Danke
Mit dem Prolog bin ich auch noch nicht hunderprozentig zufrieden und werde ihn demnächst nochmal ein bisschen überarbeiten.
Dann erst einmal das 1 Kapitel, wie ich es bisher habe.
1 Kapitel:
Das blonde Mädchen hockte auf dem Boden und hatte die Augen geschlossen. Der leichte Sommerregen vermischte sich mit den Tränen auf ihren blassen Wangen und brachte die aufgewärmten Grabsteine zum Dampfen. Es war leer auf dem kleinen Friedhof des Dorfes und das war Isabella nur Recht, den sie wollte ihre Ruhe haben, wollte nicht gestört werden. Regungslos saß das Mädchen am Boden vor einem Grabstein mit einem kleinen marmornen Engel. Auch wenn ihre Augen geschlossen waren, so war doch ihr Gesicht genau dem Gesicht des Engels zugewandt, den sie auch durch geschlossene Lider zu beobachten schien. Die Blonde seufzte lautlos. Eigentlich hatte sie gehofft ihren Bruder hier zu spüren, Hinweise auf seinen Verbleib zu finden, doch alles war kalt und trostlos. Abrupt schlug sie die Augen auf und starrte auf die Inschrift des alten, stark verwitterten Grabsteins. Ihre ohnehin schon eisig blauen Augen schienen kurz aufzublitzen.
In Erinnerung an Keith Vermont *02.03.1902 †24.05.1921
Ein kaum hörbares Knurren drang über Isabellas Lippen und das Mädchen schüttelte leicht den Kopf. Auch sie war an diesem Tag gestorben, oder zumindest verschwunden und ihre Eltern hatten sie schließlich für tot erklären müssen. Aber Isabella hatte nicht mehr zurück gekonnt, es war unmöglich gewesen. Und das Mädchen wusste, dass auch ihr Bruder an diesem Tage nicht gestorben, sondern einfach nur verschwunden war, doch er hatte scheinbar eine andere Leiche hinterlassen, die sie nun an seiner statt vergraben hatten. Noch einmal glitt der Blick der hellen Augen über den grauen verwitterten Stein und dessen Inschrift, als würde das Mädchen hoffen dort doch noch irgendeinen Hinweis zu finden, wo sich ihr Bruder aufhalten könnte.
Schließlich erhob sie sich und registrierte nun zum ersten Mal den Regen, der sanft auf ihre Haut prasselte. Nach einem letzen Blick auf das alte Grab, drehte sie sich um und schlenderte langsam die Wege des Friedhofs entlang in Richtung des alten Tores, welches ihr den Ausgang gewährte. Die Hände in den Manteltaschen vergraben und den Kopf gesenkt wandte sie sich nach der Durchquerung des Tores nach rechts und schritt langsam die Straße entlang. Auch wenn sie den Blick zu Boden gesenkt hatte, nahm sie jede noch so kleinste Bewegung und jedes Geräusch in ihrer Umgebung wahr. Sie brauchte nicht aufzuschauen, um zu wissen, dass ein alter Mann hinter dem Fenster seiner Villa stand und sie beobachtete. Sie spürte, wie sein Blick ihr folgte, während sie die Straße hinablief und dass er, auch als er sie nicht mehr sehen konnte, noch mit seinen Gedanken bei ihr war. Ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen. Am Ende der Straße parkte ein silbergrauer Wagen, in den Isabella einstieg. Sie schlug die Tür hinter sich zu und war auch schon losgefahren. Mit hoher Geschwindigkeit, und dennoch fast lautlos raste der Wagen durch die aufkommende Dämmerung und Isabella registrierte nur halbherzig die vorbeifliegende Umgebung. Nein, sie war im Grunde noch nicht volljährig, zumindest sah jeder in ihr nur ein siebzehnjähriges Mädchen, welches sicherlich noch nicht autofahren durfte und trotzdem wurde sie nie angehalten.
Es dauerte nur wenige Augenblicke, ehe die Blonde vor einem Haus, in einem kleinen Wäldchen und ohne nähere Nachbarn, anhielt und aus dem Wagen stieg. Niemand würde wohl ein solch großes Haus in einem Wäldchen vermuten, wo es überhaupt nicht hinzupassen schien. Ein kleiner Fluss schlängelte sich durch den Garten, der, aufgrund der Bäume, größtenteils im Schatten lag und in dem sämtliche Blumen wuchsen. Das Haus selber war aus grauem Stein und teilweise mit Efeu bewachsen, welcher schon einige Fenster überwucherte, woran sich Isabella allerdings nicht störte. Das Haus wirkte eher wie ein altes Herrenhaus und es fehlte nur noch die Kiesauffahrt und das schmiedeeiserne Tor. Vielleicht auch noch Stallungen und ein paar Pferde auf der Koppel hinter dem Haus und es wäre das perfekte Urlaubsparadies. Doch Isabella machte sich nicht viel aus Tieren und für sie war dieses Haus der perfekte Rückzugsort. Hier hatte sie ihre Ruhe, ohne nervende Menschen und hier konnte sie sie selbst sein.
Isabella stieg die alt Treppe hinauf und verharrte kurz vor der Tür, als sie eine rote Katze vor dieser liegen sah, die sich nun aufrichtete, streckte und begann an Isabellas Beinen entlang zu streichen. Sofort entglitt ein drohendes Fauchen den schmalen Lippen der Blonden, sodass die Katze erschrocken aufsprang und die Flucht ergriff. Isabella verzog noch einmal leicht das Gesicht, ehe sie über die Türschwelle trat.
In dem Haus herrschte eine angenehme Temperatur und es war kühler, als draußen, wo es trotz der eintretenden Dämmerung sicherlich noch 20° waren.
Isabella blieb in der geräumigen Eingangshalle stehen, die an fast allen Wänden überquellende Regale vorzuweisen hatte. Neben dicken Schinken stapelten sich Taschenbücher und auch Zeitschriften, teilweise ziemlich neu und hin und wieder auch schon verstaub und vergilbt. Aus einem der Regale griff sich das Mädchen ein Buch und ließ sich in den alten, gemütlichen Ohrensessel sinken. Gelangweilt blätterte sie durch das Buch, welches sie nicht nur einmal gelesen hatte, herum und überflog hin und wieder ein paar Zeilen. Doch kannte sie schon alle Bücher, die sie in diesem Haus sammelte, auswendig und so konnte sie auch nicht mehr Thomas Hobbes mit seiner Idee des Leviathan faszinieren, von dem sie doch anfangs sehr angetan gewesen war. Damals hatte sie das Buch verschlungen und viel darüber nachgedacht, ob es nicht doch vielleicht möglich wäre, einen Staat wie Leviathan, so wie Hobbes ihn sich vorgestellt hatte, zu verwirklichen. Doch die Menschen waren wohl einfach zu egoistisch dafür und die Meisten folgten nur dem Instinkt des Selbsterhaltungstriebes wie Isabella in den Jahren immer wieder festgestellt hatte und es doch niemandem übel nehmen konnte.
Mit einem leichten Seufzen schlug das Mädchen das Buch wieder zu und stellte es zu den Übrigen, von denen keines mehr in der Lage war, die Blonde zu fesseln, da sie über alle schon viel zu oft nachgedacht hatte.
Das Fernsehen interessierte sie schon gar nicht, denn in ihrer Kindheit war sie schließlich auch ohne Fernseher ausgekommen, da dieses Gerät damals noch gar nicht erfunden worden war. Sie hatte mit ihrem Bruder noch Murmeln gespielt. Ein Spiel, von dem die Jugendlichen in ihrer Klasse schon nicht mehr wussten wie es ging. Die hingen lieber alle den ganzen Tag am Computer – eine weitere technische Erfindung, mit der Isabella nicht viel anzufangen wusste – und betranken sich Abends mit ihren Freunden, um Anerkennung zu finden und die Probleme in der Familie zu vergessen. Auch eine Sitte, von der Isabella nicht viel hielt. Doch jedem das Seine und Isabella mischte sich nicht in fremde Angelegenheiten ein und hielt sich aus Gemeinschaften weitesgehend heraus. So wie sie früher eine Einzelgängerin gewesen war, so war sie es auch heute noch und sie sah keinen Grund irgendetwas daran zu ändern.
Ein kurzer Blick auf die Uhr ließ sie ein weiteres Mal das Gesicht verziehen. 22.03 Uhr – Also noch 9 Stunden und 57 Minuten, die sie totschlagen musste, um dann schließlich in die Schule gehen zu können. Im Gegensatz zu anderen Jugendlichen machte es Isabella Spaß in die Schule zu gehen, auch wenn sie im Unterricht nicht mehr viel lernte, da sie bereits neunzehnmal das Abitur gemacht hatte, wenn auch immer mit anderer Fächerbelegung. Momentan besuchte sie mal wieder die elfte Klasse und kannte den Stoff schon in und auswendig. Dieses Mal hatte sie sich bei ihren Leistungskurswahlen für Latein und Geschichte entschieden und war gespannt wie der Leistungskursunterricht auf dieser Schule werden würde, die sie nun seit einem dreiviertel Jahr besuchte. In beiden Fächern hatte sie bereits das Abitur gemacht, doch hatte sie die Beiden bisher noch nie zusammen belegt.
Keine Minute später war Isabella wieder aus dem Haus getreten und ließ ihren Blick kurz über den Wald schweifen, über den sich nun langsam die Dunkelheit senkte. Mit schnellen Schritten lief das Mädchen in den Wald und bewegte sich geschmeidig zwischen den Bäumen entlang, ohne auch nur ein einziges Mal aus dem Tritt zu kommen oder über eine Wurzel zu stolpern.
Mit einem Mal blieb das Mädchen stehen und verharrte einen Moment regungslos. Nur ihre Nasenflügel weiteten sich leicht. Nach kurzem Umherschweifen fiel ihr Blick auf ein Bündel am Fuße eines Baumes etwa hundert Meter von ihr entfernt. Isabellas Augen blitzen leicht auf und wichen keine Sekunde von dem kleinen Rehkitz. Es war verletzt und Isabella konnte sein Blut bis hierher riechen. Der Geruch stieg ihr so verlockend in die Nase und ließ das Mädchen erschaudern. Die Blonde fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und trat dann einen Schritt auf das Junge zu und dann noch einen. Sie konnte die Angst des kleinen Tieres spüren, welches das Mädchen sicherlich auch schon gewittert hatte. Isabellas Augen hatten sich bereits um einige Blautöne verdunkelt. Das Mädchen blieb wieder stehen und ballte ihre rechte Hand fest zu einer Faust.
Isabella, nein! Du darfst nicht! Wenn du schon bei diesem kleinen Kitz die Kontrolle verlierst, kannst du dich bei einem Menschen erst recht nicht zurückhalten. Du hast die Gefährlichen, die Bluthungrigen immer verabscheut, pass auf, dass du nicht wirst wie sie! Schalt sich das Mädchen in Gedanken, doch der verlockende Blutgeruch in ihrer Nase machte es schwer den Verstand zu benutzen.
Schließlich sprang das Mädchen vor und rannte schnell und geschmeidig wie eine Raubkatze auf das braune Kitz zu, welches anfing nach seiner Mutter zu schreien. Doch bevor die Blonde das Kitz erreichte, wandte sie sich nach rechts und rannte weiter durch den Wald, als würde sie vor der Verlockung des Blutes flüchten wollen. Sie hörte gar nicht auf zu rennen und blieb erst stehen, als sie den Waldrand erreicht hatte. Ein leichtes Zittern überlief den Körper des Mädchens und sie hatte noch immer das Gefühl, den leichten Blutgeruch in der Nase zu haben und der Schrei des jungen Kitzes hallte in ihren Ohren wieder. Allerdings hatten ihre Augen mittlerweile schon fast wieder die normale, eisige Farbe angenommen.
Ein kurzes Lächeln bildete sich auf den Lippen des Mädchens.
„Ich habe es geschafft. Ich habe widerstanden.“ Murmelte das Mädchen leise, obgleich sie sich eingestehen musste, dass es ihr verdammt schwer gefallen war und dass es bei einem verletzen Menschen noch weitaus schwerer sein würde.
Die Blonde atmete tief durch und setzte dann ihren Weg zur Stadt, deren Lichter sie schon unterhalb leuchten sehen konnte, fort.
Langsam lief Isabella durch die Straßen der Stadt und ließ ihren Blick über die Häuser schweifen. Hinter einigen Fenster brannte noch Licht und Isabella konnte die Menschen und hin und wieder auch nur ihre Schatten erkennen, die noch immer betriebsam durch die Zimmer liefen. Doch die meisten Fenster waren bereits dunkel und hinter ihnen schliefen diejenigen, die Morgen früh aufstehen musste, um ihrer Arbeit nachzugehen. Viele Menschen waren um diese Uhrzeit nicht auf den Straßen unterwegs, da sie entweder schon schliefen oder eine der örtlichen Bars unsicher machten. Auf dem Weg nach Hause waren die Wenigsten, denn die Nacht fing ja gerade erst an. Isabella setzte sich auf eine Bank und strich sich die langen, blonden Haare nach hinten. Neugierig beobachtete se die Menschen, die vereinzelt an ihr vorbei kamen. Etwas, was sie sehr gerne machte. Es machte ihr Spaß, die Fremden zu beobachten, zu versuchen sie einzuschätzen, und schließlich ihre Gedanken zu lesen, die meist die Aufklärung brachten, ob Isabella richtig lag mit ihren Vermutungen und dies war meistens der Fall, denn das Mädchen besaß eine sehr gute Menschenkenntnis, was wohl auch an ihrer Erfahrung lag, und wusste die Menschen immer sehr gut einzuschätzen.
Isabella bemerkte auch ohne aufzusehen, wie sich ihr ein Mann mittleren Alters näherte und sie konnte seine Alkoholfahne schon jetzt riechen. Sie schüttelte missbilligend den Kopf, tat aber weiterhin so, als hätte sie nicht bemerkt, dass er auf sie zu torkelte.
„Hey!“ lallte der etwas dickbäuchige Man, während er sich schwerfällig neben Isabella auf der Bank niederließ. Isabella schlug die Beine übereinander und schenkte ihrem neuen Sitznachbarn keine weitere Beachtung.
„So ein junges Mädchen sollte Abends aber nicht alleine hier herumlaufen. Das ist viel zu gefährlich.“ Seine Zunge schien wirklich schwer wie Blei zu sein und er wirkte erstaunt über die Erkenntnis, die er gerade erlangt hatte, sodass er erst einmal eine Weile schwieg. Isabellas Blick hingegen wanderte zu einer Straßenecke, da sie spürte, wie sie beobachtet wurde. Im Schatten der Hauswand konnte sie einen Schatten ausmachen, jedoch nicht näher erkennen. Nur die hellen Augen blitzen zu ihr herüber. Das Mädchen runzelte leicht die Stirn, während sie versuchte, mehr zu erkennen, was ihr jedoch nicht gelang und auch die Gedanken der Person blieben ihr verschlossen. Etwas, das ihr bisher noch nie passiert war.
Isabella zuckte leicht zusammen, als der Dickbäuchige seinen Arm um ihre Schulter legte und ihr irgendetwas ins Ohr lallte. Im gleichen Moment trat auch ein Junge, vielleicht um die 18, 19 Jahre alt, zu ihnen.
„Gibt es Probleme? Kann ich helfen?“ fragte er hilfsbereit, während er erst den Mann misstrauisch beäugte und dann Isabella anlächelte. Isabella schüttelte irritiert den Kopf und sah wieder zu der Straßenecke, doch stand dort niemand mehr und Isabella seufzte leise.
„Nein, danke! Ich brauche keine Hilfe!“ fauchte sie den Jungen, vielleicht ein wenig gereizter als eigentlich beabsichtigt, an und wand sich gleichzeitig aus dem Arm des Mannes.
„Und du solltest lieber nach Hause zu deiner Frau gehen und sie unterstützen. Wenn du dich hier besäufst, hilfst du ihr nicht weiter und dein Sohn wird davon auch nicht wieder lebendig!“ fuhr die Blonde den Mann an und ihre Augen blitzten wieder leicht auf. Nun war es an dem Mann das Mädchen irritiert anzuschauen und man sah ihm an, dass er etwas erschrocken darüber, dass das Mädchen von seiner Familie wusste. Ohne dem Jungen oder dem Mann noch eines Blickes zu würdigen, verschwand Isabella in die Straße, in der sie eben noch den Fremden, bzw. die Fremde gesehen hatte, doch von der Gestalt war weit und breit nichts zu sehen und spüren konnte Isabella se auch nicht. Als wäre hier nie jemand gewesen, doch Isabella konnte schwören, dass ihr Beobachter hier gestanden hatte. Das Mädchen knurrte verärgert. Sie wusste schon, warum sie die Städte meistens mied und nur ihre Langeweile war Schuld, dass sie überhaupt hierher gekommen war.