Also ich finde es unfassbar, dass es immer noch Leute gibt, die der Rollkur etwas postives abgewinnen können. Dazu fällt mir echt nichts ein. Das sagt doch nur, dass ihr selbst sie gerne mal anwendet, oder wie soll ich das verstehen?
Macht Euch mal über Dr. Gerd Heuschmann schlau. Den habe ich letztens im Vortrag gesehen.
Hier ein Bericht:
Pferdetraining nach dem Gummiband-Prinzip
„Stell ihn tiefer ein!“ Diesen Satz hört man im Reitsport überall- egal ob auf Turnieren oder in der Reitstunde. Denn nur dann geht das Pferd „schick“, schmeißt die Beine und sammelt Schleifen auf dem Turnier. Da wird geriegelt und gezerrt, was das Zeug hält- ob nun aus Unwissenheit oder aus übertriebenem Ehrgeiz. Glaubt man führenden Olympiareitern und –Trainern, ist die so genannte „Rollkur“ der Weg zum Sieg Die vierbeinigen Sportler werden also im Hals extrem überdehnt, sodass die Nüstern fast die Brust berühren. Je früher ein Pferd piaffiert und passagiert, desto besser.
Eine Überzeugung, die bei Dr. Gerd Heuschmann auf taube Ohren stößt. „Die Rollkur widerspricht ganz einfach der anatomischen Beschaffenheit des Pferdes“, betont der Tierarzt und ausgebildete Bereiter. Er ist einer der führenden Kritiker dieser Trainingsmethode und „tourt“ durch die ganze Welt, um seine Überzeugung zu verbreiten. Heute steht er vor mehr als 30 ReiterInnen, Richtern und Tierärzten, die sich auf dem Heidlooger Hof im Landkreis Friesland zusammen gefunden haben. Er erklärt leidenschaftlich, gestikuliert, versucht die Zuhörer mit einzubeziehen. Ein gut genährtes Pferd wiege im Schnitt 500 bis 700 Kilogramm. „Die Wirbelsäule wird also mit circa 200 bis 300 Kilogramm belastet“, erklärt Heuschmann. „Und dann setzt sich ein Reiter mitsamt Sattel noch oben drauf.“ Wie trägt also das Pferd uns und sich selbst? „Auf keinen Fall mit dem großen Rückenmuskel“, betont der Tierarzt und Bereiter. „Der muss geschmeidig und losgelassen sein, damit die Brücke von der Hinter- auf die Vorhand funktioniert.“ Das heißt, das Pferd muss die Schubkraft aus der Hinterhand umwandeln können. Das so genannte „Nacken-Rücken-Band“ sei der Schlüssel. Es verläuft auf den Dornfortsätzen der Wirbel und sorgt wie eine Art „Gummiband“ dafür, dass der Rücken „angehoben“ wird. Dies passiert, wenn das Pferd den Hals in Anlehnung vorwärts-abwärts dehnt. Durch die vom Widerrist aus erzielte Hebelwirkung „hängt“ der Rücken quasi an diesem Band. Das heißt, der große Rückenmuskel und die Wirbelsäule werden um rund 300 Kilo entlastet. Wird das Pferd ohne diese Vorstufe sofort übertrieben aufgerollt, kommt die „Gummiband-Wirkung“ nicht zu Stande. Dann tragen hauptsächlich das Skelett und der lange Rückenmuskel die Last. „Irgendwann ist das Pferd dann so verkrampft, dass es nicht mehr kann“, so Dr. Heuschmann. Diese Reaktion wird auch als „fest machen“ oder „klemmen“ bezeichnet.
Hinzu kommt noch, dass die Wirbelsäule des Pferdes gar nicht für die senkrechte Gewichtseinwirkung, also den Reiter geschaffen ist. „Das Pferd muss sich mit dem Gewicht von Hals und Kopf wieder ausbalancieren.“ Gerade bei jungen Pferden müssten die dafür nötigen Halsmuskeln, aber noch trainiert werden. „Und mit der Rollkur läuft da gar nichts.“ Bei einem zusammen gezerrten Pferd entspannt laut Heuschmann nicht nur das Nackenband. Auch die Halsmuskeln würden nicht trainiert. „Und das kommt dabei heraus“, sagt er und zeigt auf Projektionen, die Pferde auf dem Turnier zeigen: Zu sehen ist ein Trab, bei dem die diagonalen Beinpaare nicht mehr parallel abfußen. Auf einem anderen Foto sind die Fesseln und Hanken in der Versammlung zum bersten gebeugt. Verstärkungen werden gezeigt, bei denen nicht mehr zwei sondern nur noch ein Huf den Boden berührt. Der „Stechtrab“ sei ein eindeutiges Zeichen für die falsche Reitweise. „Machen Sie all das konsequent mit einem Vierjährigen und Sie landen in meiner Klinik in Warendorf“, stellt Heuschmann nüchtern fest.
Zu schnelles Versammeln und die Rollkur hätten negative Folgen für den gesamten Pferdekörper. Die Strecker, also für den Schub und die Stütze zuständige Muskeln an den Hinterbeinen, würden überanstrengt, genau wie die Rückenmuskeln. Gerd Heuschmann: „Deshalb verschleißen die Gelenke. Wer sein Pferd mechanisch zusammen zerrt, verstärkt auch die Krafteinwirkung auf das Genick um ein Vielfaches.“ An den Spritzen, die dann nötig würden, verdiene er als Tierarzt gut, fügt er ironisch hinzu.
„Aber was sollen wir ihrer Meinung nach jetzt tun“, fragen Tierärzte, Reiter und Richter am Ende von Heuschmanns Ausführungen. „Lassen Sie auch ihren Verstand beim Pferdekauf oder beim Zusehen auf dem Turnier eingeschaltet.“ Ein zusammen geriegeltes Pferd präsentiere sich zwar ausdrucksvoll. „Dahinter stecken jedoch kaputte Gänge und am Ende auch ein krankes Pferd.“ Und die Richter? Die sollen Heuschmanns persönlicher Meinung nach Mut zur Kritik haben. „Dass ein Stechtrab eine 9,0 bringt, darf einfach nicht sein. Da werden die Pferde doch zu Schleifensammlern degradiert.“
Quelle: www.reitverein-bockhorn.de