Lyra
Naja, der Titel ist zwar nicht gerade einfallsreich, aber was solls xD
Ich schreibe schon seit ein paar Tagen an dieser Story, und ich denke, ich werde es diesmal auch durchhalten. Die Hauptperson gefällt mir nämlich ziemlich gut und joa...
Das Thema schwankt so zwischen Teenie- und Pferdestory, aber vielleicht spricht es ja doch jemanden an
Auf Wiedersehen
Kapitel 1
„Ja, ich komm ja schon!“, knurrte ich missgelaunt. Meine Mutter wurde langsam ungeduldig; wie immer konnte sie es nicht ausstehen, pünktlich zu sein – sie musste eine halbe Stunde früher ankommen.
Mit langsamen Schritten ging ich durch unser Haus. Ich fühlte mich seltsam leer, im Grunde also genauso wie die Diele und das Wohnzimmer, das ich gerade betrat. Dort hatte früher der Mahagonitisch von Papa gestanden. Und dort drüben war das Klavier meiner Schwester gewesen... Alles war nun weg. Nur noch der bekannte Holzboden glänzte genauso, wie er es schon immer getan hatte. Nun würde keiner mehr kommen, um ihn zu polieren. Oh nein. Bis wir einen neuen Käufer für unser „Buchenschloss“ gefunden hatten, würde er längst staubig sein. Ich verließ traurig das große Haus, in dem ich meine Kindheit verbracht hatte.
Ironisch ließ ich dieses Wort auf meiner Zunge zergehen. Kindheit. Ich war jetzt 16 Jahre alt, aber eigentlich war man erst ab 18 volljährig. Andererseits, ich kannte 30-jährige, die wohl niemals erwachsen werden würden. Ich musste grinsen, als ich diesen Gedanken unwillkürlich mit meiner Mutter in Zusammenhang brachte.
„Sam, jetzt beeil dich doch einmal in deinem Leben.“, hörte ich wieder die schrille Stimme, die unmissverständlich zu der Person gehörte, an die ich gerade gedacht hatte – Marilyn Brooks. Ich ging ein letztes Mal unter den großen Buchen hindurch, denen unser Haus seinen Spitznamen verdankte. Ich weinte nicht, das tat ich überhaupt nur selten. Okay, eigentlich fast nie. Das letzte Mal hatte ich geweint, als mein Papa gestorben war.
Das war vor 6 Jahren gewesen. Ich hatte mittlerweile kaum mehr Erinnerungen an ihn, dafür hatte Marilyn zu jeder Gelegenheit ein Foto parat. Sie schien nicht gerade gut über den Schmerz hinweggekommen zu sein.
Ich dachte an die schöne, junge Frau, die Patrick Brooks damals zurückließ. Mit dem letzten Atemzug, den er nahm, schien er ein Teil ihrer Seele einzuatmen. Sie war nach seinem Tod eine neue Person geworden.
Während sie zu seinen Lebzeiten lange, kastanienbraune, gelockte Haare gehabt hatte, wurden diese nach der schrecklichen Nacht gebleicht, geschnitten und mit einem Glätteisen in eine unnatürliche Form gepresst. Als sie noch mit Patrick zusammen war, hatte sie eine angenehm rundliche Form gehabt, die man aber nicht als dick bezeichnen konnte. Später wurde sie dünn, sehr dünn. Ärzte meinten sogar, sie wäre magersüchtig. Das stritt Marilyn aber ab – wie sie Kritik nun mal abzuschmettern pflegte. Damals.
Aber dann war ihre Kraft zu Ende gegangen. Sie hatte sich zwei Jahre nach dem Tod ihres geliebten Mannes dem Rauchen verschrieben.
Daran konnte ich mich noch sehr gut erinnern. Lizzie, meine Schwester, und ich hatten sie zu überreden versucht, wieder aufzuhören. Sie wollte aber nicht. Niemals hatte sie auf uns gehört. Auch nicht, als wir vorschlugen, sie zu seinem Treffen mit ein paar Singles zu begleiten. Mit kindlichem Humor hatten Lizzie und ich beschlossen, dass unsere Mutter eine Beziehung dringend brauchte.
Dem stimme ich heute noch zu – was aber dann kam, war Shrek selber. Nur, dass er nicht Shrek, sondern Austin Lohan hieß. Er war dick, hässlich, arrogant, unfreundlich, arm, profitgierig... Okay, okay, ich hör ja auf. Auf jeden Fall war er der schrecklichste Typ, der in ganz Amerika herumschwirrte. Zum Glück machte Marilyn bald mit ihm Schluss – genau wie sie auch das Rauchen aufgab, aber nur, weil sie selber draufgekommen war, dass es ungesund war, zu rauchen. Das war der Zeitpunkt gewesen, an dem sie wieder halbwegs normal wurde. Falls Mum das Wort „normal“ überhaupt jemals verdient hatte.
Ich versuchte, all diese Gedanken aus meinem Gehirn zu verdrängen, wollte einfach nicht mehr an unsere Vergangenheit denken. Das Einzige, was mir jemals Spaß gemacht hatte, war das Reiten. Es war Paps Idee gewesen, mich zu dem Reitstall mitzunehmen, der kaum 10 Minuten vom Buchenschloss entfernt war. Dort lernte ich reiten.
Mir wurde plötzlich bewusst, wie viel ich verlieren würde, sobald ich das Tor unserer Hauses erreichte. Das bald nicht mehr uns gehören würde. Ich sah zurück auf das große, hölzerne Tor. Es wirkte auf manche abweisend, aber es war mir so vertraut, dass ich nichts Unfreundliches daran erkennen konnte.
Wieso musste alles so kommen? Wieso konnte meine Mum nicht so viel Geld verdienen, dass wir uns weiterhin dieses Haus leisten konnten? Wieso zogen wir nach Deutschland? Weil es dort Arbeit gab? Oder weil Marilyn wieder eine Änderung haben wollte?
Ich lief das letzte Stück zu unserem Chrysler. Das große Auto bot genug Platz für uns alles – zumal wir nur zu Dritt waren. Das typisch amerikanische Gefährt stammte noch aus der Zeit, zu der Papa noch gelebt hatte. Also hatten wir es behalten, obwohl es sinnlos war. Es fraß Benzin wie Großpferde Hafer, bekam aber keine Kolik davon sondern einen schwarzen Auspuff. Als man diese Serie herstellte, war das Wort „Katalysator“ wohl noch nicht im allgemeinen Sprachgebrauch vorhanden gewesen...
Ironisch erinnerte ich mich an den ersten Computer, den unser Papa angeschleppt hatte. Man hätte ihn heutzutage als schrottreif bezeichnet, aber damals war es ein Weltwunder. Wir waren damals immer Up-To-Date gewesen, wie man so schön sagt. Wir waren reich gewesen, aber nur, weil Patrick ein guter Rechtsanwalt war, der gerne mal Überstunden machte. Und plötzlich erinnerte ich mich.
Ein Bild schoss mir durch den Kopf. Marilyn, Lizzie und ich am Küchentisch. Marilyn regt sich auf, dass Patrick schon wieder nicht pünktlich zum Essen ist.
Schon war der Gedanke, die Vision, wieder verschwunden. Ein Gefühl von leichter Beunruhigung blieb zurück. War unser Leben schon damals nicht in Ordnung gewesen? Hatte Marilyn uns vielleicht nicht die ganze Wahrheit erzählt?
Ich wagte nicht einmal, diese Gedanken zu formen, aber sie schwirrten mir im Hinterkopf herum und ließen mir keine Ruhe. Ich wollte Gewissheit. „Wer warst du, Patrick Brooks?“, fragte ich, aber es kam keine Antwort. Es gab auch keine, keiner konnte mir eine geben. Marilyn war zu beschäftigt mit sich selber, um sich an längst verstorbene Personen zu erinnern, und weder Lizzie, noch ich, konnten uns an unseren Vater erinnern.
Als Patrick damals starb, war Lizzie erst 8 gewesen, also noch jünger als ich. Sie hatte es nie interessiert, wer unser Vater war. Besser ausgedrückt: sie zeigte es nicht. Manchmal hatte sie eines der unzähligen Fotos zu sich ins Zimmer genommen, hatte es stundenlang angestarrt, ohne ein Wort zu sagen. Danach legte sie es zurück und dachte, dass es sowieso keinem auffallen würde. Falsch gedacht. Mir war es jedes Mal aufgefallen. Ich war ja schließlich nicht Marilyn.
Elizabeth Judith Brooks, wie sie eigentlich hieß, war schon immer zurückgezogener gewesen als ich. Ihr fehlte das schnelle Mundwerk von mir, oder die Albernheit unserer Mutter. Also hielt sie lieber den Mund, bevor sie etwas Dummes sagte.
Nur mir gegenüber zeigte sie sich manchmal lustig und fröhlich, wie ein normaler Teenager eben.
Wir waren beide nie normal gewesen. Das lag wohl in der Familie. Aber vielleicht verstanden wir uns gerade deshalb zu gut. Von wegen nervige kleine Schwester! Sie war die einzige Person, der ich komplett vertrauen konnte. Sie würde meine Geheimnisse niemandem verraten. Sie war eine gute Zuhörerin.
Wir waren damals zusammen geritten, aber dann hatte Lizzie einen Unfall gehabt. Nichts Schlimmes, aber danach hatte sie sich trotzdem nie wieder auf ein Pferd getraut. Marilyn hatte daraufhin nur mit den Achseln gezuckt und für das nächste Mal nur noch mich für eine Reitstunde angemeldet.
Ich bemerkte aus den Augenwinkeln, dass es zu regnen angefangen hatte. Eine wahre Seltenheit, hier in Amerika. Jeder fuhr hier einen Cabrio oder einen Jeep – natürlich außer uns. Wir hatten einen Chrysler. War auch nicht untypisch für Amis, aber reichlich uncool den Mustangs gegenüber, die die High – School – Typen fuhren. Mann, wieso war ich noch nicht 18? Ich wollte auch schon einen Führerschein und ein passendes Auto gleich dazu haben. Früher hätte ich mir das auch leisten können. Jetzt wohl nicht mehr. Ich formte meine Hand zu einer Fast, bis es weh tat. Der Schmerz hatte eine angenehme Wirkung auf mich. Vielleicht gab er mir das Gefühl, tatsächlich arm dran zu sein.
„Sagt tschüs zum Buchenschloss!“, forderte Marilyn mich und meine Schwester auf, und riss mich damit vollständig aus meinen trüben Gedanken. Lizzie und ich wechselten einen Blick und zogen die Augenbrauen hoch. Keiner von uns sagte tschüs. Wir dachten es aber.
Lebe wohl, Buchenschloss. Lebt wohl, Träume. Und das erste Mal seit Jahren lief mir eine Träne über die Wange.
Ich schreibe schon seit ein paar Tagen an dieser Story, und ich denke, ich werde es diesmal auch durchhalten. Die Hauptperson gefällt mir nämlich ziemlich gut und joa...

Das Thema schwankt so zwischen Teenie- und Pferdestory, aber vielleicht spricht es ja doch jemanden an

Auf Wiedersehen
Kapitel 1
„Ja, ich komm ja schon!“, knurrte ich missgelaunt. Meine Mutter wurde langsam ungeduldig; wie immer konnte sie es nicht ausstehen, pünktlich zu sein – sie musste eine halbe Stunde früher ankommen.
Mit langsamen Schritten ging ich durch unser Haus. Ich fühlte mich seltsam leer, im Grunde also genauso wie die Diele und das Wohnzimmer, das ich gerade betrat. Dort hatte früher der Mahagonitisch von Papa gestanden. Und dort drüben war das Klavier meiner Schwester gewesen... Alles war nun weg. Nur noch der bekannte Holzboden glänzte genauso, wie er es schon immer getan hatte. Nun würde keiner mehr kommen, um ihn zu polieren. Oh nein. Bis wir einen neuen Käufer für unser „Buchenschloss“ gefunden hatten, würde er längst staubig sein. Ich verließ traurig das große Haus, in dem ich meine Kindheit verbracht hatte.
Ironisch ließ ich dieses Wort auf meiner Zunge zergehen. Kindheit. Ich war jetzt 16 Jahre alt, aber eigentlich war man erst ab 18 volljährig. Andererseits, ich kannte 30-jährige, die wohl niemals erwachsen werden würden. Ich musste grinsen, als ich diesen Gedanken unwillkürlich mit meiner Mutter in Zusammenhang brachte.
„Sam, jetzt beeil dich doch einmal in deinem Leben.“, hörte ich wieder die schrille Stimme, die unmissverständlich zu der Person gehörte, an die ich gerade gedacht hatte – Marilyn Brooks. Ich ging ein letztes Mal unter den großen Buchen hindurch, denen unser Haus seinen Spitznamen verdankte. Ich weinte nicht, das tat ich überhaupt nur selten. Okay, eigentlich fast nie. Das letzte Mal hatte ich geweint, als mein Papa gestorben war.
Das war vor 6 Jahren gewesen. Ich hatte mittlerweile kaum mehr Erinnerungen an ihn, dafür hatte Marilyn zu jeder Gelegenheit ein Foto parat. Sie schien nicht gerade gut über den Schmerz hinweggekommen zu sein.
Ich dachte an die schöne, junge Frau, die Patrick Brooks damals zurückließ. Mit dem letzten Atemzug, den er nahm, schien er ein Teil ihrer Seele einzuatmen. Sie war nach seinem Tod eine neue Person geworden.
Während sie zu seinen Lebzeiten lange, kastanienbraune, gelockte Haare gehabt hatte, wurden diese nach der schrecklichen Nacht gebleicht, geschnitten und mit einem Glätteisen in eine unnatürliche Form gepresst. Als sie noch mit Patrick zusammen war, hatte sie eine angenehm rundliche Form gehabt, die man aber nicht als dick bezeichnen konnte. Später wurde sie dünn, sehr dünn. Ärzte meinten sogar, sie wäre magersüchtig. Das stritt Marilyn aber ab – wie sie Kritik nun mal abzuschmettern pflegte. Damals.
Aber dann war ihre Kraft zu Ende gegangen. Sie hatte sich zwei Jahre nach dem Tod ihres geliebten Mannes dem Rauchen verschrieben.
Daran konnte ich mich noch sehr gut erinnern. Lizzie, meine Schwester, und ich hatten sie zu überreden versucht, wieder aufzuhören. Sie wollte aber nicht. Niemals hatte sie auf uns gehört. Auch nicht, als wir vorschlugen, sie zu seinem Treffen mit ein paar Singles zu begleiten. Mit kindlichem Humor hatten Lizzie und ich beschlossen, dass unsere Mutter eine Beziehung dringend brauchte.
Dem stimme ich heute noch zu – was aber dann kam, war Shrek selber. Nur, dass er nicht Shrek, sondern Austin Lohan hieß. Er war dick, hässlich, arrogant, unfreundlich, arm, profitgierig... Okay, okay, ich hör ja auf. Auf jeden Fall war er der schrecklichste Typ, der in ganz Amerika herumschwirrte. Zum Glück machte Marilyn bald mit ihm Schluss – genau wie sie auch das Rauchen aufgab, aber nur, weil sie selber draufgekommen war, dass es ungesund war, zu rauchen. Das war der Zeitpunkt gewesen, an dem sie wieder halbwegs normal wurde. Falls Mum das Wort „normal“ überhaupt jemals verdient hatte.
Ich versuchte, all diese Gedanken aus meinem Gehirn zu verdrängen, wollte einfach nicht mehr an unsere Vergangenheit denken. Das Einzige, was mir jemals Spaß gemacht hatte, war das Reiten. Es war Paps Idee gewesen, mich zu dem Reitstall mitzunehmen, der kaum 10 Minuten vom Buchenschloss entfernt war. Dort lernte ich reiten.
Mir wurde plötzlich bewusst, wie viel ich verlieren würde, sobald ich das Tor unserer Hauses erreichte. Das bald nicht mehr uns gehören würde. Ich sah zurück auf das große, hölzerne Tor. Es wirkte auf manche abweisend, aber es war mir so vertraut, dass ich nichts Unfreundliches daran erkennen konnte.
Wieso musste alles so kommen? Wieso konnte meine Mum nicht so viel Geld verdienen, dass wir uns weiterhin dieses Haus leisten konnten? Wieso zogen wir nach Deutschland? Weil es dort Arbeit gab? Oder weil Marilyn wieder eine Änderung haben wollte?
Ich lief das letzte Stück zu unserem Chrysler. Das große Auto bot genug Platz für uns alles – zumal wir nur zu Dritt waren. Das typisch amerikanische Gefährt stammte noch aus der Zeit, zu der Papa noch gelebt hatte. Also hatten wir es behalten, obwohl es sinnlos war. Es fraß Benzin wie Großpferde Hafer, bekam aber keine Kolik davon sondern einen schwarzen Auspuff. Als man diese Serie herstellte, war das Wort „Katalysator“ wohl noch nicht im allgemeinen Sprachgebrauch vorhanden gewesen...
Ironisch erinnerte ich mich an den ersten Computer, den unser Papa angeschleppt hatte. Man hätte ihn heutzutage als schrottreif bezeichnet, aber damals war es ein Weltwunder. Wir waren damals immer Up-To-Date gewesen, wie man so schön sagt. Wir waren reich gewesen, aber nur, weil Patrick ein guter Rechtsanwalt war, der gerne mal Überstunden machte. Und plötzlich erinnerte ich mich.
Ein Bild schoss mir durch den Kopf. Marilyn, Lizzie und ich am Küchentisch. Marilyn regt sich auf, dass Patrick schon wieder nicht pünktlich zum Essen ist.
Schon war der Gedanke, die Vision, wieder verschwunden. Ein Gefühl von leichter Beunruhigung blieb zurück. War unser Leben schon damals nicht in Ordnung gewesen? Hatte Marilyn uns vielleicht nicht die ganze Wahrheit erzählt?
Ich wagte nicht einmal, diese Gedanken zu formen, aber sie schwirrten mir im Hinterkopf herum und ließen mir keine Ruhe. Ich wollte Gewissheit. „Wer warst du, Patrick Brooks?“, fragte ich, aber es kam keine Antwort. Es gab auch keine, keiner konnte mir eine geben. Marilyn war zu beschäftigt mit sich selber, um sich an längst verstorbene Personen zu erinnern, und weder Lizzie, noch ich, konnten uns an unseren Vater erinnern.
Als Patrick damals starb, war Lizzie erst 8 gewesen, also noch jünger als ich. Sie hatte es nie interessiert, wer unser Vater war. Besser ausgedrückt: sie zeigte es nicht. Manchmal hatte sie eines der unzähligen Fotos zu sich ins Zimmer genommen, hatte es stundenlang angestarrt, ohne ein Wort zu sagen. Danach legte sie es zurück und dachte, dass es sowieso keinem auffallen würde. Falsch gedacht. Mir war es jedes Mal aufgefallen. Ich war ja schließlich nicht Marilyn.
Elizabeth Judith Brooks, wie sie eigentlich hieß, war schon immer zurückgezogener gewesen als ich. Ihr fehlte das schnelle Mundwerk von mir, oder die Albernheit unserer Mutter. Also hielt sie lieber den Mund, bevor sie etwas Dummes sagte.
Nur mir gegenüber zeigte sie sich manchmal lustig und fröhlich, wie ein normaler Teenager eben.
Wir waren beide nie normal gewesen. Das lag wohl in der Familie. Aber vielleicht verstanden wir uns gerade deshalb zu gut. Von wegen nervige kleine Schwester! Sie war die einzige Person, der ich komplett vertrauen konnte. Sie würde meine Geheimnisse niemandem verraten. Sie war eine gute Zuhörerin.
Wir waren damals zusammen geritten, aber dann hatte Lizzie einen Unfall gehabt. Nichts Schlimmes, aber danach hatte sie sich trotzdem nie wieder auf ein Pferd getraut. Marilyn hatte daraufhin nur mit den Achseln gezuckt und für das nächste Mal nur noch mich für eine Reitstunde angemeldet.
Ich bemerkte aus den Augenwinkeln, dass es zu regnen angefangen hatte. Eine wahre Seltenheit, hier in Amerika. Jeder fuhr hier einen Cabrio oder einen Jeep – natürlich außer uns. Wir hatten einen Chrysler. War auch nicht untypisch für Amis, aber reichlich uncool den Mustangs gegenüber, die die High – School – Typen fuhren. Mann, wieso war ich noch nicht 18? Ich wollte auch schon einen Führerschein und ein passendes Auto gleich dazu haben. Früher hätte ich mir das auch leisten können. Jetzt wohl nicht mehr. Ich formte meine Hand zu einer Fast, bis es weh tat. Der Schmerz hatte eine angenehme Wirkung auf mich. Vielleicht gab er mir das Gefühl, tatsächlich arm dran zu sein.
„Sagt tschüs zum Buchenschloss!“, forderte Marilyn mich und meine Schwester auf, und riss mich damit vollständig aus meinen trüben Gedanken. Lizzie und ich wechselten einen Blick und zogen die Augenbrauen hoch. Keiner von uns sagte tschüs. Wir dachten es aber.
Lebe wohl, Buchenschloss. Lebt wohl, Träume. Und das erste Mal seit Jahren lief mir eine Träne über die Wange.