Titellos | kurzer Text

Felixx
Ja, ich möchte wiedermal etwas online stellen. Es ist nicht sonderlich lang und ich würde es am ehesten als Monolog einordnen, aber mal sehen, was ihr so dazu sagt.

Sie kauerte dort hinten auf ihrem Sitz, vielleicht zwei oder drei Meter von mir entfernt, und manchmal nur wagte sie einen Blick mir zuzuwerfen. Ihre Augen erinnerten mich an Glasmurmeln, und wenn sich dann, wie es alle paar Momente geschah, ein glitzernder Dunst über sie legte, schien ihr Körper zu erzittern, weniger am Leib, sondern als ob ihr Herz sich ängstigte und vor Furcht erschauderte. In Wahrheit kauerte sie nicht, doch alles in ihr schien sich danach zu sehnen: Die Beine vor dem Körper anwinkeln, mit langen Armen umschlingen, an sich drücken und zusammenhalten, zusammenziehen den Bauch und die Füße ein Stück näher heran, kurz ausatmen, die Stirn auf die Knie betten und die schmerzenden Augen schließen, tun, als ob man nicht da wäre, nicht fühle, sich in die Einsamkeit der Welt entziehen. Nichts lieber hätte sie gewollt, wenn ich meinem vagen Gefühl Glauben schenken durfte - durfte ich? Ich kannte sie nicht, kein Wort war gefallen, der Bus rumpelte und mehr als jener verband uns auch nicht. Sie sah bloß aus dem Fenster, so wie wir Fahrgäste es alle tun, und dass es Glasmurmelaugen waren, die dorthin blickten, nun, was rechtfertigte das schon?
Sie hatte ein hübsches Gesicht, große Augen auch ohne Tusche, und lange, braune Haare im selben Farbton. Sie fielen ihr in Wellen über die zarten Schultern, ein bisschen ungezähmt, als ob man in der Früh zu Eilen gehabt hätte und das Trocknen der Luft überlassen. All das fiel mir auf bei dieser nächsten Busfahrt. Wieder zog und drängte mich alles zu ihr, das Mitleid, die Verantwortung, Verantwortung für einen Menschen, den ich nicht kannte? Konnte es denn sein, dass es mich etwas anging, dass sie mich etwas anging, alleine, weil ich etwas zu ahnen schien? Aber ich konnte doch nicht für jedermanns Glücklichkeit verantwortlich sein, wegen eines einzigen Blicks, der durch die Glasscheibe fiel. Wie wäre es denn möglich! Und auch, wenn Tränen über Wangen glitten.
Auf zwölf Jahre schätze ich sie, dreizehn vielleicht noch, aber älter nicht. Neuerdings hatte sie ein Piercing durch die Lippe gestochen, ein silberner Ring, links unten. Wahrscheinlich von einem Bekannten, offiziell war es erst mit sechszehn erlaubt. Sie sah weniger aus dem Fenster diesmal, wohl, weil sie neben mir saß und nicht direkt an der Scheibe. Vielleicht war es unangenehm für sie, am Sitznachbarn vorbei schauen zu müssen. Den Schulrucksack hatte sie auf sich draufgehievt, ich kannte die Marke vom Logo her, aber nicht beim Namen. Jugendliche mit zerrissenen Hosen und Zigarettengeruch trugen sie oft, öfter zumindest als zwölfjährige Mädchen. Vielleicht wusste sie dass und ihre dürren, langen Finger flossen deswegen so haltsuchend über das Logo. An den Knöcheln waren sie rot angelaufen, ansonsten weiß wie Marmor. Die langen Momente, in denen sie keinen Millimeter auf ihrem Sitz herumrutschte, ließen sie wie eine Figur aus Stein wirken. Oder ein Puppe, mit weit aufgerissenen Augen. Obwohl ihre Lider sich eher gesenkt hatten anstatt gehoben, wirkte ihr Blick erschrocken. Als wäre sie erstarrt im Augenblick des Schreckens und die Angst läge tief in ihr drinnen, ohne jemals herauszubrechen. Doch wovor nur hatte sie Angst? Fragen konnte ich nicht, es ging mich ja nichts an.
Nein, fragen kann ich nicht, wer sie ist, warum sie nicht da war, in all den Wochen - weiß doch nicht einmal ihren Namen! Und in Wahrheit geht es mich ja auch nichts an, hörst du, Gewissen, es geht mich nichts an!

Liebe Grüße, Lisi
Felixx
Hey smile

Erstmal danke für deine Kritik, hilft mir sehr fröhlich
Dann zu den einzelnen Punkten: Vieles ist halt Geschmackssache und ich wollte, dass es ein bisschen außergewöhnlich klingt, wobei ich dass jetzt nicht erzwungen habe oder so, kam mir halt so in den Sinn Augenzwinkern
Dass mit an-/abwinkeln weiß ich nicht, irgendjemand schlauer hier?
Der Satz mit Einsamkeit und Welt stimmt so > anderer Sinn.
wage - vage ... *rot werde*
Das mit dem zweimal "wohl" ist mir noch gar nicht aufgefallen! Hatte die Geschichte ja nicht sonderlich groß überarbeitet, sondern wollte zuerst ein bisschen Feedback einholen. Genau das gleiche mit Sessel und Sitz - danke!
Das mit dem fühle(n) stimmt, so weit ich weiß. Schau es dir vielleicht nochmal an.

Nehme mir deine Kritik sehr zu Herzen, vielen Dank dafür, und bessere die Tipp- bzw. Rechtschreibfehler bzw. grobe Logik-Unschlüssigkeiten oben aus.

Noch jemand, der etwas dazu sagen will?

Liebe Grüße, Lisi
Nanni
Mir gefällt es sehr gut <3
Ein so "normales" Thema und sehr gut rübergebracht, finde ich. Ich mag den Stil.

LG Nanni
pizzi
Zitat:
Original von Jeanny
[QUOTE]Sie kauerte dort hinten auf ihrem Sitz, vielleicht zwei oder drei Meter von mir entfernt, und manchmal nur wagte sie einen Blick mir zuzuwerfen. ("mir einen Blick zuzuwerfen")
Ihre Augen erinnerten mich an Glasmurmeln, und wenn sich dann, wie es alle paar Momente geschah, ein glitzernder Dunst über sie legte, schien ihr Körper zu erzittern, weniger am Leib, sondern als ob ihr Herz sich ängstigte und vor Furcht erschauderte. In Wahrheit kauerte sie nicht, doch alles in ihr schien sich danach zu sehnen: Die Beine vor dem Körper abwinkeln, (Heißt es hier nicht "anwinkeln?") mit langen Armen umschlingen, an sich drücken und zusammenhalten, zusammenziehen den Bauch (mir gefiele "den Bauch zusammenziehen" besser. Diese Formulierung finde ich ein wenig seltsam.) und die Füße ein Stück näher heran , kurz ausatmen, die Stirn auf die Knie betten und die schmerzenden Augen schließen, tun, als ob man nicht da wäre, nicht fühle, sich in die Einsamkeit der Welt entziehen. (Ich weiß schon, was du damit meinst, aber trotzdem ist das "entziehen" nicht so passend. Fällt dir ein anderes Wort ein?)
Nichts eher ("lieber") hätte sie gewollt, wenn ich meinem wagen (vagen) Gefühl Glauben schenken durfte - durfte ich? Ich kannte sie nicht, kein Wort war gefallen, der Bus rumpelte und mehr als jener verband uns auch nicht. Sie sah bloß aus dem Fenster, so wie wir Fahrgäste es alle tun, und dass es Glasmurmelaugen waren, die dorthin blickten, nun, was rechtfertigte das schon?
Sie hatte ein hübsches Gesicht, große Augen auch ohne Tusche, und lange, braune Haare im selben Farbton. Sie fielen ihr in Wellen über die zarten Schultern, ein bisschen ungezähmt, als ob man (sie) in der Früh zu Eilen (eilen) gehabt hätte und das Trocknen der Luft überlassen. All das fiel mir auf bei dieser nächsten Busfahrt. Wieder zog und drängte mich alles zu ihr, das Mitleid, die Verantwortung, Verantwortung für einen Menschen, den ich nicht kannte? Konnte es denn sein, dass es mich etwas anging, dass sie mich etwas anging, alleine, weil ich etwas zu ahnen schien? Aber ich konnte doch nicht für jedermanns Glücklichkeit ("Glück" finde ich schöner) verantwortlich sein, wegen eines einzigen Blicks, der durch die Glasscheibe fiel. Wie wäre es denn möglich! Und auch, wenn Tränen über Wangen glitten.
Auf zwölf Jahre schätze ich sie, dreizehn vielleicht noch, aber älter nicht. Neuerdings hatte sie ein Piercing durch die Lippe gestochen, ein silberner Ring, links unten. Wohl von einem Bekannten, offiziell war es erst mit sechszehn erlaubt. Sie sah weniger aus dem Fenster diesmal, wohl (Wortwiederholung.), weil sie neben mir saß und nicht direkt an der Scheibe. Vielleicht war es unangenehm für sie, am Sitznachbarn vorbei schauen zu müssen. Den Schulrucksack hatte sie auf sich draufgehievt, ich kannte die Marke vom Logo her, aber nicht beim Namen. Jugendliche mit zerrissenen Hosen und Zigarettengeruch trugen sie oft, öfter zumindest als zwölfjährige Mädchen. Vielleicht wusste sie dass und ihre dürren, langen Finger flossen deswegen so haltsuchend über die Logo ("das". Oder über die LogoS. Falls es für dieses Wort eine Mehrzahl gibt... Oder ist Logo bereits die Mehrzahl von sich selbst?). An den Knöcheln waren sie rot angelaufen, ansonsten weiß wie Marmor. Die langen Momente, in denen sie keinen Millimeter auf ihrem Sessel (Sessel? Hm.. "Sitz" fänd ich hier passender) herumrutschte, ließen sie wie eine Figur aus Stein wirken. Oder ein Puppe, mit weit aufgerissenen Augen. Obwohl ihre Lieder (Lider) sich eher gesenkt hatten anstatt gehoben, wirkte ihr Blick erschrocken. Als wäre sie erstarrt im Augenblick des Schreckens und die Angst läge tief in ihr drinnen, ohne jemals herauszubrechen. Doch wovor nur hatte sie Angst? Fragen konnte ich nicht, es ging mich ja nichts an.
Nein , fragen kann ich nicht, wer sie ist, warum sie nicht da war, in all den Wochen - weiß doch nicht einmal ihren Namen! Und in Wahrheit geht es mich ja auch nichts an, hörst du, Gewissen, es geht mich nichts an!


Schließ mich ihrer Verbesserung an, hab nur ein paar Korrekturen weggelassen bzw. hinzugefügt.
Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass es heißt, "Die Beine vorm Körper anwinkeln". Abwinkeln ist glaube ich, wenn die Knochen gebrochen sind, denn dann stehen sie ja in einem unnatürlichen Winkel vom Körper ab.
Den vorletzten Satz verstehe ich nicht, aber wahrscheinlich ist das gewollt. Ich frag trotzdem: Warum sie nicht WO war?
Ansonsten gefällt es mir wirklich gut, ich find vor allem den leichten Sarkasmus im letzten Teil toll. Zumindest wirkt es auf mich wie Sarkasmus ^^ Ich liebe satirische Texte!
Ich finde es sehr schön, wie du sie beschrieben hast und immer wieder auf das Gleichnis mit der Puppe zurückgekommen bist. Auch das Thema hat mich angesprochen - es macht einen wirklich traurig, dass die meisten von uns einem Fremden nicht einmal helfen, wenn wir sehen, dass er oder sie unsere Hilfe benötigt...
Also: Kompliment smile Freu mich schon auf weitere Texte!
Felixx
Erstmal Dankeschön, Pizzi, für die Korrekturen und deine Kritik fröhlich Dann noch ein bisschen zu den Einzelheiten:

Okay, wenn noch einen mehr das mit dem Blick im ersten Satz stört, ändere ich es wohl - aber ich hänge so dran xD
Mit dem anwinkeln/abwinkeln wird gleich bearbeitet.
Hm, gefällt es dir wirklich anders besser? Persönlich mach ich irgendwie, dass zusammenhalten und zusammenziehen genau hintereinander stehen :-/
Wie wäre: "... nicht fühle, vor der Welt in die Einsamkeit fliehen."?
Eher/Lieber ändere ich ich Augenzwinkern
Das mit dem Glück ist so eine Sache, weil Glück ist ja auch das Antonym von Pech, aber ich meine es hier eben nicht so. Fällt dir vielleicht noch ein anderes Wort ein, anstatt Zufriedenheit oder Wohlbefinden? Irgendwas ähnliches?
2x Wohl hab ich schon geändert Augenzwinkern
Hups, meinte natürlich das Logo.
Sessel/Sitz hab ich auch schon geändert.
Ja und zu guter Letzt noch ein schöner Rechtschreibfehler xD

Hm, eigentlich sollte man den Satz schon verstehen?! Meinte im Bus.
Zum Rest: Danke *knuffz*

Liebe Grüße, Lisi
Flying Dream
Also, bis auf den ersten Satz finde ich die Geschichte gut. Tiefgründig, schön & flüssig zu lesen. Aber wie gesagt muss ich den anderen zustimmen bei Satz eins. Augenzwinkern Es hört sich irgendwie seltsam an.
Mir gefällts, dass du Vergleiche einbringst. Aber am besten gefällt mir immer noch, wie du alles rüberbringst. Man versteht es richtig gut & kann sich auch hineinversetzen.
Also, toller Text - weiter so! Augenzwinkern
Felixx
Danke Flying Dream! Verbessere den ersten Satz gleich ; )

Liebe Grüße, Lisi