miiiep mal wieder was gruseliges

nya, es geht so, aba hier seht ihr schon etwas mehr den style, den die geschichte bekommt
„Ich geh noch schnell auf die Toilette“, erklärt Naomi und löst sich mit einem letzten Kuss von ihrem Freund, „geht schon mal vor, wir sehen uns gleich im Unterricht.“
Ohne eine Antwort abzuwarten dreht sich Naomi um und rennt zur Schule davon. Die Gänge sind gerammelt voll mit Schülern, die ihre Klassenzimmer aufsuchen und je länger sich das Mädchen durch die Massen schlängelt, desto lichter werden sie. Erleichtert betritt sie die Damentoilette, stockt aber gleich wieder. Das Licht scheint mal wieder defekt zu sein und da der Raum weiter unten gelegen ist, fällt nur durch ein kleines Fenster nahe der Decke schummriges Licht hinein. „Es ist noch nicht einmal dunkel“, murmelt sich Naomi selbst tadelnd zu. Nachdem sie einmal tief Luft geholt hat, lässt sie die Tür zur Aussenwelt hinter sich zufallen und schliesst sich rasch in eine der Kabinen. Nur wenige Sekunden danach vernimmt sie, wie die Toilettentür erneut geöffnet wird. Schritte hallen in dem mit Fliessen ausgekleideten Raum wieder, dann herrscht Stille. Bemüht den Atem ruhig zu halten, stellt sich Naomi an die Kabinentür, hält vorsichtig das Ohr daran. Soll sie fragen, wer da ist? Fast hätte sie es getan, doch dann überlegt sie, wie sie sich fühlen würde, käme keine Antwort zurück. Die Angst wäre nur noch um einiges grösser. Wenn sie aber hier drinnen wartet, bis die Unbekannte, die wahrscheinlich nur eine Schülerin wie sie selbst ist, gegangen ist, würde sie vielleicht zu spät zum Unterricht kommen.
Ihr Herz schlägt schneller, als sie abwägt, ob sie lieber zu spät kommt oder einer eingebildeten Gefahr in die Arme läuft. Kopfschüttelnd reisst sie ruckartig die Tür auf und ein spitzer Schrei entfährt ihrer Kehle. Ohne gross zu überlegen, schlägt sie die Tür wieder zu. Erst nach einigen Sekunden realisiert sie, was sie da eigentlich getan hat. Vorsichtig schiebt sie die Tür wieder auf. Der Blick auf ein viel zu dünn wirkendes Mädchen, mit blonden Engelslocken wird frei. Ihre schwarzen Hotpants und das bauchfreie, rotschwarz karierte Top haben allerdings eher etwas teuflisches an sich. Schaudernd blickt Naomi in die vorwurfsvollen, schwarz umrahmten Augen. Hätte das Mädchen die Nacht durchgefeiert und würde jetzt dicke Augenringe vorweisen, so könnte man sie nicht von der dick aufgetragenen Schminke unterscheiden.
Das knochige Gesicht, die schmalen, aber blutrot gefärbten Lippen und die dünnen Augenbrauen lassen Naomi die beste Freundin ihrer kleinen Schwester erkennen.
„Morgen, Nancy“, nuschelt Naomi betreten, hält noch immer schwer atmend die Türklinke in der Hand, deren Knöchel weiss hervortreten.
Die Angesprochene dreht sich mit einem abwertenden Ausdruck in den Augen wortlos wieder ihrem eigenen Spiegelbild zu. Einen kurzen Moment bleibt Naomi unentschlossen stehen, dann verlässt sie mit schnellen Schritten den Raum, ohne sich vorher die Hände zu waschen. Der Gang ist nun komplett leer und ihre Schritte hallen leer von den Wänden wieder. Zügig steuert sie ihren Spinnt ein Stockwerk höher an. Auch dieser Gang wirkt wie ausgestorben, eine Szene aus einem schlechten Horrorfilm. Das jedenfalls geht Naomi durch den Kopf. Jeden Atemzug, jeden Schritt, jeder Schlag ihres Herzens kann sie hören, als wäre er mehrmals verstärkt, würde jemand ein Mikrophon daran halten. Immer schneller wird sie, bis sie schliesslich in einen flotten Trab verfällt. Die Schule hat ihr noch nie gefallen. Alles ist viel zu steril, zu eintönig, zu gleich. Nichts besitzt etwas individuelles, nirgends ist eine persönliche Note zu erkennen. Selbst das Schulabzeichen wirkt leblos, ohne Freude.
Abrupt bremst Naomi ab. Mit zitternden Fingern bastelt sie am Schloss ihres Schrankes herum, das einfach nicht aufgehen will. Erschrocken springt sie beiseite, als ihr erst einmal zwei Bücher entgegenkommen. „Aufräumen, Naomi, halt endlich mal Ordnung“, murmelt sie vor sich hin, während sie sich die Bücher schnappt, die sie gleich brauchen würde. Ihr Vater hat es ihr schon so oft gesagt. Ordnung ist das Wichtigste um erfolgreich zu sein.
Das Klingeln der Schulglocke lässt Naomi herumfahren und ein weiteres Buch fällt zu Boden. Genervt schlägt sie die Schranktür zu und macht sich auf den Weg zu ihrem Klassenzimmer. Schon wieder zu spät. Zu spät, wegen einer Angst, die sie gar nicht haben dürfte, von der keiner weiss. Zu spät wegen irgendwelchen Gefahren, die nicht existieren. „Naomi, werde endlich erwachsen“, flüstert sie vor sich hin und beginnt zu laufen.