Gewitterwolke
1 Steph
Mit eisigem Blick starrte Steph die Jugendlichen an, die sie mehr oder weniger unverhohlen musterten. Einige Mädchen standen zusammen, tuschelten und zeigten mit den Fingern auf sie. Ein paar Jungs schienen sich über sie lustig zu machen, andere warfen ihr nur einen kurzen, musternden Blick zu und widmeten sich dann ihrer Meinung nach interessanteren Dingen.
Langsam ließ Steph ihre Hand in die Hosentasche ihrer dunkelblauen Jeans gleiten, wobei sie ihren Blick weiter über den Schulhof gleiten ließ, und holte die Packung Marlboro Light heraus. Mit einer vorbildlichen Ruhe nestelte zog sie eine Zigarette aus der Schachtel, führte sie zum Mund und nahm den gelben Teil zwischen die Lippen. Nun kam ihr Feuerzeug in Form einer E-Gitarre zum Vorschein. Zum Schutz vor dem leichten Wind, der wehte, legte Steph die zu einer halben Kugel geformte, linke Hand um die Zigaretten, während sie mit der rechten Hand das Feuerzeug anmachte und die Kippe entzündete.
Seufzend inhalierte Steph den Rauch. Behielt ihn eine Weile. Stieß ihn dann in einer großen, grauen Wolke wieder aus.
Gerade, als sie den zweiten Zug nehmen wollte, tippte sie jemand an. Seelenruhig drehte den Kopf und sah einem unscheinbaren Jungen ins Gesicht. Er trug eine viereckige Hornbrille mit dicken Gläsern, die seine Augen geradezu gigantisch erscheinen ließen. Sein Haar war fettig und schien wie mit dem Lineal gescheitelt. Dazu war sein Gesicht übersäht von Pickeln und er hatte einen dunkelroten, ärmellosen Pullover an, unter dem er ein beiges Hemd trug.
Übertrieben räusperte sich der Streber. „Es tut mir Leid, dir das sagen zu müssen, aber Rauchen ist auf dem Schulhof nicht erlaubt“, ratterte er wie auswendig gelernt herunter. Wahrscheinlich war es das auch: auswendig gelernt.
Steph fixierte den Jungen und nahm langsam und demonstrativ noch einen Zug von der Zigarette. Erst nachdem sie den Rauch wieder ausgeatmet hatte, antwortete sie.
„Weißt du was?“, begann sie. „Das ist mir scheiß egal. Ich habe mich noch nie an irgendwelche Regeln gehalten und wegen dir werd’ damit sicherlich nicht anfangen, kapiert? Und jetzt verpiss dich und kriech einem deiner Lehrer in den Arsch.“
Der Streber starrte sie fassungslos an. Sein Mund klappte auf, zu, und wieder auf. So blieb er stehen. Mit offenem Mund, weit aufgerissenen Augen und einem Blick, als hätte man ihm gerade eine Ohrfeige gegeben.
Nach einigen Minuten wurde es Steph zu viel. „Sag mal, hörst du schlecht? Du sollst dich vom Acker machen!“
„Das ... das ist nicht richtig, was du machst!“, stammelte der Junge. „Ich kann das einem Lehrer sagen! Dann bekommst du Ärger!“
Genervt seufzte Steph. „Junge, dass ist mir total egal. Ich bin schon mal von der Schule geflogen, denkst du, mir macht es was aus, noch mal zu fliegen? Mich interessiert der Scheiß hier eh nicht, hoffentlich überlegt sich meine Ma das noch mal und wir ziehen wieder weg.“
Nun schien ihm nichts mehr einzufallen. Er setzte noch einmal zum Sprechen an, überlegte es sich aber doch noch mal anders, drehte sich um und dampfte davon. Steph sah ihm zufrieden hinter her. Wie sie die Streber kannte, würde dieser Typ jetzt überall auf dem Schulhof herumposaunen, was für eine böse, neue Schülerin an die Schule gekommen war. Genau das wollte Steph. Sich einen Ruf machen, bevor sie überhaupt mit vielen Leuten gesprochen hatte. Denn sie konnte gut auf Gesellschaft verzichten. Sie war nun mal ein Einzelgänger und ein Rebell und damit mussten sich die anderen abfinden.
Wieder warf Steph einen Blick zu den anderen Jugendlichen. Einige in ihrer Nähe sahen sie nun stumm und überrascht an. Anscheinend hatten sie das Gespräch mitbekommen. Grinsend zog Steph an ihrer Zigarette. Noch besser. So würde sich die Nachricht über sie noch schneller verbreiten.
Es klingelte und die große Schülerschar machte sich auf den Weg ins Gebäude. Nur ein Mädchen nicht: Steph. Sie lehnte weiterhin lässig an den Gitterstäben des riesigen Zauns, der die Schule umgab. Erst als sie ihre Zigarette fertig geraucht und auf den Boden geschnippt hatte, stieß sie sich ab und ging in Richtung Schulhaus. Im Laufen erneuerte sie den Pferdeschwanz, der ihre brustlangen, hellbraunen Haare bändigte, und öffnete den Reißverschluss ihrer schwarzen Lederjacke, unter der ein AC/DC-Fan-Shirt herauslugte.
Es konnte losgehen.
Mit gestrafften Schultern und die Hände in die Hosentaschen vergraben marschierte Steph durch die große Schultür. Zielsicher lief sie die Treppen hinauf. Erster Stock, zweiter Stock, dritter Stock. Etwas außer Atem kam sie im viertem Stockwerk an. Kurz verschnaufte sie, dann ging sie entschlossen den Gang, der sich nun vor ihr erstreckte, entlang. Ihre Schritte wurden von dem grauen, hässlichen Teppichboden geradezu aufgesaugt. Eine unheimliche Stille herrschte, die selbst der hartgesotten Steph nicht ganz geheuer war. Sie sah aus den großen Fenstern, die sich zu ihrer linken erstreckten. Darin spiegelten sich die Türen der Zimmer auf der rechten Seite. Toiletten für Frauen, Toiletten für Männer, Bio-Saal 1, Bio-Saal 2, Chemie-Saal 1, Chemie-Saal 2 und so weiter und so heiter.
Gelangweilt seufzte Steph. Diese Schule ödete sie jetzt schon an. Sie war genauso farblos wie ihre alte Schule. Hoffentlich macht Ma bald wieder Schluss mit diesem Rick, dachte Steph und verpasste fast ihr Ziel: das Sekretariat. Sie legte einen Vollstopp ein und trat auf die Tür zu. Interessiert legte sie den Kopf schief und starrte die Schrift auf der Tür an. „Sekretariat des Albert-Einstein-Gymnasiums“. Albert-Einstein-Gymnasium. Wie einfallsreich, hatte Steph voller Ironie gedacht, als sie diesen Namen zum ersten Mal gehört hatte. Immer noch fand sie ihn nicht besonders toll
.
Mit eisigem Blick starrte Steph die Jugendlichen an, die sie mehr oder weniger unverhohlen musterten. Einige Mädchen standen zusammen, tuschelten und zeigten mit den Fingern auf sie. Ein paar Jungs schienen sich über sie lustig zu machen, andere warfen ihr nur einen kurzen, musternden Blick zu und widmeten sich dann ihrer Meinung nach interessanteren Dingen.
Langsam ließ Steph ihre Hand in die Hosentasche ihrer dunkelblauen Jeans gleiten, wobei sie ihren Blick weiter über den Schulhof gleiten ließ, und holte die Packung Marlboro Light heraus. Mit einer vorbildlichen Ruhe nestelte zog sie eine Zigarette aus der Schachtel, führte sie zum Mund und nahm den gelben Teil zwischen die Lippen. Nun kam ihr Feuerzeug in Form einer E-Gitarre zum Vorschein. Zum Schutz vor dem leichten Wind, der wehte, legte Steph die zu einer halben Kugel geformte, linke Hand um die Zigaretten, während sie mit der rechten Hand das Feuerzeug anmachte und die Kippe entzündete.
Seufzend inhalierte Steph den Rauch. Behielt ihn eine Weile. Stieß ihn dann in einer großen, grauen Wolke wieder aus.
Gerade, als sie den zweiten Zug nehmen wollte, tippte sie jemand an. Seelenruhig drehte den Kopf und sah einem unscheinbaren Jungen ins Gesicht. Er trug eine viereckige Hornbrille mit dicken Gläsern, die seine Augen geradezu gigantisch erscheinen ließen. Sein Haar war fettig und schien wie mit dem Lineal gescheitelt. Dazu war sein Gesicht übersäht von Pickeln und er hatte einen dunkelroten, ärmellosen Pullover an, unter dem er ein beiges Hemd trug.
Übertrieben räusperte sich der Streber. „Es tut mir Leid, dir das sagen zu müssen, aber Rauchen ist auf dem Schulhof nicht erlaubt“, ratterte er wie auswendig gelernt herunter. Wahrscheinlich war es das auch: auswendig gelernt.
Steph fixierte den Jungen und nahm langsam und demonstrativ noch einen Zug von der Zigarette. Erst nachdem sie den Rauch wieder ausgeatmet hatte, antwortete sie.
„Weißt du was?“, begann sie. „Das ist mir scheiß egal. Ich habe mich noch nie an irgendwelche Regeln gehalten und wegen dir werd’ damit sicherlich nicht anfangen, kapiert? Und jetzt verpiss dich und kriech einem deiner Lehrer in den Arsch.“
Der Streber starrte sie fassungslos an. Sein Mund klappte auf, zu, und wieder auf. So blieb er stehen. Mit offenem Mund, weit aufgerissenen Augen und einem Blick, als hätte man ihm gerade eine Ohrfeige gegeben.
Nach einigen Minuten wurde es Steph zu viel. „Sag mal, hörst du schlecht? Du sollst dich vom Acker machen!“
„Das ... das ist nicht richtig, was du machst!“, stammelte der Junge. „Ich kann das einem Lehrer sagen! Dann bekommst du Ärger!“
Genervt seufzte Steph. „Junge, dass ist mir total egal. Ich bin schon mal von der Schule geflogen, denkst du, mir macht es was aus, noch mal zu fliegen? Mich interessiert der Scheiß hier eh nicht, hoffentlich überlegt sich meine Ma das noch mal und wir ziehen wieder weg.“
Nun schien ihm nichts mehr einzufallen. Er setzte noch einmal zum Sprechen an, überlegte es sich aber doch noch mal anders, drehte sich um und dampfte davon. Steph sah ihm zufrieden hinter her. Wie sie die Streber kannte, würde dieser Typ jetzt überall auf dem Schulhof herumposaunen, was für eine böse, neue Schülerin an die Schule gekommen war. Genau das wollte Steph. Sich einen Ruf machen, bevor sie überhaupt mit vielen Leuten gesprochen hatte. Denn sie konnte gut auf Gesellschaft verzichten. Sie war nun mal ein Einzelgänger und ein Rebell und damit mussten sich die anderen abfinden.
Wieder warf Steph einen Blick zu den anderen Jugendlichen. Einige in ihrer Nähe sahen sie nun stumm und überrascht an. Anscheinend hatten sie das Gespräch mitbekommen. Grinsend zog Steph an ihrer Zigarette. Noch besser. So würde sich die Nachricht über sie noch schneller verbreiten.
Es klingelte und die große Schülerschar machte sich auf den Weg ins Gebäude. Nur ein Mädchen nicht: Steph. Sie lehnte weiterhin lässig an den Gitterstäben des riesigen Zauns, der die Schule umgab. Erst als sie ihre Zigarette fertig geraucht und auf den Boden geschnippt hatte, stieß sie sich ab und ging in Richtung Schulhaus. Im Laufen erneuerte sie den Pferdeschwanz, der ihre brustlangen, hellbraunen Haare bändigte, und öffnete den Reißverschluss ihrer schwarzen Lederjacke, unter der ein AC/DC-Fan-Shirt herauslugte.
Es konnte losgehen.
Mit gestrafften Schultern und die Hände in die Hosentaschen vergraben marschierte Steph durch die große Schultür. Zielsicher lief sie die Treppen hinauf. Erster Stock, zweiter Stock, dritter Stock. Etwas außer Atem kam sie im viertem Stockwerk an. Kurz verschnaufte sie, dann ging sie entschlossen den Gang, der sich nun vor ihr erstreckte, entlang. Ihre Schritte wurden von dem grauen, hässlichen Teppichboden geradezu aufgesaugt. Eine unheimliche Stille herrschte, die selbst der hartgesotten Steph nicht ganz geheuer war. Sie sah aus den großen Fenstern, die sich zu ihrer linken erstreckten. Darin spiegelten sich die Türen der Zimmer auf der rechten Seite. Toiletten für Frauen, Toiletten für Männer, Bio-Saal 1, Bio-Saal 2, Chemie-Saal 1, Chemie-Saal 2 und so weiter und so heiter.
Gelangweilt seufzte Steph. Diese Schule ödete sie jetzt schon an. Sie war genauso farblos wie ihre alte Schule. Hoffentlich macht Ma bald wieder Schluss mit diesem Rick, dachte Steph und verpasste fast ihr Ziel: das Sekretariat. Sie legte einen Vollstopp ein und trat auf die Tür zu. Interessiert legte sie den Kopf schief und starrte die Schrift auf der Tür an. „Sekretariat des Albert-Einstein-Gymnasiums“. Albert-Einstein-Gymnasium. Wie einfallsreich, hatte Steph voller Ironie gedacht, als sie diesen Namen zum ersten Mal gehört hatte. Immer noch fand sie ihn nicht besonders toll
.