So, wieder ein Teil. Das Schreiben hat mir diesmal total Spaß gemacht und war recht flüssig, ich hoff, dass es zum Lesen genauso nett ist. Wobei es vl fast zu lang ist, wenn man nicht weiß, worums geht...
Und im nächsten Teil gibts dann einen kleinen Denkanstoß für alle, die noch immer keine Ahnung haben, was der 'springende Punkt' ist

.
Halb vier Uhr nachmittags, Lena pfiff kurz, während sie ihre Jacke vom Garderobenharken nahm. Kurz darauf schoss auch schon ein milchschokoladenfabenes Wollknäuel um die Ecke. Es handelte sich um Choco, einen Collie-Mischling, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Lena und ihre Familie zu beschützen. Seine Spezialität lag im Trösten; niemand konnte Trübsal blasen, wenn der aufgeweckte Hund schwanzwedelnd zur Tür sprang. Auch heute lockerte sich Lenas nachdenkliche Stimmung augenblicklich, als sie nach der Leine griff und Choco begeistert zu japsen anfing. Lena konnte die Standartroute um den kleinen Stadtpark, der direkt an der Straßenbahn lag, genauso wenig leiden wie der Hund selbst. Außerdem hatte sie einen schnellen Gang, im Gegensatz zu ihrer Mutter, die ständig mit ihrem Handy beschäftigt war, und ganz anders als Robin. Robin war zwölf und Lenas Bruder. Eigentlich war Choco sein Wunsch gewesen. Und circa zwei Wochen lang war Choco auch sein Wunschhund gewesen. Doch dann konnte der eigentlich kluge Familienhund noch immer nicht auf den Befehl „Fass!“ hin seine Freunde anspringen, knurren und die Zähne zeigen wie „Kommissar Rex“ aus dem Fernsehen und Robin wandte sich wieder seinem Gameboy zu.
Heute schlug Lena gleich den Weg nach Norden ein, in die entgegengesetzte Richtung zum Stadtpark. Auch hier gab es eine Straßenbahnlinie, die jedoch nur selten fuhr. Nach einigen grauen Altbauten standen entlang der Straße kleine Häuser mit blauen, rosa, orangen, gelben und hellgrünen Fassaden. Die Fenster und Türen waren geweißt und sahen aus wie aus einem Kinderfilm. Nur wenige Minuten später machte die Straße eine Kurve. Nur ein kleiner Weg führte gerade weiter. Links und rechts begrenzten ihn die Gartenzäune und Thujen, welche doppelt so hoch waren wie Lena selbst. Anschließend kamen sie auf eine Wiese, der man die städtische Umgebung kaum ansah. Lena war schon lange nicht mehr hier gewesen, doch sie konnte sie noch gut an die Zeit erinnern, als sie fast jeden Tag mit Choco auf den Hügel gegangen war. Es war einfach der perfekte Platz zum nachdenken. Der schmale Weg war ausgetretener, als das Mädchen ihn in Erinnerung hatte. Doch noch immer wurde er von zahlreichen Wurzeln gekreuzt und von Steinen, welche die Größe von kleinen Felsen hatten, umsäumt. Lena hatte den Blick starr auf den Boden gerichtet und achtete genau, worauf sie trat. Ihre Gedanken wanderten jedoch schnell zurück. Zurück zum heutigen Schultag, der, egal wie langweilig und zäh der ganze Tag gewesen war, doch etwas interessantes an sich hatte. Nicht im schulischen Sinn, Neidhart von Reuental war Lena im Moment ziemlich egal. Immer wieder musste sie an Violettas Blick denken und parallel dazu an Alina. Sie rief sich Violettas Bild in den Kopf. Lange, glatte Haare, die bis zur Hälfte des Rückens fielen. Lena fragte sich, ob Violetta die Haare glättete oder ob diese von selbst glatt waren. Ein etwas rundliches Gesicht mit einer leichten Bräunung, große, dunkelbraune Augen umgeben von langen, schwarzen Wimpern. Keine Bohnenstange, aber doch eher schlank und mittelgroße Brüste. Was hatte sie heute angehabt? Einen hellvioletten Pullover, eine dunkelblaue Jeans. Nichts besonderes, aber trotzdem hübsch. Lena fragte sich, wie lange Violetta vor dem Kleiderschrank stand, und dachte daran, wie sie morgens ihre Sachen auswählte: Ein Blick in den Kasten, eine kurze Überlegung, welche Jeans sie anziehen würde und dann einfach das oberste Shirt und einen halbwegs passenden Pullover. ‚Vielleicht würde es mir gut tun, etwas mehr Zeit dafür zu verwenden.’ Lena seufzte leise und blieb stehen. Sie sah zurück und merkte, dass sie schon eine weite Strecke hinter sich gelegt hatte. Es wurde langsam dämmerig und sie verfluchte die Zeitumstellung, den Winter und die ganze Dunkelheit. „Choco!“ rief sie über die Wiese. Hier konnte sie ja rufen, niemand außer Choco hörte sie. Sie genoss es und rief nochmal so laut sie konnte den Hundenamen. Wenige Bruchteile einer Sekunde war der Hund bei ihr und sprang munter um sie herum. „Komm, wir müssen zurück...“, murmelte sie mehr zu sich selbst als zu Choco. Eigentlich wäre sie gerne weiter gewandert, aber sie hielt sich nicht gerne in der Finsternis auf. Was es da alles geben konnte! Werwölfe, Vampire, Vergewaltiger, besoffene Jugendliche. Lena wusste nicht, wovor sie am meisten Angst haben sollte. Aber Choco war ja bei ihr. Der Rüde konnte Menschen so gut einschätzen wie kein anderer. Was er wohl zu Violetta sagen würde? Lena wusste nicht, was sie von dem Mädchen halten sollte. Sie war hübsch und hatte schon einen Freundeskreis um sich gebildet, obwohl sie erst so kurz in der Klasse war. Trotzdem wirkte sie eher schüchtern und gar nicht so tussimäßig. ‚Aber was sagt schon das Aussehen?’, fiel ihr mit dem Gedanken an Alina ein, die sie anfangs völlig falsch eingeschätzt hatte. Sie blickte auf und pfiff leise nach Choco. Quer über die Wiese liefen sie zurück, der kalte Wind wehte Lenas Haare nach hinten und trieb ihr Tränen in die Augen. Neben ihr hechelte Choco, und Lena tat ihm den Gefallen eines Wettrennens. Sie rannte noch eine Spur schneller, doch gegen Choco kam sie nicht an. Er galoppierte gleichmäßig neben ihr her und wenige Meter vor dem kleinen Weg zurück in die Zivilisation überholte er Lena und rannte schwanzwedelnd vor. Doch Lena pfiff ihn zurück, sie mochte es nicht, wenn er frei auf der Straße lief und sie ihn nicht im Auge hatte. Choco wartete hechelnd und auch Lena atmete schwer. „Braver Hund!“ lobte sie den Rüden, der noch immer am Ende des schmalen Weges wartete und strich ihm über den Kopf. Die Straßenlaternen waren bereits an und tauchten die Siedlung in ein surreal wirkendes Gelblicht. Auf der Straße fuhr kein Auto und auch die Fenster waren nur spärlich beleuchtet. Das Mädchen beeilte sich, nach Hause zu kommen. Die Fenster ihrer Wohnung waren fast alle beleuchtet, aus Robins Zimmer flimmerte es blau-grün, vom Fernseher oder vom Computer. Wenige Minuten später hatte Lena die Wohnungstür aufgesperrt. Choco schüttelte sich, als wolle er die Kälte abschütteln, und lief in die Küche. Lena zog die Jacke aus und folgte ihm dann. Ihre Mutter war noch nicht da, es sah Robin ähnlich, im ganzen Haus das Licht anzudrehen, wo er doch sowieso immer nur in seinem Zimmer saß. Lena drehte das Küchenlicht ab, als sie aus der Küche ging und anschließend die Lampe im Vorzimmer. Sie zögerte, ob sie Robin begrüßen sollte oder nicht und entschied sich für ein leises „Hallo Robin!“. Hatte er seine Kopfhörer auf, hörte er es bestimmt nicht, doch die Wände der Altbauwohnung waren dünn und schließlich musste nicht das ganze Haus wissen, dass Lena von ihren Spaziergang zurück war, fand sie. Sie ging in ihr Zimmer, der einzige Raum, in dem noch kein Licht brannte. Sie schlug auf den Schalter und sofort beleuchtete er ihr Bett, den Schreibtisch, auf dem wie üblich ein leichtes Chaos herrschte, die zwei langen Bücherregale in der Nähe ihres Bettes und die Schulsachen, die am Boden verstreut lagen. Unentschlossen drehte sich das Mädchen wieder um, ging in das Arbeitszimmer ihrer Mutter und nahm den Laptop ihrer Mutter mit ihr Zimmer. Während das Gerät hochfuhr, trommelte sie unruhig mit ihren Zehen auf den Computertisch. Ohne etwas Bestimmtes im Sinn zu haben, surfte sie im Internet und googelte nach Sängerinnen, Musikgruppen und Autoren, die sie gerne mochte. In einem Fanforum wurde eine Werbung eingeblendet, und plötzlich wurde Lena neugierig.