Gefangen (beendet)

nymphy
Zitat:
Original von Hornisse

13

Der Regen prasselte unaufhörlich an das kleine Fenster und Paulas Blick folgt den kleinen Tropfen, die an der Scheibe abperlten. Regen. Wie sehr wünschte sie sich, ihn zu erleben, die kalten Tropfen auf ihrer Haut spüren zu können. In diesen vier Wänden gefangen zu sein, zermürbte nicht mehr nur ihren Geist, sondern begann auch, sich in ihre Seele zu fressen. Sie wusste nicht, wie ihre anfängliche Angst so schnell in Resignation und ?fehlt hier ein Wort ? hatte umschlagen können, aber sie dachte nicht mehr daran, schnell aus dieser Hölle entfliehen zu können. Wie lange kann man einen Menschen von der Außenwelt isolieren, bis er seinen Verstand verliert? Wie lange dauert es, bis man anfängt, Neurosen zu entwickeln, geisteskrank zu werden?
Seit Ian zurück war, hatte er kaum geredet. Nur in der Ecke gesessen, auf den Boden gestarrt und war vor Angst zusammengezuckt, als Paula aus dem Waschraum gekommen war. Wie lange dauert es, bis die menschliche Psyche bricht?
Sie wusste nicht, was sie mit ihm gemacht hatten, aber sie war sich mittlerweile sicher, dass Kor – und er war nicht der Einzige -, sie von Zeit zu Zeit einzeln aus der Zelle holte, um irgendwelche Untersuchungen an ihnen zu machen.
Wenn es stimmte, was Ian sagte, und er nicht halluzinierte, hatten sie ihn in einen Raum geführt und ihm Fragen gestellt. Wozu? Wer waren sie und was hatten sie vor? Was bezweckten sie mit alledem?
Das junge Mädchen zerbrach sich den Kopf, konnte sich aber keinen Reim auf die Dinge machen, die mit ihr und um sie herum geschahen. Sie fühlte sich wie eine Maus in einem Versuchslabor, die weder Einsicht noch Einfluss in und auf das Geschehen hatte, und doch tragender Teil von alledem war. War es das, was hier vor sich ging? Ein Experiment? Waren sie Versuchspersonen?
Paula rappelte sich auf und ging durch den Raum. Ihre Knochen und Glieder schmerzten vom Rumsitzen, von der Bewegungslosigkeit seltsames Wort.. wie wäre es mit aufgrund mangelnder Bewegung, der sie hier drin ausgeliefert waren. Das grelle Licht machte Paula müde, aber sie war zu angespannt, um ruhen zu können.


Klingt gut. Wirft Fragen auf und man möchte weiter lesen.
Druckluft
Zitat:
Original von nymphy
Zitat:
Original von Hornisse


Paula rappelte sich auf und ging durch den Raum. Ihre Knochen und Glieder schmerzten vom Rumsitzen, von der Bewegungslosigkeit seltsames Wort.. wie wäre es mit aufgrund mangelnder Bewegung, der sie hier drin ausgeliefert waren. Das grelle Licht machte Paula müde, aber sie war zu angespannt, um ruhen zu können.


Klingt gut. Wirft Fragen auf und man möchte weiter lesen.


Stimme nymphy da zu, allerdings weiß ich nicht, ob ich es wirklich in 'mangelnde Bewegung' umändern würde;
ich glaub das würd dann etwas anderes ausdrücken.
Finde da Bewegungslosigkeit ganz gut, vielleicht auch was mit Regungslosigkeit? Wobei mir das dann doch wieder zu extrem erscheint.

Lg
Anna1985
Hm an sich eine ganz schöne Geschichte. Dein Schreibstil ist ziemlich gut zu lesen, flüssig, gute Wortwahl und keine Rechtschreibfehler. Soweit ist das ja ganz gut.

Allerdings zieht sich für mich die Geschichte etwas in die Länge, ohne wirklich voranzukommen.
.smartness
Freu mich schon auf den nächsten Teil smile
Hornisse
14

Rastlos lief Ian durch den Raum. Es war mitten in der Nacht, aber er hatte Angst vor dem Schlafen; Angst vor den Bildern, die ihn heimsuchen könnten, Angst, vielleicht Gewissheit zu erfahren, der zu sein, vor dem es ihm so sehr grauste. Er, ein Verbrecher. Ein Mörder.
Ian schwitzte und seine Kleidung klebte an seinem feuchten Körper. Er war ausgelaugt, jede Bewegung schien ihn vor Schmerz zu zerreißen, seinen Kopf zum Platzen zu bringen, aber alle körperliche Pein war besser, als die seelische, die über ihn kommen würde, wenn er sich hinsetzen und ruhen würde.
„Wer bin ich, Kor?!“, schrie er und seine Stimmbänder brannten. „Was habt ihr mit mir gemacht?“ Er erwartete keine Antwort. Wusste, dass Kor ihn wahrscheinlich sogar hören konnte, höchstwahrscheinlich sogar die Antworten auf all seine Fragen hatte, aber er erwartete nicht, dass er ihm helfen würde. Dann hätte er es schon längst getan.
„Du bist ein Schwein!“, brüllte Ian und schlug mit seiner Faust gegen die kalte Spiegelwand, die unbeeindruckt in der Wand ruhte. „Ein verdammtes Arschloch!“
Ian drehte sich um und ging wieder einige Schritte in die andere Richtung. Das Pochen seines Pulses und seine inneren Aggressionen machten ihn verrückt.
„Wenn es noch mal so einen scheiß Wunschtag gibt, wünsche ich mir einen beschissenen Boxsack!“, hörte er sich in die Leere des Raumes hinausschreien. „Hörst du das? Ich würde dir gern dermaßen…“
Ian stockte. Das Licht hinter der Spiegelscheibe war angegangen und er fuhr herum. Kors Visage widerte ihn an, aber er musste ihn ansehen, ihm in die Augen sehen, um diesen dreckigen Mistkerl…
Sein Herz machte einen Aussetzer. Als er es begriff, wurde ihm plötzlich eiskalt und heiß gleichzeitig und er stolperte am ganzen Körper bebend einige Schritte zurück.
Hinter der Scheibe stand nicht Kor. Hinter der Scheibe stand Lukes Nachbar. Steve. Der, aus seinen Träumen. Ians Kehle schnürte sich schlagartig zu und kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn.
„Das… das ist nicht möglich!“ Ian hatte Probleme, sich auf den Beinen zu halten. „Das ist ein verdammter Traum, das kann nicht…“
„Nichts ist nur ein Traum, Ian!“ Steves Stimme war grässlich kalt. „Du wünschst dir, nur in einem grässlichen Albtraum gefangen zu sein, aber ich kann dir sagen, so ist es nicht. Es ist schlimmer, viel schlimmer, denn aus Träumen wacht man wieder auf!“
Steve lachte höhnisch und sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Erst jetzt sah Ian die klaffende Wunde an seiner rechten Schädelhälfte, aus der dunkelrotes Blut sickerte.
„Du bist nicht echt!“, wollte er brüllen, aber durch seine zugeschnürte Kehle brachte er nur ein jämmerliches Flüstern heraus. „Ich bilde mir das alles nur ein, du bist…“
„Ja, wer bin ich, Ian? Erinnerst du dich an mich? Denk scharf nach! Wo hast du mich schon mal gesehen?!“
„Das ist verrückt!“
Ian wich einige Schritte zurück und erstarrte, als er auf harten Widerstand traf. Erst nach einer Sekunde begriff er, dass es nur die kalte Tür war, gegen die er rückwärts getaumelt war. Er besann sich, riss die Tür auf, die ihm plötzlich wie ein Ausweg aus all seinen Strapazen schien und stürzte in den Raum, in dem er Paula schlafend zurückgelassen hatte.
„Ian?“ Das Mädchen saß noch immer an der Wand und wischte sich benommen den Schlaf aus den Augen. „Was ist los?“
„Paula!“ Ian stürzte auf sie zu, packte sie an den Oberarmen und riss sie hoch. „Paula, da ist jemand… aus meinen Träumen, da ist, ich mein…“
„Bist du bescheuert?!“ Paula riss sich grob los und starrte den jungen Mann hasserfüllt an. Was war passiert? Ian sah aus, als währe jegliches Blut aus seinem Körper gewichen. Sein Gesicht war kreidebleich und seine Gliedmaßen zitterten wie Espenlaub. Seine Hände und sein Gesicht waren schweißnass und er schien fast zu hyperventilieren.
„Da ist jemand hinter der Spiegelscheibe, Paula! Ein Mann aus meinen Träumen, er hat eine riesige Verletzung am…“
Das junge Mädchen warf Ian einen vielsagenden Blick zu und öffnete kurzerhand die Tür in den zweiten Raum.
„Ich wette, du hast sie nicht mehr alle.“
Ian blieb im Raum mit der Pritsche zurück. Keine zehn Pferde würden ihn mehr in das andere Zimmer zurück kriegen. Sein Herz raste und er drückte sich mit dem Rücken gegen die geflieste Wand, seinen Blick starr auf die Tür gehaftet, die sich in diesem Moment öffnete. Er war auf alles gefasst, nicht aber auf Paulas gelangweilten Blick, der ihm sagte, dass sie einzig und alleine darüber verärgert war, dass er sie aufgeweckt hatte.
„Da ist überhaupt niemand! Du bist bestimmt geschlafwandelt oder so… Weck mich nicht noch mal wegen…“
„Paula… Paula, du musst…, ach, scheiße!“
Ian warf einen Blick durch die geöffnete Tür, aber er wusste, dass Steve verschwunden sein würde. Die Scheibe würde abgedunkelt sein, so wie eh und je und er musste sich tatsächlich fragen, ob er Wahnvorstellungen hatte.
Ian zitterte, als er die Tür wieder hinter sich zufallen ließ. Psychopath. Er war nichts weiter als ein gestörter Psychopath.

Kor stand im Abgedunkelten und blickte dem Mann hinterher. Seine zitternden Hände ballten sich zu Fäusten. Wie lange würden sie noch durchhalten? Er tat dies alles nur in bester Absicht, wollte nur helfen; seinen Job machen. Zweifel, tief verborgen in seinem Unterbewusstsein, kämpften sich in seinen Verstand. War das die Lösung? War dieses wirklich der richtige Weg?
Jenne
maaan, mach weiter! du kannst ruhig mal öfter Teile on stellen, ich dachte, die Geschichte ist eh schon komplett....wir warten uns hier einen ab.. großes Grinsen

weiter bitte!
Hornisse
Zitat:
Original von Jenne
maaan, mach weiter! du kannst ruhig mal öfter Teile on stellen, ich dachte, die Geschichte ist eh schon komplett....wir warten uns hier einen ab.. großes Grinsen

weiter bitte!


o.O
Ich stelle die Geschichte aber nicht ausschließlich für die Belustigung der GB-Teilnehmer ein, weil ich so nett bin (dnan kauft euch ein Buch Augenzwinkern ), sondern eigentlich auch, weil ich Kritik an den einzelnen Teilen wünsche, und wenn ich alle Teile schnell hintereinander reinstellen würde, würde diese nicht erfolgen.
Ich warte so lange mit den einzelnen Teilen, weil ich hoffe, dass noch Kritik und Anmerkungen zu dem jeweils letzten kommen, das ist der einzige Grund. Und wenn halt nix kommt, dauert es länger smile
Druckluft
Oh Mann, am liebsten würd ich jetzt direkt weiter lesen-
das ist aber auch sooo gemein Augenzwinkern

Erst fesselst du uns und dann ist der Teil vorbei Zunge raus
Augenzwinkern
Hornisse
15

„Es hat einfach nicht länger warten können.“
Luke sah seinen Nachbarn fragend an. Wusste er, wie spät es war? Was konnte so wichtig sein, dass…
„Kannst du kurz mitkommen? Es dauert nicht lange, ich möchte dir nur kurz etwas zeigen.“
Luke atmete tief durch und seufzte. Na gut.
„Ich bin gleich wieder da“, hörte er sich zu seiner Frau sagen, als er sich den dunklen Schurwollmantel überwarf. „Nur eine Minute.“
Dann folgte er Steve in die klirrende Kälte. Es schneite noch immer und feine weiße Flocken setzten sich in der Wolle seines Mantels fest, während er sich bemühte, mit seinen neuen Stiefeln nicht durch den allerhöchsten Schnee zu stapfen. Die Nacht war dunkel und trotz des Schnees erstaunlich klar. Luke fröstelte und klappte den Kragen seines Mantels hoch, als Steve plötzlich stehen blieb.
„Es tut mir Leid, Luke“, sagte er und seine Worte wurden vom eisigen Wind davon getragen. „Es tut mir wirklich Leid.“
Ein eisiger Schauer lief Luke über den Rücken. Irgendetwas in der Stimme seines Nachbarn war anders als gewöhnlich. Irgendetwas stimmte nicht. Es war verrückt, aber plötzlich verspürte er eine unheimliche Angst in sich aufsteigen. Eine Gestalt huschte vorbei, aber er nahm sie nur aus dem Augenwinkel wahr. Die kalten Schneeflocken schienen sich in sein Gesicht zu brennen und Steve trat einige Schritte auf ihn zu.
„Luke, hör zu…“ Plötzlich griff sein Nachbar nach seinem Oberarm. Luke wehrte ihn grob ab, während er einen Schritt zurück wich.
„Fass mich nicht an!“
Was war mit ihm los? Er konnte es sich selbst nicht erklären. „Was willst, du Steve?! Wieso holst du mich mitten in der Nacht aus meinem Haus?“
„Du musst jetzt gut zuhören.“ Steve atmete tief durch und schien sich unauffällig flüchtig umzusehen.
„Pass auf, mir ist das zu blöd, ich werde jetzt wieder nach Hause gehen. Meine Frau wartet sicher schon und…“
„Nein!“ Steves Augen weiteten sich. „Nein, Luke, das geht auf gar keinen Fall. Ich muss dir…“
„Bleib von mir fern!“ Lukes Herz raste und obwohl er nicht wusste, woher seine plötzliche Angst kam, hatte er seinen ganzen Körper auf Verteidigung eingestellt.
„Es ist wichtig. Du darfst jetzt nicht ausrasten…“

Ian riss die Augen auf und schnellte hoch. Er war klitschnass geschwitzt und sein Herz hämmerte gegen seine Rippen. Er schmeckte Blut und realisierte erst nach einigen Sekunden, dass es aus seiner Nase lief.
„Paula?!“
Ian setzte sich auf die Kante der Pritsche, während er annahm, vor Kopfschmerzen ohnmächtig zu werden und das hellrote Blut aus seiner Nase tropfte auf die perfekt weißen Fliesen des Fußbodens.
„Paula?!“
Er zitterte am ganzen Körper. Seine Kopfschmerzen drohten, ihn um den Verstand zu bringen. Es fühlte sich an, als hätte jemand sein Gehirn in einen Schraubstock eingespannt und würde diesen gemächlich aber stetig enger drehen, bis es endgültig platzte und dieses ganze Horrorszenario endlich vorbei war. Ihm war schon fast egal, was danach kommen würde, seinetwegen konnte er sterben, hauptsache dieser Albtraum hatte endlich ein Ende.
„Verdammt Paula, wo bist du?!“ Seine Stimme war entsetzlich schwach.
Ian stand auf und der ganze Raum schien sich zu drehen. Er fasste sich an seinen Kopf und spürte, dass kleines, weiches Haar nachgewachsen war. Er hatte also keine Glatze. Sie hatten ihm den Kopf rasiert. Warum?
Der junge Mann schleppte sich zur Tür und stemmte sich gegen diese. Für einen Moment befürchtete er, sie würde verschlossen sein und Panik machte sich in seiner Magengrube breit, aber dann gab das Metall quietschend nach.
„Paula?“
Der Raum war leer.
Wo war sie? Was würde er machen, wenn sie verschwunden war? Ian eilte über die glatten Fliesen zur Tür des Waschraumes und musste sich bemühen, das Gleichgewicht zu halten, die Zähne vor Schmerzen zusammenbeißend. Er riss die Tür auf und Paula drehte sich erschrocken zu ihm um.
„Zum Glück!“ Ian atmete erleichtert durch. „Ich dachte, du wärst verschwunden.“
„Wo soll ich schon sein?“ Paula sah ihn skeptisch an. Ihre nassen Haare klebten in ihrem Gesicht.
„Lass uns doch zusammenbleiben.“ Ian ging nicht auf ihre Frage ein.
„Ach Ian, du pennst doch den ganzen Tag!“ Das Mädchen nahm ein T-Shirt vom Wäschestapel und reichte es ihm. „Hier, zieh dich mal um, das müsste groß genug für dich sein. Du stinkst fürchterlich.“
Ian reagierte nicht. Der Schraubstock um seinen Kopf spannte sich enger und Paulas Gesicht verzerrte sich.
„Was soll das heißen, ich schlafe den ganzen Tag?“
„Woher sollte ich wissen, ob du überhaupt noch mal aufwachst? Du pennst schon seit bestimmt zehn Stunden!“
Paula schnaubte und drückte Ian das Shirt in die Hand. Als sie seinen Blick sah, hielt sie inne. „Was ist denn los?“
„Diese Träume, Paula.“ Er musste sich am Waschbecken abstützen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. „Sie bringen mich um.“
„Ian, das sind nur Träume.“ Paulas abschätziger Blick sagte mehr als tausend Worte und das Schlimmste war, dass er sie verstehen konnte. Ja, er würde genauso reagieren. Nur verdammte Träume. Und er war ein kranker Irrer.
„Und wenn nicht?“ Seine Stimme wurde lauter, was sofort mit einem noch heftigeren Stechen in seinem Kopf quittiert wurde. Ob sie ihm was gaben, das diese Kopfschmerzen auslösten? Wozu? Er fragte sich, wie seine Mitgefangene angesichts ihrer Situation so ruhig bleiben und sich über Kleidung Gedanken machen konnte. Wieso schien nur er den Verstand zu verlieren? Was war mit ihm los?
„Du steigerst dich da in was rein. Vergiss das und lass uns mal lieber Gedanken darüber machen, wie wir hier rauskommen.“
„Wir kommen hier nicht raus. Das ist ein beschissenes Gefängnis ohne Ausgang!“ Ian fragte sich, wie lange er sich noch auf den Beinen halten konnte. Der Raum begann sich vor seinen Augen zu drehen und grotesk zu verzerren und er fühlte sich, als hätte er eine halbe Falsche Wodka intus.
„Es gibt für jedes Problem eine Lösung“, entschied Paula und er wurde fast aggressiv angesichts ihrer Sorglosigkeit. War sie so blind?
„Wie kann dir das alles so egal sein?“ Ian gab seine Haltung auf und ließ sich auf die kalten Fliesen sinken. Der Presslufthammer in seinem Kopf wurde immer unerbittlicher.
„Und wie kannst du dich so in deine verdammten Träume reinsteigern? Ich glaube nicht, dass sie uns hier drinnen abkratzen lassen wollen, das wäre ja völlig sinnlos. Wir müssen uns halt gedulden!“
„Die haben dir doch irgendwas gegeben…“ Er krächzte.
„Was?“ Sie konnte Ians Stimme kaum verstehen.
„Die haben dir irgendwas gegeben, damit du ruhig bist und alles so hinnimmst!“
„So ein Schwachsinn! Deine scheiß Verschwörungstheorien, ich habe bald genug davon!“
Paula warf Ian einen verachtenden Blick zu.
„Ich habe darauf jedenfalls keinen Bock. Du machst einen ja verrückt. Ich gehe jetzt, vielleicht taucht Kor ja bald mal wieder auf und lässt was verläuten. Im Gegensatz zu dir ist mir der fast noch sympathisch!“
Paula drehte sich um und verschwand durch die Eisentür, die hinter ihr zuknallte. Ians Flehen hörte sie nicht mehr. Aber es war auch egal. Ihm war alles egal, wenn nur diese Schmerzen aufhören würden. Er krümmte sich auf den Fliesen zusammen wie ein Embryo und blieb dann regungslos liegen. Sterben. Er wünschte sich nichts weiter, als zu sterben und dem allen zu entfliehen.
Hidalgo
Schön, dass es endlich einen neuen teil gibt!
Er ist weder super gelungen, bin seeehr gespannt, wie es weitergeh!
Glg
theroorback
In den Kapiteln aus Anette von Droste-Hülshoffs "Judenbuchen", die auf Projekt Gutenberg archiviert sind, kommt ein Fragezeichen auf ca. 900 andere Zeichen, in deinem Text besteht ein Verhältnis von 1 zu ca. 249.
Hornisse
Zitat:
Original von theroorback
In den Kapiteln aus Anette von Droste-Hülshoffs "Judenbuchen", die auf Projekt Gutenberg archiviert sind, kommt ein Fragezeichen auf ca. 900 andere Zeichen, in deinem Text besteht ein Verhältnis von 1 zu ca. 249.


Mist, dabei hab ich mir so viel Mühe gegeben das Zeichenverhältnis von Judenbuche zu kopieren!!


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Vorletztes Kapitel:


16

„Es ist wichtig. Du darfst jetzt nicht ausrasten…“
Lukes Adrenalinspiegel stieg und als Steve noch einen Schritt näher kam, schubste er ihn grob zurück.
„Luke! Ich will dir…“
Luke stieß seinen Nachbarn erneut von sich weg und war erschrocken über die Kraft seines Stoßes. Steve verlor das Gleichgewicht und für den Bruchteil einer Sekunde schien die Zeit angehalten zu haben. Die Angst aus Lukes Gliedern war gewichen. Er fühlte sich sicher, ja, fast geborgen. Die ganze Szenerie erschien ihm auf einmal völlig irreal. Er spürte weder die Eiseskälte noch erschien ihm seine panische Angst wirklich, die bis eben sein Handeln bestimmt hatte.
Dann drangen die Schallwellen an sein Ohr und das fürchterliche Geräusch zerberstender Knochen riss ihn aus seiner Trance.
„Steve?“ Lukes Augen weiteten sich und sein Körper schien nicht fähig, ihm zu gehorchen, als er begriff, was er getan hatte.
„Steve!!“
Der Schnee um die Stelle, auf der Lukes Nachbar mit dem Kopf aufgeschlagen war, färbte sich dunkelrot. Steve hatte die Augen weit aufgerissen und sein Arm war schrecklich nach hinten verdreht.
Alles verschwamm vor seinen Augen und Lukes Kreislauf drohte zu versagen. Was hatte er getan?!
Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, aber dann gehorchten ihm seine Glieder endlich wieder und er fiel zu seinem reglosen Nachbarn auf die Knie.
„Steve, kannst du mich hören?“ Was zum Teufel hatte er getan? Lukes Körper bebte. Mit zitternden Händen drehte er Steve auf die Seite. Der Anblick seines aufgeschlagenen Kopfes verschlug ihm den Atem, und er wusste, dass ihn diese Bilder von nun an in seinen Träumen verfolgen würden.
„Scheiße, Steve!!“
Luke starrte auf seine blutverschmierten Hände und das Bild schien sich auf seine Netzhaut zu brennen.
„Steve!“
Dann plötzlich war alles still. Er spürte den dumpfen Schmerz kaum, als er auf den Boden aufschlug und die ihn empfangende erlösende Dunkelheit das Bild seiner blutigen Hände aus seinem Kopf radierte.

-

„Kor?“ Die Stimme des Mädchens klang ängstlich und ungewohnt zurückhaltend. „Bist du da?“ Sie hatte gehofft, er wäre es. Hatte gehofft, der Mann, der ihre einzige Verbindung zur Außenwelt war, würde das Licht hinter dem Einwegspiegel anknipsen, sein vernarbtes Standardgesicht zeigen und mit ihr reden. Es war ihr fast egal, was er sagte, aber er musste einfach mit ihr sprechen. Es war aussichtslos. Ian war zu nichts und wieder nichts zu gebrauchen, verhaderte sich in Wahnvorstellungen, während sie auf sich allein gestellt war. Kor musste der Schlüssel sein. Er war ihre einzige Möglichkeit, irgendetwas zu erfahren und selbst wenn er sie nur dumm anstarrte und hämisch grinste, war es besser, als tagelang auf die weißen Fliesen um sie herum zu starren, die sie wahnsinnig machten.
„Kor, ich muss mit dir reden!“ Nichts. Sie sollte mittlerweile wissen, dass Kor dann erschien, wenn es ihm passte und ihnen zuliebe erst einmal gar nichts tat. Sie hatten keinen Einfluss auf ihn, konnten nur hoffen, dass er von alleine irgendwann wieder auftauchen wollte. Solange musste sie warten.
Paula lehnte sich gegen die Wand und schloss die Augen, um sie von dem schonungslos aufdringlichen Weiß des Raumes abzuschirmen. Insgeheim hoffte sie, es würden sich irgendwelche Bilder in ihrem Gehirn manifestieren, irgendwelche Hinweise und seien es nur Bruchstücke, die sie zu ihrer Identität führen konnten. Sie hasste es, ein Nichts zu sein. Sie wusste, dass es Erinnerungen geben musste, irgendwo tief in ihr drin, die sich nur versteckt hielten und diese Tatsache des so Dichten und doch nicht Erreichbaren machte sie wahnsinnig. Es war, als läge ihr alles auf der Zunge und würde ihr gleich wieder einfallen, aber sie fand den Zugang nicht. Der Schlüssel fehlte.
Was war sie für ein Mensch? Was hatte sie für Interessen? War sie jemand, der gerne las und malte oder war sie aktiv und sportlich? Ob sie viele Freunde hatte und auf Partys und in Discos ging? Hatte sie einen Freund? Was wäre wenn…
„Paula!“
Paulas Herz stockte und als sie die Augen öffnete sah sie, dass ihre Vorstellung, Ian ginge es so schlecht, dass er bald das Höchstmaß aller Leiden erreicht hatte, vom Anblick des jungen Mannes jäh übertroffen wurde. Ian zitterte und schwitzte am ganzen Körper. Seine Augen waren panisch aufgerissen, so wie sie es noch nie gesehen hatte und in seinem Gesicht spiegelte sich die pure Panik wider. Der junge Mann griff nach ihrem Oberarm, wie um sich an ihr festzuhalten und Paula merkte, dass er tatsächlich bedrohlich schwankte. Seine Finger krallten sich in ihre Oberarme.
„Ian! Ian, was ist?!“
Ian reagierte nicht auf ihre Frage, schwankte nur noch stärker und sah sich panisch um, als hätte er Angst, verfolgt zu werden und sie befürchtete, dass er starkes Fieber hatte.
„Hey, was ist mit dir los, verdammt?!“
„Paula, dieser Mann aus meinen Träumen… Es sind keine Träume, Paula. Sie sind Realität, es ist wirklich geschehen, ich weiß…“
„Beruhig dich mal!“ Paula schob Ian ein Stück von sich weg und sah im in die Augen. „Was zur Hölle ist passiert?“
„Ich habe ihn umgebracht, Paula. Ich habe es ganz deutlich gesehen. Er ist auf einen Stein gefallen und… es war doch keine Absicht! Luke hat… ich habe…“
„Ian, wer ist Luke?“
Ian schaute hoch und seine Augen weiteten sich. Für einen Moment konnte Paula nicht einschätzen, ob er losschreien oder zusammenbrechen würde, aber dann schien er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder einen klaren Gedanken zu formulieren.
„Ich bin Luke. Luke ist ich. Er hat seinen Nachbar umgebracht. Ich bin ein Mörder, Paula.“

-

Kor wusste, dass es Zeit war, sich zu zeigen. Es konnte nicht länger so weitergehen und er musste endlich etwas Aufklärung in die Sache bringen. Es würde nicht mehr lange dauern, dann war es zu spät und mindestens einer von beiden würde völlig den Verstand verloren haben. Ians Visionen machten ihm Sorgen, mehr als er sich zuerst eingestehen wollte und mehr, als er je vermutet hatte. Er wusste, dass es zu großen Problem kommen könnte – nein, würde. Es war kaum mehr abzuwenden und er konnte das Unheil nur noch eindämmen, aber es war Zeit, dass er was tat. Kor fuhr sich durch die Haare und schluckte einmal trocken, dann tippte er auf den kleinen weißen Schalter und der kleine Raum, in dem er sich befand, wurde in helles Neonlicht getaucht.

„Kor!“ Ian war auf den Fliesen zusammengebrochen und Paula, die sich zu ihm niedergekniet hatte, fuhr ruckartig herum, als sie die Veränderung der Spiegelung im Augenwinkel wahrnahm.
„Kor, endlich! Verdammt, wir müssen mit dir reden. Wo warst du so lange?“
„Hallo erstmal. Wie ich sehe…“
„Was siehst du?“ Ians Augen verengten sich zu Schlitzen und Kor war nicht zum ersten Mal froh darüber, dass er sich hinter einer bruchsicheren Scheibe befand. So geschwächt der Mann auch war, würde er auf ihn losgehen, ihn wahrscheinlich umbringen, wenn er die Möglichkeit dazu haben würde, darüber machte Kor sich keine Illusionen.
„Ich brauche ein verdammtes Schmerzmittel!“ Ians Stimme klang trotz seiner Ausdrucksweise schwach und brüchig. „Diese Kopfschmerzen, woher kommen die? Was gebt ihr mir, dass…“
„Machs wie Paula, Ian, und beruhig dich. Weißt du was für ein Tag heute ist?“
„Es interessiert mich einen Scheißdreck, was für ein beschissener…“
„Heute ist Donnerstag, Ian. Donnerstag ist Infotag. Es wird Zeit, ein bisschen Licht in die Sache zu bringen, das sehe ich ein und wenn du dich beruhigst…“
„Ich soll mich beruhigen? Ich soll mich verdammt noch mal beruhigen?!“ Ian versuchte aufzustehen und sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, dann brach er wieder zusammen.
„Ich bin ein Mörder, stimmts? Ich weiß nicht, warum ihr mich Ian nennt. Mein Name ist Luke. Mein Name ist Lukas Kahrio, Doktor Lukas Kahrio und ich habe meinen Nachbarn getötet. Sag mir, dass das wahr ist. Sag mir nur, dass ich damit richtig liege und nicht meinen beschissenen Verstand verloren habe!“
Kor sah zu Ian hinab, der auf den weißen Fliesen kauerte und nickte schwach.
„Ja, Ian. Dein Name sollte Doktor Lukas Kahrio sein, du solltest Wissenschaftler sein, und deine sogenannten Träume sind Erinnerungen, die du nicht haben dürftest.“
theroorback
Zitat:
Original von Hornisse
Mist, dabei hab ich mir so viel Mühe gegeben das Zeichenverhältnis von Judenbuche zu kopieren!!

Deine Protagonisten fragen andauernd! Nicht nur diese rhetorischen Fragen, sondern gernell! Die fragen und fragen und fragen. Künstlich, leblos, hirnlos, Brot.
Hornisse
Zitat:
Original von theroorback
Zitat:
Original von Hornisse
Mist, dabei hab ich mir so viel Mühe gegeben das Zeichenverhältnis von Judenbuche zu kopieren!!

Deine Protagonisten fragen andauernd! Nicht nur diese rhetorischen Fragen, sondern gernell! Die fragen und fragen und fragen. Künstlich, leblos, hirnlos, Brot.


Mein Kopf wäre auch voller Fragen, wenn ich in ihrer Situation wäre unglücklich
Aber ich verstehe, was du meinst, und sehe das auch als großen Schwachpunkt der Geschichte an.
heidefuerstin
Tolle Story; alles in einem Ruck gelesen... Geht es noch weiter?
Hornisse
Achja, irgendwo liegt auch noch das Ende rum hier, danke für die Erinnerung, hab die Veröffentlichung hier völlig verdrängt.

Also hier das letzte Kapitel, ihr werdet es wohl hassen, aber Rückmeldung höre ich trotzdem oder grade dann immer ganz gerne, würd mich also freuen.
Und nächstes Mal erinnert mich einfach früher und sorry smile



17

Kor erwartete, dass Ian etwas sagen würde, irgendetwas entgegnen würde und sei es nur ein weiterer Fluch, aber er schwieg und starrte auf die Fliesen als würde er sie durch bloße Gedankenkraft zum Zerspringen bringen wollen.
„Was macht ihr für eine Scheiße mit uns!?“
Paula, die noch eben so schweigsam und fügsam gewesen war, ballte die Hände zu Fäusten. „Wieso sind wir hier eingesperrt? Wo sind wir überhaupt?“
„Es ist alles nicht so einfach, Paula. Ich würde vorschlagen, wir machen das in Ruhe. Du setzt dich erst einmal hin und…“
Paula ließ sich hart auf die Erde fallen. Sie wirke wie ein beleidigter Teenager, der seinen Willen nicht bekommen hatte und nun schmollte. Kors Blick streifte Ian, der fürchterliche Schmerzen zu haben schien. Er jammerte nicht mehr, aber Kor hatte Angst, dass das nicht unbedingt ein gutes Zeichen war. Wie lange würde er noch bereit sein, zu kämpfen? Wann würde er sich aufgeben?
„Ich halluziniere, oder?“ Es war entsetzlich, wie schwach seine Stimme war. „Ich bilde mir Sachen ein, die nicht da sind. Ich habe Steve gesehen, hier im Raum, hinter dieser Scheibe…“
„Ich weiß, dass ihr derzeit einiges nicht versteht. Es geht dir grade nicht so gut und…“
„Es geht ihm nicht so gut?! Mensch Kor, Ian braucht einen Arzt, der stirbt uns hier noch weg!“ Paula war wieder aufgebrachter und Kor war innerlich froh darüber. Ihre teilnahmslose Apathie war nicht auszuhalten gewesen. Er musste dringend mit Francis sprechen.
„Es wird kein Arzt kommen und ich glaube, das wisst ihr auch. Ian, wärst du bereit, mit uns zu reden?“
„Was soll ich euch denn erzählen, ich habe doch schon alles…“
„Du siehst doch selbst, dass es mit dir so nicht weitergehen kann. Du machst mir Sorgen und ich will probieren, es im Guten zu versuchen.“
„Im Guten?!“ Ian hob seinen Kopf und seine kalten Augen schienen durch Kor hindurchzustarren. Er biss seine Zähne zusammen, dann richtete er sich auf und kam den einen Schritt auf die Scheibe zu.
„Im Guten?! Willst du mich eigentlich verarschen? Ich glaub du hast nicht den blassesten Schimmer, was du für einen Scheiß redest!“ Ians Stimme überschlug sich, als er gegen die Scheibe trat.
„Ich hasse es, dich anzubetteln, aber gib mir was gegen diesen Wahnsinn in meinem Kopf! Ich halte das nicht aus, Kor. Du kannst dir das nicht vorstellen! Weißt du, wie es sich anfühlt wenn…“
Ian stockte und Kor war froh darüber, denn das brüchige Zittern in Ians Schreien ging an seine Substanz. Er war für einen solchen Job einfach nicht gemacht.
„Diese blutigen Hände, Kor! Es ist, als überlagern sie jedes Bild, das mein krankes Hirn sonst noch irgendwie erreicht. Ich kriege sie nicht aus meinem Kopf! Dieses Blut von Steve… Luke… was verdammt wollte Steve und wieso hab ich… wieso habt ihr mich hier eingesperrt?“
„Ich kann dir keine Schmerzmittel geben, aber wir werden dich gleich rausholen und in ein Besprechungszimmer gehen und dann…“
„Lasst uns doch einfach frei, verdammt. Es hat doch keinen Sinn…“
„Ian, beruhig dich und mach’ es nicht noch schlimmer. Setz dich hin und atme tief durch. Es wird nicht sehr lange dauern, höchstens ein, zwei Minuten.“
„Was zur Hölle ist das für ein bescheuertes Spiel hier?“ Ian dachte nicht im Traum daran, sich zu beruhigen. Sein Puls raste und auch wenn Kor wahrscheinlich Recht hatte und er gut daran täte, sich zu schonen, war es ihm schleierhaft, wie er ernsthaft erwarten konnte, dass Ian sich setzen und gemütlich auf sein Ende warten würde.
Die Einwegscheibe verdunkelte sich und Ians Blick fiel auf Paula, die noch immer auf dem Boden saß und paralysiert dreinblickte.
„Was für ein scheiß Experiment ist das?! Ich kann nicht glauben, dass das hier wirklich passiert. Wir träumen nur, oder? Wir sind einfach nur in einem bekloppten Traum gefangen und können nicht aufwachen!“
Er wusste nicht, ob er eine Antwort von Paula erwartet hatte, aber grade als er merkte, dass sie das Bewusstsein verloren hatte, klappten seine Beine zusammen und sein Körper schlug auf den harten Boden auf. Und dann war sie endlich da – die Dunkelheit.

Als Paula wieder aufwachte, brauchte sie einen Moment, sich ihrer Umgebung bewusst zu werden. Was war passiert? Ian, Kor… all das Geschreie und Gezeter. Und Ians Träume. Wer zur Hölle war Dr. Lukas Kahrio? Paula rieb sich die Augen und sah sich um. Als Paula wieder aufwachte, brauchte sie einen Moment, sich ihrer Umgebung bewusst zu werden. Sie saß zusammengesackt und gefesselt auf einem harten Stuhl in einer Art Büroraum. Was war passiert? Ian, Kor… all das Geschreie und Gezeter. Und Ians Träume. Wer zur Hölle war Dr. Lukas Kahrio? Paula sah sich um. Sie hatten sie rausgebracht. Zum ersten Mal, seit der Zeit, der sie sich bewusst war, befand sie sich nicht mehr in dem schrecklich weißen Gefängnis. Sie verspürte eine übermannende Müdigkeit, zwang sich aber, die Augen offen zu behalten. Sie saß an einem Eichentisch – verdammt – woher wusste sie, dass das Eiche war? - und neben ihr saß Ian, der noch benommener zu sein schien, als sie selbst. Sie konnte nicht erkennen, ob er überhaupt bei Bewusstsein war.
Ihre Glieder schmerzten und sie sehnte sich nach einem weichen Bett. Ob sie jemals wieder in einem schlafen würde? Paula seufzte. Was war mit ihr los? Ihr Handeln und ihre Gedanken waren ihr suspekt und auch wenn sie nicht wusste, wer sie war, machten ihre Reaktionen ihr Angst. Wieso war sie so gleichgültig? Wieso scherte sie sich einen Mist um das, was um sie herum geschah, was mit Ian los war, was hier drin passierte? Wieso zum Teufel schien sie all das gar nicht mehr zu berühren? Ein Schutzreflex?
„Was macht ihr bloß mit mir?“ Paula wimmerte und jetzt spürte sie, dass ihr heiße Tränen die Wangen runter liefen. Sie fühlte sich wie ein Häufchen Elend. Wozu hatten sie sie hier hergebracht, in diesen dunklen Raum, der außer den Stühlen und dem Tisch kein weiteres Mobiliar enthielt? Für wen waren die anderen beiden Stühle gedacht, die auf der anderen Seite des Tisches standen? Würde Kor gleich auftauchen? Würde er sie aufklären? Würde sie endlich erfahren, was zum Teufel hier vor sich ging, wo sie war, was der Grund dieses Wahnsinns war und wann endlich man sie freilassen wollte?
Wie lange sollte das noch so weitergehen? Könnte es sein, dass…
In diesem Moment schwang die Tür auf und Kor, dessen Gesicht noch härter und irgendwie sorgenvoller wirkte als sonst und ein weiterer Mann betraten den Raum. Paula versuchte, in Kors Augen zu blicken, aber er schaute nur zu Boden, als würde er ihrem Blick absichtlich ausweichen.
Das junge Mädchen rüttelte an ihren Fesseln.
„Sucht man nach mir, Kor? Ist da draußen irgendwer, der sich Sorgen darum macht, wo ich bin?“ Sie wusste, dass sie keine Antwort zu erwarten hatte. „Wieso habt ihr uns entführt? Wozu das alles?! Etwas, über das ich noch nicht nachgedacht habe?“ Stille. Vielleicht war es das. Nur ein Rätsel nach dem Ausweg wie es sie öfter in Online-Flash-Games gab. Hinweise hier, Hinweise da und irgendwo versteckt in einer alten Vase in einer Bodenluke der Schlüssel zur Tür. Das Bescheuerte war nur, dass es keine Bodenluken gab. Es gab auch keine Vasen oder alte Gemälde, es gab nicht einmal eine verdammte Tür. Es gab überhaupt nichts, nicht den kleinsten Anhaltspunkt. Paula schloss die Augen und atmete tief durch. Sie hasste sich dafür, dass sie über Computerspiele Bescheid wusste, sich aber nicht einmal an ihren Namen erinnern konnte. Verlief eine Amnesie immer auf diese Art und Weise oder war es vielleicht etwas völlig anderes, das sie hier heimsuchte? Hatte sie überhaupt jemals eine Identität gehabt? Paulas Herz krampfte sich unwillkürlich zusammen. Sie war definitiv Teil eines kranken Experiments, so viel hatte sie mittlerweile verstanden. Aber wieso sie? Wozu? Was war in ihrer Vergangenheit passiert, dass man sie…
„Paula, Ian, das ist Steve.“ Kor deutete auf den blonden Mann, der ihm gefolgt war und die beiden setzen sich auf die andere Seite des Tisches. Ian, ihr kennt euch ja schon.“
Ian murmelte etwas, was Paula beim besten Willen nicht verstehen konnte. Es schien ihm unglaublich schwer zu fallen, bei Bewusstsein zu bleiben. Woher sollte ihr Mitgefangener Steve bereits kennen? War er schon einmal hier… Steve! Nannte Ian so nicht den Mann, der ihn in seinen Träumen verfolgte? Paula hustete und hatte das Gefühl, schwerer Luft zu bekommen. Was ging hier vor sich?
„Ich habe euch versprochen, dass heute Redetag ist“, ergriff Kor wieder das Wort, nachdem er kurz gewartet hatte, um sicherzugehen, dass Ian aufnahmefähig genug war. „Ich weiß, dass ihr Fragen habt, die euch innerlich zerreißen und auf die ihr keine Antwort finden könnt, je sehr ihr euch auch den Kopf zermatert. Ja, wer seid ihr?“
Kor schien jetzt durch Paula hindurchzublicken. „Ihr denkt, es kann nichts unerträglicher sein, als die Ungewissheit, die euch Tag und Nacht quält, das Nichtwissen, das euch zermürbt. Ihr wollt Antworten, irgendwelche, und es ist euch egal, wie sie lauten, wenn sie euch doch nur zu irgendeiner Erkenntnis bringen; wenn ihr durch sie endlich verstehen könnt, was ihr hier durchmacht. Ganz egal was es ist, denn ihr denkt, keine Wahrheit kann schlimmer sein, als die ewigen Fragen, die hämmernden Gedanken, die eurer gesamten Denken und Handeln bestimmen.“
Paula nahm as dem Augenwinkel war, wie Ian den Kopf hob und Kor anstarrte.
„Lasst uns gehen“, zischte er kraftlos. Sein ganzer Körper zitterte, als würde er furchtbar frieren, aber Paula wusste, dass das nicht der Grund dafür war. Ian saß dem Mann aus seinen Träumen gegenüber – einem Toten. Es war bemerkenswert, wie er sich zusammenreißen konnte, nicht völlig auszurasten. „Wir haben euch nichts getan!“
„Es geht hier nicht um Schuld oder Rache, Ian, das ging es nie.“
„Wer bist du?“, schrie Ian jetzt den Mann an, den Kor als Steve vorgestellt hatte. Dieser schien ungerührt. „Ich bin Steve, Ian, und ja, ich bin der Steve, den du in deinen Träumen gesehen hast.“
„Mein Nachbar…“
„Das Problem ist, Ian, dass ich nicht dein Nachbar bin. Ich war es auch nie und außer beim letzten Verhör sind wir uns noch nie zuvor begegnet.“
„Was zum…“ Ians Körper bebte und die Adern an seinem Hals traten hervor.
„Es war ein Experiment, Ian, und eines von denen, die schiefgelaufen sind. Man hatte versucht, dir Erinnerungen einzupflanzen, eine Identität zu geben und hat diese Erlebnisse von Dr. Lukas Kahrio – übrigens einer unserer Mitarbeiter, ein sehr fähiger Mann – auf dein Gehirn zu speichern. Wie eine Festplatte, die man beschreibt.“
Kor biss sich auf die Innenseite der Wange und starrte auf den Tisch, während Steve mit seinen Erzählungen fortfuhr.
„Es hat nicht geklappt und du hast nichts davon angenommen. Wolltest nicht Luke sein. Es klappte für kurze Sequenzen, einige Minuten, aber du fielst immer wieder in das Ich von Ian zurück. Das ist jetzt schon zwei Monate her. Aus irgendwelchen absonderlichen Gründen – wir sind dabei, sie zu untersuchen, daher auch einige Experimente, während einem bist du übrigens aufgewacht, denn du reagierst oft nicht, wie geplant und weist viele Anomalien auf – kehren jetzt diese Erinnerungen, die keine sind, als Träume in deinen Kopf zurück.“
„Was soll dieser Scheiß? Warum sind wir hier?!“ Ian wandte sich vor Wut und Hass und versuchte, sich in seinem Stuhl nach oben zu drücken, woran die Eisenketten ihn aber hinderten.
„Du machst uns Sorgen, Ian. Du reagierst ganz anders, als du solltest“, ergriff Kor jetzt wieder das Wort.
„Wer zur Hölle bin ich?!“
Kor atmete tief durch, dann sah er erst Ian, dann Paula in die Augen. „Es gibt etwas, das noch schlimmer und unerträglicher ist, als die Ungewissheit. Ihr werdet euch wünschen, diese Frage nie gestellt zu haben und wahrscheinlich werden wir von unseren Methoden Gebrauch machen, die Informationen, die wir euch heute geben, wieder aus eurem Gedächtnis zu löschen. „Es gibt etwas, was noch schlimmer ist, als die Fragen, und das ist die Wahrheit.“
Kor starrte Ian nun eindringlich an. Dieser bebte am ganzen Körper.
„Wenn ihr mir nicht gleich erzählt, was… Warum zum Teufel können wir uns an nichts erinnern?!“
Kor faltete die Hände, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und dann fing er an, die Geschichte zu erzählen, deren Ende furchtbarer war, als alles bisher Vorgestellte.




edit: eigtl wollte ich das letzte kapitel am stück reinstellen, geht aber nicht, weil der beitrag dann zu lang war. ihr müsst also drei tage warten bis ich wieder antworten kann oder nen Kommentar schreiben, dann stelle ich den letzten Teil umgehend rein
ANN|sophie
Ich kenn die Geschichte^^ Ich hab sie auf einer anderen Community gelesen, da waren noch Bilder dabei, glaube ich^^
Hidalgo
Meensch, du musst dich aber beeilen, ich will endlich das Ende wisen!
Jenne
ha, mit dem Experiment hatte ich dann ja schon mal recht großes Grinsen
Hornisse
wah ihr seid ja schnell großes Grinsen , hab mich fast erschrocken^^

@ annsophie: ja, habe sie in mehrere foren gestellt, kann sein, dass du sie woanders schon gelesen hast



also hier dann das ende, endlich (haha, ich liebe wortwitze heute)



„Es ist einfacher, als ihr denkt. Ihr könnt euch an nichts erinnern, weil es nichts zum Erinnern gibt. Ihr seid hier geboren, Ian.“
„Was laberst du für eine Scheiße?!“
Kor blieb ruhig und wartete einen Moment, bis Ian seine Muskeln wieder entspannt hatte.
„Ihr seid die pausenlose Arbeit, langjähriger Mitarbeiter. – Bemerkt ihr die Wortschöpfung „Pau-la“? Die Frage, wo ihr hier seid, ist am Einfachsten zu beantworten. Wir sind in einem Gebäude der EEEKI. Die EEEKI ist eine wissenschaftliche Einrichtung zur Entdeckung, Erforschung und Entwicklung von künstlicher Intelligenz. Es tut mir Leid, diese Wahrheit ist die Schlimmste, die es für euch geben kann, denn sie übertrifft den Tod und seelische und körperliche Folter um Welten. Ihr seid Robotor, Ian. Ihr habt nie existiert.
Für uns seid ihr die milliardenschwere Frucht jahrzehnte-, fast jahrhundertelanger Arbeit. Ihr seid das exklusive Meisterstück der EEEKI, der Erschaffung perfekter künstlicher Intelligenz - die Erschaffung eines neuen Menschens. Ihr seid Maschinen, Robotor, Computer und alles was ihr erlebt, was ihr denkt, alles was ihr träumt und was ihr fühlt ist so irreal, wie eine optische Täuschung, nur viel ausgereifter. Euch zu verfeinern, wird nur noch Monate dauern.“
Kor atmete tief durch und Paula starrte auf ihre Oberschenkel. Nein. Sie fühlte sich, als würde sie in einer Rüstung aus Eisen stecken, die sich immer enger um sie saugt und ihr die Luft zum Atmen nimmt.
„Nur der letzte Schliff fehlt noch. Ist euch nicht aufgefallen, dass Paula etwas arg gefühllos ist? Ein Mensch wäre das nie. Eure Technologie ist noch nicht perfekt. Was ist mit Essen, Trinken, muss ein Mensch das nicht? Ihr habt seid vier Tagen nichts mehr zu euch genommen und noch nicht einmal das Verlangen danach. Ihr könnt Nahrung verwerten ja. Nur der stetige Instinkt, das auch zu wollen, fehlt euch noch. Ihr habt keine Überlebensreflexe, weil ihr das ja nicht tut – leben. Ihr braucht all diesen menschlichen Unfug nicht. Stoffwechsel – für euch nichts weiter, als ein Anpassungsversuch an die Menschheit, aber nichts von existentiellen Belang.“
Als sich das Puzzle vor ihr zusammenfügte, krampfte ihr Herz sich zusammen und ihr sehnlichster Wunsch, das alles zu verstehen, endlich zu wissen, was hier vor sich ging wich den kalten Metallzangen der Erkenntnis, die sich in ihr Herz bohrten, sofern sie denn eins hatte.
Plötzlich erschien alles so klar zusammenzupassen. Deswegen hatten sie keine Erinnerungen. Diese kalte Forschungsatmosphäre und das Gefühl, wie Versuchsratten eingesperrt zu sein. Paula spürte, wie ihr schwindelig wurde.

Sie waren im Labor entstanden. Quasi aus dem Nichts erschaffen und das Wissen, das sie hatten, wurde über komplizierte Methoden in ihr Gehirn eingepflanzt. Sie hob den Kopf und der Raum schien sich auf einmal zu drehen. Ian hatte Erinnerungen, die er nicht haben durfte. Gar nicht haben konnte, da es nichts zum Erinnern gab.
Paula bekam keine Luft mehr.
Wurden sie deshalb so oft ohnmächtig? Weil sie einfach ausgeschaltet wurden?
Es gab Wunschtage und ähnliches, um ihren Charakter zu erforschen und… und das Essen. Paula wurde plötzlich übel und es schien ein ungeheurer Druck der kalten Angst auf ihrem Magen zu lasten. Es hätte ihr viel früher auffallen müssen. Wie konnte sie so blind gewesen sein? Sie waren seit vier Tagen hier und nur ein Mal hatte es Nahrung gegeben. Aus Freundlichkeit, wie sie vermutet hatten, aber wahrscheinlich einfach nur aus Testzwecken.
Laborversuche, von denen Ian erzählt hatte. Ihre temporäre Unfähigkeit, Gefühle zu empfinden. Kor, der ihre Entwicklung mit Sorge betrachtete, weil er sie trotz ihrer menschlichen Züge wie Maschinen behandeln musste. Es passte alles zusammen, wie ein Puzzle, dessen Teile die ganze Zeit vollständig ausgebreitet nebeneinander gelegen hatten.
Wie hatten sie sie so menschlich wirken lassen können? Wie war es ihnen gelungen, all die kleinen Merkmale, die Haut und die… Paula stockte. Konnte es sein, dass nur sie selbst sich so menschengleich wahrnahmen? Dass es den Wissenschaftlern gelungen war, dass sie sich selbst als Menschen sahen und erlebten? Sahen sie vielleicht für einen außenstehenden Beobachter einfach nur aus wie Roboter? Paula kratzte sich mit ihrem Fingernagel eine tiefe Furche in die Haut ihrer Hand, bis es schmerzte. War das alles gar nicht echt? Bildete sie sich das alles nur ein und war selbst ihre Einbildung irreal, da sie so etwas als unmenschliches Wesen gar nicht empfinden konnte? Alles am Computer entstanden? Ihr ganzes Gesicht, ihre helle Haut mit den Sommerprossen, ihre Haare. Haare. Bei Ian musste etwas schiefgelaufen sein, dass sie bei ihm keine Haare wahrnahmen. Sie programmierten weiter herum, sodass sie jetzt langsam erschienen.
„Aber was war mit der Mascara am ersten Tag? Was ist mit Ians Wunde und den…“
„Alles Versuche, euch menschlicher erscheinen zu lassen. Es musste so perfekt wie möglich sein, um euch die Rolle zu erleichtern. Hier ist nichts dem Zufall überlassen, Paula, nichts. Und was Ians sogenannte Wunde angeht… ist euch gar nicht aufgefallen, dass sie überhaupt nicht heilt?“
„Wer bist du Kor, wer bist du, dass du zu so etwas fähig bist?“ Ians Augen wirkten tot und starrten in die Leere.
„Ich bin mitarbeitender Wissenschaftler hier und die Experimentierungen mit euch sind mein Job. Ich bin dafür verantwortlich, euch Tag und Nacht zu beobachten, alles zu dokumentieren, jedes noch so unwichtig erscheinendes Detail. Natürlich tue ich das nicht alleine, sondern habe mehrere Helfer, aber ich allein bin derjenige, der sich euch zeigen darf und der für die Kommunikation zuständig ist. Ich bin KOR, und KOR steht für Kontrollierender Observierer der Roboter. Steve hier ist einer der Psychologen, die für die Befragungen zuständig sind, bei dir unter anderem, um herauszufinden, an wie viel aus Lukes Leben du dich erinnerst – achja, und woher natürlich deine Kopfschmerzen kommen. Gegen die wir dir übrigens keine Tabletten geben können, weil du auf Aspirin natürlich nicht ansprechen würdest. Es tut mir Leid, Ian. Es tut mir fast wirklich Leid.“
Ian hatte den Blick gesenkt und wirkte nun mehr denn je, wie ein lebloser Körper.
„Wie viele noch?“, fragte er. „Wie viele habt ihr erschaffen?“
„Von denen auf eurem Level, ihr seid auf Level N, dem derzeit höchsten – acht. Es gibt viele Weitere mehr, Zwischenversuche, Ausschuss, Veraltete. Ihr aber seid die Führenden Acht, die 8N. Nur noch wenige Monate, und wir können an die Öffentl…“
„Wofür steht „Ian“?“
„Was?“
„Wenn hier nichts Zufall ist und jeder eurer beschissenen Namen eine Abkürzung ist, wofür steht dann „Ian“?“
Kor atmete tief durch. Es schien ihm schwerzufallen, Ian zu eröffnen, dass sein Name, der ihm doch so viel menschliches gab, eine Schlichte Zahlen-Buchstaben-Kombination war.
„Eins N.“
„Was?“
„Du bist der am weitesten Entwickelte der 8N. I – für die römische Ziffer Eins und an für das N. I-an.“
Ian senkte den Blick und für einen Moment war er nicht in der Lage, etwas zu fühlen.
„Das ist verrückt.“
„Es grenzt an Genialität. Wisst ihr, was für Möglichkeiten unsere Forschung der Menschheit eröffnet? Eure Gefühle sind so leicht zu regulieren und ihr könnt nicht einmal sterben, ihr seid nicht verwundbar. Denkt nur mal daran, was ihr für das Militär bedeuten würdet. Er seid perfekt, man kann euch alles einpflanzen, alles Wissen, das ist wie bei Matrix. Ihr könntet die perfekten Ärzte sein, unglaubliche Genies – oder einfach nur Helfer auf der Straße. Die Möglichkeiten sind endlos... und wisst ihr, was es für all die Religionen und Philosophien dieser Welt bedeuten würde, wenn es uns tatsächliche gelinge, euch nicht unterscheidbar von einem natürlichen Menschen zu machen? Es wäre der Beweis, dass es keine Seele gäbe – dass der Mensch alleine durch Programmierung fühlen und empfinden kann. Es wäre…"
Ian hörte schon gar nicht mehr zu. Er zitterte nicht mehr. Allein sein Brustkorb hob und senkte sich beim Atmen. Er würde nicht länger darüber grübeln, was für ein Mensch er war, ob er gut war, oder schlecht, was für Vorlieben und Abneigungen er hatte, ob er Fußball spielen konnte oder Künstler war.
Eine Maschine. Nur ein verdammter Versuch künstlicher Intelligenz, die zu menschlich geworden war. Er existierte gar nicht. Hatte es nie. Und alles was ihm an ihm je menschlich vorgekommen war, war das geniale Werk eines Wahnsinnigen gewesen, dem es gelungen war, im Labor Gefühle zu erschaffen. Gefangen in einem Körper, gefangen in einem Geist, der keiner war.