Dann will ich euch ja nicht unnötig lange auf die folterspannen. hire kommt was, aber ihr werdet sehen, bis zur endgültigen geheimnisenthüllung geht es noch ein kleines stück.
„Alles in Ordnung, nur eine schlechte Dosierung. Kommt ruhig runter“, ruft eine unbekannte Stimme von unten hoch.
Ich zögere kurz, bevor ich vorsichtig einen Fuss auf die Treppe setzte und langsam nach unten steige. Naomi folgt mir auf den Fersen.
Was ich hier sehe, überrascht mich. Ich habe irgendetwas Verrücktes erwartet, aber alles sieht so ordentlich und professionell aus. In einem grossen Raum stehen etwa zehn Labortische. Alle ordentlich aufgeräumt und die Gerätschaften sind säuberlich aufgestellt und verräumt worden. Neben jedem der Tische hängt über einer Feuerstelle ein Messingkessel, auf der anderen Seite ein Fass wo offensichtlich Wasser drin ist. Zwischen den Pulten laufen emsig etwa zwanzig Leute hin und her. Bei genauerem Hinsehen, wird mir klar, dass alle noch sehr jung sind. Ich würde sagen, sie gehen fast alle noch in die Schule. Alles bis auf einen Tisch, sieht wirklich ordentlich aus. Dieser eine Tisch, ganz hinten neben einer Tür, sieht etwas verbrannt aus. Vier Jugendliche stehen um den Kessel, aus dem rote Flüssigkeit sprudelt. Sie scheinen in eine angeregte Diskussion verwickelt wobei es vermutlich um die Explosion von vorhin geht. Der Tisch hat eine verkohlte und zugleich rote Farbe. Che und Philo kann ich in diesem Raum nicht finden.
„Was zum Teufel ist das hier?“, frage ich verwirrt.
„Ein Labor. Los, durch die Tür dort. Deine Brüder sollen dir das erklären“, drängelt Naomi. Ich bewege mich zu der gewiesenen Türe. Unterwegs werde ich jeweils höflich gegrüsst.
Keine halbe Minute später stehe ich vor der schweren Holztür. Naomi stösst sie für mich auf. Während im vorherigen Raum die Wände einfacher und unbearbeiteter Stein waren, ist dieser säuberlich weiss gestrichen. An den Wänden hängen Steckbretter an denen unzählige Blätter und Plakate mit Zeichnungen, Formeln und beinahe unentzifferbaren Handschriften angebracht sind. Auch hier gibt es Tische, allerdings sehen sie nicht aus, wie kleine Labore, sondern vielmehr wie Schreibtische eines Architekten. Hier sind weniger Leute, etwa sieben oder acht. Aber Che und Philo sind nicht zu sehen.
„Wo sind denn nun die zwei?“, frage ich ungeduldig.
„Weiter, Titia, wir sind gleich da. Nur noch eine Tür“, beruhigt mich meine Begleiterin und schiebt mich weiter. Mir kommt das Ganze äusserst suspekt vor. Aber na gut, noch eine Tür, schliesslich will ich wissen, was meine Brüder zu verbergen haben. Ausserdem bin ich gespannt, was hier unten noch alles versteckt ist.
Die Antwort auf diese Frage ist enttäuschend. Der nächste Raum ist schlicht und einfach eine Art Cafeteria. Lauter Menschen die gerade eine Pause zu machen scheinen. Und natürlich finde ich hier auch meine Brüder. Sie sitzen mit einigen anderen an einem Tisch, essen Kuchen und unterhalten sich dazu.
„Laetitia! Seht nur, unsere kleine Schwester“, ruft Che aus mit dem Mund voll Kuchen.
„Naomi, Schnucki, kommt und setzt euch. Wollt ihr was trinken? Essen?“, fragt Philo und weist uns beiden einen Stuhl neben sich zu. Mit einem etwas flauen Gefühl im Magen setzte ich auf dem mir gewiesenen Stuhl.
„Darf ich vorstellen? Das ist Anuri Yohji, ein Schulfreund von mir. Er kommt aus Japan“, erklärt Philo und zeigt auf einen asiatischen Jungen, der etwa gleich alt sein dürfte, wie er selbst.
„Und das ist Amrei McAdden aus Britannien. Sie geht auch in die Elementeschule, Naseem, wenn ich mich nicht irre. Sie haben uns gerade über die Fortschritte unserer Projekte informiert“, stellt mir Che ein wohl etwas älteres, bleiches Mädchen mit fettigen, blonden Haaren und wässrigen, blauen Augen vor. Mir war wohl noch nie ein Mensch auf den ersten Blick so unsympathisch, wie Amrei McAdden. Trotzdem grüsse ich höflich und gebe ihr die Hand. Sie scheint wohl auf irgendeine Weise wichtig zu sein für meine Brüder.
„Was für Projekte sind das? Was soll das ganze hier?“, frage ich nun neugierig. Ich kann einfach nicht mehr warten, mir reicht’s.
„Ja, ich denke, dass wir dich jetzt aufklären sollten“, seufzt Che und schaut Philo bedeutungsschwer an.
„Ist es illegal? Ist es gefährlich?“, frage ich unsicher.
„Ach was, Titia, wo denkst du hin, wir würden dich doch niemals in Gefahr bringen!“, ruft Philo empört aus.
„Jedenfalls nicht extra“, fügt Che lachend hinzu. Philo rammt ihm den Ellenbogen in den Bauch.
„Schau, Schnucki, du befindest dich hier in unserer kleinen Privatfabrik. Wir stellen her, was anderen Leuten Freude macht und verkaufen es in der Welt. Eigentlich ganz simpel“, erklärt Philo.
„So simpel? Wissen Mami und Papi davon?“, frage ich mit deutlicher Skepsis in der Stimme.
„Nein, ich würde sagen, sie haben keine Ahnung. Und ich hoffe, du wirst es ihnen nicht unbedingt unter die Nase reiben“, erklärt Che etwas gequetscht.
„Aber ist es illegal?“, frage ich noch einmal. Die beiden zögern.
„So halb. Es ist nicht verboten eine eigene Firma aufzutun. Ausserdem sind wir sogar angemeldet“, knirscht Philo.
„Ihr seid angemeldet?“, frage ich noch skeptischer.
„Na ja, Taddäus ist als Geschäftsführer gemeldet. Ausserdem haben wir etwas ausgebaut, was wir nicht gemeldet haben“, gesteht Che kleinlaut.
„Wie, ausgebaut?“, frage ich mit böser Vorahnung.
„Wir haben uns sozusagen weitergebildet. Wir stellen nicht nur noch Süssigkeiten, Scherzartikel und so Zeug für freche Schüler die ihre Lehrer umgehen und verarschen wollen her, sondern eben jetzt auch andere Sachen. Immer noch getarnt als harmloses Schulmaterial natürlich, aber nur über Versandt erhältlich und natürlich unter einem Pseudonym und alles anonym“, erläutert Philo.
„Was für andere Sachen?“, hacke ich nach. Muss man den beiden denn wirklich alles aus der Nase ziehen? Echt fürchterlich.
„Na ja“, murkst Che verlegen rum, „etwas effektivere Dinge. Wie etwa Zauberformeln, Zaubertränke und andere kleinere oder grössere Waffen. Nur keine Panik, ist nichts Schlimmes.“
„Nichts Schlimmes? Hört sich aber nicht so an“, rufe ich geschockt aus.
„Beruhig dich kleines. Es ist nur so, dass wir denken, dass Dinge um sich zu verteidigen in den Schulen viel zu kurz kommen. Die nichtmagische Welt ist gefährlich und irgendwie haben wir das ungute Gefühl, dass irgendwas faul ist. Wie haben die Nichtmagier denn unsere Welt gefunden? Wie habe sie all das Zeug hergestellt, das sie vor unseren Kräften schützt? Irgendwas ist hier im Busch, das ist ja wohl klar. Wir wollen uns und die kommende Generation nur darauf vorbereiten“, erklärt Philo hastig.
„Magie gegen nichtmagische, wehrlose Menschen einsetzen wollt ihr? Das ist illegal, das ist nicht fair. Die Regierung hat angeordnet, keine Magie vor Nichtmagiern und vor allem nicht gegen sie“, protestiere ich sofort.
„Natürlich, natürlich. Es ist ja auch nichts Gefährliches dabei. Jedenfalls nicht viel. Aber du erinnerst dich doch noch daran, als Philo und ich fast aufgeflogen sind? Hätten wir unsere magischen Requisiten da schon gehabt, wäre es gar nie so weit gekommen. Ich weiss, die Regierung versucht die armen Magier in den Todeszellen zu befreien, aber es gelingt nur all zu selten. Es ist schrecklich, wir werden verfolgt und können nichts dagegen tun, Titia“, versucht Che mich zu überzeugen.
„Wir konnten nichts tun“, verbessert Amrei schnell.
„Was soll das heissen?“, frage ich skeptisch.