom Tierschutzverein gehabt.
Verträumt stocherte die schmale Frau in ihrer Tasse herum, starrte die hübsche Vase auf dem Tisch an und gab einen leisen Seufzer von sich. „Was ist?“, wollte Horst plötzlich wissen, sah sie griesgrämig an. „Ach nichts…“ „Ja dann.“
Wann hatten sich die beiden das letzte Mal richtig unterhalten? Es schien ihr eine Ewigkeit herzusein…

Aymara - wenn ich mit den Pferden tanze
Diese geschichte schreibe ich glaube ich meinem Pferd zu liebe. Nicht das ich mit ihm all das erlebt habe, aber ich habe durch es viel gelernt und erst deshalb bin ich in der Lage, dies zu schreiben.
1. Melbourne
Melbournes Hufe wirbelten den Sand auf, als er fleißig und gleichmäßig vorwärts ging, in nettem Trab und aufrechter Haltung. Nach einigen Sekunden senkte er den Kopf und hob den Schweif noch etwas an, vollkommen entspannt schien er dahinzuschweben, immer auf das Mädchen, das ihn vorwärts trieb konzentriert.
Plötzlich jedoch riss er den Kopf empor und stand beinahe noch im selben Augenblick. Fragend wandte er den Blick zu der blonden Sophia und spitzte neugierig die Ohren.
„Sophia, das war dein Fehler. Du hast ihm den Weg abgekürzt, sieh mal wo du stehst.“, die Blonde hatte gerade eine Bodenarbeitstunde bei Rainer im Roundpen.
Und wie immer hatte der großgewachsene, schlanke Mann recht, Sophias Füße zeigten genau vor das Pferd, Melbourne hatte mit seinem plötzlichen Anhalten also absolut richtig gehandelt. „Braver Junge.“, lobte das Mädchen den kleinen Wallach etwas verspätet ging wieder auf ihre Position schräg hinter das Pferd.
Kurz überlegte sie, wandte den Blick dann in die Richtung, in die Melbourne gehen sollte, richtete die Peitschenspitze auf die Fesseln seiner Hinterbein, schnalzte kurz mit der Zunge und ging schließlich los.
Sogleich setzte sich der Rappe in Bewegung und kaute genüsslich ab, im Wissen, alles richtig gemacht zu haben. „Gut so.“, meinte Rainer jetzt und lächelte seine Schülerin kurz an, dafür dass sie erst seit wenigen Monaten Unterricht bei ihm nahm machte sie sich sehr gut.
„Und jetzt lass ihn wieder antraben!“, forderte er sie auf und studierte jede ihrer Bewegungen. Sophia hob die Peitsche etwas an, sodass sie auf das Sprunggelenk des Schwarzen zeigten und übte mit ihrem flotten Gang etwas Druck aus. Der Wallach verstand und machte einen vergnügten Satz, bevor er wieder in einen taktreinen Trab verfiel.
Lächelnd kraulte Sophia ihrem Melbourne die Stirn und strich ihm dann über den Hals. „Mein kleiner Prinz…“, flüsterte sie dem Rappen leise zu und nahm ihm dann das Halfter ab, um ihn in den Auslauf zu entlassen. Der Wallach kaute noch zufrieden ab, bevor er die Ohren freundlich spitze und zu seiner Herde trottete. Den Hals nach vorne gereckt und den Schweif aufgestellt gab er ein leises Wiehern von sich, um die Anderen auf sich aufmerksam zu machen.
Sophia blickte ihrem Pferd noch kurz nach, dann wandte sie sich ab und machte sich auf den Weg zur Sattelkammer. Dort angekommen drückte sie leicht gegen die Tür, sodass diese sich mit einem Quietschen öffnete und schließlich einen Blick in die Kammer gewährte. Der Geruch von Leder stieg dem Mädchen in die Nase und sie schritt langsam in den halbdunklen Raum, um das Halfter ihres Wallachs an seinen Platz zu hängen.
„Du hast dir deinen Rang bei Melbourne wirklich gut erarbeitet, ihr werdet zu einem richtigen Team!“, ertönte hinter ihr die Stimme Rainers und Sophia drehte sich lächelnd um. „Danke.“, erwiderte sie und fuhr dann fort: „Ich merke auch, wie ich schwierige Situationen mit ihm immer besser meistern kann, er wird wirklich zu einem Traumpferd.“ Die Blonde fing richtig an zu strahlen, als sie an die schöne Zeit mit dem Rappen dachte. „Nein, Sophia. Er war immer schon ein Traumpferd, aber jetzt lernst du, richtig mit ihm umzugehen. Raufsetzen und losreiten ist eben nicht alles.“ Sophia nickte, wusste nicht so recht, ob das nun ein Kompliment sein sollte, oder nicht. „Du kannst ein Pferd nicht verändern, du kannst nur anders über es denken.“, fuhr er fort und lächelte das Mädchen dann an.
Er wusste, wie schwer sie es mit Melbourne gehabt hatte, doch jetzt war es schön zu sehen, wie die beiden miteinander umgingen und ihre Fortschritte zu bemerken.
Er hatte immer gewusst, dass Melbourne eigentlich ganz anders war, er hatte nie zu denen gehört, die den kleinen Tinkerwallach als gefährlich einstuften, denn er war keineswegs so, wie er immer gewirkt hatte. Er war einfach ein sehr sensibles Pferd, mit dem es sehr behutsam zu sein galt. Man konnte diesen Rappen nicht so behandeln, wie es leider die meisten Reiter taten, eigentlich konnte man so mit keinem Pferd umgehen. Eine gute Ausbildung und Konsequenz waren nicht alles – die Körpersprache der Tiere zu erkennen und zu beobachten, wie sie sich in der Herde verhielten, was sie taten, um ihren Artgenossen mitzuteilen was sie von ihnen wollten – das war der Schlüssel zum Erfolg. Jede noch so kleine Bewegung konnte etwas falsches sagen und Melbourne war eines dieser Pferde, die das am aller wenigsten wegstecken konnten.
Sophia blickte kurz zu ihrem Trainer, ihrem Vorbild, auf und begann schließlich: „Ich habe gehört Sabine geht am Wochenende auf eine Auktion…Wirst du mitgehen?“ Der Mann zuckte mit den Schultern, überlegte kurz und meinte dann: „Ich würde eh nur wieder ein Pferd anschleppen, das für ihren Schulbetrieb untauglich ist, da soll sie lieber alleine hingehen und ein paar treudoofe Ponys ersteigern.“, er musste grinsen, schließlich war es bisher immer so gewesen, dass er der war, der irgendein „Problempferd“ im Reitstall unterstellte und es, nachdem er mit ihm gearbeitet hatte, weiterverkaufte.
2. Der Unfall
Leise Schritte hallten im dunklen Stall wider, hin und wieder hörte man das Räuspern eines Mannes, oder das Schnauben von Pferden. Eine dunkle Gestalt näherte sich langsam dem rot leuchtenden Lichtschalter und betätigte ihn.
Erst flackerte das Licht in der Stallgasse nur, dann erhellte es jedoch auch die einzelnen Boxen.
Nur wenige waren besetzt, sie waren mit Matratzenstreu gebettet und im ganzen Stall hatte sich ein übler Geruch verbreitet. Die meisten Pferde standen vollkommen abgestumpft mit dem Kopf in die hintere Ecke ihres Gefängnisses, andere hingegen beobachteten den Mann, der eine Peitsche mit sich trug, aufgeregt.
Zielstrebig steuerte er die hinterste Box des Gebäudes an, schon von weitem waren aus ihr die auf dem blanken Boden widerhallenden Schritte eines Pferdes zu vernehmen, sein aufgebrachtes Schnauben und der hektische Atmen.
Durch einen schmalen Lichtstrahl, der durch ein Loch im Mauerwerk fiel, konnte man seinen zierlichen Kopf entdecken, den ein halb zerrissenes Halfter bestückte. Als der Mann dem kleinen Verließ des Pferdes immer näher kam, stürmte dies mit angstgeweiteten Augen in die hinterste, halbdunkle Ecke riss den Kopf hoch und schnaubte panisch.
Das weiße in den Augen der kleinen Stute war nicht zu übersehen, ihr Blick verfolgte jede Bewegung des Fremden – doch war er ihr nicht ganz fremd, wo er doch der gewesen war, der sie hier eingesperrt hatte.
„Hey, ruhig. Spiel dich nicht so auf!“, die Stimme des Mannes klang kalt und beinahe mechanisch, als hätte er diese Worte schon tausend Mal gesagt. Ein verängstigtes, kaum hörbares aber beinahe flehendes Wiehern verließ die Kehle des Pferde und es sprang seitlich gegen die kaltfeuchte Wand – sie wollte entkommen, nur entkommen.
Mit einem Ruck öffnete ihr Peiniger die Schiebetür der Box in einer Lautstärke, dass die Scheckstute sich vor Schreck aufbäumte und ihren Leib dabei gegen die Boxenwand schlug.
Sie gab einen Ton von sich, der fast wie ein Aufschrei klang und schlug nach hinten aus - einmal, zweimal…Dann ließ sie ein lauter Knall und ein ihm folgender Schmerz innehalten. Die Stute wieherte wieder verzweifelt, als würde sie die anderen Pferde um sich herum um Hilfe bitten, doch diese wagten es nicht, sich zu bewegen, wagten kaum zu atmen.
„Gib endlich Ruhe!“, schrie der Mann sie an und peitschte erneut, doch diesmal hatte er die lange Rute nur durch die Luft zischen lassen. Aus der puren Verzweiflung heraus, begann die Stute, wild um sich zu schlagen, sie bäumte sich immer und immer wieder auf – wenn sie nicht fliehen konnte, dann würde sie kämpfen!
Plötzlich flog der Mann gegen die nur einen Spalt weit geöffnete Boxentür, sackte kurz zusammen und krümmte sich sogleich vor Schmerz. „Du Teufelstier!“, brüllte er keuchend und robbte langsam aus dem dunklen Gefängnis, des immer noch tobenden Pferdes. Sie hatte ihn erwischt, doch konnte der Mann nicht spüren, wo sie ihn mit ihren Hufen getroffen hatte, zu sehr tat ihm die ganze rechte Seite seines Körpers weh. Hinter sich zog er mit letzter Kraft, am Boden liegend, die Schiebetür zu und ließ seine Hände schließlich auf den kalten Steinboden sinken.
Nach einigen Sekunden ballte er sie zur Faust, der Schmerz hatte nachgelassen und er konnte spüren, das sie ihn wohl am Brustkorb getreten hatte, denn eine seiner Rippen durchfuhr nun ein pochender Schmerz.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht richtete sich der Verletzte auf, als er stand, sah er die Stallgasse nur noch in verschwommenen Grautönen und der Magen schien sich in seinem Leibe umzudrehen. Er musste sich etwas gebrochen haben, sonst würde er nicht so reagieren.
Etwas taumelig begann er den erhellten Gang entlang zu gehen, die Peitsche hatte er in der Box liegen lassen. Den einen Arm hielt er sich gegen die Brust, auch humpelte er etwas - sein Bein hatte sie wohl auch erwischt!
Mit düsterer, wütender Miene wandte er sich ein letztes Mal um, blickte in die verängstigten Augen des verstörten Tieres und fauchte: „Desdemonia!“
Erschöpft öffnete der Mann die Haustür und ließ sich dann vollkommen entkräftet und schweißnass auf den Boden gleiten, seine schmutzigen Finger zogen eine etwas dunkle Spur über den blank geputzten Fliesenboden.
Von den Schmerzen in der Brust geplagt schloss er die Augen und gab ein lautes Stöhnen von sich. Wieder verschwamm alles in seinem Blickfeld und er konnte die Schritte seiner Frau auf dem harten Untergrund vernehmen „klack, klack, klack…“, dann wurde alles schwarz und ruhig.
„Horst, Horst? Schatz hörst du mich?“, benommen öffnete der Dunkelhaarige die Augen, als ihm seine Ehefrau, Maria, leichte Ohrfeigen verpasste, damit er endlich aufwachte, in ihm schwirrten die Gedanken der jungen Stute, die dunkle Stallgasse…Dann schien er wieder in die Realität zurückzukehren - sein Umfeld wurde ihm klarer und er sah kurz zu der schlanken, vielleicht sogar dürren Frau auf. „Hhmhm?“, machte er leise. Erinnerte sich langsam was geschehen war. Ihm rann etwas Blut aus dem Mund und seinen Brustkorb durchfuhr erneut dieser fürcherliche Schmerz, der ihm die Luft abzuschnüren schien. Er stöhnte wieder auf, hielt die Hand auf die schmerzende Stelle, ließ jedoch gleich wieder von ihr ab, das machte alles nur noch schlimmer.
„Was ist denn passiert? Wer hat dich denn so zugerichtet?“, die Stimme der kleinen Frau drang an seine Ohren, es klang gedämpft und unwirklich. „Das Pfe…“, seine Augen rollten kurz, er glaubte kaum noch Luft zu bekommen, die Schmerzen nicht mehr aushalten zu können und sein Kopf nickte wieder zur Seite – er hatte wieder das Bewusstsein verloren.
In Windeseile stöckelte die schon etwas ältere Dame in das geräumige Wohnzimmer, griff nach dem Telefon und wählte sofort die Nummer des Notarztes, ihr Mann brauchte so schnell wie möglich Hilfe. Als jemand den Hörer abnahm, wartete sie keine Sekunde, es sprudelte förmlich aus ihr heraus:„Hallo? Können sie mir bitte helfen? Mein Mann…ich glaube er hatte einen Unfall, mit den Pferden. Kommen sie bitte so schnell wie möglich, ich glaube er hat innere Verletzungen, er blutet aus dem Mund und verliert immer wieder das Bewusstsein!“, „Moment, immer mit der Ruhe! Wer ist denn da überhaupt und wo wohnen sie?“…
Die Flügel der Notraufnahme flogen auf, überall roch es noch Medikamenten und Desinfektionsmittel. Ein Arzt in weißem Kittel mit abgenommenen Mundschutz eilte durch die Tür, verlangsamte jedoch sein Tempo, als sich die Flügel wieder verschlossen hatten. Sofort sprang Maria auf, ob ihr Mann tot war? „Was?“, doch konnte sie nicht weitersprechen, denn der Arzt begann sofort zu erklären: „Wir werden ihren Mann operieren müssen, doch der Eingriff ist nicht allzu groß.“ „Warum? Was, was ist denn mit ihm?“, besorgt versuchte sie einen Blick in den Saal zu werfen, vergebens es war eine Doppeltür. „Die gebrochene Rippe sticht in die Lunge, daher kommen auch die Blutungen aus dem Mund, doch hat der Knochen das Lungenfell noch nicht ganz durchbohrt. Haben sie keine Angst, ein solcher Eingriff ist für mein Team und mich beinahe Routine.“ „Aber…Wie hoch ist das Risiko, das er es nicht überlebt?“ “Gleich null, wie gesagt das Lungenfell ist nicht einmal ganz zerstört…Außerdem hat er sich die Kniescheibe angebrochen.“ Selbst unter Schock stehend ließ sich Maria auf einen der Stühle nieder und bettete die Stirn in ihre zierlichen Hände – Das konnte doch alles nicht wahr sein!
„Kennen sie denn den Unfallhergang?“ „Nein, er war nicht ansprechbar als ich ihn gefunden habe, aber ich denke es war etwas mit den Pferden…Oh mein Gott…Ich habe ihm doch immer gesagt, er soll nicht so rau mit ihnen sein…“
„Dieses verdammte Mistvieh!“, fluchend setzte sich Horst an den Küchentisch, sein Arm wurde mit einer Binde stabilsiert und unter seinem dünnen Hemd zeichnete sich ein enger Verband ab. „Bitte sag mir, dass du mit der Stute nicht weiterarbeiten wirst!“ bat Maria, nein sie flehte. Nun ließ auch sie sich am Tisch nieder und schob ihrem Mann den heißen Tee hin, mit viel Zucker, so wie er es mochte. „Mit diesem Teufelstier?“, erwiderte er. „Niemals, die ist doch besessen!“, er legte eine Pause ein, rührte nachdenklich in der Tasse herum. „Ich werde sie am Wochenende bei der Auktion versteigern. Es gibt viele Menschen, die einen Mustang haben wollen und wenn nicht, dann werden wenigstens die Schlachter zum Zuge kommen.“
Maria schluckte. Ihr Mann war in den letzten Jahren so kaltblütig geworden. Nach seinem Reitunfall war alles anders geworden, wo er doch früher so einfühlsam gewesen war.
Doch auch heute beobachtete sie ihn noch, wie er abends an der Box von seinem unreitbaren Powerface stand und ihm traurig die Stirn kraulte. Warum konnte es nicht mehr so sein, wie es einst einmal mit ihm gewesen war? Er war so gefühlskalt geworden, nichts berührte ihn mehr und es schien, als mache er die Pferde für seinen Unfall verantwortlich. Maria befürchtete, dass es nun, nach dem Vorfall mit der Mustangstute, noch dramatischer wurde. Wie oft hatte man Horst schon gedroht, ihn wegen Tierquälerei anzuzeigen? Er hatte Glück gehabt, bisher hatte hier noch niemand Besuch vom Tierschutzverein gehabt.
Verträumt stocherte die schmale Frau in ihrer Tasse herum, starrte die hübsche Vase auf dem Tisch an und gab einen leisen Seufzer von sich. „Was ist?“, wollte Horst plötzlich wissen, sah sie griesgrämig an. „Ach nichts…“ „Ja dann.“
Wann hatten sich die beiden das letzte Mal richtig unterhalten? Es schien ihr eine Ewigkeit herzusein…