so, hab jetzt einfach mal weiter geschrieben... weiss nciht, wie ihr es findet, aber mir gefällt der teil ganz gut, weil darin mein grösster albtraum vorkommt... *grusel, grusel*
Tränen laufen haltungslos über die kalten Wangen des Mädchens und geben ihr das Gefühl, dort festzufrieren. Valerie zittert am ganzen Körper ob aus Kummer, Angst oder Kälte ist ihr egal, lässt ihrer Trauer freien Lauf, achtet nicht darauf, sich zusammen zureissen. Seit gut einer halben Stunde sitzt die Fünfzehnjährige Schülerin auf einer kalten Bank, die Beine angezogen, die Arme darum geschlungen, weint hemmungslos vor sich hin.
„Wieso“, fragt sie immer wieder leise ins Nichts hinein. Die Dämmerung hat eingesetzt, sie hat es noch nicht einmal bemerkt, sitzt nur dort am Rande eines Feldweges auf einer grünen, schneebedeckten Bank, starrt vor isch hin und fragt sich wieso?
Wieso ist dieser Unfall geschehen? Wieso hat Lana sie verlassen? Wieso musste sie wieder auf Yanek treffen? Und wieso um alles in der Welt hatte sie Lanas Tagebuch erwähnt?
Noch immer kann Valerie sein Gesicht vor sich sehen, nachdem sie die Worte unwiderruflich gesprochen hatte. Kann seine Augen vor sich erkennen, seinen unergründlichen Gesichtsausdruck, den er annahm, als sich die Überraschung gelegt hatte. Kann sich noch immer ins Gedächtnis rufen, wie er rückwärts von ihr weggegangen ist, gestolpert, in den plattgewälzten Schnee gefallen. Sie erinnert sich an das Knirschen von Schnee unter dicken Sohlen, als er gegangen ist, hastig, aber nicht gerannt. Sie sieht sich selbst, wie sie dagestanden hat, ein Augenblick, lange wie eine Ewigkeit. Sekunden, Minuten, vielleicht Stunden in denen sie sich nicht rühren konnte, nicht begreifen, was sie gesagt hatte, getan, was er nun von ihr dachte. Schlimm genug, erinnerte sie ihn an Lana, nur optisch. Er liebt ihre tote Schwester, hat sie immer geliebt und niemals aufgegeben.
Ein weitere Weinkrampf schüttelt Valeries Körper, lässt sie laut aufschluchzen. Warum nur hat sie es erwähnt, das Tagebuch, Lanas heiligster Besitz. Natürlich kann niemand verstehen, wieso Valerie es macht, alle halten sie für hinterhältig, eine Verräterin. Selbst Valerie weiss das, hasst sich selbst dafür. Aber Lana wollte es so, hat sie darum gebeten, ihr diese Bürde auferlegt in den Abgründen von Lanas Verzweiflung zu forschen, zu suchen, zu erkennen. Aus diesem Grund hatte Valerie nicht einmal mit Lea darüber gesprochen, es für sich behalten, im Geheimen gelesen. Jetzt hatte sie sich verraten, sich enttarnt und nun würde es schon bald alle Welt wissen. Nicht Yanek bringt es in die Welt, für ihn ist der Schmerz beim Gedenken an Lana zu gross. Aber sie selbst wird es verbreiten, es jedem erzählen, jetzt, wo sie damit begonnen hat.
Ein Kribbeln lässt Valerie aufschrecken. Einen Moment lang blickt sich das Mädchen verwirrt um, dann bemerkt sie, dass das Vibrieren von ihrem Handy kommt. Mit zitternden Fingern greift sie in die Tasche, schaut auf den Display. Sie kann kaum die Taste drücken, um den Anruf entgegen zu nehmen, so steifgefroren sind ihre Finger.
„Ja?“
Schweigen. Nichts ist zu hören, keine Stimme, keine Antwort, kein Rascheln oder Knacken. Nichts, bis auf ein ruhiges, gleichmässiges Atmen. Angespannt lauscht Valerie der Atmung, die nun eher stockend geworden ist. Ein eisiger Schauer läuft ihr über den Rücken und plötzlich nimmt das Mädchen die Kälte um sich her wahr. Das Atmen hat aufgehört, nichts ist mehr zu hören, Stille herrscht.
„Wer ist dran?“, versucht Valerie dem Fremden eine Antwort abzuringen. Nichts tut sich, alles ist still. Selbst um sie herum scheint alles zu verstummen. Kein Vogel, kein Rascheln der Bäume, kein Knistern von Schnee. Hektisch blickt sich Valerie um, realisiert erst jetzt, wo sie eigentlich hingelaufen ist, nachdem sie sich wieder hat rühren können. Weit und breit sind nur Wald und Felder. Mindestens eine viertel Stunde würde sie laufen müssen, will sie wieder zurück an die Strasse oder zum Hof gelangen. Hier wohnt niemand, hier ist niemand und niemand wird sie hören, würde sie rufen.
„Wer bist du? Was willst du?“ Valeries Stimme hat sich verändert, klingt nun hohl und tot. Panik überkommt sie und mit einem Ruck hält sie den Hörer von sich weg, als könnte er sie angreifen, drückt auf eine Taste und steckt es zurück in die Jacke. Schnell ist sie auf den Füssen, schreitet rasch in Richtung Strasse. Um sie her zieht die Nacht auf. Schatten verschwinden, werden eins mit der Dunkelheit um sie herum, Bäume wandeln ihre Form, sehen bedrohlich aus, werden zu Gespenstern der Nacht. Ein Flüstern und Raunen geht durch das Unterholz des Waldes zu Valeries rechter Seite, die Äste ächzen unter der schweren Last der Bäume. Augen scheinen aus geheimen Verstecken aufzublitzen, Valerie mit scharfen Blicken zu verfolgen, zu beobachten. Knacken hinter jeder Ecke lassen das Mädchen schneller gehen. Eine Gänsehaut breitet sich auf ihrem kalten Körper aus, alle Glieder sind steifgefroren, lassen sich nur mühsam bewegen. Ihre Augen brennen von der Kälte und den Tränen, ihr Atem geht keuchend, stossweise. Eine Welle der Angst überkommt das Mädchen, ihre Beine drohen zu versagen, das Herz rast. Schützend zieht das Mädchen die Schultern hoch, versucht sich gegen all das Böse um sie her zu schützen. Was war das? Schritte hinter ihr? Valerie getraut sich nicht, sich umzudrehen, beschleunigt ihre Schritte noch einmal. Angst wird zu Panik, positive Gedanken zu Verfolgungswahn.
„Das bilde ich mir nur ein“, flüstert das Mädchen sich selbst zu. Doch die Schritte sind nicht verschwunden, laufen einige Meter hinter ihr, vielleicht sind sie noch nicht einmal um die letzte Kurfe.
„Nur ein Spaziergänger“, ermutigt sich Valerie und schüttelt den Kopf, ihr Haar fliegt ihr ums Gesicht und sie erkennt hinter sich eine Gestalt, die sich rasch ihr hinterher bewegt. Valerie beginnt zu laufen und auch die Schritte werden schneller. Oder war es nur ein Baum. Im Rennen versucht Valerie nach hinten zu sehen, konzentriert sich nicht mehr auf den Weg und fällt der Länge nach hin. Panisch versucht sie aufzustehen, die Gestalt kommt hörbar näher. Der Boden ist rutschig und sie glitscht aus, fällt wieder in den Schnee. Valerie hört den schweren Atem der Gestalt, als diese hinter ihr zum Stehen kommt.