Original von .sibilla.x3
Vampire küssen besser
» Ich freue mich schon total auf die Klassenfahrt! «, schmatzte Amelie, während sie sich einen großen Löffel voller Erdbeeren in den Mund stopfte.
Ich hab es zwar selber gerade erst heraus gefunden beziehungsweise mir anglesen, aber das hindert mich nicht daran, es dir zu erklären: Was ist das wichtige am ersten Satz? Eigentlich liegt die Antwort auf der Hand: Ein literaturinteressierter Teenie steht in der Bücherhandlung, sieht sich eine Weile um, entdeckt dein Buch dank eines auffallenden Covers, nimmt es in die Hand und ... ja, was machen die meisten dann?: Sie schlagen es auf - entweder irgendwo mittendrin, dann können wir sie so und so nicht beeinflußen, oder aber ganz vorne, beim ersten Kapitel auf der ersten Seite, beim ersten Satz. Und damit wären wir dort, wo wir hin wollten: Der erste Satz entscheidet über Leben und Tod. Der erste Satz muss so viele Fragen aufwerfen, dass der Teenie aus dem Buchladen gespannt weiterliest und es nicht mehr zusammenbringt, das Buch beiseite zu legen. Eine sehr gute Methode ist dabei, den Satz mit kuriosem Inhalt zu füllen, zum Beispiel: Da nahm er die Axt und spaltet wutentbrand den Kopf zu seinen Füßen. Bei diesem Satz bekommt der durchschnitts Leser einen kleinen Herzinfakt und genau diese "Oh mein Gott, warum schlägt der auf einen Kopf ein? Was ist das nur für ein Mensch? Wessen Schädel wird gerade gespalten?"-Gedanken sind deine Chance! Damit hast du den Leser an dein Buch gefesselt, weil er versuchen wird, eine zufriedenstellende Antwort zu bekommen. Natürlich muss der Protagonist deines Buches keinem Menschen den Kopf einschlagen, aber vielleicht hatte er auf einen Holzscheit geteilt, den er zuvor bei einer Gelegenheit mit einem Gesicht versehen hatte? Oder es war nur ein Traum? Vielleicht schaut dein erster Satz aber auch ganz anders aus, ist aber genau so spannend. Wichtig ist: Der erste Satz muss den Leser mit Fragen überfluten, Fragen, auf die er unbedingt eine Antwort haben will. Am besten beantwortest du aber nicht gleich alle im nächsten Satz, sonst verheizt du gleich zu Beginn jede Spannung ohne vorher mit Fragen nachgelegt zu haben. Am besten lässt du den Leser beispielsweise erfahren, dass es nur ein Holzscheit war, der da zersplittert, aber nicht, warum die Person solch eine Wut hat. Du könntest aber zahlreiche kleinere oder größere Anspielungen einbauen, die einen noch neugieriger machen.
Zusammengefasst: Der erste Satz sollte strotzen vor Fragen und Neugier erweckenden Details. Und dieses Kriterium erfüllt dein erster Satz einfach nicht. Als ich ihn gelesen habe, dachte ich nur: "Ja und? Irgendwer spricht von einer Klassenfahrt - was juckts mich?"
Zu dem mit den Erbeeren: Ich würde nur "einen Löffel Erbeeren" schreiben oder "einen Löffel Erbeereis". Möglich wäre natürlich auch "einen Löffel voll Erbeeren" aber das hört sich in meinen Ohr einfach seltsam an und das "voll" trägt weder zu besserem Verständnis noch zu einer detailierteren Darstellung bei. Folglich kannst du es genau so gut weg lassen.
Jakob nickte zustimmend. » Sei aber auf alles gefasst, Herzchen. «, murmelte er mit vollem Mund vor sich hin und lachte danach trocken.
Hier happert es ein wenig an der Logik: Zuerst hat er noch den ganzen Mund voller Eis und einen Moment später lacht er bereits trocken? Dass funktioniert nicht. Außerdem sollte man bei Dialogen dahingehend sehr sparsam sein, als dass jede Zeile eine Existenzberechtigung braucht, das heißt: Wenn sich nichts zur Handlung beiträgt oder einem den Charakter dahinter ein Stück weiter offenbart, sollte sie schlicht weg gestrichen werden. Hier habe ich nicht das Gefühl, dass irgendetwas davon der Fall ist. Okay, ihr Satz informiert den Leser, dass sie wegfahren werden. Aber seiner? So, wie er da steht, könnte er von jeder x-beliebigen Person sein, ist nicht sonderlich lustig und treibt auch nicht die Handlung voran. Das "Herzchen" teilt einem lediglich mit, dass die beiden mit hoher Wahrscheinlichkeit zusammen sind, aber geht das nicht auch schonungsvoller?
Mona verdrehte nur die Augen, während sie gedankenverloren in ihrem Eis rührte.
Falls der vorangegangene Satz lustig sein sollte, stellt sich mir unweigerlich die Frage: Wenn nicht einmal die Personen in der Geschichte das ganze lustig finden, wie soll ich das dann? So etwas klappt vielleicht am Ende einer sehr überzeugenden Geschichte, dass der Leser genau weiß, wie die Person das meint und seinen Humor kennt und einfach über den Witz lacht, auch wenn das die Leute im Buch nicht tun. Aber nicht wenn man gerade erst in die Handlung eingeführt wird!
Als zweites muss ich nach anmerken, dass auch hier die Logik sich zurückhält: Gerade sagte sie, wie sehr sie sich schon freut, dann, vielleicht drei Sekunden später, ist sie genervt, wenn ihr Freund eine so harmlose Ankündigung macht? Und dann, binnen eines Bruchteils einer Sekunde, ist sie schon wieder mit den Gedanken ganz wo anders, richtiggehend "in ihnen versunken"? Das hört sich nicht sonderlich schlüssig an.
Ihre Blicke wanderten im Eis herum, danach auf Claudia, welche nun hereinkam und ein Tablett voller Plätzchen in einer Hand hielt. In der anderen Hand hatte sie das Haustelefon.
Claudia reichte Mona das Haustelefon herüber und stellte die Plätzchen mitten auf den hellbraunen Holztisch, welcher nun etwas wackelte.
Sie reicht ihr wortlos das Haustelefon? Sagt sie gar nichts? Zum Beispiel wer dran ist? Oder "führ dich"? Vielleicht schlicht weg "Telefon!"? Wenn sie wirklich - aus Gewohnheit - nichts sagt, solltest du das auch hinschreiben. Sonst hat der Leser das Gefühl, du hast es einfach vergessen, oder wartet sehnsüchtig auf eine Anmerkung Claudias. Und wenn sie schon kein Wort über den Anruf verliert, würde sie vielleicht den Freund begrüßen oder ihm auch nur ein freundliches Lächeln zuwerfen. Spielt die Szene mal im Kopf durch: Also bei mir erweckt sie den Eindruck, dass Claudia den Freund nicht leiden kann und sich gerade mit Mona zerstritten hat.
Dann verwendest du gleich zwei Wörter (nun und Plätzchen), die schon im vorigen Satz zu finden sind, und vermittelst dem Leser den Eindruck, dass dein Wortschatz nicht der größte ist. Nicht sonderlich positiv.
Dieses "mitten" hört sich seltsam an. Ich persönlich erwarte das Wort nur dann, wenn die Person, die etwas hinlegt bzw hinstellt, es so auffällig wie möglich machen will, weil es sich zum Beispiel um ein Thema handelt, dass sie endlich geklärt haben möchte. Oder aber der Tisch ist so überladen, dass sie es mitten auf irgendetwas anderes drauf stellt. Ansonsten wirkt das Wort für mich sehr unpassend und unüberlegt.
Dann wartete sie, bis ihre Tochter fertig mit telefonieren war, und nahm ihr das Haustelefon ab. Anschließend verschwand sie.
"mit telefonieren" ist umgangssprachlich. Es heißt: "mit dem Telefonieren". Außerdem wird "Telefonieren" hier als Nomen verwendet und ist somit großzuschreiben.
Auch hier wieder: Redet sie gar nichts? Steht sie wirklich nur da und schaut in Luft? Kommt mir sehr komisch vor.
Und falls das Telefonat wichtig ist - was ist hoffe - solltest du zumindestens Gesprächsfetzen einbauen. Da die Neugier ihrer Freunde in der nächsten Zeile groß ist, musst du den Leser das nach
Fragende Blicke von Amelie und Jakob durchlöcherten Mona. » Wer war es? «, wollte Amelie wissen. » Was wollte derjenige? «, ließ Jakob nicht locker.
Zuerst einmal: Bis jetzt weiß er Leser gar nicht, dass dort noch jemand sitzt! Man wird richtiggehend überrumpelt und die Vorstellung muss komplett umgekrempelt werden. Wenn so etwas nicht beabsichtig ist, wird es unweigerlich zu einem Graus für den Leser!
Als nächstes: Würde Amelie wirklich „Wer war es?“ sagen? Es ist ein etwas spezielle Formulierung, die ich mir vom durchschnitts Teenie nicht erwarte. Genau so das „derjenige“ von Jakob.
Dann noch: „nicht locker lassen“ heißt, man versucht jemandem ein Geheimnis zu entlocken, und beharrt weiterhin darauf es zu erfahren, auch wenn diejenige bereits beteuert hat, es nicht zu sagen. Hier passt das Verb aber nicht, weil es sein erster Versuch ist.
Mona seufzte, begann dann aber zu erzählen: » Es war die Freundin meines Vaters. Ihr wisst ja, dass meine Eltern getrennt leben und mein Vater eine neue Freundin hat. Und mit der wollte er mich mal besuchen kommen, doch … « Mona stockte, denn sie fühlte ihre brennenden Tränen hinter den Augen.
Kein normaler Mensch, erzählt eine Geschichte, die eh schon jeder kennt! Wenn die Freunde von der Trennung ihrer Eltern so und so schon wissen, warum sagt sie das noch mal? Für den Leser, schon klar, aber das ist keine zulässige Entschuldigung! Außerdem klingt es nicht wirklich realistisch formuliert.
Amelie, die rechts neben ihr saß, klopfte ihr auf die Schulter und flüsterte: » Behalte es für dich. Erzähle es mir nur, wenn du es willst. Aber du musst es nicht. «
Ob Amelie links oder rechts neben ihr saß, ist vollkommen uninteressant, es sei denn, du kommst später noch einmal darauf zurück, weil es plötzlich wichtig wird.
Des weiteren: Ich kenne Amelie nicht, aber du hoffentlich. Sag, ist sie wirklich nicht auch nur ein kleines Bisschen neugierig? Oder unterdrückt sie ihre Neugier? Wenn zweiteres der Fall ist, sollte das auch angedeutet werden!
Jakob, der stumm einen Keks aß, strich Mona über die Haare und lächelte sie an, doch Mona war gerade gar nicht nach Lächeln zumute. Stattdessen kullerten viele Tränen über ihr Gesicht und sie nahm sich auch einen Keks.
“Viele Tränen” klingt nicht gut. Ich würde es irgendwie umformulieren.
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