Die Orgie (Sehrkurzgeschichte)

Knopfloch
(Mit Dank an Buffy für den ersten Satz)


    Die Orgie

    Der Vater sagte: "Hallo." Und dann kam die Mutter ins Zimmer. Da musste er direkt nochmal "Hallo" sagen, denn das erste "Hallo" hatte nicht der Mutter, die zu diesem Zeitpunkt eben noch nicht das Zimmer betreten, sondern gerade im Begriff, die Tür zu öffnen, gewesen war, hatte, gegolten, sondern seiner und ihrer Tochter. Auch die Mutter sagte "Hallo", und die Tochter ebenfalls, somit hatten alle anwesenden Personen paarweise und jeweils gegenseitig einander begrüßt.
    Doch schon hörte man draußen erneut Schritte, es waren - nicht schwer zu hören - die des Bruders der Tochter, bzw. des Sohnes des Vaters und der Mutter. Und erneut öffnete sich die Tür, und erwähnter Sohn bzw. Bruder, er sei kurz als die jüngste Person männlichen Geschlechts im Haus bezeichnet, betrat den Raum mit einem an alle gerichteten "Hallo!"
    "Hallo", erwiderte die Tochter, und erwiderte auch der Vater, und ja, erwiderte sogar die Mutter, obgleich sie nicht sicher gewesen war, ob er tatsächlich vorgehabt hatte, sie mit einzuschließen, als er ein allgemeingültiges "Hallo" in Richtung der Anwesenden geworfen hatte.
    Während sie sich so begrüßt hatten, war es allmählich spät geworden im Hause der Familie der anwesenden Personen, für die Kinder gar bereits Zeit sich ins Bett zu begeben. "Gute Nacht", sagte die Tochter zu ihrer Mutter. "Gute Nacht", antwortete diese wie aus der Pistole geschossen. "Gute Nacht", wünschte ihr auch der Vater, was sie gekonnt mit einem ihm geltenden "Gute Nacht" konterte. "Gute Nacht" sagte nun auch die jüngste anwesende Person männlichen Geschlechts zur nächstälteren und zugleich ältesten anwesenden Person männlichen und allerlei Geschlechts - die Mutter war nämlich zwei Jahre jünger - und bekam ein entsprechendes "Gute Nacht" als Antwort zu hören. Seine Mutter antwortete ebenfalls mit "Gute Nacht", denn diesmal war sie sicher gewesen, dass sein "Gute Nacht" auch ihr gegolten hatte, womit sie falsch lag, weshalb sie noch ein - nach ihrem Verständnis also zweites - "Gute Nacht" ihres Sohnes als Antwort bekam. Bruder und Schwester sagten sich nicht gute Nacht, die Eltern gegenseitig sowieso nicht, denn sie schliefen im selben Bett. Sie links, an der Wandseite, er rechts, an der Tür-Seite. Er stand morgens früher auf als sie, dies war also durchaus aus pragmatischen Gründen so eingerichtet, oder zumindest - man kann nun als Außenstehender nicht sagen, was es letztlich war - hätte man dies als Grund ansehen können, auch wenn vielleicht eigentlich etwas anderes Grund dafür war.
    Im Fernsehen lief heute nichts, darum schauten die Eltern noch zweieinhalb Stunden fern, ehe sie, sich dabei, wie oben bereits begründet, nicht "Gute Nacht" wünschend, aus dem Wohnzimmer ins Schlafzimmer aufbrachen, das im selben Haus ein Stockwerk oberhalb des Wohnzimmers situiert und durch eine Treppe erreichbar war.
    Es wurde eine ruhige Nacht, und der nächste Morgen deckte mit seinem Nebel auch einen Schleier der Verdrängung über das Bewusstsein der Alltagssituation der hier betrachteten Familie.
Blümchen
Der letzte Satz verrät die Kernaussage, das gefällt mir nicht. Ansonsten gefällts mir eigentlich, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass du genau wie in der ersten Zeile noch ein paar einfache, kurgebundene Sätze verwendet hättest. Das hätte dann auch den einfach gestrikten Alltag der Familie unterstrichen.

Also an sich find ichs nicht schlecht, auch wenn man durch das Chaos manchmal nicht ganz so schnell durchsteigt.
Luca
Wenn Thomas Mann das lesen könnte!
Knopfloch
Dankeschön Blümchen, deine Kritik hat mir sehr geholfen! fröhlich
Wo ich so drüber nachdenke geb ich dir Recht bezüglich des letzten Satzes. Das mit den kurzen Sätzen ist auch ne gute Anregung smile


Luca, wie meinstn das? verwirrt verwirrt


Würde mich freuen wenn ich noch ein paar Meinungen und Anregungen bekäme! fröhlich
Thevan
Zitat:
Original von Knopfloch
Luca, wie meinstn das? verwirrt verwirrt


Thomas Mann ist der König der langen Schachtelsätze. an deinem Text hätte er seine helle Freude *lach*
Knopfloch
Ahhh, deswegen!
Ich hatte schon gedacht es sollte eine Anspielung auf die Parallelen zu den Buddenbrocks sein...
Felixx
Wahnsinn. Echt toll. Wenn mir morgen beim 3. Mal lesen noch was auffällt, melde ich mich nochmal. Aber bisher hats mich umgehauen. Einfach eine super Idee, wie ich finde.
PS: Ich liebe Schachtelsätze! (mein Deutschlehrer leider weniger...)

Liebe Grüße, Lisi
ShivaChewy
Zitat:
Da musste er direkt nochmal "Hallo" sagen, denn das erste "Hallo" hatte nicht der Mutter, die zu diesem Zeitpunkt eben noch nicht das Zimmer betreten, sondern gerade im Begriff, die Tür zu öffnen, gewesen war, hatte, gegolten, sondern seiner und ihrer Tochter. Auch die Mutter sagte "Hallo", und die Tochter ebenfalls, somit hatten alle anwesenden Personen paarweise und jeweils gegenseitig einander begrüßt.


Der Satz kommt mir ein bisschen komisch vor...irgendwie ist da ein "hatte" zu viel? Oder habe ich da was falsch verstanden?

Da musste er direkt nochmal "Hallo" sagen, denn das erste "Hallo" hatte nicht der Mutter, die zu diesem Zeitpunkt eben noch nicht das Zimmer betreten, sondern gerade im Begriff, die Tür zu öffnen, gewesen war, hatte, gegolten, sondern seiner und ihrer Tochter. Auch die Mutter sagte "Hallo", und die Tochter ebenfalls, somit hatten alle anwesenden Personen paarweise und jeweils gegenseitig einander begrüßt.

Sonst aber einfach GENIAL!
theroorback
"[...]die zu diesem Zeitpunkt eben noch nicht das Zimmer betreten[...]hatte[...]"
Knopfloch
Zitat:
Original von BlackTear
Zitat:
Im Fernsehen lief heute nichts, darum schauten die Eltern noch zweieinhalb Stunden fern

Ich verstehe nicht, was du damit ausdrücken möchtest :<

Schade! unglücklich

Danke an alle smile
Rinanet
Ich muss sagen: Sehr gelungen.
Es ist eine gute (spontane?) Idee, die du gekonnt ausgearbeitet hast. Ich bin kein allgemeiner "Schachtelsatzfreak", aber hier passen solche Sätze einfach perfekt.
Dadurch dass du mit kurzen prägnanten Sätzen angefangen hast zieht sich eine schöne Steigerung durch den Text, was die Satzlänge angeht. Das macht mir als Leser irgendwie richtig Freude ^^
Leider muss auch ich sagen, dass der letzte Satz völlig aus dem Konzept fällt. Er verrät die Kernaussage, die sich aber im Kopf des Lesers während des Lesens bereits entwickelt haben sollte und vielleicht auch erst nach mehrmaligem Lesen völlig ausgereift gewesen wäre. So nimmst du dem Leser diese Chance.
Außerdem passt der letzt Satz allein von der Formulierung und vom Stil nicht in den Text. Er ist verschachtelt, aber passt nicht mehr in die Steigerung, weil die Satzlänge zurückgegangen ist. Du könntest ihn einfach weglassen.
Wenn du ihn vom Text trennen möchtest, so den Schlussstrich und dein Fazit ziehen möchtest werfe vom Stil her einen Bogen zum Anfang, damit es wieder rund ist. Der Text will das was aussagen, dem Leser etwas zeigen, oder? Wenn du es unbedingt selbst noch mal genannt haben und dort stehen haben willst, dann in einen oder zwei kurzen und prägnanten Sätzen. Hau es dem Leser an den Kopf - wie der erste Satz. Mit "Schleier" und "Nebel" kommt das Verstehen des Lesers von selbst - durch den Aufbau des Textes mit langen und schwierigen Sätzen bei dem es meist etwas dauert bis man die Aussage erkennt - das muss man meiner Meinung nach nicht noch mal schreiben.

Noch mal an Lob an dich: Lass dich nicht von der Masse an Geschriebenen von mir irritieren. Es gefällt mir gut fröhlich

Rina
Quarkbällchen
Geil! großes Grinsen
Echt gut geworden. smile
Nightingale
Gefällt durchaus, ich mag Schachtelsätze! smile Wobei einige Sätze/Abschnitte ein wenig irritierend sind, es lässt sich aber gut lesen. fröhlich

MfG;
Nightingale
Esperanca
Zitat:
Original von Rinanet
Ich muss sagen: Sehr gelungen.
Es ist eine gute (spontane?) Idee, die du gekonnt ausgearbeitet hast. Ich bin kein allgemeiner "Schachtelsatzfreak", aber hier passen solche Sätze einfach perfekt.
Dadurch dass du mit kurzen prägnanten Sätzen angefangen hast zieht sich eine schöne Steigerung durch den Text, was die Satzlänge angeht. Das macht mir als Leser irgendwie richtig Freude ^^
Leider muss auch ich sagen, dass der letzte Satz völlig aus dem Konzept fällt. Er verrät die Kernaussage, die sich aber im Kopf des Lesers während des Lesens bereits entwickelt haben sollte und vielleicht auch erst nach mehrmaligem Lesen völlig ausgereift gewesen wäre. So nimmst du dem Leser diese Chance.
Außerdem passt der letzt Satz allein von der Formulierung und vom Stil nicht in den Text. Er ist verschachtelt, aber passt nicht mehr in die Steigerung, weil die Satzlänge zurückgegangen ist. Du könntest ihn einfach weglassen.
Wenn du ihn vom Text trennen möchtest, so den Schlussstrich und dein Fazit ziehen möchtest werfe vom Stil her einen Bogen zum Anfang, damit es wieder rund ist. Der Text will das was aussagen, dem Leser etwas zeigen, oder? Wenn du es unbedingt selbst noch mal genannt haben und dort stehen haben willst, dann in einen oder zwei kurzen und prägnanten Sätzen. Hau es dem Leser an den Kopf - wie der erste Satz. Mit "Schleier" und "Nebel" kommt das Verstehen des Lesers von selbst - durch den Aufbau des Textes mit langen und schwierigen Sätzen bei dem es meist etwas dauert bis man die Aussage erkennt - das muss man meiner Meinung nach nicht noch mal schreiben.


Meine Meinung. smile