Rennpferd
Heyhey, alle zusammen. Wie ihr vielleicht mitbekommen habt, habe ich vor längerer Zeit eine Geschichte namens "England ist anders" geschrieben. Nun habe ich mir einen Ruck gegeben und die vorhandenen Teile "geliftet", d.h. etwas umgeschrieben/gekürzt, sodass sie nun (mir zumindest) besser gefallen.
Ich werde die Geschichte in grösseren Teilen hier reinstellen, um schnell an die aktuelle Stelle zu gelangen.
Ach ja: Wundert euch nicht, dass ich kein scharfes S machen kann, komme aus der Schweiz, und hier gibt es diesen Buchstaben nicht.
Freue mich auf ganz viel Feedback und z.B. auch Vergleiche mit der alten Geschichte (auch wenn es nur minimale Unterschiede sind).
Bis bald und lg, rennpferd
-----------------------------------------------
Kapitel 1- Was für ein Zufall!
„Laura! Komm endlich, wir sind spät dran!“ rief Herr Licht mit seinem unverkennbar englischem Akzent. Seine Tochter sprang die Treppe herunter, so schnell es ging. In ihren langen, engen Reitstiefeln war das gar nicht so einfach. Einen kurzen Moment passte sie nicht auf, und schon lag sie unten. „Autsch!“ stiess Laura zwischen den Zähnen hervor. Das Mädchen hatte sich mit der rechten Hand abgefangen, und jetzt schmerzte ihr Handgelenk ziemlich heftig. „Laura! Alles okay?“, fragte Steven Licht besorgt. Schnell half er seiner Tochter auf die Beine. „Nichts Schlimmes? Dann los!“
„Hoffentlich hat es keinen Stau“, bemerkte Laura, bevor sie ihrem Vater zur Tür hinaus folgte.
Der grossräumige Pferdetransporter stand auf dem Hof, abfahrbereit. Alle Pferde waren eingeladen, und das Sattelzeug verpackt. Laura öffnete die Tür und nahm auf dem Beifahrersitz Platz, Steven setzte sich hinter das Steuer. Nach kurzer Zeit erreichten die beiden die Autobahn. Lauras Vater gab Gas und wechselte die Spur. Das Dressurturnier sollte in Ibersheim stattfinden, an dem jeweils ein Elternteil mit Kind reiten sollte. Es war also ein Paar-Wettbewerb, und Laura freute sich schon sehr. Gleichzeitig war sie aber auch sehr aufgeregt. Ibersheim war bekannt für die strengen Richter, die jedes Jahr eingeladen wurden, um für das Turnier zu richten.
Die Autobahn war entgegen Lauras Befürchtung recht wenig befahren, und so kam die Familie bald in Ibersheim an. „So, wir sind da!“, verkündete Herr Licht, als sie auf den schon von weitem erkennbaren Turnierplatz fuhren. Schnell stieg Laura aus und lief zur Meldestelle. Sie kannte sich mit Turnieren aus, schliesslich startete sie schon, seit sie neun Jahre alt war. Zügig wickelte sie den Papierkram mit der Frau an der Meldestelle ab, und schon bald konnte sie sich auf die Suche nach dem Transporter machen. Laura fand ihren Vater und die Pferde weit hinten auf der matschigen Wiese. Steven war gerade damit beschäftigt, die zwei Pferde auszuladen. Mr Principal, ein grossrahmiger Schimmel, schritt zügig die Rampe hinunter. Loreley, Lauras Stute, machte zuerst Probleme. Die mit Gummimatten beklebte Rampe erschien ihr einfach zu steil. Laura schüttelte den Hafereimer, und wie der Blitz folgte ihr Loreley aus dem Transporter. Die verfressene Fuchsstute wusste genau, wie sie an eine Extraportion Futter kam.
„Binden wir die Pferde draussen an. Ich gebe Prince ein bisschen Heu, damit er beschäftigt ist.“, erklärte Lauras Vater. Laura wusste genau, dass Steven Licht seinem Pferd wieder mal eine halbe Tagesration Heu geben würde. Ihr Vater liebte sein Pferd über alles, und verwöhnte ihn deshalb auch meistens zu viel. Loreley bekam auch noch Heu, dann machten die beiden Reiter einen Rundgang über das Turniergelände. Es war noch nicht viel los, nur eine kleine Reiterprüfung fand statt. Die Reiter sassen hochkonzentriert auf ihren blitzblanken Pferden und gaben sich alle erdenkliche Mühe. Laura lächelte bei diesem Anblick. Nur zu gut erinnerte sie sich an ihre ersten Turniere. Damals war sie gerade mal neun Jahre alt gewesen. Vor jedem Start war ihr speiübel gewesen, und nur mit Mühe konnte sie sich dann überwinden, in die Prüfung zu reiten. Am liebsten wäre sie jedes Mal schnell wieder nach Hause gefahren. Doch das war lange her. Die mittlerweile 15-jährige ritt nun schon ziemliche lange Dressurturniere. Ihr Vater hatte Laura jedes Mal begleitet, ihr geholfen und zu Hause wieder mit ihr weitergeübt.
Lauras Mutter lebte nicht mehr in Deutschland. Die gebürtige Engländerin wohnte in Boston. Nach der Trennung von Steven war sie nach Amerika gefahren, um dort eine Stelle als Ingenieurin anzunehmen. Wie Laura und ihr Vater ritt sie leidenschaftlich gerne. Eines ihrer Hobbys war Technik. Regina Licht, von den meisten nur Reggie genannt, war eine hervorragende Ingenieurin. Sie bastelte für ihr Leben gern an irgendwelchem Krimskrams herum, währen Steven nicht einmal eine Glühbirne auswechseln konnte, ohne dass er einen Kurzschluss verursachte.
Laura riss sich von ihren Gedanken los, da ihr Vater etwas sagte. „In einer Stunde sind wir am Start. Am besten machen wir bald die Pferde bereit.“ Loreley und Mr Principal wieherten ihnen entgegen, als sie zum Transporter kamen. „Ruhig, ist ja schon gut“, beruhigte Laura die Stute, die nervös herumtrippelte und am Anbindestrick zog. Während Laura sie mit kräftigen Strichen noch mal durchputzte, entspannte sich die Stute ein wenig. Prince dagegen war die Ruhe selbst. Er war 16-jährig und meistens ziemlich faul. Auch als Steven ihm den Kopf mit einem Tuch abwischte, öffnete Mr Principal nur kurz die Augen. Das grosse Pferd war in Gedanken wahrscheinlich bei einer ausgiebigen Siesta, und so war es keine Überraschung, als es nicht einmal den Sattel richtig wahrnahm. Loreley dagegen war hellwach, wie immer auf Turnieren. Sie war erst acht Jahre alt, und regte sich manchmal etwas auf.
Knappe sechzig Minuten später war es soweit. Steven Licht ritt in die Halle, und Laura folgte ihm konzentriert. Nur jetzt keinen Fehler machen! Wenn man beim Einreiten patzte, waren die Richter schon negativ eingestellt, bevor die Prüfung überhaupt richtig begonnen hatte, wusste Laura. Das Pas-de-Deux war eine schöne Aufgabe. Die zwei Reiter mit ihren Pferden ritten parallel verschiedene Figuren, zu denen eine passende Musik lief.
Kurz vor Ende der Halle teilte sich die Gruppe. Laura ritt linksherum, ihr Vater rechts. In einem gesetzten Trab näherten sich die beiden der Hallenmitte. Man nannte diesen Seitengang, bei dem das Pferd die Beine überkreuzte, Schenkelweichen. Die Pferde wichen dem Schenkel des Reiters seitlich aus, daher der Name. Laura verpasste den Anschluss nicht, und zeitgleich hatten die beiden Reiter und ihre Pferde eine neue Lektion angefangen. Die Prüfung war nicht einfach, denn sie verlangte höchste Konzentration von Pferd und Reiter. Bei der aufgekratzten Atmosphäre der Zuschauer kein Leichtes. Doch Laura und ihr Vater ritten gut, sehr gut sogar. Nur einmal entstand ein kleiner Fehler, als Laura zu spät abgewendet war und ihrem Vater in die Quere kam. Zum Glück war die kurze Verspätung schnell wieder ausgeglichen.
„Wir haben es geschafft!“, rief Laura erleichtert, als sie aus der Halle ritten. Trotz aller Erfahrung war sie doch jedes Mal ziemlich angespannt, wenn sie in der Prüfung war. „Gut gemacht, Laura!“, meinte auch Steven. Er war zufrieden: Es war Herbst, die Pferde waren vom langen und trainingsreichen Sommer müde, doch trotzdem war das Turnier gut gelaufen. Nun könnte man Loreley und Mr Principal eine zweimonatige Pause gönnen, sie hatten es wirklich verdient.
Die beiden Pferde wurden im Schritt bewegt, bis alle Paare geritten waren und die Siegerehrung anstand. „Nun kommen wir zur Rangliste des Pas-de-deux“, tönte es aus einem altersschwachen Lautsprecher. Laura und ihr Vater horchten gespannt der Stimme. „Auf dem ersten Platz haben wir Johannes Krämer und Lara Krämer, auf den Pferden Andrena und Northern Light! Herzlichen Glückwunsch!“ Laura warf einen Blick auf das Paar. Sie sahen sehr zufrieden aus. „Den zweiten Platz belegen Steven Licht und Laura Licht, auf den Pferden Mr. Principal und Loreley! Auch diesem Paar herzlichen Glückwunsch. Der dritte Platz...“
„Cool“, entwich es Laura laut. Sie strahlte übers ganze Gesicht. Auch Steven Licht war sehr zufrieden. „Den haben wir uns ehrlich verdient!“, strahlte auch er. Obwohl er ein alter Turnierhase war, freute er sich doch über jeden erfolgreichen Start. Etwas später wurde zur Preisverleihung aufgerufen. Laura und ihr Vater bekamen einen silbernen, kleinen Pokal und einen Sachpreis in Form von einem grossen Sack Pferdeleckerli. Zufrieden wurden die beiden Pferde versorgt, und Laura entledigte sich ihrer Stiefel. Die ausgelatschten Turnschuhe waren irgendwie doch bequemer.
Im Reiterstübchen der Anlage war es proppenvoll. Herr Licht bestellte zwei Menus mit Pommes Frites und je einem grossen Glas Cola. Laura stürzte sich auf das Essen wie ein ausgehungerter Wolf. Während sie assen, sprachen sie den Ritt nochmals durch. „Das mit der Verzögerung war schade, aber wir bekamen nicht wegen dieser Sache den zweiten Platz.“, meinte Steven. „Ich denke, die Krämers waren einfach noch etwas perfekter. Vielleicht müssten wir wieder einmal punktgenaue Übergänge üben“, schlug er vor. Auch Laura fand dies eine gute Idee. „Bei mir hapert’s da manchmal noch ziemlich.“ „Mit etwas üben kriegen wir das in den Griff.“, meinte Herr Licht dazu. Vater und Tochter fachsimpelten die ganze Zeit über Dressur, Reiten und Pferde, und bemerkten nicht, dass sich eine Person zu ihnen gesellte. Es stand eine grosse Frau vor ihrem Tisch. Sie räusperte sich. Als Laura und Steven sich ihr zuwandten, fielen ihnen fast die Augen aus dem Kopf. „Mum! Bist du das wirklich?!“, rief Laura. Auch Herr Licht sah ziemlich überrascht aus. „Regina! Was machst du denn hier?“, fragte er sie perplex. „Hallo Laura, hallo Steven. Ja, ich bin’s, Reggie. Wie geht’s euch?“ drehte sie den Spiess um. Schnell erzählte Laura vom Turnier, und Steven von ihrem derzeitigen Leben. Er bat Reggie einen Platz an, und die nächste Stunde lauschten Vater und Tochter gespannt der Ingenieurin, die doch eigentlich in den USA wohnte.
„Ich hatte Ferien und wollte endlich wieder einmal nach Deutschland kommen. Dabei wollte ich natürlich auch euch besuchen, doch es sollte eine Überraschung werden. Naja, das hat wohl geklappt. Eigentlich kam ich nur hier aufs Turnier, weil ich wieder mal Pferdeluft schnuppern wollte. In Boston hatte ich keine Möglichkeit zu reiten. It was a long journey,terrible. The plane was too late, and my baggage was in the false plane. Now it is in Brazil. Ach, tut mir Leid, ich rede mal wieder die falsche Sprache. Naja, auf jeden Fall muss ich jetzt noch zwei Tage warten, bis mein Koffer endlich kommt.“ Steven lud sie gleich nach Hause ein, seine ehemalige Frau. Er wirkte völlig anders, stellte Laura fest. So wie früher, als ihre Eltern noch zusammenwaren. Viel lustiger, fröhlicher und freundlicher. In letzter Zeit war Steven sehr nachdenklich gewesen, manchmal hatte er auch traurig gewirkt. Aber jetzt- ganz anders! Laura betrachtete ihre Mutter genauer. Sie sah immer noch gleich aus: Gross, schlank, mit langen, roten Haaren und vielen Sommersprossen im Gesicht, auf Händen und Armen. So ein Zufall! Da kam ihre Mutter nach Deutschland, um sie zu besuchen, und man sah sich auf einem Turnier wieder! Was das wohl bedeutete?, fragte sich Laura.
Ich werde die Geschichte in grösseren Teilen hier reinstellen, um schnell an die aktuelle Stelle zu gelangen.
Ach ja: Wundert euch nicht, dass ich kein scharfes S machen kann, komme aus der Schweiz, und hier gibt es diesen Buchstaben nicht.
Freue mich auf ganz viel Feedback und z.B. auch Vergleiche mit der alten Geschichte (auch wenn es nur minimale Unterschiede sind).
Bis bald und lg, rennpferd
-----------------------------------------------
Kapitel 1- Was für ein Zufall!
„Laura! Komm endlich, wir sind spät dran!“ rief Herr Licht mit seinem unverkennbar englischem Akzent. Seine Tochter sprang die Treppe herunter, so schnell es ging. In ihren langen, engen Reitstiefeln war das gar nicht so einfach. Einen kurzen Moment passte sie nicht auf, und schon lag sie unten. „Autsch!“ stiess Laura zwischen den Zähnen hervor. Das Mädchen hatte sich mit der rechten Hand abgefangen, und jetzt schmerzte ihr Handgelenk ziemlich heftig. „Laura! Alles okay?“, fragte Steven Licht besorgt. Schnell half er seiner Tochter auf die Beine. „Nichts Schlimmes? Dann los!“
„Hoffentlich hat es keinen Stau“, bemerkte Laura, bevor sie ihrem Vater zur Tür hinaus folgte.
Der grossräumige Pferdetransporter stand auf dem Hof, abfahrbereit. Alle Pferde waren eingeladen, und das Sattelzeug verpackt. Laura öffnete die Tür und nahm auf dem Beifahrersitz Platz, Steven setzte sich hinter das Steuer. Nach kurzer Zeit erreichten die beiden die Autobahn. Lauras Vater gab Gas und wechselte die Spur. Das Dressurturnier sollte in Ibersheim stattfinden, an dem jeweils ein Elternteil mit Kind reiten sollte. Es war also ein Paar-Wettbewerb, und Laura freute sich schon sehr. Gleichzeitig war sie aber auch sehr aufgeregt. Ibersheim war bekannt für die strengen Richter, die jedes Jahr eingeladen wurden, um für das Turnier zu richten.
Die Autobahn war entgegen Lauras Befürchtung recht wenig befahren, und so kam die Familie bald in Ibersheim an. „So, wir sind da!“, verkündete Herr Licht, als sie auf den schon von weitem erkennbaren Turnierplatz fuhren. Schnell stieg Laura aus und lief zur Meldestelle. Sie kannte sich mit Turnieren aus, schliesslich startete sie schon, seit sie neun Jahre alt war. Zügig wickelte sie den Papierkram mit der Frau an der Meldestelle ab, und schon bald konnte sie sich auf die Suche nach dem Transporter machen. Laura fand ihren Vater und die Pferde weit hinten auf der matschigen Wiese. Steven war gerade damit beschäftigt, die zwei Pferde auszuladen. Mr Principal, ein grossrahmiger Schimmel, schritt zügig die Rampe hinunter. Loreley, Lauras Stute, machte zuerst Probleme. Die mit Gummimatten beklebte Rampe erschien ihr einfach zu steil. Laura schüttelte den Hafereimer, und wie der Blitz folgte ihr Loreley aus dem Transporter. Die verfressene Fuchsstute wusste genau, wie sie an eine Extraportion Futter kam.
„Binden wir die Pferde draussen an. Ich gebe Prince ein bisschen Heu, damit er beschäftigt ist.“, erklärte Lauras Vater. Laura wusste genau, dass Steven Licht seinem Pferd wieder mal eine halbe Tagesration Heu geben würde. Ihr Vater liebte sein Pferd über alles, und verwöhnte ihn deshalb auch meistens zu viel. Loreley bekam auch noch Heu, dann machten die beiden Reiter einen Rundgang über das Turniergelände. Es war noch nicht viel los, nur eine kleine Reiterprüfung fand statt. Die Reiter sassen hochkonzentriert auf ihren blitzblanken Pferden und gaben sich alle erdenkliche Mühe. Laura lächelte bei diesem Anblick. Nur zu gut erinnerte sie sich an ihre ersten Turniere. Damals war sie gerade mal neun Jahre alt gewesen. Vor jedem Start war ihr speiübel gewesen, und nur mit Mühe konnte sie sich dann überwinden, in die Prüfung zu reiten. Am liebsten wäre sie jedes Mal schnell wieder nach Hause gefahren. Doch das war lange her. Die mittlerweile 15-jährige ritt nun schon ziemliche lange Dressurturniere. Ihr Vater hatte Laura jedes Mal begleitet, ihr geholfen und zu Hause wieder mit ihr weitergeübt.
Lauras Mutter lebte nicht mehr in Deutschland. Die gebürtige Engländerin wohnte in Boston. Nach der Trennung von Steven war sie nach Amerika gefahren, um dort eine Stelle als Ingenieurin anzunehmen. Wie Laura und ihr Vater ritt sie leidenschaftlich gerne. Eines ihrer Hobbys war Technik. Regina Licht, von den meisten nur Reggie genannt, war eine hervorragende Ingenieurin. Sie bastelte für ihr Leben gern an irgendwelchem Krimskrams herum, währen Steven nicht einmal eine Glühbirne auswechseln konnte, ohne dass er einen Kurzschluss verursachte.
Laura riss sich von ihren Gedanken los, da ihr Vater etwas sagte. „In einer Stunde sind wir am Start. Am besten machen wir bald die Pferde bereit.“ Loreley und Mr Principal wieherten ihnen entgegen, als sie zum Transporter kamen. „Ruhig, ist ja schon gut“, beruhigte Laura die Stute, die nervös herumtrippelte und am Anbindestrick zog. Während Laura sie mit kräftigen Strichen noch mal durchputzte, entspannte sich die Stute ein wenig. Prince dagegen war die Ruhe selbst. Er war 16-jährig und meistens ziemlich faul. Auch als Steven ihm den Kopf mit einem Tuch abwischte, öffnete Mr Principal nur kurz die Augen. Das grosse Pferd war in Gedanken wahrscheinlich bei einer ausgiebigen Siesta, und so war es keine Überraschung, als es nicht einmal den Sattel richtig wahrnahm. Loreley dagegen war hellwach, wie immer auf Turnieren. Sie war erst acht Jahre alt, und regte sich manchmal etwas auf.
Knappe sechzig Minuten später war es soweit. Steven Licht ritt in die Halle, und Laura folgte ihm konzentriert. Nur jetzt keinen Fehler machen! Wenn man beim Einreiten patzte, waren die Richter schon negativ eingestellt, bevor die Prüfung überhaupt richtig begonnen hatte, wusste Laura. Das Pas-de-Deux war eine schöne Aufgabe. Die zwei Reiter mit ihren Pferden ritten parallel verschiedene Figuren, zu denen eine passende Musik lief.
Kurz vor Ende der Halle teilte sich die Gruppe. Laura ritt linksherum, ihr Vater rechts. In einem gesetzten Trab näherten sich die beiden der Hallenmitte. Man nannte diesen Seitengang, bei dem das Pferd die Beine überkreuzte, Schenkelweichen. Die Pferde wichen dem Schenkel des Reiters seitlich aus, daher der Name. Laura verpasste den Anschluss nicht, und zeitgleich hatten die beiden Reiter und ihre Pferde eine neue Lektion angefangen. Die Prüfung war nicht einfach, denn sie verlangte höchste Konzentration von Pferd und Reiter. Bei der aufgekratzten Atmosphäre der Zuschauer kein Leichtes. Doch Laura und ihr Vater ritten gut, sehr gut sogar. Nur einmal entstand ein kleiner Fehler, als Laura zu spät abgewendet war und ihrem Vater in die Quere kam. Zum Glück war die kurze Verspätung schnell wieder ausgeglichen.
„Wir haben es geschafft!“, rief Laura erleichtert, als sie aus der Halle ritten. Trotz aller Erfahrung war sie doch jedes Mal ziemlich angespannt, wenn sie in der Prüfung war. „Gut gemacht, Laura!“, meinte auch Steven. Er war zufrieden: Es war Herbst, die Pferde waren vom langen und trainingsreichen Sommer müde, doch trotzdem war das Turnier gut gelaufen. Nun könnte man Loreley und Mr Principal eine zweimonatige Pause gönnen, sie hatten es wirklich verdient.
Die beiden Pferde wurden im Schritt bewegt, bis alle Paare geritten waren und die Siegerehrung anstand. „Nun kommen wir zur Rangliste des Pas-de-deux“, tönte es aus einem altersschwachen Lautsprecher. Laura und ihr Vater horchten gespannt der Stimme. „Auf dem ersten Platz haben wir Johannes Krämer und Lara Krämer, auf den Pferden Andrena und Northern Light! Herzlichen Glückwunsch!“ Laura warf einen Blick auf das Paar. Sie sahen sehr zufrieden aus. „Den zweiten Platz belegen Steven Licht und Laura Licht, auf den Pferden Mr. Principal und Loreley! Auch diesem Paar herzlichen Glückwunsch. Der dritte Platz...“
„Cool“, entwich es Laura laut. Sie strahlte übers ganze Gesicht. Auch Steven Licht war sehr zufrieden. „Den haben wir uns ehrlich verdient!“, strahlte auch er. Obwohl er ein alter Turnierhase war, freute er sich doch über jeden erfolgreichen Start. Etwas später wurde zur Preisverleihung aufgerufen. Laura und ihr Vater bekamen einen silbernen, kleinen Pokal und einen Sachpreis in Form von einem grossen Sack Pferdeleckerli. Zufrieden wurden die beiden Pferde versorgt, und Laura entledigte sich ihrer Stiefel. Die ausgelatschten Turnschuhe waren irgendwie doch bequemer.
Im Reiterstübchen der Anlage war es proppenvoll. Herr Licht bestellte zwei Menus mit Pommes Frites und je einem grossen Glas Cola. Laura stürzte sich auf das Essen wie ein ausgehungerter Wolf. Während sie assen, sprachen sie den Ritt nochmals durch. „Das mit der Verzögerung war schade, aber wir bekamen nicht wegen dieser Sache den zweiten Platz.“, meinte Steven. „Ich denke, die Krämers waren einfach noch etwas perfekter. Vielleicht müssten wir wieder einmal punktgenaue Übergänge üben“, schlug er vor. Auch Laura fand dies eine gute Idee. „Bei mir hapert’s da manchmal noch ziemlich.“ „Mit etwas üben kriegen wir das in den Griff.“, meinte Herr Licht dazu. Vater und Tochter fachsimpelten die ganze Zeit über Dressur, Reiten und Pferde, und bemerkten nicht, dass sich eine Person zu ihnen gesellte. Es stand eine grosse Frau vor ihrem Tisch. Sie räusperte sich. Als Laura und Steven sich ihr zuwandten, fielen ihnen fast die Augen aus dem Kopf. „Mum! Bist du das wirklich?!“, rief Laura. Auch Herr Licht sah ziemlich überrascht aus. „Regina! Was machst du denn hier?“, fragte er sie perplex. „Hallo Laura, hallo Steven. Ja, ich bin’s, Reggie. Wie geht’s euch?“ drehte sie den Spiess um. Schnell erzählte Laura vom Turnier, und Steven von ihrem derzeitigen Leben. Er bat Reggie einen Platz an, und die nächste Stunde lauschten Vater und Tochter gespannt der Ingenieurin, die doch eigentlich in den USA wohnte.
„Ich hatte Ferien und wollte endlich wieder einmal nach Deutschland kommen. Dabei wollte ich natürlich auch euch besuchen, doch es sollte eine Überraschung werden. Naja, das hat wohl geklappt. Eigentlich kam ich nur hier aufs Turnier, weil ich wieder mal Pferdeluft schnuppern wollte. In Boston hatte ich keine Möglichkeit zu reiten. It was a long journey,terrible. The plane was too late, and my baggage was in the false plane. Now it is in Brazil. Ach, tut mir Leid, ich rede mal wieder die falsche Sprache. Naja, auf jeden Fall muss ich jetzt noch zwei Tage warten, bis mein Koffer endlich kommt.“ Steven lud sie gleich nach Hause ein, seine ehemalige Frau. Er wirkte völlig anders, stellte Laura fest. So wie früher, als ihre Eltern noch zusammenwaren. Viel lustiger, fröhlicher und freundlicher. In letzter Zeit war Steven sehr nachdenklich gewesen, manchmal hatte er auch traurig gewirkt. Aber jetzt- ganz anders! Laura betrachtete ihre Mutter genauer. Sie sah immer noch gleich aus: Gross, schlank, mit langen, roten Haaren und vielen Sommersprossen im Gesicht, auf Händen und Armen. So ein Zufall! Da kam ihre Mutter nach Deutschland, um sie zu besuchen, und man sah sich auf einem Turnier wieder! Was das wohl bedeutete?, fragte sich Laura.