*Sternchen*
weiter bitte!!
Hornisse
Ich fühlte mich wie in die Vergangenheit zurück gesetzt. Obwohl Sven und Silke (und auch Kai) sich verändert hatten, sowohl äußerlich als auch innerlich, waren wir immer noch ein ‚Trupp’, wie Silke uns damals immer nannte. Ich wusste nicht, was mit Kai passiert war, aber es muss was sehr Schlimmes gewesen sein. Trotzdem war ich mir sicher, dass Kai tief im Inneren noch der junge Mann von damals war. Er war schließlich hergekommen, als Silke ihn drum gebeten hatte und hatte den zwei Pferden wahrscheinlich das Leben gerettet. Ich nahm mir vor, rauszufinden, was mit ihm los war. Ich würde ihn fragen, egal wie oft er mich abwimmelt. Und dann wird es vielleicht wirklich so werden wie früher.
Bis 14 Uhr blieben wir noch bei Silke auf dem Hof, dann musste Sven wieder zur Arbeit. Wir verabredeten uns für abends noch einmal und dann ging ich auch schon los zu Kai. Ich wusste ja zum Glück, dass er noch da wohnt, wo er vor vier Jahren gewohnt hatte und so fand ich relativ schnell hin. „Was willst du denn?“, fragte Kai genervt als er mir die Tür öffnete. „Dich besuchen.“ Ich versuchte nett zu sein und ruhig zu bleiben. „Ja ja hab jetzt keine Zeit“, meinte er abweisend und wollte die Tür wieder zuschlagen, doch ich hielt sie auf. „Bitte Kai, es ist wichtig.“ „Man was willst du denn, ich bin beschäftigt.“ „Darf ich reinkommen?“ Kai antwortete nicht, ließ aber die Tür auf und ging hinein ins Haus. Ich deutete dieses als eine Aufforderung ihm zu folgen.
In Kais Wohnung sah es schrecklich aus. Ich war es ja gewohnt, dass nicht aufgeräumt war, aber so einen zustand wie diesen hatte ich selten gesehen. Es sah aus, als hätte hier wirklich seit Jahren keiner mehr sauber gemacht. Überall stand vergammeltes Geschirr rum, Kleidung lag zusammengetreten auf dem Fußboden und man konnte kaum einen Fuß vor den anderen setzen, ohne auf irgendetwas raufzutreten. Es roch widerlich nach verschimmeltem Essen und verschwitzten Klamotten. Ich ersparte mir jeglichen Kommentar und räumte einen Sessel frei, um mich zu setzen. „Was willst du nun?“, fragte Kai ungeduldig. „Mit dir reden.“ „Wunderbar, ich aber nicht mit dir. Würdest du jetzt gehen?“ „Bitte Kai. Ich möchte wissen, was mit dir los ist. Vielleicht kann ich dir helf...“ „Du und mir helfen? Tzz. Niemand kann mir helfen.“ „Was ist denn passiert? Bitte Kai.“ Kai setzte sich auf einen Stuhl und starrte aus einem Fenster heraus in die Ferne. Lange Zeit schwieg er. Dann schließlich, ohne seinen Blick abzuwenden, fing er an zu erzählen. „Damals... als wir noch viel miteinander zu tun hatten... weißt du noch? Ich hatte eine Freundin. Ihr kanntet sie nicht, aber Sven und Michael hatten sich immer aufgeregt, wenn ich bei ihr war und deswegen nicht auf dem Hof mithalf.“ Ja, ich erinnerte mich. „Sie hieß Monica. Wir waren fast drei Jahre zusammen... und glücklich zusammen. Unser größter Wunsch war es, irgendwann eine Familie zu gründen. Eine richtige Familie... mit Kindern und so. Monica war unglaublich lieb zu Kindern. Sie wollte unbedingt Kinder haben... und, ich glaube du weißt es nicht... aber ich war eigentlich unfruchtbar. Irgendwas stimmte in meinem Körper nicht. Monica machte das sehr traurig, denn sie wusste, dass sie nie Kinder von mir haben würde. Trotzdem liebten wir uns, und ich hätte sie nie wieder gehen lassen. Eines Tages, vor fast zwei Jahren, waren wir auf der Hochzeit ihrer Schwester. Wir hatten einen schönen Tag und eine Menge Spaß... na ja. Irgendwann Abends sagte Monica zu mir, dass sie eine Überraschung für mich hätte. Sie sagte, dass sie beim Arzt war... und dass sie schwanger war. Ich konnte es nicht glauben, du musst dir das vorstellen... das war das größte Geschenk was der da oben mir machen konnte. In diesem Moment wusste ich, dass unser Leben eigentlich perfekt war und uns nie wieder einer auseinander bringen könnte. Abends fuhren wir nach Hause. Sie sagte, ich sollte nicht mehr fahren, weil ich schon allerlei getrunken hatte. Aber ich sagte ihr.... dass... dass ich nüchtern sei und sie sicher nach hause bringen würde. Und nein, ich war nicht nüchtern. Ich hatte verdammt noch mal zu viel gesoffen. Aber sie hat mir vertraut. Sie hat mir vertraut, weil sie mich geliebt hat. Zu sehr. Wir fuhren nach Hause und kamen wohl irgendwie von der Straße ab. Ich war viel zu schnell, wir überschlugen uns zweimal. Als ich im Krankenhaus aufwachte, sagten sie mir, sie sei tot. Sie hatte starke Schädelverletzungen und ist gestorben. Sie, und ihr Baby. Wegen mir. Ich habe sie umgebracht.“
Über Kais Wangen rollten Tränen und ich konnte ihn nun echt verstehen. Ich wollte lieber nicht wissen, wie man sich in einer solchen Situation fühlen musste und Kai tat mir unglaublich Leid. Ich wusste überhaupt nicht, was ich nun sagen sollte. Kluge Sprüche wie ‚Das Leben geht weiter’ oder ‚Irgendwann kommst du drüber hinweg’ hatte er sicher schon zur Genüge gehört und Vorwürfe wollte ich ihm nun wirklich auch nicht antun. Ich dachte daran, wie sehr mich Yoshis Tod mitgenommen hatte und (eigentlich will ich das jetzt ja nicht so sagen, aber es ist nun mal so) er war ja ‚nur’ ein Tier. Wenn ich auch noch Schuld an seinem Tod gewesen wäre, wäre ich wahrscheinlich mein ganzes Leben lang nicht mehr glücklich geworden. Kai musste sie schrecklich fühlen. Er starrte immer noch aus dem Fenster und ich ging zu ihm und nahm ihn in den Arm. „Es tut mir so Leid“, sagte ich. „Es muss dir nicht Leid tun. Ich ganz allein bin Schuld. Wäre ich nicht gewesen... hätte ich sie nicht angelogen... Ich würde alles, wirklich alles, dafür geben, alles rückgängig zu machen.“ „Weiß ich doch, Kai.“ Kai sah mich an. „Geh jetzt bitte, ja? Ich möchte alleine sein.“ „Okay. Hast du nicht Lust, heute Abend zu Silkes Hof zu kommen? Wir wollen grillen. Sven und Michael sind auch da.“ „Nein, ich denke nicht.“ „Du kannst es dir ja noch mal überlegen. Wir würden und wirklich alle freuen, wenn du auch kommst.“ Kai erwiderte nichts und ich verabschiedete mich von ihm.
Arwen
Boah des is echt supertoll! Weita!
Hornisse
Ich beschloss, noch nicht gleich nach Hause zu gehen, sondern noch einen kleinen Spaziergang zu machen. Ich hatte den Kopf voll mit Gedanken. Gedanken über Kai, über die Gefühle, die ihn schrecklich quälen mussten und die immer wieder kehrenden schrecklichen Alpträume mit ihm als Mörder. Ich dachte nach über Sven, den ich immer noch so sehr mochte wie damals und über Silke, die Pferde immer noch über alles liebte, aber mittlerweile alles nüchterner betrachtete. Ich dachte an ihre Worte ‚Wir müssen versuchen, wenigstens das Fohlen zu retten’ (lassen wir die Stute sterben), und ob diese Einstellung besser war, als die, die sie früher hatte. Und ich dachte an mich, ich, die sich vier Jahre lang von der Außenwelt abgekapselt hatte und nun endlich das bekam, worauf sie so lange gewartet hatte. Genau das, und doch ganz anders. In meinem Kopf, in meinen Illusionen waren Sven, Kai und Silke die gleichen Leute geblieben. In meinen Illusionen hatte ich die Zeit vor vier Jahren angehalten und nicht weiter laufen lassen. Ich hatte gewollt, dass sich nichts verändert hätte. Aber wäre das besser gewesen? Wäre es besser gewesen, wenn wir alle noch die Alten wären, mit unserer jugendlichen Fröhlichkeit und Naivität? Wäre das besser, in der heutigen Gesellschaft? Musste man nicht kalt sein? Musste man nicht, wie Silke, alles nüchtern betrachten und dann versuchen, Schlussfolgerungen zu ziehen, auch wenn sie hart und kalt waren? Musste man nicht, wie Kai, was megaschlimmes erlebt haben, um die Welt zu sehen, wie sie wirklich ist? Und musste man nicht, wie Sven, sich beruflich weiterbilden, um sich über Wasser zu halten, auch wenn dieses so viele negativen Sachen mit sich brachte? Musste er wirklich das Mädchen, das ihn über alles liebte, für vier lange Jahre im Stich lassen, nur um danach eine Anwaltskanzlei eröffnen zu können und im Designeranzug durch die Gegend zu laufen? Musste er. Muss man.
Abends ging ich zu Silkes Gnadenhof. Ich freute mich darauf, Sven wieder zu sehen und mit Silke und ihm über alte Zeiten zu reden. Ich freute mich auch auf Michael, den ich nun ja endlich wieder sehen würde. Und obwohl ich wusste, dass Kai nicht kommen würde, würde es sicherlich ein schöner Abend werden.
Als ich den Hof betrat machte ich mir erstmals wieder Gedanken darum, was sich hier eigentlich alles verändert hatte. Es gab nun zwei große Ställe mit Außenboxen und nur noch einen Stall mit Mittelgang. Es sah alles edler aus als früher, eigentlich schon wie ein richtiger Reitstall. Der Auslauf war nun von einem massivem dunkelbraunem Holzzaun umzäunt und es gab einen kleinen Offenstall. Eigentlich hatte sich so ziemlich alles verändert. Der Hof war neu gepflastert worden und es standen andere Pferde auf den Koppeln. Pferde, die ich nicht kannte, die ich nicht liebte. Und trotzdem versprühte der Hof noch das selbe Flair wie früher. Die großen Eichen links und rechts von der Einfahrt waren immer noch da und sahen aus, wie große Bewacher. Es lag immer noch, wie früher auch immer, ein Strohballen vor dem Stall, auf den wir uns früher immer gerne raufgesetzt hatten. Es herrschte noch immer eine angenehme Atmosphäre, eine Atmosphäre voller Warmherzigkeit und Liebe. Noch immer standen Pferde auf den Koppeln und dem Auslauf, die alt waren, alt krank und misshandelt und die diese Liebe und Warmherzigkeit brauchten und unglaublich viel Dankbarkeit ausstrahlten. Äußerlich hatte sich alles verändert, aber ich wusste, dass man diesem Hof seine Einzigartigkeit und Wärme nie nehmen konnte. Nicht durch eine neue Pflasterung. Und auch nicht in der heutigen Gesellschaft.
„Hallo Jule, schön dass du da bist“, begrüßte Sven mich. „Michael und Silke sind grade im Haus, sie kommen gleich.“ „Okay.“ „Warst du bei Kai? Du warst bei Kai, oder?“ (Ich mochte Sven, er konnte Gedanken lesen.) „Ja ich war bei Kai... und Sven, es war schlimm.“ „Wieso, hat er dich blöd angemacht?“ „Nein wir haben geredet.“ Ich wusste nicht, ob ich Sven das alles erzählen sollte, tat es aber schließlich doch.
„Oh je, der Ärmste. Kein Wunder, dass er so drauf ist. Er kommt heute Abend nicht, oder?“ „Ich habe ihm gesagt, dass er gerne kommen kann, aber ich glaube nicht, dass er kommt. Er ist total fertig.“ „Ja, kann ich verstehen.“
Lange schwiegen wir. Ich lauschte dem Vogelgezwitscher und freute mich, dass Frühling war. Die warme Abendsonne schien auf uns herab und verbreitete eine romantische Stimmung, ab und zu schnaubte ein Pferd auf dem Auslauf oder im Stall. Alles in einem war es ein ruhiger, aber doch nicht stiller Moment, der mich faszinierte, wie fast alles, dass in den letzten Tagen geschehen war.
Michael und Silke kamen wieder. Sie begrüßten mich und legten die Bratwürste und Salatschüsseln, die sie aus dem haus geholt hatten, auf den Tisch. „Cool, dass du gekommen bist. Kai kommt wohl nicht, hm?“ „Nein, ich denke nicht.“ Ich hatte nun wirklich keine Lust, Silke und Michael die Geschichte von Kai noch mal von vorne zu erzählen, und so beließ ich es einfach dabei.
Es wurde ein schöner Abend. Das gegrillte Essen schmeckte wunderbar und wir unterhielten uns gut. Zu meiner Erleichterung konnte ich feststellen, dass Michael sich kaum verändert hatte und immer noch sehr nett war. Silke war wirklich ruhiger und gefasster geworden. Sie sah die Dinge nun viel abgeklärter und realistischer als früher. Ich mochte das nicht, trotzdem war es wohl nötig und ließ sich nicht ändern.
Silke erzählte uns, dass der Hof sehr gut laufen würde und sie sogar staatliche Zuschüsse bekam. Sie hatte jetzt über dreißig Pferde hier, darunter auch viele, die noch gute Chancen auf ein beschwerdefreies, glückliches Leben hatten. Sie bot uns an, am nächsten Tag auszureiten. Natürlich stimmten wir alle begeistert zu. (Wobei ich mich ehrlich fragte, ob ich noch reiten konnte.)
Es war schon spät, etwa halb zehn, als ein mir unbekanntes Auto auf den Hof fuhr. „Wer ist das denn nun?“, fragte auch Sven. „Noch nie gesehen, das Auto.“ Ich rätselte kurz, wem das Auto gehören konnte, aber eigentlich war es mir ja schon klar. Eigentlich hätte ich es die ganze Zeit wissen müssen. Menschen ändern sich eben doch nicht.
Im schwachem Licht der Hofbeleuchtung sah ich, dass Kai grinste, als er aus dem Auto stieg. Als auch Sven ihn erkannte, stand er sofort auf und ging auf ihn zu. „Ey Alter, was machst du denn hier?“ „Na ich lass mir doch keine Feier entgehen“, erwiderte Kai, als er Sven begrüßte.
Ich muss einen ziemlich bedepperten Gesichtsausdruck gehabt haben, trotzdem war ich unbeschreiblich froh.
Kai setzte sich zu uns. „Tut mir Leid, hab’s nicht eher geschafft.“ Er zwinkerte mir zu. „Danke Kleine“, flüsterte er.
Hornisse
Mit Kai wurde es unglaublich lustig. Er konnte uns alle zum Lachen bringen mit seinem Humor, den ich früher schon so toll fand. Er ließ sich kaum was anmerken von der Geschichte, die er mir erzählt hatte, erwähnte scheinbar ganz nebenbei, dass er in einer depressiven Phase gesteckt hatte, von der er aber glaubte, sie jetzt überwunden zu haben. Ich wusste nicht, was Kai nun genau dazu bewegt hatte, her zu kommen, aber vielleicht war es einfach die Vergangenheit, die uns alle einholte und vor der wir uns nicht verschließen konnten (und auch nicht wollten.) Ich fand es unglaublich, dass wir nach vier Jahren Trennung noch eine solch starke Bindung zueinander hatten. Ich hoffte, Michael, Silke, Kai und vor allem Sven nie wieder aus den Augen zu verlieren.
„Kommst du morgen mit ausreiten Kai?“ „Pff, ich und reiten. Das wollt ihr nicht sehen.“ „Och bitte. Wird bestimmt lustig.“ Kai schwieg für einen kurzen Moment und ich hatte das Gefühl, als würde er wieder an seine ehemalige Freundin und den Unfall denken. „Ja“, sagte er dann aber schließlich. „Ich komme mit.“
„Hey Jule, hilfst du mir abwaschen?“, fragte mich Silke plötzlich. „Ja klar“, sagte ich und stand auf. Natürlich ging es Silke nicht ums abwaschen, das hätte selbst ein Blinder gesehen, trotzdem nahm ich die dreckigen Teller und das Besteck und folgte ihr ins Haus.
„Wir Weiber müssen ja auch mal unter uns sein“, meinte sie. „Sag mal, du führst irgendwas im Schilde wegen Sven, oder?“ Oh je nun fühlte ich mich aber ganz schön überführt. „Ich?? Was soll ich denn...“ „Hey Jule, ich bin doch nicht doof. Du magst ihn immer noch sehr, hm?“ „Hmmm... na ja...“ (Mädel, warum bist du eigentlich immer so verklemmt?!) „Mag schon sein, ja.“ Silke grinste über beide Ohren. „Ist doch auch ein netter Kerl.“ „Glaubst du er mag mich auch?“ „Klar mag er dich. Auf jeden Fall.“ „Ich bin mir da nicht so sicher. Er kann schließlich jede haben.“ „Nun hör aber mal auf. Wirst ja sehen, dass ich Recht habe.“ Silke tat übertrieben hochnäsig. Nach kurzer Zeit kam sie auf ein anderes Thema. „Ich habe ein tolles neues Pferd hier, es wird dir gefallen.“ „Was denn für eins?“ „Er heißt Aico und ist ein Traber. Ein Dunkelbrauner. Wunderschön sag ich dir.“ „Warum ist er hier?“ „Er war auf der Rennbahn, war aber wohl nicht gut genug. Wie das nun mal so ist, kennst das ja. War zuerst total durch’n Wind. Ich habe ihn zwei Jahre stehen lassen und dann letztes Jahr wieder angefangen, ihn zu reiten. Er ist jetzt erst 5. Na ja jedenfalls lässt er sich super reiten und ist ganz toll im Gelände. Er wäre sicherlich was für dich.“ „Hm ich weiß nicht, ich stehe irgendwie mehr auf Ponys. Weißt ja, so kleine zottelige.“ Silke grinste. „Ach so, tut mir Leid. Na ja da habe ich auch einen für dich. Er i...“ In diesem Moment kam Kai in die Küche. „Na Mädels, warum versteckt ihr euch hier?“ „Ach weißt du, wir...“ „Ihr habt Angst vor mir, hab ich mir schon gedacht. Wollt mir nur verabschieden, will dann auch mal wieder los.“ „Was, jetzt schon?“ „Werdet ihr es überleben?“ „Ich hoffe. Aber du kommst doch morgen zum Reiten, oder?“ „Klar. Ein bisschen die alten Zeiten wieder aufleben lassen.“ „Bis morgen – und Kai... danke, dass du hier warst.“ „Für euch tu ich alles“, sagte er und dann verschwand er auch schon wieder.
Ich redete noch eine Zeit lang mit Silke, dann verabschiedete ich mich auch. Ich musste am morgigen Tag arbeiten und wollte einigermaßen ausgeschlafen sein. „Ich wollte auch grade gehen“, meinte Sven. (Zufälle gibt’s...) Wir gingen gemeinsam nach Hause. (Zufällig musste er auch in die gleiche Richtung wie ich.) Die Nacht war kühl und sternenklar. Es war absolut still, nur unsere Schritte auf der Straße waren zu hören. Es war schön, einfach so neben Sven herzugehen. „Ich freue mich auf Morgen“, meinte er irgendwann. „Ja, ich mich auch. Ich find’s toll, dass wir alle wieder zusammen gefunden haben.“ „Ja ich auch. Es hat mir viel bedeutet.“ „Glaubst du, Kais gute Laune war nur gespielt?“ „Nein, man könnte es sich eigentlich vorstellen, aber nicht von Kai. Der ist nicht so. Glaube ich nicht.“ Ich war beruhigt. Wieder schwiegen wir, aber es war keine peinliche Stille. Im Gegenteil, es war irgendwie gut.
Nach ein paar Minuten kamen wir an meiner Haustür an. „Magst du noch mit reinkommen?“ (Oh man Mädel, was willst du eigentlich von ihm?!) Sven lächelte. „Nein, heute nicht. Aber ich komme darauf zurück.“ Er gab mir einen Kuss auf die Wange, der mich ziemlich verwunderte. „Bis Morgen. Ich freue mich.“
Als ich am nächstem Tag mit arbeiten fertig war, ging ich gleich zum Gnadenhof. Ich freute mich schon total auf den Ausritt, und auch auf das Pferd, das ich reiten würde. Ob Silke wohl immer noch so tolle charakterstarke Pferde hatte, wie früher? Ich zog mir eine alte Jeans an, da ich keine Reitsachen mehr hatte und machte mich auf den Weg. Es war ein wunderschöner Frühlingstag. Die Sonne schien und es war schon relativ warm. Kleine weiße Schäfchenwolken schmückten den strahlend blauen Himmel. Die Bäume wurden schön grün, erste Blumen sprießten. Endlich war der furchtbare graue Winter vorbei. Das Bild des Frühlings passte genau in meine Gefühle. Das Graue wurde verdrängt und das Wunderschöne, Farbenfrohe konnte kommen. In den Bäumen zwitscherten endlich wieder die Vögel und in den Wiesen leuchteten gelbe Löwenzahnblumen.
Ich ging an den Koppeln von Silkes Hof vorbei. Etwa ein dutzend Pferde grasten friedlich in der Nachmittagssonne. Es sah aus, als könnte nichts und niemand dieses friedliche Bild stören.
Als ich auf Silkes Hof ankam, begrüßte mich schwanzwedelnd ein ziemlich großer, pechschwarzer Hund. Normalerweise hätte ich Angst vor ihm gehabt, doch ich wusste, dass Silkes Hunde immer absolut lieb und brav waren. Ich streichelte den Hund und er ließ es sich nur zu gerne gefallen. Okay, es war nicht Arco, der Hofhund von damals, aber man sollte den neuen Dingen ja auch eine Chance geben.
Silke kam mir entgegen. „Na du! Die anderen beiden sind noch nicht da. Hilfst du mir, die Pferde von der Weide zu holen?“ „Klar!“ Ich ging hinter Silke her in die Sattelkammer und sie drückte mir zwei Halfter und Stricke in die Hand. „Na dann wollen wir mal welche aussuchen.“
Arwen
Megageil! Bidöö weiter!
@Edit, ooh, es war schon weiter, naja kannst ja gleich weida
*Sternchen*
weitaaa XDDDDDDDD
Hornisse
Gemeinsam gingen wir zu der großen Koppel. Ich war wirklich sehr gespannt auf die Pferde. Als wir die Weide betraten, kamen die Tiere gleich angelaufen, sie schienen wirklich sehr an Silke zu hängen. Silke deutete auf einen sehr hochbeinigen dunklen Wallach. „Das ist Aico, der Traber von dem ich dir erzählt habe.“ Aico guckte mich mit seinen dunklen Augen erwartungsvoll an. „Du meintest ja, der wäre nichts für dich, aber denkst du Sven würde ihn reiten?“ „Ja klar, bestimmt.“ „Okay, dann nehmen wir ihn gleich mit. Siehst du den kleinen dahinten?“ Silke zeigte auf ein schwarzes, total süßes Endmasspony. „Das ist Lay. Eigentlich ein Stutenname, aber er heißt so, weil die Vorbesitzer dachten, dass er eine Stute wäre.“ (Über meinem Kopf taten sich Fragezeichen auf.) „Na ja ich wollte ihn nicht umbenennen und finde, ‚Lay’ passt auch für nen Wallach. Er ist ein Fellpony. Total süß der Kleine. Wenn du magst, kannst du ihn reiten.“ Klar wollte ich. Dann zeigte Silke mir einen großen Apfelschimmel. „Der ist auf jeden Fall für Kai. Die werden super zueinander passen.“ Wir halfterten die drei und noch ein weiteres Pferd, für Silke, auf und gingen mit ihnen zurück zum Hof. Mittlerweile waren Kai und Sven schon angekommen. „Die sehen ja nett aus“, meinte Kai begeistert. „Welcher ist für mich?“ „Der Weiße“, antwortete Silke. „Ich erkläre ihn dir gleich, für den brauchst du ne Gebrauchsanweisung. Sven kriegt den großen Braunen.“ „Und Jule das Pony“, sagte Kai und runzelte die Stirn. „Ach halt doch deine Schnauze“, machte ich ihn an. „Leute jetzt hört mal auf. Ihr könnt die Viecher anbinden und dann macht euch mal nützlich. Sind sehr dreckig die drei.“ „Ja, Hauptsache deins ist sauber.“
Ich begann, Lay zu putzen. Er genoss es sichtlich und ich mochte ihn jetzt schon. Er war sehr groß für ein Pony, vielleicht hatte r sogar schon Pferdegröße, und so würde es nicht bescheuert aussehen, wenn ich auf ihm reite. Trotzdem hatte er die Statur eines Ponys, die ich so sehr mochte. Er hatte weiches Fell und unendlich lange, wunderschöne Mähne. Lay machte einen lieben, sehr verschmusten Eindruck.
Wir sattelten auf und ritten los ins Gelände. „Ich kann gar nicht mehr reiten“, meinte Sven. „Sieht man.“ „Hört auf euch zu streiten“, meinte Silke übertrieben unfreundlich.
Ich ritt neben Sven her. Wir hatten heute noch nicht viel miteinander geredet und ich hoffte, dass sich das noch ändern würde. Ich fand es toll, wieder zu reiten. Erst jetzt merkte ich, was ich in den vier ‚pferdelosen’ Jahren alles so verpasst hatte. Es war toll, einfach mal wieder so durch die Natur zu streifen, fernab von aller Arbeit und Verpflichtungen. Man hörte das Hufgetrappel auf dem dumpfen Waldboden, ansonsten war es (bis auf das Vogelgezwitscher) vollkommen still. Lay war wirklich absolut artig und es war schon wieder zu reiten, trotzdem hatte ich mir mehr von dem Ausritt versprochen. Sven und ich redeten kaum miteinander und Kai und Silke, die vorneweg ritten, waren so in ihre Gespräche vertieft, dass ich mich da auch nicht zwischenstecken wollte. So kam es, dass ich fast die ganze Zeit schwieg.
Wir ritten etwa zwei Stunden durch die Landschaft, dann hatte Kai genug. „Lass ma langsam aufn Heimweg machen, ich kann schon nicht mehr sitzen.“ „Jetzt schon?“ „Man ich bin jahrelang nicht mehr geritten. Ihr müsst den armen alten Mann verstehen.“ „Okay, ich bringe dich nach Hause“, meinte Silke, „Kommt ihr mit?“ „Klar ko...“ „Jule und ich reiten noch weiter“, unterbrach Sven mich. Ich guckte ihn ungläubig an. „Was?“ „Ach so. Na ja ist okay. Dann bis nachher.“ Mit diesen Worten ritten Silke und Kai davon.
„Warum wolltest du noch weiter reiten?“ „Ich wollte mit dir allein sein.“ (Wieder erschienen Fragezeichen über meinem Kopf.) „Jule, ich habe nachgedacht. Sehr viel.“ Nun war ich aber gespannt. „Und ich bin zu einem Entschluss gekommen. Glaube ich jedenfalls. Es kann so nicht weitergehen.“ Er sah mich an. „Jule, es geht einfach nicht.“
„Was geht nicht?“ „Es geht nicht so weiter. Mit uns.“ Ich stellte mich dumm. „Was meinst du denn?“ „Ich denke, du weißt was ich meine.“
Etwa fünf Minuten ritten wir schweigend nebeneinander her, dann hielt ich es nicht mehr aus. „Sven, nun sag endlich was los ist!“ Sven ritt etwas langsamer und sah mir direkt in die Augen. Ich dachte, ein schwaches Lächeln auf seinen Lippen entdecken zu können, aber wahrscheinlich war es einfach nur eine Wunschvorstellung. „Du empfindest noch immer was für mich, oder?“, fragte er dann plötzlich sehr direkt. Ich war erstmal baff. „Nun antworte aber auch!“ (Ja, aber was denn?!) Ich wusste wirklich nicht, was ich antworten sollte. Wenn ich ‚ja’ sagte, würde ich wahrscheinlich wieder alles kaputt machen. „Sven... ich... nein. Nein, ich empfinde nichts für dich.“ Sven sah mich nun nicht mehr an und ich konnte seinen Gesichtsausdruck leider nicht sehen. „Komm, wir reiten nach Hause“, meinte er mit monotoner Stimme, drehte sein Pferd um und trieb es in einen sehr schnellen Trab. Ich hatte Mühe, mit meinem Pony hinterherzukommen. „Was ist denn jetzt los?“, rief ich ihm hinterher, doch entweder hörte er mich nicht, oder er wollte mir nicht antworten. Sven trabte immer schneller (jetzt weiß ich, woher die ‚Traber’ Pferde ihren Namen haben!) und nun mussten Lay und ich galoppieren, um mitzukommen.
Der Sand, der von den Hufen von Svens Pferd aufgewirbelt wurde, flog mir ins Gesicht und ich konnte kaum noch etwas sehen. Die Bäume und Büsche am Wegesrand flogen nur so an mir vorbei. Wie sehr hatte ich damals solche Augenblicke geliebt, diese Momente voller Freiheit, doch dieses Mal war alles anders. Es war kein angenehmer Galopp durch die Natur, es war wie eine Jagd. Es war eine Hetzerei. Eine Hetzerei mit Sand im Gesicht. Mir war schlecht und ich hatte Angst, vom Pferd zu kippen. Im Nachhinein frage ich mich, warum ich nicht einfach angehalten habe. Hätte Sven doch alleine nach Hause jagen sollen. Ich wusste ja auch überhaupt nicht, was los war. Warum wir auf einmal so schnell rannten, als wenn wir vor etwas flüchteten. Ich konnte meine Gedanken nicht ordnen. An viel mehr erinnere ich mich nicht mehr. Irgendwann hörte ich Sven rufen... ‚Straße’ und ‚anhalten’ verstand ich, mehr nicht. Meine Augen brannten und ich konnte kaum noch was sehen, ich war total durcheinander. Ich merkte nur noch, dass Svens Pferd stehen blieb und mein Pony in Svens Pferd rein lief. Dann merkte ich, dass ich aus dem Sattel geschleudert wurde und plötzlich durchzog mich ein wahnsinnig starker Schmerz. Ich knallte mit dem Kopf auf den Boden und hatte große Mühe, bei Bewusstsein zu bleiben. ‚Bleib bei dir Jule, irgendwas stimmt nicht. Irgendwas ist falsch, du darfst nicht... du bist nicht in Ordnung, versuch wach zu bleiben...’ wieder verspürte ich einen starken Schmerz und ich begriff nicht was los war. Wo war ich eigentlich? Ich bekam keine Luft mehr, konnte nicht mehr atmen. Irgendwas war blockiert... ich keuchte, in meinem Kopf drehte sich alles... Sven. Wo war Sven? Warum... ich bekam keine Luft mehr.
lautlos
WEITER°°°°°°° super geschrieben...
Arwen
AAAAAH! Manno schnell weida!
Hornisse
Mir war übel und ein monotones Piepen durchdrang meinen Kopf. Fühlte es sich so an, wenn man tot war? „Jule?“ Irgendwer sprach mit mir, doch ich sah niemanden. Es roch steril. Ich hasste diesen Geruch. Wenn es im Himmel immer so roch, würde ich hier durchdrehen. „Jule bist du wach?“ Verschwommen sah ich, dass sich jemand über mich beugte. Fast alles war weiß, ich sah nur weiß. „Jule... Julia hörst du mich?“ Julia... das musste meine Mutter sein. Sonst nannte mich keiner so. Aber meine Mutter war doch noch gar nicht... von wegen Himmel! Ich war im Krankenhaus! Jetzt wurde mir so ziemlich alles klar.
Ich wollte irgendwas sagen, brachte jedoch nur ein Nuscheln heraus. Endlich gelang es mir, meine Augen ganz zu öffnen. Ich befand mich auf einem weißem Bett in einem weißem Krankenhauszimmer (Ich hasse weiß!). Links und rechts von meinem Bett befanden sich große Geräte. Eins piepte und zeichnete Linien auf. Meine Nase und mein Mund waren von einem plastikartigen Ding verdeckt. Künstliche Beatmung? In meiner Hand steckte ein Schlauch. Jedenfalls sah es so aus. Neben mir saß meine Mutter. Sie hatte dunkel unterlaufene Augen und sah sehr besorgt aus. Ihre Hand lag auf meiner. „Julia, kannst du mich hören?“, fragte sie erneut. „Tscha Mmmmamah, isch...“ Verdammt ich konnte kaum sprechen. „J.. -a“, brachte ich mit großer Mühe heraus. „Oh Jule ich bin so froh, du weißt gar nicht was ich mir für Sorgen gemacht habe.“ (Und du weißt gar nicht wie schön es wäre, wieder vernünftig reden zu können.) Ich wollte meine Mutter so viele Sachen fragen. Warum ich hier war. Was mit mir los war. Warum ich nicht richtig reden konnte und warum ich beatmet werden musste. Wie lange ich schon hier war... doch ich brachte kaum einen Ton heraus. Ich stammelte irgendwas, doch meine Mutter meinte, ich solle ruhig sein und mich ausruhen. Sie meinte, sie würde mal einen Arzt holen. Ich haste Ärzte. Und Krankenhäuser. Schon immer. Und ich hasste es, nicht reden zu können. Am allermeisten hasste ich es, nicht zu wissen, was mit mir los war.
Nach kurzer Zeit kam meine Mutter mit einen Arzt wieder. Der Arzt hörte mich ab und nahm mir das Beatmungsgerät weg. (Endlich.) Er fragte mich nach meinem Befinden und ich brauchte etwa fünf Minuten um ‚geht so’ auszusprechen. Dann schrieb er irgendwas in seine Unterlagen und ging mit meiner Mutter zur Tür. Da reden sie sehr lange. Zu meinem großem Bedauern konnte ich nichts, aber auch gar nichts von dem verstehen, was sie sagten.
Dann endlich kam meine Mutter wieder und setzte sich auf den Stuhl neben meinem Bett. Noch länger wollte ich nicht hingehalten werden. „Wwwa – as ih...issst dehnn l-los?“, hörte ich mich fragen. (Man warum war es nur so anstrengend, ganz normal zu sprechen?) „Jule du musst dich ausruhen. Der Arzt sagt du bist noch zu schwach.“ Mir war es aber schei* egal, was der Arzt sagte. Ich wollte wissen was los war. Jetzt. Sofort.
„Du bist vom Pferd gestürzt.... Jule, oh man, ich habe doch immer gesagt, dass Reiten eine gefährliche Sportart ist.“
„Wwwas iss...“ „Du sollst nicht reden, das strengt zu sehr an.“ Ich war der Meinung, es strengte viel mehr an, so lange geduldig zuwarten, bis mir endlich jemand konkret sagen konnte, was mit mir los war, aber meine Meinung zählte hier in diesem Raum nicht viel. Mein Kopf dröhnte und ich hatte das Gefühl, jede Sekunde wieder in Ohnmacht zu fallen.
Es klopfte laut und durchdringend an der Tür, dann betrat ein junger Mann den Raum. Groß, dunkelblonde Haare, attraktiv. Sven. Ich hatte mich noch nie zuvor schlecht gefühlt, wenn ich Sven gesehen hatte, aber dieses Mal hätte ich ihn am liebsten rausgeschmissen. Wegen ihm lag ich hier. In diesem blöden weißen Raum, an diesen großen piependen Geräten und diesen Beatmungsschläuchen. In dieser Ungewissheit und mit der Gabe, 30 Minuten zu brauchen, um einen Satz auszusprechen.
Ich hoffte inständig, dass meine Mutter Sven rausschmeißen würde, doch ich hoffte umsonst. „Ah, Herr Lehrke, schön, dass Sie da sind. Kann ich Sie mit Julia alleine lassen? Ich würde gerne einen Kaffee trinken gehen.“ „Natürlich.“ (Pah, dieses blöde Geschleime.) Meine Mutter verließ den Raum und Sven setzte sich zu mir. Wäre ich in der Lage gewesen, schreien zu können, wäre ich aufgestanden und hätte ihn zusammen gebrüllt. Doch leider konnte ich weder das eine, noch das andere. „Wie geht’s dir?“, fragte Sven trocken, doch er bekam keine Antwort von mir. Sollte der bloß wieder abhauen. Innerlich verfluchte ich ihn. In Svens Gesicht sah ich nicht mehr das Vertraute, es war kein Blitzen in den sonst so warmen braunen Augen und kein Lächeln auf seinen Lippen. Er machte mir beinahe Angst, wie er da so saß, und mich anstarrte. Starrte er mich überhaupt an? Ich glaube, er starte durch mich durch in die Ferne. Verdammt was wollte er von mir? Er sollte gehen, mich in Ruhe lassen.
„Es tut mir Leid, Jule. Ich wollte nicht, dass du fällst. Dir sollte nichts passieren.... es tut mir Leid.“ Ich wollte ihm gerne antworten, doch das ersparte ich mir. Mein Gestotter brauchte ich mir nicht noch mal antun. Nicht wegen Sven.
„Du willst nicht mit mir reden hm? Okay, ich verstehe das. Ich gehe gleich. Aber ich möchte dir noch erzählen, was los ist. Ich weiß, dass die anderen es dir nicht sagen. Sie denken, du verkraftest es nicht. Ich finde, du solltest wissen, warum du hier bist.
Du denkst, es ist meine Schuld. Okay, das stimmt vielleicht teilweise, aber du bist auch Schuld. Ich war verärgert. Wegen dir. Ich wollte nur nach Hause reiten, konnte doch nicht wissen, dass wir an eine Straße kommen und du in mich reinreitest.“
Ich hatte wirklich keinen Bock auf dieses blöde Gelaber und so hörte ich nur mit einem Ohr hin. In meinen Gedanken fragte ich mich immer noch, warum ich weder normal sprechen, noch mich bewegen konnte.
„Na ja, als du runter geflogen bist, habe ich dich heimgetragen. Was willst du denn erwarten, was hätte ich machen sollen? Der Krankenwagen kam. Sie sagten mir, du wärest bewusstlos und es sähe ‚nicht gut’ aus. Knapp zwei Wochen sind seit dem vergangen. Zwei Wochen habe ich mir Vorwürfe gemacht. Immer gedacht ‚Was ist wenn’.“ Hä, wie zwei Wochen, sollte das bedeuten, dass ich seit zwei Wochen hier bewusstlos rum lag? Was redete der da überhaupt? „Die Ärzte sagen du hast irgend so ein Schädeldingsdabums, ach hab’s vergessen, die haben mich mit irgendwelchen komischen lateinischen Namen vollgelabert, wer soll sich das denn alles merken. Ist wohl ziemlich schlimm.“ Ich guckte Sven entsetzt an. Wie es sich anhörte, bin ich knapp dem Tod entgangen, und er erzählte mir das alles ganz locker. Der Typ musste doch echt ne Macke haben, ich verstand nicht, wie ich ihn jemals toll finden konnte. „Wahrrrrrrrrrum kann ich mich nicht bewegen und nicht richtig reden?“, brachte ich mit viel Strottern heraus. „Ach, kein Plan. Bin ich Arzt? Irgendwie sind wohl irgendwelche Gehirnzentren angeschlagen. Das geht vorüber haben sie gesagt. Wirst wohl keine Folgeschäden haben.“ (Ach, toll, dass ich das auch mal erfahre.)
Die Tür ging auf und ein weiß gekleideter Arzt, der irgendwie wichtig aussah, kam mit meiner ebenfalls weiß (ich hasse diese Farbe noch immer) gekleideten Schwester in mein Zimmer. „Herr Lehrke, die Besuchszeit ist verüber. Das Fräulein braucht jetzt vor allem Ruhe. Wir müssen Sie bitten, zu gehen.“ ‚Na endlich schmeißt den einer raus’, dachte ich mir und dann verabschiedete sich Sven auch schon. „Komme morgen wieder“, sprach es und verschwand zur Tür. Dann wandte sich der Arzt mir zu. Er erklärte mir genau, was mit mir los war (Und Sven hatte Recht, was die langen lateinischen Namen anging – ich verstand nichts.) und warum ich in diesem blöden Raum liegen musste. „Es ist gut, dass Sie aufgewacht sind, das war der wichtigste Schritt.“ (Okay, das leuchtete mir ein.) „Sie brauchen viel Ruhe und haben Sie keine Angst, es wird alles wieder in Ordnung kommen mit Ihnen. Es wird keine Langzeitschäden geben.“ (Ich möchte trotzdem wieder reden... bitte.)
Silver -w-
weeeeeeiiiiiiitaaaaaaaa
Hornisse
Die nächsten drei Wochen streiche ich der Einfachheit halber aus meiner Lebensgeschichte. Ich bekam nicht viel von dem mit, was um mich herum geschah, da ich von morgens bis abends und von abends bis morgens in diesem blöden kleinen weißen Zimmer rumliegen musste (Ja ja, Sie brauchen viiiel Ruhe...), allerhöchstens mal auf Klo gehen durfte (Aber überanstrengen Sie sich nicht...) und kaum reden konnte (Ach, das wird schon wieder). Interessant wurde es erst wieder, als ich endlich entlassen wurde. Die Ärzte erzählten mir, dass ich jetzt oft zur Untersuchung kommen müsste, aber ich wusste sofort, dass ich dieses Gebäude freiwillig nie wieder betreten würde. Als ich die Stufen des Krankenhauses hinunterging und endlich wieder die frische Luft einatmete, bekam mein Leben wieder einen Sinn. Es war wunderbar warm und ein leichter Wind wehte durch meine Haare. Der Himmel war strahlend blau und weit und breit war keine einzige Wolke zu entdecken. Ich dachte mir, dass es im Himmel bestimmt viel schöner gewesen wäre, als in diesem Gefängnis namens Krankenhaus. Die Vögel zwitscherten in den mittlerweile schon grün gewordenen Bäumen (Och Mist ich habe soooooo viel verpasst von dieser wunderbaren Jahreszeit...) und für einen Moment wünschte ich mir, ich könnte auch fliegen, so wie sie, könnte frei sein, ohne Probleme, ohne Pflichten... einfach von Baum zu Baum fliegen.
Ich beschloss, als Erstes zu Silke zu gehen. Ich war mir ziemlich sicher, Sven dort nicht zu begegnen und da ich wusste, dass meine Mutter sowieso zu Hause auf mich wartete und mich gleich, in tauend Decken gehüllt, wieder ins Bett stecken würde, sobald ich mich da blicken ließ, machte ich mich auf dem Weg zum Gnadenhof. Hätte ich geahnt, was mich dort erwartet, hätte ich wohl sofort auf dem Absatz kehrt gemacht und wäre zu meiner Mutter und ihren Decken gelaufen...
Natürlich war Sven doch auf dem Hof. Und nicht nur er. Anbei hatte er eine junge, wunderschöne Frau, lange schwarze wallende Haare, ein bisschen zu tussimäßig für einen Reiterhof, mit schwarzen Stiefeln mit himmelhohen Absätzen und einen viel zu tiefen Ausschnitt.
Die nächste halbe Stunde fassen wir der Einfachheit halber kurz zusammen. Es gab viel „ach-wie-schön-dass-du-wieder-da-bist-blabla“ und ich erfuhr der Freundlichkeit halber auch, dass dieses aufgetakelte Weib Svens Verlobte war, die er schon aus Island mitgebracht hatte. Er hatte es bisher natürlich noch nicht für nötig befunden, mir davon zu erzählen. Ich war enttäuscht und die anfängliche Leere in mir wurde verdrängt durch Hass. Vier Jahre hatte es gedauert, jeden Tag hatte ich auf diesen Typen gewartet, meine ganze Jugend lang, mein Traumtyp, Sven, der sympathische Stalljunge mit der zerrissenen Jeans und den strahlenden Augen. Und nun stand er hier vor mir, nachdem er mich fast umgebracht hatte, mit einem hochnäsigen Möchtegern-Model in der Hand und erzählte mir ganz beiläufig, dass sie bald heiraten werden.
Ich verfluche diesen Tag, den ich jetzt nur noch „Jenen Tag“ nenne. Jener Tag, an dem endgültig alles zusammenbrach in der kleinen Welt, die ich mir erschaffen hatte. Ich sitze auf dem Sofa und gucke eine Talkshow, und wenn eine Frau mit langen schwarzen Haaren kommt schalte ich weg. Über Sven denke ich nicht viel mehr nach und Silke, Kai und all die anderen schmeiße ich jetzt raus, so wie Kai mich damals rausgeschmissen hatte. Es gibt Tage, da denke ich noch an früher, doch diese Tage werden weniger. An Yoshi, den kleinen Zotteligen, der so treu war mit seinen großen braunen Augen und an Sven. An den alten Sven, wie wir auf dem Heuboden lagen und uns küssten und ernsthaft dachten, dass die Welt uns nicht auseinander bringen kann.
ENDE
So aber nun bitte Kommentare....
BÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜDDE ^^
Arwen
Boah endsgeil! Du schreibst voll mitreißend! So traurig.... Schade, dass es zuende ist...
Silver -w-
schaaade das es shcon zuende ist. schreib doch büddö weita
Ich finde deine Story echt hammer geil . Sie lässt sich super lesen und is auch sehr verständlich.
Note :1++[In Deutschland]
Arwen
Ich geb gleich noch ein Plus dazu!
Man kann sich sooo gut in die Geschichte reinversetzen.
Beim ersten Teil kann man gar nicht glauebn, dass du das erlebt hast...
Des ist echt besser als so manches Buch, dass man sich aus nem Laden kaufen kann.
Silver -w-
Ja da stimme ich dir zu Arwen!
Schreibst du noch weiter Hornisse?
Schicks doch mal an einen Verlag oder so...
Hast du überhaupt gar keinen Kontakt mehr zu "Sven" ?
Versuche doch mal seine Adresse rauszufinden !