SweetSensation
Habe mich heute mal wieder brav hingesetzt und eine Geschichte angefangen, würde gerne von euch zum ersten Teil die Meinung hören und natürlich konstruktive Kritik
Dankeschööön schon mal im Vorraus.
Risse – Über eine Krankheit
Teil 1
„Wohin gehst du, Katharina?“ Mama sieht mich fragend an. Sie trägt die üblichen Schlabberklamotten. Ich habe sie so getauft, natürlich weil sie eben schlabbern. Es ist schwer zu erklären, doch bei jedem Schritt bewegen sie sich wie aufschäumende Wellen um Mamas Körper. Ich stelle mir dann immer vor, dass Mama in einem Rettungsring sitzt und rings um sie brechen Wellen aus Stoff. Meist ist es dunkler Stoff.
Heute auch. Dunkler Stoff an einem dunklen Tag. Die Wolken hängen schon seit den frühen Morgenstunden tief, als wollten sie die Erde küssen und sich auf der Suche nach ein bisschen Geborgenheit und Trost an sie schmiegen. Ich hasse es, wenn alles so dunkel und trist ist. Dann geht es mir schlecht. Und wenn es mir schlecht geht, dann denke ich zurück an die Tage meiner Krankheit und manchmal muss ich mich dann übergeben.
Vielleicht sind es die schrecklichen Erinnerungen an jene endlosen Zeiten im Krankenhaus, die Übelkeit in mir hervorrufen. Oder der Gedanke an diesen ekelerregenden Krankenhausgeruch. Alles. Alles dreht mir einfach den Magen um. Und es kann jederzeit wieder passieren. Jederzeit kann ich wieder zusammenbrechen. Und dann? Dann bin ich wieder im Krankenhaus und fahre gelangweilt und trostlos mit den Augen die feinen Risse in den weiß getünchten Wänden nach.
„Katharina, ich rede mit dir.“ Mama seufzt. Warum? Warum will sie immer wissen, wohin ich gehe? Ich bin fünfzehn, ich kann auf mich aufpassen. Meine Freundinnen dürfen auch gehen, ohne sich vorher abzumelden. Nur ich, die überbehütete Katharina muss meinen Eltern alles sagen. Alles was mich bewegt und mir Angst macht. Was hat Papa neulich gesagt? „Wenn du Ärger hast, dann musst du zu uns kommen. Du sollst uns alles erzählen, hörst du, Mäuschen?“
Mäuschen. Ich bin ein Mäuschen. Unwillkürlich streift der Anflug eines amüsierten Lächelns mein Gesicht. „Ich gehe spazieren, Mama“, sage ich. Mama. Mama ist immer lieb. Immer hört sie mir zu. Ja, ich liebe sie sehr. Sie sieht etwas besorgt aus, Sorgenfalten zerfurchen ihre Stirn. „Kommst du alleine zurecht? Ist alles okay? Wieso gehst du spazieren?“, will sie ängstlich wissen. Ja, die Angst ist immer da. Sie weicht niemals aus unserem Häuschen in der Kastanienallee. Weil es mir jeden Augenblick meines Lebens wieder schlechter gehen kann. Die Angst lauert um jede Ecke, manchmal ergreift sie mich, wie ein Dieb seine Beute begeistert ergreift. So nimmt die Angst Besitz von mir und macht mich zu einem heulenden, kleinen Kind, das sich am liebsten für alle Zeiten verkriechen würde und seine Krankheit wie einen falschen Bleistiftstrich wegradieren möchte.
„Es geht mir gut, Mama. Ich will nur etwas Bewegung und frische Luft“, erwidere ich geduldig. Sie ist zufrieden und fährt fort in der Küche zu hantieren. Aber ihre Handgriffe sind nicht mehr so locker und flüssig, viel mehr wirkt sie rastlos und erschrocken. Ich ziehe mir eine leichte Herbstjacke an. Gelb ist sie. Gelb und wunderschön. Ich komme mir vor wie ein Sonnenstrahl, das Gelb hüllt mich ein und die Jacke raschelt, wenn ich mich drehe. Raschel, raschel, ich bin ein Sonnenstrahl.
Langsam öffne ich die Haustüre und trete ins Freie. Die Luft stinkt. Stinkt nach Abgasen und all den anderen Dingen, die unsere Luft heutzutage verpestet. Widerlich. Kein Wunder, dass sie in mir ist, diese Krankheit. Bei so vielen umweltschädlichen Sachen, die wir in die Welt pusten. Wütend balle ich meine linke Hand zu einer festen Faust. Zerschlagen will ich all diese schrecklichen Abgase, die mich krank machen. Sie fressen mich auf, Stückchen für Stückchen. Ich weiß es. Ich spüre es und es stimmt mich traurig.
Das ist ja klar. Wer will schon mit fünfzehn bereits sterben? Niemand. Aber mich hat es getroffen, mich. Warum? Warum? Wieso ich? Lieber Gott, was habe ich falsch gemacht? An Tagen wie diesen frage ich mich das oft und Gott gibt mir keine Antwort. Es gibt keinen Gott auf dieser verdammten Welt, wenn er mich so quält und mich töten will. Ja, richtig. Ich werde sterben. Es ist nur eine Frage der Zeit. Vielleicht in wenigen Monaten, vielleicht aber auch erst in zwei Jahren. Aber ich werde früher sterben, als uns allen lieb ist. Ich. Wieso? Warum? Verdammt.
Die Straßen sind grau und verlassen. Menschenleer, als ob jeder Mensch mich und meine Krankheit scheuen würde. Ich würde es ihnen nicht verübeln. Nein, würde ich nicht. Sie ist aber doch nicht ansteckend, sie ist nur erblich. Ja, und das noch nicht einmal zwingend. Aber Oma Hilde hatte sie, aber nicht so wie ich. Sie hatte Blasenkrebs, nicht Leukämie. Blasenkrebs. Igitt.
Grau, überall grau. Straße grau, Häuser grau, Himmel grau, ich grau. Grau und hässlich mit meinen dünnen Löckchen, die wie schwache Blumen auf meinem Kopf sprießen, aber leider keinen Kopf haben. Kopflos. Und kopflos renne auch ich durch die Gegend. Habe dumme Gedanken, will mein Leben noch auskosten. Denke plötzlich an Bennis Angebot. Bennis Angebot...

Risse – Über eine Krankheit
Teil 1
„Wohin gehst du, Katharina?“ Mama sieht mich fragend an. Sie trägt die üblichen Schlabberklamotten. Ich habe sie so getauft, natürlich weil sie eben schlabbern. Es ist schwer zu erklären, doch bei jedem Schritt bewegen sie sich wie aufschäumende Wellen um Mamas Körper. Ich stelle mir dann immer vor, dass Mama in einem Rettungsring sitzt und rings um sie brechen Wellen aus Stoff. Meist ist es dunkler Stoff.
Heute auch. Dunkler Stoff an einem dunklen Tag. Die Wolken hängen schon seit den frühen Morgenstunden tief, als wollten sie die Erde küssen und sich auf der Suche nach ein bisschen Geborgenheit und Trost an sie schmiegen. Ich hasse es, wenn alles so dunkel und trist ist. Dann geht es mir schlecht. Und wenn es mir schlecht geht, dann denke ich zurück an die Tage meiner Krankheit und manchmal muss ich mich dann übergeben.
Vielleicht sind es die schrecklichen Erinnerungen an jene endlosen Zeiten im Krankenhaus, die Übelkeit in mir hervorrufen. Oder der Gedanke an diesen ekelerregenden Krankenhausgeruch. Alles. Alles dreht mir einfach den Magen um. Und es kann jederzeit wieder passieren. Jederzeit kann ich wieder zusammenbrechen. Und dann? Dann bin ich wieder im Krankenhaus und fahre gelangweilt und trostlos mit den Augen die feinen Risse in den weiß getünchten Wänden nach.
„Katharina, ich rede mit dir.“ Mama seufzt. Warum? Warum will sie immer wissen, wohin ich gehe? Ich bin fünfzehn, ich kann auf mich aufpassen. Meine Freundinnen dürfen auch gehen, ohne sich vorher abzumelden. Nur ich, die überbehütete Katharina muss meinen Eltern alles sagen. Alles was mich bewegt und mir Angst macht. Was hat Papa neulich gesagt? „Wenn du Ärger hast, dann musst du zu uns kommen. Du sollst uns alles erzählen, hörst du, Mäuschen?“
Mäuschen. Ich bin ein Mäuschen. Unwillkürlich streift der Anflug eines amüsierten Lächelns mein Gesicht. „Ich gehe spazieren, Mama“, sage ich. Mama. Mama ist immer lieb. Immer hört sie mir zu. Ja, ich liebe sie sehr. Sie sieht etwas besorgt aus, Sorgenfalten zerfurchen ihre Stirn. „Kommst du alleine zurecht? Ist alles okay? Wieso gehst du spazieren?“, will sie ängstlich wissen. Ja, die Angst ist immer da. Sie weicht niemals aus unserem Häuschen in der Kastanienallee. Weil es mir jeden Augenblick meines Lebens wieder schlechter gehen kann. Die Angst lauert um jede Ecke, manchmal ergreift sie mich, wie ein Dieb seine Beute begeistert ergreift. So nimmt die Angst Besitz von mir und macht mich zu einem heulenden, kleinen Kind, das sich am liebsten für alle Zeiten verkriechen würde und seine Krankheit wie einen falschen Bleistiftstrich wegradieren möchte.
„Es geht mir gut, Mama. Ich will nur etwas Bewegung und frische Luft“, erwidere ich geduldig. Sie ist zufrieden und fährt fort in der Küche zu hantieren. Aber ihre Handgriffe sind nicht mehr so locker und flüssig, viel mehr wirkt sie rastlos und erschrocken. Ich ziehe mir eine leichte Herbstjacke an. Gelb ist sie. Gelb und wunderschön. Ich komme mir vor wie ein Sonnenstrahl, das Gelb hüllt mich ein und die Jacke raschelt, wenn ich mich drehe. Raschel, raschel, ich bin ein Sonnenstrahl.
Langsam öffne ich die Haustüre und trete ins Freie. Die Luft stinkt. Stinkt nach Abgasen und all den anderen Dingen, die unsere Luft heutzutage verpestet. Widerlich. Kein Wunder, dass sie in mir ist, diese Krankheit. Bei so vielen umweltschädlichen Sachen, die wir in die Welt pusten. Wütend balle ich meine linke Hand zu einer festen Faust. Zerschlagen will ich all diese schrecklichen Abgase, die mich krank machen. Sie fressen mich auf, Stückchen für Stückchen. Ich weiß es. Ich spüre es und es stimmt mich traurig.
Das ist ja klar. Wer will schon mit fünfzehn bereits sterben? Niemand. Aber mich hat es getroffen, mich. Warum? Warum? Wieso ich? Lieber Gott, was habe ich falsch gemacht? An Tagen wie diesen frage ich mich das oft und Gott gibt mir keine Antwort. Es gibt keinen Gott auf dieser verdammten Welt, wenn er mich so quält und mich töten will. Ja, richtig. Ich werde sterben. Es ist nur eine Frage der Zeit. Vielleicht in wenigen Monaten, vielleicht aber auch erst in zwei Jahren. Aber ich werde früher sterben, als uns allen lieb ist. Ich. Wieso? Warum? Verdammt.
Die Straßen sind grau und verlassen. Menschenleer, als ob jeder Mensch mich und meine Krankheit scheuen würde. Ich würde es ihnen nicht verübeln. Nein, würde ich nicht. Sie ist aber doch nicht ansteckend, sie ist nur erblich. Ja, und das noch nicht einmal zwingend. Aber Oma Hilde hatte sie, aber nicht so wie ich. Sie hatte Blasenkrebs, nicht Leukämie. Blasenkrebs. Igitt.
Grau, überall grau. Straße grau, Häuser grau, Himmel grau, ich grau. Grau und hässlich mit meinen dünnen Löckchen, die wie schwache Blumen auf meinem Kopf sprießen, aber leider keinen Kopf haben. Kopflos. Und kopflos renne auch ich durch die Gegend. Habe dumme Gedanken, will mein Leben noch auskosten. Denke plötzlich an Bennis Angebot. Bennis Angebot...