Das glaub ich net, Phily! Man muss nur dran bleiben und spass daran haben, dann kommt es meistens gut heraus.
Hier jetzt die Auflösung für mein untypisches Verhalten/Schreiben:
„Samira!“
Keuchend richtet sich Valerie auf. Sie zittert am ganzen Körper, ihr Shirt klebt von Schweiss getränkt an ihr fest, die Bettwäsche liegt neben ihr am Boden. Es ist dunkel im Zimmer, nur die feine Sichel des abnehmenden Mondes wirft einen schwachen Lichtstrahl durch die geschlossenen Fenster. Hektisch schaut sich Valerie um, dann lässt sie sich mit einem tiefen Seufzer zurück auf ihr Kissen fallen. Nach einer Weile in der sie sich allmählich wieder beruhigt hat, greift sie neben ihr Bett um die Decke wieder hochzuheben. Mit noch immer klopfendem Herzen schliesst Valerie wieder die Augen. So lange hat sie nicht mehr von diesem schrecklichen Unfall geträumt, seit zwei ganzen Jahren. Wieso kehrt er gerade jetzt zurück, dieser schreckliche Albtraum? Wieso gerade jetzt, da sie die schrecklichen Bilder vom Tod ihrer Schwester endlich verarbeitet hat? Womöglich ist es ein Fluch. Ja, ein Fluch, der Valerie immer die schrecklichsten Momente ihres Lebens wieder und wieder erleben lässt. Je länger Valerie darüber nachdenkt, desto wahrscheinlicher erscheint es ihr. Und wenn ein Trauma überstanden ist, folgt das nächste und alte Erinnerungen werden wieder wach. In einer plötzlichen Angstattacke kneift Valerie die Augen fest zusammen. Eine Flut Bilder strömt auf sie ein. Ein weisser Raum, viele Ärzte, Blumen, Leute, blutverschmiertes Sattelzeug. Geschockt reisst Valerie die Augen wieder auf, hält den Blick starr an die gegenüberliegende Wand gerichtet. Sie dürfen nicht zurück kommen, nicht jetzt, nicht nach dieser endlosen Therapie, die das Mädchen deshalb durchgezogen hat. Sie will die alten Erinnerungen bei ihren erneuten Sitzungen nicht wieder ausgraben. Der mitleidige Blick des Therapeuten hat ihr schon gelangt. Dieser Blick, als Valerie nach zwei Jahren wieder den Sitzungsraum des Doktors betreten hatte. Sie wusste sofort, dass sie ihm Leid tat, dass er Mitleid mit ihr hatte. Er hatte sich genau so lebhaft wie Valerie an dieses eine Jahr erinnert, in dem er dem Mädchen über den Verlust ihres Pferdes hinweggeholfen hatte und sie bei der Verarbeitung des Unfalles unterstützt hatte. Er konnte nicht glauben, genau wie Valerie es auch nicht konnte, dass sie ein zweiter Schicksalsschlag ereilt hatte und sie nun Hilfe brauchte um mit dem Tod der älteren, so verehrten Schwester klar zu kommen. Erst nicht gewollt, ist Valerie nun doch froh darüber, nicht alleine da zu stehen, mit ihren Gefühlen und Gedanken. Herr Kasper ist ein guter Seelendoktor, er hört zu, er unterstütz, er versteht.
Aber jetzt ist sich Valerie nicht sicher, was sie tun soll, ob sie ihm von diesem wiedergekehrten Traum erzählen sollte. Vielleicht war es nur eine kurze Rückblende, ein letzter Blick in die traurige Vergangenheit, bevor sich die Tür dazu endgültig schliesst.
Unwillkürlich gleitet Valeries linke Hand zu ihrem Bein, die andere zu ihrem Gesicht, fährt langsam zum Hinterkopf. Eine ganze Weile waren sich die Ärzte nicht einige gewesen, ob sie Valerie das Bein abnehmen sollten, hatten die Gegner doch am Schluss die Oberhand behalten. Dank ihnen, dank diesen optimistischen Lebensrettern hat die werdende Frau noch alle ihre Glieder, kann wieder richtig gehen und stehen, könnte sogar wieder reiten.
Seufzend setzt sich Valerie auf und knipst das Licht auf ihrem Nachttisch an. An schlafen ist jetzt nicht zu denken. Müde wirft sie aus reiner Gewohnheit einen Blick in den Spiegel. Noch immer ist sie da, diese Narbe, die es nicht zulässt, dass Valerie endlich und wirklich vergessen kann. Eine ovale Narbe an der linken Schläfe, wo sie damals auf den Stein geknallt ist und drei Striemen, wo die Äste ihr Gesicht zerkratzt haben. Einer über die Stirn, einer über die rechte Wange und einer über die Kehle.
Mit einer plötzlichen Bewegung reisst Valerie den Blick los und lässt ihn durchs halbfinstere Zimmer gleiten, wo er am Schreibtisch hängen bleibt. Langsam und bedächtig, wie in Trance, steigt das Mädchen aus dem Bett. Ihre Schritte führen sie ungewollt zu diesem einen Punkt, an dem ihr Blick haftet. Dort angekommen heben ihre Hände ein rotes Buch in A5 Grösse hoch. Ihre Finger fahren über den Umschlag und ihre Lippe formen lautlos die darauf geschriebenen, schwarzen Worte:
Mein Tagebuch
von
Lana Schwerter