Gnadenhof [beendet] (basiert auf wahren Begebenheiten!!) NEU!! ECHTE Bilder des Ponys "Yoshi"!

Pferdefreundin Jana
boahh wahnsinn weiterrrrrrrrrrrrr!!!!!!!!!!!!!!!
Hornisse
„Denk dir deinen Teil.“ „Hey, warum denn so unfreundlich?“ „Och Mensch Kai, das kannst du dir doch denken.“ “Ist es denn so, wie ich denke?“ „Wenn du denkst, was ich denke was du denkst, schon.“ „Äh... ja.“
Kai sagte erstmal eine ganze Zeit nichts mehr, doch die Sache schien ihm keine Ruhe zu lassen. „Aber ihr, ich meine ihr beide...wie lange denn schon? Da wär’ ich ja nie drauf gekommen.“ „Ich weiß. Soll ja so Leute geben, die immer etwas länger brauchen“, erwiderte Sven zynisch. „Ey was ist denn los? Ich glaub ich hab ne Menge verpasst.“ Sven antwortete nicht. „Gehen wir in diese Bar hier?“ Kai und ich meinten, dass es uns egal wäre, also setzen wir uns in das kleine Café. „Hier ist ja überhaupt nichts los“, sagte ich, um das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken, doch Kai ließ sich nicht beeinflussen. „Wirklich? Ich meine, habt ihr.. seid ihr wirklich...was sagen denn deine Eltern dazu?“ „Meine Güte, das scheint dich ja sehr zu interessieren. Du bist doch sonst nichts so neugierig.“ „Ja so eine Sensation hatten wir ja auch noch nicht.“ Ich dachte nach, wie meine Eltern reagieren würden, wenn sie über mich und Sven Bescheid wüssten. Aber eigentlich wollte ich das gar nicht wirklich wissen, ich konnte es mir schon denken. Waren wir jetzt eigentlich wirklich zusammen? Mir fiel auf, dass ich auch nicht mehr über Sven und mich wusste, als Kai.
„Was wollt ihr denn essen?“ „Ich nehme ein Croissant und ein Glas Milch... hm oder einen Salat“, entgegnete ich. „Tz. Kein Wunder, dass du so abgemagert bist, wenn du nur dieses Kaninchenfutter isst. Glaubt ihr, hier gibt’s Steaks?“ „Sicherlich nicht“, meinte Sven, „Vielleicht belegte Brötchen mit Schnitzel oder so was.“ „Scheiß Laden“, sagte Kai so laut, dass die Bedienung es hören konnte. „Mensch, dass ist ein Café und kein Restaurant“, flüsterte Sven. Dann kam auch schon die Bedienung an unseren Tisch. „Was wünschen Sie?“ „Habt ihr Schnitzel?“ „Panierte Schweineschnitzel mit Brötchen. Wir haben auch Frikadellen“, sagte die Frau mit freundlicher Stimme. „Fünf Schnitzel. Und nen Bi... äh ne Cola.“ „Gerne. Sonst noch was?“ „Ich hätte gerne einen Salat und ein Glas Milch.“ „Für mich ein belegtes Baguette und nen Kaffee.“ „Okay.“ Die Frau schrieb alles auf ihren Zettel und wollte grade wieder gehen, als Kai sich wieder zu Wort meldete. „Doch nur drei Schnitzel. Aber noch eine Frikadelle. Und ein Schinkenbaguette. Mit extra viel Zwiebeln. Döner habt ihr nicht, hm?“ „Nein.“ „Okay, dann das. Und doch ein Bier.“ Die Frau notierte alles und Sven und ich konnten Kai nur noch kopfschüttelnd angucken.
„Bist witzig heute, was?“ „Ja auf jeden Fall mehr als du. Nun rück doch mal raus damit.“ „Womit?“ „Was zwischen euch beiden abläuft.“ „Weißte was? Dass du aufhörst zu nerven. Ich komm heut Abend zu dir. Dann reden wir darüber. Aber nicht hier.“
Kai lächelte siegessicher. Ich fragte mich, was Sven ihm heute Abend erzählen würde. Zu gerne wäre ich auch dabei gewesen.
Wir bekamen unser Essen und nachdem Kai seine Schnitzel verschlungen hatte und noch drei nachbestellt hatte, gab er der Bedienung 12 Euro Trinkgeld. „Wenn ich noch mal wieder kommen darf“, meinte er. Die Bedienung quälte sich ein Lächeln raus, nickte und verschwand ohne ein Wort zu sagen wieder. „Komischer Laden“, war Kais Kommentar.
Wir gingen zurück zum Hof.Als wir da waren, kam Michael uns entgegen. „Meine Fresse, wo wart ihr denn? Gabs ja noch nie, dass ihr alle auf einmal nicht da wart. Ich glaube, zwei von den Pferden sind abgehauen, ich kann sie nirgends finden.“ Ich musste lachen. Michael wusste ja noch gar nicht Bescheid. Kai erzählte ihm die ganze Geschichte.
„Ihr wollt mich verarschen, hm?“ „Heute stimmt ausnahmsweise jedes Wort“, unterstützte Sven Kai. Sie diskutierten noch ein bisschen darüber und Michael verfluchte uns, weil wir ihn nicht mit zum Essen genommen hatten, dann beruhigte er sich wieder und mistete mit Kai zusammen die Ställe aus. Ich setzte mich auf einen Strohballen und streichelte den Hofhund. Das Wetter war heute wieder super, nicht ganz so warm wie den Tag zuvor, aber die Sonne schien und kleine Schäfchenwolken verzierten den blauen Himmel. Ich genoss die letzten Sonnenstrahlen. Es war Anfang November, bald würde es sehr kalt werden und anfangen zu schneien. Ich freute mich schon auf Winterausritte durch den Schnee, wusste aber auch, dass Winter hier wohl die härteste Jahreszeit war und es sicherlich kein Zuckerschlecken werden würde, jeden Tag stundenlang Wassereimer für die Pferde durch die Gegend zu schleppen und mit halb erfrorenen Füßen und Händen Boxen auszumisten. Aber jetzt war ja erstmal Herbst. Zeit der Stoppelfelder. Ich dachte, dass es sicherlich toll wäre, mal mit Yoshi durch die Natur zu reiten. Und lange warten wollte ich auch nicht mehr, denn es konnte ja sein, dass das Wetter morgen schon wieder ganz anders aussehen würde.
Ich ging zu Sven und fragte ihn, ob er Yoshi und mir einen Ritt durchs Gelände zutraute. „Na klar. Bei diesem geilem Wetter, das wäre doch fantastisch. Ich würde auch sehr gerne mal wieder ausreiten. Schade, dass Ghana Morena jetzt weg ist.“ „Nimm doch Blue oder Xanatha.“ Sven dachte kurz nach. „Du hast Recht. Blue bin ich lange nicht mehr geritten. Hast du was dagegen, wenn wir zusammen ausreiten?“ Ob ich was dagegen hatte? Never.

Wir holten Yoshi und Blue, eine 16 jährige Arabermixstute, von der Koppel. Blue war schon ewig hier auf dem Hof. Sie und Wiebke, ihre Halbschwester, waren Silkes absolute Lieblingspferde. Wiebke konnte man leider nicht mehr reiten und sehr fit war sie auch nicht mehr, Blue aber war jetzt nach langer Zeit wieder kerngesund und man sah ihr an, dass sie am liebsten noch gefordert werden wollte und keine Lust hatte, den ganzen Tag rumzustehen.
„Bist du traurig, dass Ghana Morena weg ist?“, fragte ich Sven. „Na ja, eigentlich schon. Sie war ein tolles Pferd. Aber es wäre alles andere als fair gewesen, sie hier zu behalten. Dort wo sie nun ist geht es ihr sicherlich prächtig.“ „Stimmt.“ Ich band Yoshi am Putzbalken an. Während ich ihn putzte, erzählte ich ihm, dass wir gleich ausreiten würden und dass ich hoffte, dass er lieb sein würde. Es war schon seltsam, aber wenn ich mit Yoshi sprach, kam ich mir nie dämlich vor. Es war irgendwie ganz normal. Zum Glück zogen mich Sven und die anderen nie damit auf.
Wir trensten auf und ritten dann beide ohne Sattel los ins Gelände. Obwohl Sven etwas zu groß für Blue war, sahen die beiden super zusammen aus. Blue war ein Fliegenschimmel, also weiß mit klitzekleinen lustigen dunklen Punkten auf dem Fell. Sie hatte einen wunderschönen Araberkopf und einen sehr wachen Blick. Manchmal stellte sie den Schweif auf und tänzelte etwas herum, Sven hatte aber nie Probleme, sie unter Kontrolle zu halten, obwohl er sie gebisslos ritt. Blue hatte Zahnprobleme und ohne Gebiss zu reiten, war da immer noch die beste Möglichkeit, ihr nicht wehzutun.
Lange ritten wir schweigend nebeneinander her. Yoshi war total problemlos zu reiten und selbst als ein großer Vogel direkt vor seinen Hufen aufflog, zuckte er nicht mal mit der Wimper.
„Wegen gestern Nacht...“, sagte Sven plötzlich, „hat es dir gefallen?“ „Ja, klar warum fragst du?“ „Ich möchte nicht, dass wir das wiederholen. Ich will dir das jetzt ganz ehrlich sagen und dich nicht so lange hinhalten."
Sandy
weiter
Hornisse
Das war einer dieser Momente, in denen ich total sprachlos war.
„Ich mag dich Jule. Ich mag dich sehr. Und ich möchte, dass es so bleibt. Als Freundschaft. Verstehst du mich?“ Ich konnte nur gequält nicken. „Gefall ich dir nicht?“ „Hey. Du gefällst mir. Ich kenne kein Mädchen, das mir so sehr gefällt wie du.“ „Und warum... ach Sven ich verstehe das nicht.“ „Du wirst es bald verstehen. Ich bin mir sicher.“ Ich war mir da überhaupt nicht so sicher. Irgendwie war es hart, aber doch nicht so schlimm. Ich weiß gar nicht, warum ich nicht in Tränen ausgebrochen bin oder Sven einen Vortrag gehalten habe, dass das letzte Nacht nicht hätte sein müssen, wenn er gar nichts von mir will, irgendwie war es einfach okay.
„Dahinten ist ein Stoppelfeld“, meinte er plötzlich. „Hast du Lust?“ Sven brauchte gar nicht meine Antwort abzuwarten. Ich trieb Yoshi an und der kleine Kerl verfiel in einen schnellen Galopp. Sven und Blue kamen uns hinterher. Als er auf meiner Höhe war, bremste er Blue etwas ab. Sie mit ihren langen Beinen und ihrem Araberblut war natürlich schneller als Yoshi. Ich lehte mich etwas nach vorne um Yoshis Rücken zu entlasten und es wurde immer schneller. Man merkte, dass er Lust am laufen hatte und ich ließ ihn so schnell gehen, wie er wollte. Er hatte einen schönen, angenehmen Galopp. Der Wind wehte mir um die Ohren und die Landschaft flog nur so an uns vorbei. Es war das Gefühl absoluter Freiheit.
Leider ist auch das längste Stoppelfeld mal zu Ende und wir mussten irgendwann wieder durchparieren. Zurück trabten wir, um die Pferde nicht zu überanstrengen. Sie waren es ja nicht gewohnt, soviel zu laufen.
Zwei Stunden und fünf Stoppelfelder später kamen wir erschöpft wieder beim Stall an. Sven sprang von der verschwitzten Blue ab. Er lobte sie uns holte dann einen Wasserschlauch, um sie abzusprühen. Es war ja noch warm genug. Ich ließ Yoshi am Putzbalken anhalten, steig aber noch nicht ab sondern legte mich auf seinen Hals und ließ die Arme runterbaumeln. Was für ein liebes Pony er war.
Als ich genug mit ihm gekuschelt hatte stieg ich auch ab. Yoshi guckte mich mit seinen großen dunklen Augen lieb an. Ich gab ihm einige Möhren, die in meinem Putzkasten waren und lobte ihn. Dann holte ich ihm eine Abschwitzdecke und kurz danach brachte ich ihn wieder auf die Koppel, wo er gleich fröhlich zu seinen Pferdefreunden trabte.
Mit dem Halfter in der Hand ging ich zurück zum Stall. Ich suchte Sven, fand ihn aber nirgends. Michael war schon wieder verschwunden und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er im Moment nicht mehr gerne hier war. Aber das war nur eine Vermutung. Vielleicht gab es einfach nur auch noch anderes in seinem Leben außer den Hof und die Pferde.
Ich sah Kai, der grade die Pferdetränken säuberte und fragte ihn, wo Sven war. „Der sitzt im Büro und bläst Trübsal.“ „Hm.“ Ich fragte mich, ob Sven einen Grund dazu hatte. „Trübsal ist wohl nicht das einzige, was hier im Stall im Moment so geblasen wird, hm?“, meinte Kai mit einem fiesen Grinsen auf dem Gesicht. Ich brauchte einige Zeit um zu verstehen, was Kai damit meinte, dann fand ich seinen Spruch einfach scheiße. „Du bist ein Arschloch Kai. Ein ziemlich Großes.“ Kai schien einzusehen, dass sein Spruch zu weit ging und er entschuldigte sich. Dann ging ich zu Sven. Er saß im Büro auf einem Drehstuhl vorm Schreibtisch und stützte sich mit seinen Ellbogen auf dem Schreibtisch ab. Mit seinen Händen stützte er seinen Kopf. Er sah verzweifelt aus, wie er da so saß.
Ich setzte mich zu ihm. „Hey, was ist denn los?“ Sven starrte in die Ferne. „Ich bin ein Scheißkerl, oder?“ „Nein, quatsch bist du nicht. Was redest du denn da?“ „Ich glaube ich bin so ziemlich der weltgrößte Idiot.“ „Man was redest du denn da?“ „Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts mehr. Ich muss dir was sagen.“ Nun war ich aber gespannt. „Was denn?“ „Ich gehe weg.“ „Wie meinst du das?“ „Anfang Januar gehe ich nach Island.“ Ich verstand gar nichts mehr. „Was? Wieso...?“ „Ich wollte es dir noch nicht sagen. Ich wollte es keinem sagen. Noch nicht. Ich habe die Schnauze voll von hier.“ Ich versuchte, gefasst zu bleiben. „Vom Hof?“ „Nein... von diesem ganzen beschissenem Leben hier. Ich komm hier nicht weiter, drehe mich nur auf der Stelle. Habe keinen vernünftigen Job, kein Geld, keine Familie...“ Ich musste schlucken.
„Warum findest du deinen Job nicht vernünftig? Ist es nicht vernünftig, Tieren zu helfen? Ich dachte, du bist gerne hier.“ „Es ist vernünftig, Tieren zu helfen, aber es ist kein richtiger Beruf, verstehst du mich? Jule ich bin 21, habe keine Ausbildung, nichts. Ich kann nicht mein ganzes Leben nur Ställe ausmisten. Welcher Betrieb stellt mich denn später mal ein wenn ich so viele Jahre lang gar nichts gemacht habe? Den Leuten ist es scheiß egal, wenn du denen erzählst, du hast ein paar Pferden wieder ein vernünftiges Leben gegeben. Die wollen Fakten sehen. Unterlagen. Vernünftige Zeugnisse. Ich kann hier nicht bleiben.“ „Und wenn du eine Ausbildung machst und nur noch an den Wochenenden hier bist?“ Ich konnte nicht verstehen, dass Sven gehen wollte. „Ich kann das nicht. Mir wird das hier wichtiger als alles. Ich würde sofort wieder die Arbeit vernachlässigen und nur noch hier abhängen. Ich muss hier ganz weg. Ganz raus hier.“
„Und warum gleich Island?“ „Mein Vater ist da. Er hat eine große Firma und ich kann da arbeiten. Irgendwann...“ Sven liefen Tränen über die Wangen. „Irgendwann komme ich wieder und dann. Vielleicht bist du dann noch hier...Weißt du, warum ich keine Beziehung mit dir wollte? Ich schaffe das nicht. Wenn ich nach Island gehe und du hier bleiben musst. Ich hätte das nie geschafft. Ich wäre hier geblieben und es wäre so weiter gegangen. Alles wäre so weiter gegangen. Ich muss hier weg, am besten so schnell wie möglich.“
„Sven...“ Ich nahm seine Hand. „Bist du dir sicher?“ „Absolut sicher.“ Ich fing auch an zu weinen und eine zeitlang saßen wir einfach nur so da. „Zwei Monate... und dann soll ich dich nie wieder sehen?“
Pferdefreundin Jana
ganz schnell weiter
Hornisse
Die nächstes Wochen vergingen wie im Fluge. Ich unternahm viel mit Sven. Trotz aller guten Vorsätze schafften wir es nicht, bei einer platonischen Freundschaft zu bleiben. Silke kam aus dem Urlaub wieder und war frischer und erholter als je zuvor. Sie schmunzelte über die Geschichte mit Ghana Morena und Fly und freute sich über die 6000 Euro, die sie gleich in neues Sattelzeug und in einen neuen Koppelzaun investierte. Wir bekamen zwei neue Pferde, eine total misshandelte Rappstute namens Jamara und einen Shettywallach, der viel zu früh angeritten wurde und nun einen total kaputten Rücken hatte. Sonst blieb alles beim Alten. Sven erzählte nun allen, dass er im Januar gehen würde und obwohl alle sehr traurig waren und besonders Kai mehr Betroffenheit zeigte, als ich je von ihm erwartet hätte, unternahm niemand etwas dagegen.
Es war Dezember und der erste Schnee und Frost kamen. Morgens ging ich zur Schule und nachmittags war ich auf dem Hof. Ich kümmerte mich um Yoshi, der nun wirklich der einzige Lichtblick in meinem Leben war und verdrängte den Tag an dem Sven gehen würde, so gut es irgendwie ging. Oft ritten wir stundenlang zusammen aus. Dann kam Weihnachten, welches wir alles zusammen bei Silke verbrachten. Es war wunderschön. Meine Eltern sprangen im Dreieck, da es gegen unsere Familientradition war, dass ich nicht mit unserer 50 Mann großen, total bekloppten Verwandtschaft fröhlich unterm Weihnachtsbaum saß, aber auf meine Eltern hörte ich im Moment sowieso nicht mehr. Mir war alles egal. Ich konnte nicht begreifen, dass diese wunderbare Zeit auf dem Hof vorbei sein sollte.
In der Schule sackte ich total ab. Ich erfuhr, dass ich in Mathe eine fünf auf dem Halbjahreszeugnis kriegen würde. Ich war total verzweifelt, vor allem weil ich wusste, dass meine Eltern mich sicher nicht mehr zum Hof lassen würden, wenn sie davon Wind bekamen. Als mir mein Lateinlehrer dann auch noch sagte, dass ich wahrscheinlich keine vier mehr in Latein bekommen würde und er eine vier nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte stand ich auf und schrie ihn an. Ich brüllte ihm ins Gesicht, dass er mir doch eine fünf geben sollte wenn es ihn glücklich macht und dass mir das scheiß egal wäre. Daraufhin bekam ich einen Verweis und einen Eintrag ins Klassenbuch und natürlich nun auch wirklich die fünf in Latein. Mit zwei fünfen und auch noch beide in den Hauptfächern hatte ich nun wirklich nicht mehr viel zu Lachen. Ich ging kaum noch zur Schule. Es war ja sowieso egal, schlimmer konnte es ja eh nicht mehr kommen.

Es war der fünfte Januar, als Sven zu mir nach Hause kam. „Jule...“, sagte er leise. „Es ist soweit. Morgen Mittag geht mein Flugzeug nach Island.“ Mir blieb fast das Herz stehen. Ich hatte nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. „Jetzt schon?“ „Ja tut mir Leid.“ „Gibt’s dann wenigstens noch eine Abschiedsparty?“ „Ich dachte wir beide treffen uns noch mal – ein letztes Mal.“ „Okay, wann?“ Ich musste mich bemühen, nicht loszuheulen. „Heute Abend, so um acht im Stall?“ „Okay, bis dann.“ Ich konnte Sven nicht mehr ich die Augen sehen, drehte mich um, schloss die Tür hinter mir und fing total an zu heulen. Ich wusste, dass es mich hart treffen würde, wenn die Zeit des Abschieds kam, aber dass es mich so mitnahm, damit hatte ich nie gerechnet.
Abends ging ich schon früher in den Stall. Ich wollte noch etwas alleine dort sein, bevor Sven kam. Ich breitete mehrere Pferdedecken auf dem Heuboden aus, auf die wir uns setzen konnten. Es sollte gemütlich sein aber nicht extrem künstlich oder überheblich aussehen. Als ich fertig war, ging ich noch mal zu Yoshi. Ich erzählte ihm von meinen Gedanken und meinen Gefühlen zu Sven. Plötzlich hörte ich Geräusche hinter mir und ich dachte, dass Sven da wäre. Ich drehte mich um, aber hinter mir stand nicht Sven, sondern Silke. „Ach du bist’s. Ich dachte, hier treibt sich sonst jemand rum“, sagte sie zu mir. „Du magst ihn sehr, hm?“ „Wen, Sven?“ „Nein, Yoshi.“ „Ach so. Ja, den auch. Er ist so lieb und knuffig.“ „Ich habe mir überlegt, dass ich ihn nicht verkaufen werde. Wenn du möchtest, bleibt er hier. Ich könnte dir jetzt nicht noch jemanden aus dem Herz reißen.“ „Würdest du das wirklich machen?“ Ich war beeindruckt. „Ja, wenn du dich ein bisschen mit um ihn kümmerst. Aber da habe ich eigentlich keine Bedenken.“ Ich fiel Silke um den Hals. „Danke. Vielen Dank.“ Dann hörte ich Svens Auto auf den Hof fahren. „Keine Ursache. Ich glaube, ich lasse euch beiden jetzt lieber alleine. Viel Spaß.“ Silke zwinkerte mir zu und ging hinaus in die Dunkelheit.
Silver -w-
cool weiter.... habe jetzt die ganze nacht gelesen weitaaaaaaaa
Arwen
Boah du schreibst so gut. Voll traurig!!! Schnell weiter!!
Silver -w-
bieeettte weita
Hornisse
Und hier auch schon das Ende...

Kurz danach kam Sven in den Stall. Er gab mir einen Kuss. „Na Kleine. Wie geht’s dir?“ „Na wie soll’s mir schon gehen. Aber weißt du was, Silke hat gesagt, sie behält Yoshi.“ „Na das ist ja wunderbar. Freut mich total für dich.“ „Ja, mich freut’s auch.“ Wenigstens hatte ich eine Sache, über die ich mich noch freuen konnte.
Sven und ich gingen auf den Heuboden und unterhielten uns lange über alles mögliche. Er sagte, dass er wieder kommen würde, aber irgendwie war ich mir sicher, ihn nie wieder zu sehen.
Die Nacht verging viel zu schnell. Ich schlief keine Minute lang. Irgendwann am nächstem Morgen kamen Kai und Michael. Sie redeten lange mit Sven. Auch Silke kam vorbei und sagte, dass Sven jederzeit wieder auf dem Gnadenhof arbeiten könnte, wenn er wiederkäme. Irgendwie erlebte ich den ganzen Tag wie in Trance. Ich begriff gar nicht so richtig, was los war. Schon um 11 Uhr kam das Taxi, das Sven zum Flughafen bringen sollte. Es gab für alle eine Umarmung und für mich einen kleinen Kuss auf die Wange und den Satz „Wir werden uns wieder sehen – bestimmt.“ Dann fuhr er auch schon davon.
Die nächste Woche lang schnallte ich nichts so richtig. Ich lief durch die Gegend wie ein kopfloses Huhn und wusste nichts mit mir Anzufangen. Ich wollte nicht hier in und nicht da hin. Der einzige, der mir etwas Kraft geben konnte, war Yoshi. Ich war total am Ende. Meine Beziehung mit Sven war zu Ende, bevor sie überhaupt angefangen hatte.

Eines Abends kam ich noch mal zum Stall, um Yoshi „Gute Nacht“ zu sagen. Ich war verwundert, als ich sah, dass im Stall noch Licht brannte und noch verwunderter, als ich sah, dass Silke und Kai bei Yoshi in der Box saßen.
„Was macht ihr denn hier?“ „Yoshi geht es nicht gut. Schon seit heute morgen nicht. Der Tierarzt war schon drei Mal da, aber er kann nichts feststellen. Er hat jetzt Blutproben genommen, vielleicht ist es eine Vergiftung.“ „Oh mein Gott, armer Yoshi.“ Ich ging in die Box und kniete mich zum ihm runter. Er sah aus wie ein Häufchen Elend, wie er so im Stroh lag. „Wir dachten erst, es wäre eine Kolik. Ich kann mir absolut nicht denken, was mit ihm los ist“, sagte Silke ernst. „So schlimm?“ „Ich fürchte ja. Er sieht aus, als leidet er total. Er trinkt und frisst überhaupt nicht.“ „Glaubst du, er...“ „Ich hoffe, dass er durchkommt. Ich hoffe es... für dich.“
Den ganzen Abend blieb ich bei Yoshi, aber sein Zustand änderte sich nicht. Ich versuchte in meinem Gedächtnis zu kramen, ich hatte doch schon so viele kranke Pferde gesehen. Aber bei Yoshi war es anders, er sah anders aus als alle anderen bis jetzt. Kranker. Schlapper. Ja, fast toter.
Ein Sturm wehte über den Hof hinweg. Einige Pferde wurden unruhig, liefen in ihren Boxen hin und her und scharrten auf dem Boden. Yoshi schnaufte, dann hustete er. Es war ein schreckliches Geräusch, fast, als würde er ersticken.
„Komm alter Junge, steh auf“, sagte Silke mit ihrer sanften Stimme und berührte Yoshis Hals. Er hob den Kopf noch einmal an und öffnete seine dunklen schönen Augen, dann ließ er den Kopf wieder ins Stroh fallen. In diesem Augenblick wusste ich, dass er die Augen nie wieder öffnen würde...


*Nachwort: Diese Geschichte basiert auf wahren Begebenheiten. Sie ist nicht 100% so passiert, aber sehr ähnlich. Alle Namen wurden geändert. Die Geschichte ist all den Menschen – und Tieren – gewidmet, die ich so sehr gemocht habe und die mir allesamt genommen wurden in diesen besten, aber zugleich auch schlimmsten Tagen meines bisherigen Lebens.
Die Geschichte wird noch einmal komplett überarbeitet, besonders die letzten Teile gefallen mir überhaupt nicht. Das kommt, weil ich viel zu sehr nur nach meinen Gefühlen geschrieben habe. Und diese waren in der letzten Zeit einfach nicht da, ich fühlte nur Leere. Bitte habt Verständnis.
Es gibt eine Fortsetzung, einen zweiten Teil, dieser ist aber nicht wirklich geschehen, er basiert nicht mehr auf wahren Begebenheiten. In meinem Leben gab es keine Fortsetzung dieser Zeit, ich sah niemanden aus der Geschichte jemals wieder.*

Woran das Pony, das in der Geschichte Yoshi heißt, gestorben ist, konnte bis heute trotz gründlicher tierärztlicher Obduktion nicht festgestellt werden.


~~Freue mich wahnsinnig über Kommentare, Lob, kritik, Verbesserungsvorschläge... was hat euch gefallen, was nicht? Was hätte ich anders machen solln und was ist gut so wie es ist?

Vielen Dank schonmal,

Lieben Gruß
Hornisse
Silver -w-
schade das es schon zueende ist ...
kannst du nicht weiter schreibn?
was passiert mit sven?
Hornisse
Wie gesagt: Es gibt einen zweiten Teil, der ist aber nicht wirkl geschehen. "Sven" ist immer noch in Island und ich habe ihn im echten Leben nie wieder gesehen.
Sorry dass ich nix spannenderes dazu sagen kann, ist leider so unglücklich
Silver -w-
Dann setz den 2.teil rein. Ich bin echt begeistert von dem was du geschriebn hast.

Versuche doch in Briefkontakt mit Sven zukommen smile
Hornisse
Also gut Augenzwinkern Zweiter Teil:

2. Teil

4 Jahre waren vergangen. 4 Jahre, in denen ich nichts von Sven gehört habe. Ich dachte nicht mehr so viel an ihn, irgendwie versuchte ich immer, mich dagegen zu wehren. Manchmal klappte es aber nicht und ich träumte nächtelang nur noch von ihm. Ich hoffte inständig, ihn irgendwann vergessen zu können.
Seit Yoshis Tod war ich kaum noch auf dem Gnadenhof gewesen. Meine Eltern drehten natürlich voll durch, als sie von dem schlechtem Halbjahreszeugnis erfuhren, nahmen mich von der Schule und verboten mir jeglichen weiteren Aufenthalt auf Silkes Hof. Erst als sich meine schulischen Leistungen extrem besserten, durfte ich dort wieder hin. Als ich das erste Mal nach 5 Monaten wieder auf Silkes Hof war, war ich total geschockt, es hatte sich alles verändert. Arco, der Hofhund, war gestorben und Michael hatte es Sven gleich getan und gekündigt. Silke hatte einen neuen Pferdepfleger, einen Polen namens Matzeck, eingestellt. Er war auch okay, konnte Michael und vor allem Sven aber natürlich in keiner Weise ersetzen. Auch Kai hatte sich total verändert. Er war viel ruhiger geworden und hatte so ziemlich seinen gesamten Humor verloren.
Ich war nicht mehr oft auf Silkes Hof. Ich konnte es einfach nicht aushalten, zu sehen wie alles so zerbrach. Auch erinnerte mich alles an die wunderbare Zeit mit Sven und Yoshi, das war hart, viel zu hart, als es freiwillig weiter mitzumachen. Irgendwann ging ich gar nicht mehr zu Silke. Ich verdrängte alle Erinnerungen und stürzte mich in ein komplett neues Leben. In diesem neuem Leben gab es keine Pferde, kein reiten, und auch fast keinen Spaß. Ich hatte keine Freunde. Niemand konnte verstehen, warum ich so ruhig und verschlossen geworden war, über nichts lachen konnte und weder mit auf Partys kam noch mich großartig für Männer interessierte. Mir war das egal. Zu der großen Freude meiner Eltern kümmerte ich mich in meiner Freizeit fast nur noch um die Schule. Ich lernte mehr als jeder Musterschüler, hielt freiwillig größere Referate und wurde der totale Lehrerliebling. Dank diesen Geschehnissen konnte ich vor eineinhalb Jahren mein Abitur mit einem Notenschnitt von 1,2 abschließen. Ich sollte studieren gehen. Wäre es nach meinem Vater gegangen, hätte ich sofort ein Jurastudium begonnen, hätte ich auf meine Mutter gehört, wäre ich nun Psychologin. Ich wollte nichts dergleichen, doch wusste ich auch nicht, was ich denn eigentlich wollte. Ich machte – mehr oder minder gezwungen von meinem Umfeld- eine Ausbildung zur Bankkauffrau. Dieses war natürlich nicht grade das, was ich als das Non-Plus-Ultra ansah, aber ich akzeptierte es. Ich akzeptierte sowieso so ziemlich alles, was man mir sagte. Eine eigene Meinung hatte ich zwar noch - und was für eine -, diese äußerte ich aber kaum noch, da es sowieso keinen Sinn machte. Meistens saß ich einfach nur so rum und machte mir Gedanken über die Welt. Ich glaube, ich machte mir Gedanken über Sachen, über die kein Mensch jemals nachgedacht hatte.

Ich war nun 20. Eine junge Frau, in den Augen meiner oberflächlicher Mitmenschen einigermaßen hübsch und durchaus intelligent (wenn die wüssten!) und immer noch viel zu verschlossen. Ich stecke mitten in meiner Ausbildung und sehe von weiten aus wie ein ganz normaler Mensch. In meine Seele ließ ich allerdings niemanden gucken. Bis zu jenen Tag im Frühjahr, als es ganz urplötzlich an meiner Tür klingelte...
Ich öffnete und Kai stand vor mir. „Na“, begrüßte er mich trocken und drängelte sich an mir vorbei ins Haus. Ich war natürlich erstmal vollkommen irritiert, dann sah ich mir Kai genauer an. Seine damals so strahlend blauen Augen sahen stumpf aus, sein Gesicht wirkte eingefallen und blass, insgesamt machte er einen sehr kranken Eindruck. „Was hast du denn?“, fragte ich besorgt. „Was hast du denn, was hast du denn“, äffte er mich nach. „Alle Welt fragt was ich habe. Es interessiert euch alle doch einen Scheißdreck.“ „Kai ich kenne das. Mich interessiert es wirklich.“ „Nichts habe ich. Gar nichts. Mir geht’s wunderbar“, schrie er mich fast an. „Ist ja gut, reg dich ab. Ich dachte nur wenn du dich nach vier Jahren auf einmal vor meiner Tür stehst, hätte es einen Grund.“ Etwas hilflos setzte ich mich auf ein Sofa ins Wohnzimmer. „Setz dich, willst du nen Tee?“ Ich versuchte, so höflich wie möglich zu sein. „Soll ich kotzen?“ „Ein Bier?“ „Ich trinke keinen Alkohol. Lass mich einfach in Ruhe mit deiner scheiß gespielten Freundlichkeit. Das ist ja echt affig.“ „Tut mir Leid, Kai. Manchmal wäre es vielleicht besser, wenn die Menschen freundlicher wären.“ „Ja ja, lass mit in Ruhe mit dem philosophischem Scheiß. Warum ich hier bin... Sven ist wieder da.“ „Was? Echt? Wo ist er?? Wieso hast du das nicht gleich gesagt? Das ist ja super!“ Ich war auf einmal total zappelig geworden und wollte sofort alles wissen. „Ne, du verstehst das nicht“, erklärte Kai, „Sven ist anders.“ (Du bist auch anders, Kai.) „Wie anders?“ „Anders als früher.“ „Inwiefern?“ „Er hat sich gestern Morgen bei mir gemeldet, stand mit schniekem feinem Anzug und chic gemachten Haaren vor meiner Tür. Er hat auch gefragt, was mit mir los ist, aber eigentlich war es ihm scheiß egal, er hat dann gefragt ob du noch hier bist und wo du bist. Ich wusste es nicht. Habe deine Adresse erst heute morgen von Silke erhalten. Als ich ihm sagte, dass ich nicht wüsste, wo du wohnst, meinte er, dass er es schon rauskriegen würde. Na ja nach zwei Minuten verschwand er wieder, allerdings hat er mir seine Visitenkarte hinterlassen.“ Kai kramte aufwändig in seiner Tasche und überreichte mir dann die Karte. „Kannst ja mal anrufen.“
Ich musste erstmal verdauen. Sven war wieder da. Ein neuer Sven, in chicem Designeranzug. Wahrscheinlich war er Manager. Oder Vorstandsvorsitzender. Oder sonst was. Und wahrscheinlich würde er sie nicht mehr mit so einer dummen kleinen Pflaume vom Land wie mir abgeben und hatte nur ein schlechtes Gewissen, weil er damals versprochen hatte, dass wir uns wieder sehen.
Sandy
Es ist eine sehr gute geschichte. Mich nähme es auch Wunder ob du nochmals etwas von Sven gehört hast.
Hornisse
„Ich hau denn auch mal wieder ab“, meinte Kai und stand auf. „Bleib doch noch kurz. Wir haben uns solange nicht gesehen und...“ „Ja ja. Tu nicht so, als würdest du Wert darauf legen, dass ich bleibe.“ Ich erwiderte nichts, da es eh keinen Sinn machte, ihm zu widersprechen. „Brauchst nicht aufstehen, ich finde schon den Weg zur Tür“, meinte Kai und dann war er auch schon verschwunden. Traurig blieb ich auf dem Sofa sitzen. Ich war entsetzt über Kais Veränderung. Von dem fröhlichem, aufgeschlossenem jungem Mann, der einen immer zum Lachen bringen konnte und seine ganz eigene Art von Humor hatte, war nichts, aber auch gar nichts mehr zu sehen. Ich war wirklich traurig. Was ihm wohl zugestoßen war, dass er sich so verändert hatte.
Ich überlegte, ob ich bei Sven anrufen sollte. War das zu aufdringlich? Sicherlich würde er mich für doof halten und sagen, dass ich spinne, in eine alte Jugendliebe noch soviel Hoffnung reinzustecken. Vielleicht würde er sich aber auch freuen, mit mir zu sprechen. Schließlich hat er ja Kai nach meiner Adresse gefragt. Nach einigem hin und her griff ich zum Telefon und tippte die Nummer ein, die auf der Visitenkarte stand. Mein Herz klopfte so laut, dass ich Angst hatte, dass Sven es durch das Telefon hören würde. Mir kam es wie Stunden vor, bis endlich das Freizeichen ertönte. Ich rang mit mir, nicht aufzulegen. ‚Was stellst du dich eigentlich so kindisch an’, fragte ich mich wieder und wieder. Plötzlich meldete sich eine Frauenstimme an der anderen Seite der Leitung. „Staatsanwaltskanzlei Buschner und Lehrke, Sabine Scheffler am Apparat, was kann ich für sie tun?“ Meine Güte, klang das auswendig gelernt. „Äh, ist äh Sven da?“ „Wer bitte?“ „Herr Lehrke.“ „Wünschen Sie einen Termin?“ „Nein, ich möchte bitte jetzt mit ihm reden.“ „Das ist leider so nicht möglich. Ich kann Ihnen gerne einen Termin geben und...“ Plötzlich hörte ich eine dunkle Männerstimme im Hintergrund. „Wer ist da?“, fragte der Mann, von dem ich gleich wusste, dass er Sven sein musste. „Wie ist Ihr Name?“, fragte die Frau ins Telefon. „Juli... sagen Sie ihm, Jule ruft an.“ „Eine Jule“, sagte die Frau mit abwertender Stimme. „Stellen Sie sie zu mir durch.“ „Selbstverständlich, Dr. Lehrke.“ Sven hatte einen Doktortitel?? Meine Verwunderung wurde immer größer. Ein langes Biiiiiieb ertönte und dann war Sven auch schon am Telefon. „Hi Jule“, sagte er so gelassen und normal, als wäre es total alltäglich mit mir zu reden. „Hallo, Sven.“ Ich wusste gar nicht so recht, was ich sagen sollte. „Hast du meine Nummer von Kai?“ „Ja.“ „Doch noch Verlass auf den Kerl. Du, ich habe grade überhaupt keine Zeit. Sagst du mir, wo du wohnst, dann komme ich vorbei. Ich mache in etwa einer Stunde Feierabend.“ Ich gab Sven meine Adresse und verabschiedete mich von ihm. „Bis nachher“, sagte er, und grade als ich auflegen wollte: „Jule... ich habe dich nie vergessen.“ Dann hörte ich das Bieb bieb bieb und ich wusste, dass er aufgelegt hatte. Ich ließ mich erstmal wieder aufs Sofa fallen. Das war alles ein bisschen zu viel für mich.
Ich freue mich sehr aufs Sven Besuch. Stundenlang lief ich wie ein aufgescheuchtes Huhn in der Wohnung herum, zog mich etwa acht mal um, putzte jeden Staubkrümel aus der Wohnung und war einfach nur total aufgeregt. Kurz nach 17 Uhr klingelte es dann endlich an der Haustür. Ich riss mich zusammen, ruhig zu bleiben und öffnete.
Vor mir stand tatsächlich Sven. Er sah sehr gut aus, war elegant gekleidet (wobei Kai doch etwas übertrieben hatte), sah erwachsener und reifer aus als früher, hatte aber immer noch dieses unverwechselbare Blitzen in seinen treuen, braunen Augen. Eine Strähne seiner dunkelblonden Haare fiel ihm ins Gesicht und er lächelte mich an. „Hi Jule“, sagte er. „Ich hatte dich fast nicht erkannt.“ „Du siehst... sehr gut aus.“ „Danke. Du auch. Wirklich. Darf ich reinkommen?“ „Ja klar doch...“, antwortete ich und wir beide gingen ins Wohnzimmer. „Schöne Wohnung. Wohnst du hier alleine?“ „Ja. Ich weiß, ist nichts besonderes, aber...“ „Quatsch, die Wohnung ist echt schön.“ Ich bezweifelte, dass Sven diese Aussage ernst meinte. Er war sicherlich viel schönere Häuser gewohnt. „Setz dich. Möchtest du was trinken.“ „Nein danke. Ich habe dich vermisst, Jule. Ich habe oft an dich gedacht und wollte zurück, aber es ging nicht. Noch nicht.“ „Wie lange bist du schon in Deutschland?“ „Seit etwa einem halben Jahr. Ich war erst in München, konnte da beruflich aber nicht viel erreichen. Durch Zufall habe ich einen anderen Anwalt hier in der Nähe kennen gelernt. Vor zwei Wochen haben wir eine Kanzlei hier eröffnet. Nach dem größten Umzugsstress habe ich mich gleich auf die Suche nach meinen alten Freunden gemacht. Ich hatte echt große Befürchtungen, dass du umgezogen bist.“ „Ich dachte, ich sehe dich nie wieder.“ „Ich habe es dir doch versprochen. Versprechen verjähren nie.“ „Danke das du hier bist.“ Ich war wirklich beruhigt. Sven war weder abgehoben noch so ein komischer Zeitgenosse wie Kai, noch hatte er mich vergessen. „Wie geht es dir?“, fragte er. „Ach, es geht. Schleppt sich halt alles so hin.“ „Hast du noch Kontakt zu Silke?“ „Nein, leider nicht mehr. Ich weiß nicht mal, ob sie ihren Hof noch hat.“ „Schade. Na die werde ich auch noch besuchen fahren.“
Wir unterhielten uns einige Stunden lang. Sprachen über seinen Beruf, seinen Aufenthalt in Island, über meine Zukunft, über Kai und über Yoshi. Ich fühlte mich so wohl, wie seit vier Jahren nicht mehr. Mit Sven konnte ich wirklich reden ohne mich verstellen zu müssen.
„Fahren wir morgen gemeinsam zu Silke?“, fragte er auf einmal. „Äh... ja klar, warum nicht.“ „Super, freut mich.“ „Gehst du jetzt schon?“, fragte ich besorgt und Sven grinste. „Willst mich loswerden?“ „Nein, ganz im Gegenteil. Es tut gut, wieder mit dir zu reden.“ „Na dann bin ich ja beruhigt.“
Eine Zeit lang schwiegen wir. „Findest du, ich hab mich verändert?“, fragte Sven dann plötzlich. „Na ja, äußerlich schon. Du bist jetzt halt nicht mehr der Ställe-Ausmister, sondern der Staatsanwalt im chicem Anzug mit wahrscheinlich ungeheuer viel Kohle. Aber ich glaube, innerlich bist du noch der Gleiche. Wäre ja auch schlimm, wenn es nicht so wäre.“
Ohne zu antworten fragte Sven mich, ob ich heute Abend mit ihm weggehen würde. „Klar, wohin denn?“ Sven grinste. „Für Disco sind wir wohl ein bisschen zu alt, hm?“ (Hallo, ich bin zwanzig!!) „Im Nachbarort ist heut Abend diese Veranstaltung... na wie heißt sie noch...“ „Sommernachtsfest.“ „Ja genau, das meine ich. Hast du Lust da hinzugehen?“ „Und wie ich Lust hatte. Lust war gar kein Ausdruck, ich brannte regelrecht darauf, mal wieder was mit Sven zu unternehmen.
Silver -w-
du kannst echt geile storys schreiben !
Schreib bittö weita
Hornisse
Wir redeten noch kurz, dann verabschiedete sich Sven von mir und versprach, dass er mich abends um halb zehn abholen würde. Ich freute mich total und war sehr aufgeregt. Stundenlang überlegte ich, was ich anziehen sollte. Schließlich entschied ich mich für eine schwarze Hose, ein neues weißes Oberteil mit Aufdruck und eine Jeansjacke. Um neun Uhr setzte ich mich ans Fenster und wartete. Es war ein schöner Abend, für den Frühling schon recht warm und was das Wichtigste war, es regnete nicht. Ich sah aus dem Fenster, wartete auf Sven und stellte mir tausend Fragen. Wie der Abend wohl ablaufen würde? Ob ich irgendwann wieder mit Sven zusammen kommen würde? Oder sollten wir es lieber gleich bei Freundschaft belassen. Ob Sven jetzt wohl für immer hier bleiben würde? Ob er überhaupt noch so viel mit mir zu tun haben wollte?
Es war jetzt schon 20 vor zehn und von Sven war immer noch keine Spur zu sehen. Ich wurde traurig und dachte schon, dass er mich vergessen hatte, als plötzlich das Telefon klingelte. Ich nahm ab und hörte Stimmengewirr im Hintergrund. Der Empfang war schlecht, aber ich verstand trotzdem laut und deutlich wie eine Männerstimme zu mir sagte: „Hallo Jule, ich schaffe das heute leider nicht mehr.“ Keine Entschuldigung. Keine Begründung. Nix. Eine kurze Absage. Das war’s. Ich legte auf und konnte meine Tränen nicht zurück halten. Wie hatte ich mich gefreut. Auf den Abend. Auf Sven. Darauf, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen und ihn endlich nicht mehr vermissen zu müssen. Mir wurde klar, dass das alles eine Illusion gewesen war. Sven war nicht mehr der Kumpel von früher, der einen immer zum Lachen bringen konnte und mit einem durch dick und dünn ging. Er hatte sich verändert, Kai hatte Recht gehabt. Nicht nur äußerlich. Er war älter, reifer, erfolgreicher... und er hatte es nicht mehr nötig sich mit Leuten wie mir abzugeben.
Benommen stand ich auf, ging ins Badezimmer und wischte mir mit einem nassem Lappen die Schminke von dem Gesicht. Schwarze Wimpertusche lief mir über die Wangen. ‚Du bist hässlich, Jule’ dachte ich mir immer wieder. ‚Potthässlich. Kein Wunder, dass er nichts mit dir zu tun haben will’
An viel mehr kann ich mich nicht mehr erinnern. Irgendwann schlief ich ein.
Ich hörte ein Klopfen. Erst leise, dann immer lauter und durchdringender. Pock pock. Pock pock. Pock pock pock. ‘Was zum Teufel...’ Ich schlug die Augen auf. Um mich herum war es dunkel, stockdunkel. Ich brauchte einen kurzen Moment um mich zu orientieren. Dann erinnerte ich mich wieder an den gestrigen Abend und dass ich irgendwann eingeschlafen sein musste. ‚Du bist in deinem eigenem Bett und hast keine Ahnung, wo du eigentlich bist. Mädel, langsam wirst du echt bescheuert.’ Ich knipste das Licht an und sah auf meinen Wecker. 4.48 Uhr. Na super. Wovon war ich bloß aufg..... da hörte ich wieder das Klopfen. ‚Was für’n Idiot ist das?’ In meinen Gedanken verfluchte ich den Kerl, der es wagte um diese unmenschliche Uhrzeit an meine Tür zu klopfen. Ich wollte es ignorieren und weiterschlafen, aber das Klopfen ließ nicht nach. Nach einer Zeit beschloss ich aufzustehen und dem Typen mal ordentlich meine Meinung zu sagen. Und wenn es Sven war, der konnte sich gleich wieder vom Acker machen.
Ich öffnete sauer die Tür und war etwas verwundert, als nicht Sven vor mir stand sondern eine hübsche Frau. Sie war etwa Mitte oder Ende 20, hatte mittellange gewellte Haare und obwohl es fast stockdunkel war, konnte ich erkennen, dass sie Sorgen hatte.
„Jule?“, fragte sie mich mit erstickender Stimme. „Äh... ja? Ich wusste beim besten Willen nicht, woher diese Frau, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, meinen Namen kannte. „Erkennst du mich nicht? Ich bin’s.... Silke.“ „Silke? Was für ne... DIE Silke?“ „Ja Jule. DIE Silke. Ich weiß was du davon denken musst, das sich jetzt mitten in der Nacht vor deiner Tür stehe.. aber bitte. Würdest du mitkommen?“ Ich bekam erstmal den Mund nicht wieder zu. „Äh, was?“ „Den Gnadenhof... ich habe ihn immer noch. Wir haben ein Problem. Ob du mitkommen würdest. „Ich soll... ich hab dich seit vier Jahren... und ich soll... was... ich meine.. wie... Ok.“ Die Frau, die sich Silke nannte (von der ich aber immer noch nicht glauben konnte, dass es Silke war...) konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Vielen Dank“, sagte sie schließlich.
Ich warf mir ein paar Kleidungsstücke über, band meine Haare zusammen und ging, mit einer Taschenlampe bewaffnet, Silke hinterher. Ich hatte tausend Fragen an sie und wusste überhaupt nicht, wie ich mich benehmen sollte. „Darf man fragen, wie du darauf kommst, dass ich dir helfen könnte?“, fragte ich schließlich. „Sven hat dich vorgeschlagen.“ „Sven? Er ist bei dir?“ „Ja.“ Silke ging schneller und ich musste fast laufen, um hinterher zu kommen.
Nach einem kurzem Fußmarsch kamen wir beim Gnadenhof an. Es hatte sich viel verändert, aber ich beschloss, mir da später Gedanken drüber zu machen. Später. Später sollte Silke mir auch erklären, was das ganze Theater hier sollte.
Wir gingen in einen großen Stall mit Mittelgang. Es war immer noch stockdunkel und der Stall war nur schwach beleuchtet. „Es geht um eine alte Stute namens Jackie. Sie ist sehr schwach und fohlt heute Nacht. Ich glaube, sie schafft es nicht“, erklärte Silke. „Wieso holt ihr keinen Tierarzt?“ „War schon einer da, der hatte aber keine Ahnung. Einen vernünftigen gibt es hier kaum noch. Und von weiter weg erreiche ich keinen.“ Wir gingen den Stallgang entlang, bis Silke schließlich an einer Box anhielt. „Das ist sie.“ In der Box lag eine rabenschwarze Stute ohne Abzeichen. Sie keuchte und war sehr verschwitzt. Neben ihr im Stroh saß Sven. Für einen kurzen Moment sah ich wieder den netten Stalljungen von früher in ihm, der sich aufopfernd um kranke Pferde kümmerte. Dieses Bild verdrängte ich aber schnell wieder aus meiner Vorstellung. „Deswegen hattest du keine Zeit?“, fragte ich ihn, als ich in die Box ging. Sven nickte, kümmerte sich dann aber nicht weiter um mich. „Ich glaube, sie kann es nicht schaffen“, sagte er zu Silke. „Sie ist total schwach.“ „Wir müssen wenigstens versuchen, das Fohlen durchzukriegen.“ Hatte Silke das wirklich gesagt? Sie war ganz schön hart geworden. Früher hätte sie wirklich alles dafür gegeben, die Stute durchzukriegen, und jetzt schien sie ihr ziemlich egal zu sein.
Silver -w-
geil weiter
Hornisse
Ich setzte mich zu der schwarzen Stute ins Stroh und streichelte ihren verschwitzen Hals. Sie atmete schwer. „Komm Kleine, du musst es versuchen. Für dein Baby“, flüsterte ich ihr zu. Eine Zeit lang saßen wir einfach so da. Die Stute wurde immer unruhiger und ich konnte ihren Anblick kaum ertragen, weil sie mich so an Yoshi erinnerte. Schon einmal hatte ich ein Pferd in diesem Stall verloren. Silke hatte Recht damit gehabt, mich herzuholen. Ich würde nicht noch einmal ein Pferd einfach wegsterben lassen. Nicht, bevor wir alles versucht haben. „Holt Kai“, hörte ich mich plötzlich sagen. „Kai?“ „Ja Kai. DEN Kai.“ „Jule, tut mir Leid wenn ich das jetzt sagen muss, du weißt es wahrscheinlich noch nicht aber Kai ist nicht...“ „Ich weiß was Kai ist. Aber Silke, wir alle sind nicht mehr die von früher. Wir haben uns alle verändert.“ „Ja, aber Kai...“ „Versuch es bitte Silke. Kai hat früher den Pferden immer geholfen. Ich bin mir sicher, dass er es nicht verlernt hat.“
Ohne noch ein Wort zu sagen ging Silke nach draußen, startete ihren Wagen und fuhr davon. Ich wusste selbst nicht, wie ich auf die Idee mit Kai kam und irgendwie glaubte ich selbst nicht, dass er helfen konnte.
Sven sah mich an. „Tut mir Leid, dass ich absagen musste. Ich bin gestern Abend hier her gefahren, um Silke mal wieder zu sehen. Als ich von der Stute erfuhr, konnte ich einfach nicht wieder weg fahren und so tun, als sei nichts gewesen. Du musst sehr enttäuscht sein. Es tut mir Leid.“ „Mhhh.“ Ich war sauer auf Sven. Aber hätte ich es besser gefunden wenn er mit mir weggegangen wäre? Unter diesen Umständen? Ich glaube nicht.
Die schwarze Stute stand auf und riss mich aus meinen Gedanken. Unruhig tänzelte sie hin und her, scharrte im Stroh, schnaubte und keuchte. Sven stand ebenfalls auf. „Ist gut mein Mädchen, beruhige dich“, sprach er sanft auf sie ein. „Es wird alles gut werden.“ In diesem Moment fuhr ein Auto mit quietschenden Reifen auf den Hof. Dann hörte man, wie zwei Personen in den Stall gelaufen kamen. Kai kam in die Box und begrüßte uns nicht. „Das Viech?“, fragte er schroff. „Ja. Jule meinte, du könntest vielleicht....“ „Ja ja. Haut mal ab.“ Sven und ich sahen uns an und gingen zur Seite. „Haut mal ab hab ich gesagt. Verpisst euch.“ Wir sahen zu Silke und diese zuckte nur mit den Achseln. „So Leute ich will euch jetzt mal was sagen. Das Pferd ist krank und braucht Ruhe. Wenn ihr hier so komisch rumsteht wird es auch nicht gesund. Geht raus und trinkt nen Bierchen oder macht sonst was. Ich ruf euch dann“, sagte Kai, dieses Mal schon etwas freundlicher. Silke nickte. „Kommt.“ Zusammen gingen wir hinaus in die Dunkelheit. „Wisst ihr, was mit Kai passiert ist? Warum hat er sich so verändert?“ „Du, ich würd’s so gerne wissen. Wirklich. Aber sprich ihn da mal drauf an. Mir wäre er fast an Hals gesprungen, als ich ihn gefragt habe, was passiert ist.“, sagte Silke traurig.
„Ist es nicht seltsam?“, meinte Sven, „Wir alle haben uns so lange nicht gesehen und jetzt, im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht, sind wir alle wieder zusammengekommen. Wir haben uns alle so stark verändert, und trotzdem, unsere Liebe zu den Pferden ist uns allen geblieben. Man könnte sogar sagen, sie hat uns wieder zusammen geführt, oder?“ Ich nickte. Ja, Sven hatte wirklich Recht. Die Liebe zu den Pferden war das Einzige, was uns noch verband. Trotzdem war diese Verbindung so stark, dass selbst 4 Jahre Trennung ihr nicht geschadet haben.
„Wisst ihr, wie es Michael geht?“ „Ja, er arbeitet wieder hier. Hat damals nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit wieder hier angefangen. Er ist immer noch wie früher, hat sich kaum verändert. Er ist sehr nett. Morgen werdet ihr ihn sicherlich wieder sehen.“
Silke, Sven und ich unterhielten uns lange. Es gab viel zu erzählen, in den vier Jahren war soviel vorgefallen. Ich begriff immer noch nicht so richtig, dass das, was ich mir in den vier Jahren jeden Tag aufs Neue so sehr gewünscht hatte, jetzt Wirklichkeit werden konnte. Es konnte wieder alles so werden wie früher.
„Glaubst du, wir sollten nicht mal in den Stall gehen und nachsehen, ob alles in Ordnung ist?“, fragte Sven schließlich. „Ja, ich denke auch. Lass mal gucken.“ Wir standen auf und gingen gemeinsam in den Stall.
Ich konnte meinen Augen nicht trauen. In der Box lag immer noch die verschwitzte schwarze Stute, aber neben ihr lag ein kleines dunkles Wollknäuel. „Du hast es geschafft?“, fragte Silke Kai ungläubig. „Ja wie du siehst. Ist grad fertig. Ich werd denn mal wieder.“ Kai stand auf und ging abweisend an uns vorbei. „Hey warte mal. Wie hast du das geschafft?“ „Ich geb’ einfach nicht so schnell auf wie ihr. Ich glaub den beiden geht’s gut. Ist nen Hengst. Tschüß.“ „Man Kai jetzt warte doch mal“, bat ich. Ich konnte einfach nicht verstehen, warum Kai jetzt einfach wieder abhauen wollte, nachdem er mal eben so zwei Pferden das Leben gerettet hatte. „Vergiss es Jule. Ist gut jetzt, ja?“, meinte er leicht aggressiv. „Mensch Kai was ist denn los?“, fragte jetzt auch Sven. „Wisst ihr was? Ihr habt alle keine Ahnung. Überhaupt keine Ahnung. Kümmert euch einfach um euren eigenen Scheiß“, schrie Kai und ging dann mit schnellen Schritten aus dem Stall. „Ohje“, meinte Silke kopfschüttelnd, dann wandte sie sich dem neugeborenem Fohlen und seiner Mutter, die soeben aufgestanden war und nun das Fohlen trocken leckte, zu. „Na ihr beiden. Hast aber nen hübsches Fohli gekriegt, was?“ Das Fohlen war wirklich wunderschön. Es war pechschwarz, hatte einen weißen Hinterhuf und eine breite Blesse, die bis über seine Nüstern reichte. „Wie soll er denn heißen?“ „Ich weiß es nicht, was meint ihr?“ „Keine Ahnung... vielleicht kannst du ihn nach seinem Retter benennen?“, schlug Sven vor. „Wie? Kai?“ „Ja. Ohne ihn hätte er bestimmt nicht überlebt.“ „Ich finds auch gut“, stimmte ich Sven zu. „Okay, aber nicht nur Kai. Irgendwas noch dazu. Sonst verwechseln wir die beiden immer, wenn wir von ‚Kai’ reden.“ „Okay, denn lass mal überlegen.... man mir fällt nix ein, was kann man denn mit ‚Kai’ kombinieren?“ „Nennen wir den Kleinen ‚Kay’“, meinte Silke, die mittlerweile im Stroh neben dem Fohlen saß und auf einem Strohhalm kaute. „Kay ist gut.“ „Ja, find ich auch. Also Kay.“ Sven und ich setzten uns zu Silke ins Stroh und beobachteten zufrieden, wie die Stute ihr Fohlen trocken leckte und es schließlich versuchte, aufzustehen.