Dankeschön Leute

+Kekse verteil+
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„Wirklich großartig“
Eveline und Ester standen vor dem Klassenzimmer und hielten beide jeweils 3 Blätter in den Händen. Nachdem der Unterricht beendet war, hatten sie diese Blätter von Herr Schwarzer bekommen mit der Bemerkung, sie sollten diesen Text eigenhändig übertragen.
„Was ist denn mit Euch los?“
Noa schlenderte durch den Gang, wobei sie sich einen Weg durch eine Gruppe Erstklässler hindurchbahnte und vor Eve stehen bleib.
„Strafarbeit“, grummelte diese nur leise und warf einen missmutigen Blick auf das Blatt Papier.
„Das ist die kleinste Schrift die ich je in meinem Leben gesehen hat“, beschwerte sich kurz darauf Ester und warf einen Hilfe suchenden Blick zu Noa.
Eve schnaubte und warf Ester einen bitterbösen Blick zu.
„Du hast gut reden. Ich darf noch für Christa etwas schreiben.“
Noa schüttelte angespannt den Kopf und fasste Eve ins Visier.
„Musst du nicht. Damit wir alle etwas zu tun haben schreibe ich das für dich“
Eve atmete erleichtert auf und bedankte sich kurzerhand bei Noa, ehe sie sich umwandte. Im selben Augenblick schlenderte ein braunhaariger Junge mit langen Jeans und einem T-Shirt an ihnen vorbei. Eve blieb der Mund beinahe offen stehen, als sie dem Jungen hinterher sah.
„Erde an Eve… Alles in Ordnung?!“
Ester wedelte mit ihrer Hand vor Evelines Gesicht herum.
„Was?! Ähm… Ja, alles in Ordnung… Wer war das?“
Eve hielt ihren Blick auf der Stelle, an welcher der Junge um die Ecke verschwunden war. Ester verdrehte genervt die Augen und folgte Eves Blick, jedoch ganz und gar nicht so angetan wie ihre Freundin.
„Tyler…“
Sie sprach diesen Namen mit solcher Abneigung in der Stimme aus, dass Eve sich augenblicklich wieder fing und Ester einen zögernden Blick zuwarf.
„Was ist mit ihm?“
„Er gehört zu den Vertrauensschülern… Den Sklaven der Lehrer und selbstverständlich ist er auf ihrer Seite. Außerdem kannst du den schon mal abhaken, Christa lässt niemanden an ihn heran“
„Christa?! Die und Tyler? Allerdings nur, wenn Tyler einen Elefanten im Bett haben will…“
Über Eves Bemerkung grinsend schlenderten die 3 Mädchen weiter den Gang entlang, zur nächsten Unterrichtsstunde. Diese hatten sie glücklicherweise wieder zusammen – Bildende Kunst.
Doch als sie den Klassenraum betraten, erwartete sie bereits das nächste Unglück: Sie hatten bei ihrem Gespräch vollends die Zeit vergessen.
„Ester! Noa! Eveline!“
Einen solchen Hass hatte Eve noch nie zuvor vernommen, wie ihn Frau Nitz, ihre Kunstlehrerin, an den Tag legte.
„Sofort an Euren Platz!“
Die Köpfe gesenkt haltend schlichen die Mädchen unauffällig zu ihren Plätzen, doch Frau Nitz hielt Eve unsanft am Handgelenk fest, als sie an ihr vorbeiging.
„Du nicht… Frau Kasarch möchte dich sprechen. Marsch ins Sekretariat!“
Um sich das nicht zweimal sagen zu lassen, entwand Eve sich ohne zu zögern dem Griff ihrer Lehrerin und verließ erneut das Klassenzimmer. Vor der Tür hielt sie allerdings ein weiteres Mal inne und versuchte sich zu fangen. Sie war noch nie sonderlich geduldig gewesen und am liebsten hätte sie allen Lehrern hier nun ihre Meinung gesagt, einschließlich dem Rektor des Internats.
Doch nun gut, wenn sie ohne Probleme weiterleben wollte, musste sie dies wohl herunterschlucken. Gerade wollte sie ihren Weg fortsetzen, als sie erneut Schritte vernahm.
„Was suchst du auf dem Gang?“
Eine unbekannte Stimme ließ Eve kurz darauf aufhorchen. Die Schwarzhaarige wandte sich um und… erkannte Tyler, der raschen Schrittes auf sie zukam.
„Ich… ähm…“
Eve schluckte und ließ den Jungen nicht außer Acht. Er musste ungefähr 20 sein, höchstens 22. Und auch wenn er derzeit einen strengen Gesichtsausdruck aufwies, in seinen tiefgrünen Augen schimmerte trotz allem ein gewisser Glanz.
„Bist du nicht Eveline? Die Neue?“
Eve nickte zögernd und biss sich auf die Unterlippe. Wussten alle Lehrer und Vertrauensschüler bereits über sie Bescheid?
„Nun gut… Ich lasse das noch einmal durchgehen, aber lass dich nicht noch einmal erwischen“
Als Tyler sich erneut abwandte, erkannte Eve ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen, oder hatte sie sich geirrt?! Doch bevor sie sich bedanken konnte, war der Junge erneut hinter der Ecke verschwunden. Komischer Kerl… Doch wenigstens zu Eves Gunsten.
Um nicht doch noch eine Strafarbeit zu bekommen, schlenderte sie schließlich den Gang entlang, der nun wie ausgestorben klang. Ihre eigenen Schritte hallten leise an den Wänden wieder und die Luft schien sonderbar schwül. Eve nahm sich vor, niemals wieder einem Lehrer oder einer Lehrerin so gegenüber zu treten. Warum wehrte sie sich nicht einfach? Nun gut, die Geschichten, die die anderen Mädchen ihr erzählt hatten hielten sie wohl davon ab…
Nur wenige Minuten später hatte Eveline schließlich das Sekretariat erreicht. Unschlüssig räusperte sie sich, hob die Hand und klopfte vorsichtig an die Tür.
„Herein!“
Die strenge Stimme von Frau Kasarch ließ Eve kurzerhand zusammenzucken, doch ließ sich das Mädchen nichts anmerken und öffnete zögernd die Tür.
„Sie wollten mich sprechen, Fräulein?“
Eveline achtete sehr wohl darauf, ihren Blick einzig und allein auf der Sekretärin zu halten. Hier gab es schließlich nichts anderes, was sie interessieren könnte.
„Richtig. Deine Unterlagen sind nun doch bereits angekommen und diese Aufschriebe rauben mir wirklich den Atem. Wir hätten dich niemals in diesem Waisenhaus aufgenommen, hätten wir gewusst, wie es um dich steht“
„Verzeihung, aber dürfte ich erfahren, was genau Sie meinen?“
Eveline verstand die Welt nicht mehr. Sie hatte das letzte Waisenhaus nur verlassen müssen, weil sie mehrmals gegen die Regeln verstoßen hatte. Doch dies war in einem anderen Sinne gewesen. Sie hatte sich nachts mit ihren Freunden Partys geliefert, die Lehrer oftmals zum Narren gehalten, doch bezweifelte Eve stark, dass Frau Kasarch das meinte.
Die Sekretärin fackelte nicht sonderlich lange sondern zog ein Blatt Papier aus ihrer Schublade heraus, dass sie Eve reichte.
Die Schwarzhaarige nahm es zögernd an sich und begann zu lesen.
Eveline Valmont
Nachname: Valmont
Vorname: Eveline
[…]
Besonderheiten: Es wird vermutet, dass Eveline an starken Depressionen leidet. Dazu wurden in ihrem Blut deutliche Rückstände von Heroin gefunden. Eveline ist es demnach nicht gestattet, sich mit anderen Personen ein Zimmer zu teilen
Geschockt ließ Eveline das Blatt sinken, jedoch riss es ihr sofort Frau Kasarch wieder aus der Hand. Was sollte das denn? Sie hatte noch nie Depressionen gehabt oder Drogen genommen. Doch dieser Steckbrief war ohne Zweifel ihrer, sie erkannte ihre fein säuberliche Handschrift darunter. Und so leicht konnte man einen Steckbrief auch nicht fälschen… Warum außerdem sollten ihr die Lehrer ihres alten Waisenhauses so etwas antun? Sie verstand wirklich die Welt nicht mehr.
„Wie dem auch sei… Innerhalb der nächsten 3 Tage wirst du dein Zimmer räumen und wieder zurück in dein Einzelzimmer ziehen. Ich bitte nun nicht länger gestört zu werden“