Cookiemaus
Der Wind bauscht die strahlend weißen Vorhänge kräftig auf, sodass sie zärtlich das Gesicht des Jungen streifen, der in Gedanken versunken auf dem Bett liegt. „Wieso tun sie mir so was an?“, fragt er sich immer wieder und schüttelt jedes Mal den Kopf. „Du bist ein hübscher und lieber Junge“, lobt ihm die alte Dame aus dem Altenheim immer wieder, wenn er ihr beim Einkaufen tragen hilft. Aber wieso sehen es die anderen nicht so?
Der Junge, sein Name ist Juan, richtet sich in seinem Bett auf und schiebt genervt den Vorhang beiseite. „.... Sage niemals, dass Regentage hässlich sind. Es sind die einzigsten Tage, an denen man mit erhobenem Kopf weinen kann“, zitiert er aus deiner geliebten Sprüchebox, die er seit Jahren mit den verschiedensten Sprüchen und Zitaten füllte.
Vor seinem Fenster hängen schon seit vielen Tagen dicke, pechschwarze Wolken, aus denen gelegentlich ein starker Regen herausbricht. „Diese Wolken.. sind genau wie ich..“, murmelt Juan gedankenlos und streicht sich eine Träne aus dem Gesicht. „Von außen sehen sie hart und gefühllos aus, doch in ihrem Innern sind sie weich und wässrig..“
Er seufzte und presste aus lauter Verzweiflung sein Kissen ins Gesicht. „So ungerecht..“
Erst heute hatten sie ihn wieder mit dem Kopf in die Toilette gepresst, ihm seinen geliebten Pferdeschwanz abgeschnitten und mit Schimpfworten so niedergemacht, dass er weinend davon gelaufen war. Es war jeden Tag das Gleiche, dabei hatte er ihnen nie etwas getan. Das Ganze ging nun schon seit zwei Jahren so, Tag für Tag.
„Kann ich die Schule wechseln?“, diese Frage hatte Juan schon oft seinen Eltern gestellt, die jedes Mal energisch mit dem Kopf schüttelten. „Weißt du denn nicht auf was für eine gute Schule du gehst?“, tadelten sie seine Gedanken dann und verwiesen ihn auf sein Zimmer, wo er ganz in seiner eigenen, einsamen Welt versinken konnte.
Wie oft hatte er schon mit seiner Lehrerin gesprochen, wie oft hatte er versucht seinen Eltern klar zu machen, wie sehr er leidete- doch keiner verstand ihn oder wollte ihn verstehen.
„Wär ich doch nur.. beliebt..“ Juan wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht, die zu seinem treuen Begleiter geworden sind.
Die einzige Person die ihn verstand, war die alte Dame aus dem Altenheim. Sie war schon viele Jahre alt und saß schon lange Zeit im Rollstuhl, dennoch war sie eine so liebenswerte Frau, dass Juan sie sofort in sein verletzbares Herz geschlossen hatte. Er verbrachte oft Stundenlang bei ihr, half ihr bei ihren Einkäufen und spielte mit ihr alle Art von Brettspielen.
Kurzerhand schnappte er sich seine Jacke, wickelte sich seinen dicken Schal eng um den dürren Hals und vergrub sein Gesicht so tief wie möglich darin.
Auf dem Weg zum Altenheim prasselte der Regen auf ihn nieder, als wenn der Himmel Tränen weinte. Juans Blick war auf den Boden gerichtet, und er hatte seine Mütze soweit über die Stirn gezogen, damit ihn niemand aus seiner Schule sah und womöglich erkannte.
Das Altenheim war das, wo kein Mensch leben wollte. Der schlicht grau gehaltene Farbton der Außenwände erinnerten an ein Gefängnis, aus dem kein Ausbruch möglich war. Die Fenster waren klein und schmutzig, die Balkone ragten beängstigend aus dem Bau heraus.
Als Juan durch die rostig gewordene Tür trat, strömte ihm ein Geruch entgegen, den man nicht beschreiben konnte. Es war ein Gemisch aus den Gerüchen alter Menschen, Krankheiten und Fieber, und doch vermischt mit dem Geruch von Parfüm und dem wunderschön duftendem Shampoo der Damen, die hier ihr Leben mehr oder weniger genossen.
Er zog sich die Mütze vom Kopf und hing seine Jacke an den Ständer, der trostlos in der Ecke stand. Zögerlich sprach er eine der Pflegerrinnen an, die hektisch zwischen all den alten Damen und Herren hindurch eilten, sichtlich unter Stress. „Was ist?“, knurrte sie ihn an, sodass er erschrocken einen Schritt nach hinten stolperte. „Ich.. ich..“, stammelte er und seine Stimme versagte kläglich. „Ich wollte nur wissen.. wo.. Frau Loving ist. Normalerweise sitzt sie doch immer.. dort..“ Er deutete mit zittrigem Finger auf den Platz von seiner alten Freundin, der heute wie leergefegt da stand. „Ach die. Die liegt oben.. die ist nicht mehr lange“ Die Pflegerin, die mit ihrem alten Aussehen genauso wie die Omas und Opas aussah, sagte dies so nebensächlich, als wäre der Tod das normalste der Welt.
„Das kann nicht.. wahr sein..“ Juans Augen füllten sich mit Tränen. Wie von einer Biene gestochen, rannte er los, und seine Füße trugen ihn selbstständig in die Richtung, in die er nie gehen wollte: Der Bereich, indem die untergebracht wurden, die dem Tod unausweichlich gegenüber standen.
Seine Beine trugen ihn in einer erstaunlichen Geschwindigkeit die stählernde Treppe hoch, die bedrohlich unter seinen Füßen knarrte. Die Pflegerinnen, die gerade auf dem Weg nach unten waren, schauten ihm neugierig hinterher. Teils waren sie geschockt, teils aber auch amüsiert. Im oberen Stockwerk angekommen, wäre er beinahe in einer junge Pflegerin gestoßen, die gerade in eines der Zimmer treten wollte. Aus diesem Zimmer stieg Juan ein sehr bekannter Geruch entgegen- Der Geruch von dem süßlichen Parfüm, welches er Frau Loving zu Weihnachten geschenkt hatte.
„Bist du Juan?“ Verwirrt schaute Juan auf. Hatte die Frau da gerade mit ihm geredet? „Ja ich bin Juan.. woher kennen Sie meinen Namen?“ Die Pflegerin seufzte schwer. „Frau Loving redet die ganze Zeit davon, dass ein Junge mit schwarzen Haaren namens Juan kommen würde.. ich hab gedacht dass wäre einer ihrer Fieberträume, doch sie hatte wohl Recht.. sie würde gern.. mit dir.. reden..“ Sie versuchte ihre Tränen zurück zu halten, um den Jungen nicht noch mehr zu beunruhigen.
„Okay...“ Juan trat vor die Pflegerin, die ihm die Tür aufhielt. Was Juan dort sah, jagte ihm einen heiß-kalten Schauer über den Rücken. Die Frau, mit der er monatelang seinen Alltag geteilt hatte, die immer fröhlich und gut drauf war, lag nun hier und war von einer Minute auf die andere zu einer stillen und kranken Person geworden.
„Frau Loving?“ Zögerlich nahm sich Juan einen Stuhl und schob ihn neben das Bett.
„Juan.. bist du das?“ Ihre Stimme war leise, und zwischendrin war sie komplett weg. Juan legte seine Hand auf die der alten Dame. „Ja ich bin es.. Amila..“ Zum ersten mal in ihrer gemeinsamen Zeit, traute sich Juan, die alte Dame bei ihrem Vornamen zu nennen.
„Juan... wir hatten eine schöne, gemeinsame Zeit..“ „Und wir werden sie auch noch ganz lange haben, Amila..“, warf Juan ein, und seine Augen füllten sich mit Tränen.
„.. ich weiß wie schwer dein Leben ist, ich weiß wie einsam du bist, ich weiß, was du alles einstecken musst.. und es tut mir im Herzen weh, dich nun mit all deinen Sorgen alleine zu lassen.. es tut mir... wirklich..“
„Bitte.. bitte verlass mich nicht.. bitte..“ Doch es war schon zu spät.
Sie hatte ihn verlassen.
Er bohrte seine Finger in die Haut der alten Dame, warf den Kopf in den Nacken und schrie so laut, wie er nur konnte:
„Gibt es denn keine Gerechtigkeit auf der Welt?“
Der Junge, sein Name ist Juan, richtet sich in seinem Bett auf und schiebt genervt den Vorhang beiseite. „.... Sage niemals, dass Regentage hässlich sind. Es sind die einzigsten Tage, an denen man mit erhobenem Kopf weinen kann“, zitiert er aus deiner geliebten Sprüchebox, die er seit Jahren mit den verschiedensten Sprüchen und Zitaten füllte.
Vor seinem Fenster hängen schon seit vielen Tagen dicke, pechschwarze Wolken, aus denen gelegentlich ein starker Regen herausbricht. „Diese Wolken.. sind genau wie ich..“, murmelt Juan gedankenlos und streicht sich eine Träne aus dem Gesicht. „Von außen sehen sie hart und gefühllos aus, doch in ihrem Innern sind sie weich und wässrig..“
Er seufzte und presste aus lauter Verzweiflung sein Kissen ins Gesicht. „So ungerecht..“
Erst heute hatten sie ihn wieder mit dem Kopf in die Toilette gepresst, ihm seinen geliebten Pferdeschwanz abgeschnitten und mit Schimpfworten so niedergemacht, dass er weinend davon gelaufen war. Es war jeden Tag das Gleiche, dabei hatte er ihnen nie etwas getan. Das Ganze ging nun schon seit zwei Jahren so, Tag für Tag.
„Kann ich die Schule wechseln?“, diese Frage hatte Juan schon oft seinen Eltern gestellt, die jedes Mal energisch mit dem Kopf schüttelten. „Weißt du denn nicht auf was für eine gute Schule du gehst?“, tadelten sie seine Gedanken dann und verwiesen ihn auf sein Zimmer, wo er ganz in seiner eigenen, einsamen Welt versinken konnte.
Wie oft hatte er schon mit seiner Lehrerin gesprochen, wie oft hatte er versucht seinen Eltern klar zu machen, wie sehr er leidete- doch keiner verstand ihn oder wollte ihn verstehen.
„Wär ich doch nur.. beliebt..“ Juan wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht, die zu seinem treuen Begleiter geworden sind.
Die einzige Person die ihn verstand, war die alte Dame aus dem Altenheim. Sie war schon viele Jahre alt und saß schon lange Zeit im Rollstuhl, dennoch war sie eine so liebenswerte Frau, dass Juan sie sofort in sein verletzbares Herz geschlossen hatte. Er verbrachte oft Stundenlang bei ihr, half ihr bei ihren Einkäufen und spielte mit ihr alle Art von Brettspielen.
Kurzerhand schnappte er sich seine Jacke, wickelte sich seinen dicken Schal eng um den dürren Hals und vergrub sein Gesicht so tief wie möglich darin.
Auf dem Weg zum Altenheim prasselte der Regen auf ihn nieder, als wenn der Himmel Tränen weinte. Juans Blick war auf den Boden gerichtet, und er hatte seine Mütze soweit über die Stirn gezogen, damit ihn niemand aus seiner Schule sah und womöglich erkannte.
Das Altenheim war das, wo kein Mensch leben wollte. Der schlicht grau gehaltene Farbton der Außenwände erinnerten an ein Gefängnis, aus dem kein Ausbruch möglich war. Die Fenster waren klein und schmutzig, die Balkone ragten beängstigend aus dem Bau heraus.
Als Juan durch die rostig gewordene Tür trat, strömte ihm ein Geruch entgegen, den man nicht beschreiben konnte. Es war ein Gemisch aus den Gerüchen alter Menschen, Krankheiten und Fieber, und doch vermischt mit dem Geruch von Parfüm und dem wunderschön duftendem Shampoo der Damen, die hier ihr Leben mehr oder weniger genossen.
Er zog sich die Mütze vom Kopf und hing seine Jacke an den Ständer, der trostlos in der Ecke stand. Zögerlich sprach er eine der Pflegerrinnen an, die hektisch zwischen all den alten Damen und Herren hindurch eilten, sichtlich unter Stress. „Was ist?“, knurrte sie ihn an, sodass er erschrocken einen Schritt nach hinten stolperte. „Ich.. ich..“, stammelte er und seine Stimme versagte kläglich. „Ich wollte nur wissen.. wo.. Frau Loving ist. Normalerweise sitzt sie doch immer.. dort..“ Er deutete mit zittrigem Finger auf den Platz von seiner alten Freundin, der heute wie leergefegt da stand. „Ach die. Die liegt oben.. die ist nicht mehr lange“ Die Pflegerin, die mit ihrem alten Aussehen genauso wie die Omas und Opas aussah, sagte dies so nebensächlich, als wäre der Tod das normalste der Welt.
„Das kann nicht.. wahr sein..“ Juans Augen füllten sich mit Tränen. Wie von einer Biene gestochen, rannte er los, und seine Füße trugen ihn selbstständig in die Richtung, in die er nie gehen wollte: Der Bereich, indem die untergebracht wurden, die dem Tod unausweichlich gegenüber standen.
Seine Beine trugen ihn in einer erstaunlichen Geschwindigkeit die stählernde Treppe hoch, die bedrohlich unter seinen Füßen knarrte. Die Pflegerinnen, die gerade auf dem Weg nach unten waren, schauten ihm neugierig hinterher. Teils waren sie geschockt, teils aber auch amüsiert. Im oberen Stockwerk angekommen, wäre er beinahe in einer junge Pflegerin gestoßen, die gerade in eines der Zimmer treten wollte. Aus diesem Zimmer stieg Juan ein sehr bekannter Geruch entgegen- Der Geruch von dem süßlichen Parfüm, welches er Frau Loving zu Weihnachten geschenkt hatte.
„Bist du Juan?“ Verwirrt schaute Juan auf. Hatte die Frau da gerade mit ihm geredet? „Ja ich bin Juan.. woher kennen Sie meinen Namen?“ Die Pflegerin seufzte schwer. „Frau Loving redet die ganze Zeit davon, dass ein Junge mit schwarzen Haaren namens Juan kommen würde.. ich hab gedacht dass wäre einer ihrer Fieberträume, doch sie hatte wohl Recht.. sie würde gern.. mit dir.. reden..“ Sie versuchte ihre Tränen zurück zu halten, um den Jungen nicht noch mehr zu beunruhigen.
„Okay...“ Juan trat vor die Pflegerin, die ihm die Tür aufhielt. Was Juan dort sah, jagte ihm einen heiß-kalten Schauer über den Rücken. Die Frau, mit der er monatelang seinen Alltag geteilt hatte, die immer fröhlich und gut drauf war, lag nun hier und war von einer Minute auf die andere zu einer stillen und kranken Person geworden.
„Frau Loving?“ Zögerlich nahm sich Juan einen Stuhl und schob ihn neben das Bett.
„Juan.. bist du das?“ Ihre Stimme war leise, und zwischendrin war sie komplett weg. Juan legte seine Hand auf die der alten Dame. „Ja ich bin es.. Amila..“ Zum ersten mal in ihrer gemeinsamen Zeit, traute sich Juan, die alte Dame bei ihrem Vornamen zu nennen.
„Juan... wir hatten eine schöne, gemeinsame Zeit..“ „Und wir werden sie auch noch ganz lange haben, Amila..“, warf Juan ein, und seine Augen füllten sich mit Tränen.
„.. ich weiß wie schwer dein Leben ist, ich weiß wie einsam du bist, ich weiß, was du alles einstecken musst.. und es tut mir im Herzen weh, dich nun mit all deinen Sorgen alleine zu lassen.. es tut mir... wirklich..“
„Bitte.. bitte verlass mich nicht.. bitte..“ Doch es war schon zu spät.
Sie hatte ihn verlassen.
Er bohrte seine Finger in die Haut der alten Dame, warf den Kopf in den Nacken und schrie so laut, wie er nur konnte:
„Gibt es denn keine Gerechtigkeit auf der Welt?“