Vielen lieben Dank für eure Kommis und die Vorschläge. Werde zu gegebener Zeit (wenn der Rohentwurf soweit fertig ist, ein paar Kapitel fehlen noch) alles durchgehen und es einarbeiten, auf jeden Fall

Ihr helft mir sehr!
Hier das nächste Kapitel. Mir selbst gefällts nicht, finde es eines der Schwächsten:
5
Ian machte Anstalten, das Mädchen in seine Arme zu schließen und da Paula einfach nur wie versteinert da stand, ließ sie es mit sich geschehen.
Sie erwartete, dass der junge Mann etwas sagen würde, irgendeine Erklärung abgeben, aber als er einfach nur schwieg und sie festhielt, schlang auch Paula ihre dünnen Arme um ihn.
Es tat gut, Ian zu berühren, auch wenn sie den Gedanken an sich befremdlich fand. Sie kannte ihn doch gar nicht.
Es hatte so etwas lebendiges, ja fast befreiendes an sich, einen anderen Menschen zu fühlen. Ihre Finger krallten sich in seinen weichen Pullover und als sie seinen Geruch einatmete, wusste sie, dass er kein Traum, keine Illusion war. Er roch, wie ein Mensch riechen musste, so normal, so angenehm, so frei.
„Ian“, schluchzte sie, halb vorwurfsvoll, halb erleichtert, als er sie losließ. „Wo warst du?“
„Ich war… hier“, gab er zurück, zögernd, irgendwie fragend.
„Nein, warst du nicht.“ Paula weinte schon wieder. „Sag mir sofort, wo du warst!“
Ian stockte.
„Ich… weiß es nicht. Ich kann mich an nichts erinnern.“
„Was soll das heißen, du kannst dich an nichts erinnern?!“ Paula war merkte, wie Wut in ihr aufstieg.
Ian schien zu überlegen.
„Ich habe mich an die Wand gelehnt, als du in den Waschraum gegangen bist. Mehr weiß ich nicht. Ich muss geschlafen haben, aber als ich aufwachte, lag ich auf der Pritsche.
„Du lagst nicht auf der Pritsche!“, fuhr Paula ihn an und klang ruppiger als gewollt. „Ich war bis eben in dem Raum, und du warst weg. Weg. Wie vom Erdboden verschluckt, einfach nicht mehr da, verschwunden aus einem Raum ohne Ausgang.
Ian schwieg eine Zeit lang und zusammen gingen sie in den mittleren Raum und ließen sich auf den kahlen Boden fallen.
„Er muss mich rausgeholt haben“, sagte er dann und schaute Paula in die Augen. „Er hat gewartet, bis du den Raum verlässt, hat mich bewusstlos gemacht und mich irgendwie rausgeholt.“
„Also gibt es eine Tür.“ Paula schnaubte verächtlich. „Und wieso sollte er dich rausholen, nur um dich später wieder hier einzusperren wie ein Stück Vieh, ohne dass du dich an was erinnerst?“
Sie meinte hören zu können, wie die Gedanken im Kopf des Mannes ratterten, doch ihm fiel keine plausible Erklärung ein.
„Vielleicht hat er mich meinen Angehörigen gezeigt, um zu demonstrieren, dass ich noch lebe“, meinte er, aber Paula merkte, dass es nur ein jämmerlicher Versuch der Erklärung war und Ian keinesfalls davon überzeugt war, dass es wirklich so sein konnte.
„Ich weiß es nicht, Paula. Aber je mehr Zeit vergeht, desto sicherer weiß ich, dass wir hier raus müssen. So schnell wie möglich.“
Paula schnaubte und auch wenn Ian ihr Leid tat, konnte sie ihren Zynismus nicht zurückhalten.
„Ach was. Super, dass du dahinter gekommen bist. Das sind ja vollkommen neue Erkenntnisse!“
„Paula. Ich weiß nicht, was er mit uns macht, aber es gefällt mir nicht.“
„Es gefällt dir nicht? Was bist du für ein…“
In dieser Sekunde ging das Licht hinter dem Einwegspiegel an und Paula hielt inne.
Obwohl sie wusste, dass er erscheinen würde, erschrak sie, als sie in Kors hartes Gesicht blickte.
„Wie ich sehe, freundet ihr euch an“, stellte dieser ungerührt fest. „Gute Idee, vielleicht die beste, die ihr heute hattet.“
„Was willst du?“ Ian schrie und sprang auf. „Lass uns hier raus, du hast kein Recht…“
Paula war mehr als überrascht von Ians Ausbruch. Was war mit ihm geschehen, dass seine resignierte Stimmung so umgeschlagen war?
Kor lächelte ruhig.
„Los Ian, lass es raus – wenn es dir hilft…“
Ian rannte auf Kor zu und schlug gegen die Scheibe, sodass Paula für einen Moment dachte, sie würde zerbrechen.
„Was bist du für ein Scheißkerl, dass du uns hier einsperrst?!“ Ians Kopf war hochrot geworden und seine Stimme bebte.
„Ian, das sind ja ganz neue Ausdrücke.“ Kor tat entsetzt, war aber unbeeindruckt. „Ich schlage vor, du machst es wie Paula, und regst dich wieder ab und setzt dich hin. Ich habe euch was zu erzählen.“
Ian schlug so heftig gegen das Glas, dass Paula vermutete, seine Hand würde brechen. Sie war sich sicher, noch nie so einen wut- und hasserfüllten Menschen gesehen zu haben. Er hätte Kor umgebracht, wenn es eine Chance gegeben hätte. Was war los mit dem eingeschüchterten, apathischen Mann von einigen Stunden zuvor?
Ian ging einige Schritte zurück und ballte die Hände zu Fäusten.
Paula wusste, dass er ebenso gespannt auf Kors Ansage war, wie sie. So lange hatten sie gewartet, dass der Mann hinter der Scheibe wieder was von sich hören ließ. Nun, als es die Möglichkeit dafür gab, würde Ian sich zusammenreißen und ihn zu Wort kommen lassen, auch wenn es ihm gegen den Strich ging.
„Ihr habt doppeltes Glück“, frohlockte Kor, als Ian einigermaßen zur Ruhe gekommen war.
„Heute ist Montag. Das bedeutet nicht nur, dass es Essen gibt – Schnitzel mit Gemüse, man könnte glatt neidisch werden – es bedeutet auch, dass Wunschtag ist.“
Sofort schossen wieder tausende Gedanken durch Paulas Gehirn. Was war ein ‚Wunschtag’? Essen. Es würde Essen geben. Sie würden nicht verhungern. Vorerst. Was sollte heißen, montags gibt es Essen. An anderen Tagen nicht? Wie lange nicht? Wie würde er ihnen die Nahrung zukommen lassen, welchen Geheimgang gab es in den Raum? Würde er sie rausholen? Was war, wenn das Schnitzel vergiftet war?
Kors kalte Stimme durchbrach die Gedanken des Mädchens.
„Ein bisschen mehr Freude bitte“, sagte er, gespielt gekränkt. „Man könnte ja meinen, es interessiert euch gar nicht. Ian, was ist dein Wunsch?“
Ian, der seine Hände noch immer zu Fäusten verkrampft hatte, starrte Kor nun in die Augen. Als er schwieg, wiederholte Kor seine Frage.
„Was ist heute dein sehnlichster Wunsch, Ian?“
„Ich will hier raus!!“ Ian schrie und es war nicht zu übersehen, dass er sich zusammenreißen musste, um nicht wieder auf Kor loszugehen.
Kor stand noch immer kerzengrade hinter der Scheibe, die Arme verschränkt, frei von jeglicher Emotion.
„Klar. Sowas gibt es nicht. Ian, es ist dein erster Wunschtag, deswegen bin ich gnädig. Du hast noch eine Chance. Ich lese dir die Wunsch-Regeln vor.“
Kor kramte ein Blatt Papier aus seiner hinteren Hosentasche, faltete es auf und begann, zu lesen.
„Punkt 1: Wünsche, die auf jedwede Weise zu Ausbruch, Freilassung oder zum Kontakt mit der Außenwelt führen können, werden nicht gestattet.
Punkt 2: Wünsche, die zu Verletzung jedweder Personen führen können, werden nicht gestattet.
Punkt 3: Wünsche nach Informationen jedweder Art werden nicht gestattet.
Punkt 4: Wird ein auf Grund von Punkt 1 – 3 nicht zu gestattender Wunsch gestellt, wird dieser abgelehnt, ein zweiter Wunsch ist nicht möglich.“
Kor faltete das Papier sorgfältig zusammen und steckte es weg.
„Was soll dieser Scheiß?“, brüllte Ian, unfähig sich zusammenzureißen. „Was spielst du für ein beschissenes Spiel?“
„Ich finde es grade relativ spaßig“, gab Kor zu. „Ian, ich bin ja kein Unmensch. Du hast die Chance auf einen zweiten Wunsch. Ausnahmsweise, weil ich so…“
„Steck dir deinen zweiten Wunsch in den Arsch“, keifte Ian. Dann wand er sich ab und ging in den anderen Raum, Kor nicht weiter beachtend.
Diesen schien das nicht zu kümmern.
„Paula, dein Wunsch? Da du jetzt die Regeln kennst, gibt es nur einen.“
Was sollte das alles? Paula dachte mehr denn je, zu träumen. Wie surreal war diese ganze Wunschgeschichte eigentlich? Was bezweckte ihr Entführer damit? Gab es eine Chance, den richtigen Wunsch zu stellen? Einen Wunsch, der den Regeln entsprach und trotzdem zum Entkommen führte? Wie sah dieser Wunsch aus?
Das Mädchen wusste, dass sie so schnell nicht darauf kommen würde. Sie hatte nur eine Chance und auch wenn sie nicht wusste, warum, war ihr diese wichtig. Sie beschloss, sich nicht so zu verhalten, wie Ian. Vielleicht konnte sie sich irgendwie mit Kor gutstellen, ihm sympathisch erscheinen, so dass er sie mochte.
Aber was war ihr Wunsch?
„Klamotten“, sagte sie kurz entschlossen, als sie an sich hinab sah. „Ich brauche Anziehsachen zum Wechseln.“
Sie wusste nicht, wie sie auf den Gedanken kam und als sie ihn ausgesprochen hatte, kam er ihr unmöglich vor. Sie war eingesperrt, entführt, vielleicht stand ihr Folter oder schlimmeres bevor, vielleicht würde sie nicht einmal die nächsten Stunden überleben und sie wünschte sich… Klamotten? Was für eine Art Mensch war sie?
Kor nickte.
„Irgendwelche besonderen Wünsche?“
„Die ganze Palette“, hörte das Mädchen sich verlangen. „Was du finden kannst.“
„Ballkleider und Highheels?“ Kor schien amüsiert und Paula hasste ihn dafür. Hasste auch sich für diesen unmöglichen Wunsch. Sie hatte eine Chance gehabt. Eine richtige Chance. Und sie wusste, dass sie keine zweite kriegen würde.
Sie sah dem Tod ins Auge und hatte sich Klamotten gewünscht.