Farbanstrich gesucht | Darstellung einer Utopie

Wuschel
Ich habe wirklich lange darüber nachgedacht, wieder etwas hier online zu stellen, nach meinen Erfahrungen bisher. +hüstel+
Aber ich dachte, jeder verdient eine zweite Chance, so auch Gegen Bidlerklau und ich hoffe, ich lerne es wieder, das Forum zu mögen und nicht nur zu tolerieren. smile
[Bitte keine genervten Kommentare zu dieser Einleitung, ich sage all dies mit dem Unerton der Ironie. ^^]
So here we go.

Beitrag für einen Wettbewerb von Amnesty International zum Thema Menschenrechte [und schon längst eingeschickt, ich hoffe, sie mögen es].
Darstellung einer Utopie.

Liebe Grüße,
Wuschel

*****

Wir sind alle Zahnräder in einem großen Uhrwerk. Einzeln nichts, aber zusammen unaufhaltsam.
Das System ist gut.
Das System hat immer Recht.


Sie leben in bunten Häusern, fahren bunte Kombis und schlafen in weichen Betten. Sie tragen ein Lächeln auf dem Gesicht spazieren.
Ich lächele nicht.
Sie arbeiten an Fließbändern; schrauben irgendetwas zusammen ohne zu wissen, was später mal daraus wird.
Ich arbeite nicht.

Das System hat immer Recht.

Der Mann beugt sich über mich. Er ist nur einer von zweien in dem großen, leeren Raum. Leer bis auf eine Lampe, einen Tisch, einen Stuhl, zwei Männer und mich. Die Lampe auf dem Tisch, grell in mein Gesicht scheinend. Auf dem Stuhl ich.
„Wir können das auf die sanfte oder auf die harte Tour machen“, sagt der Mann. Der andere guckt finster. Sie spielen Guter Bulle – Böser Bulle. Nur dass sie eine merkwürdige Auffassung von Gut haben.
„Wir wollen Ihnen nicht wehtun“, sagt er. Ich glaube ihm nicht.
„Warum haben Sie die Arbeit niedergelegt?“, fragt er. Er macht mir Angst.
„Weil ich sie nicht machen will.“
Seine Lippen lächeln. „Sie hätten aber mit uns darüber reden können.“
Ich schüttele den Kopf.
„Hören Sie“, sagt er. „Jeder muss seinen Beitrag leisten. Sonst steht Ihnen auch nichts zu, das verstehen Sie doch.“
Ich nicke.
„Wo ist dann das Problem?“
„Ich will etwas anderes machen.“
„Und das wäre?“ Die falsche Freundlichkeit tröpfelt von seinem Gesicht. Er macht mir Angst.
„Ich male“, sage ich. „Das was ich fühle.“
Der Mann dreht sich um. Lässt sich von seinem Kollegen eine Akte geben. Sie spielen Guter Bulle – Böser Bulle. Nur dass sie eine merkwürdige Auffassung von Gut haben.
„Genau. Ihre Bilder“, sagt er. „So geht das nicht.“
Ich verstehe ihn nicht.
Er hält ein Bild hoch. „Was stellt das dar?“
Ich schaue die graue Fabrikhalle an. Die gebrochenen Menschen. Die Leute mit den Peitschen hinter ihnen. Sage nichts.
„Ist das Ihre Impression des Arbeitens?“
Ich nicke. „In der Fabrik“, füge ich hinzu. „Nicht generell.“
Er holt ein anderes hervor. „Und das?“
Ich schaue die fröhlich gelbe Hausfassade an. Sie ist umgekippt. Dahinter: Grau. Weinende Menschen.
„Ist das Ihre Impression des Alltags?“
Ich nicke. „Nur dieses Alltags“, füge ich hinzu. „Es könnte anders sein.“
„Ist Ihnen klar“, fragt er, Bilder weglegend, „dass solche Malerei gegen das System geht?“
Ich nicke.
„Wir haben in Ihrer Wohnung verbotene Bücher gefunden.“
Ich nicke.
Er seufzt. „Das wird noch Arbeit mit Ihnen.“
Es tut mir leid. Er wirkt so enttäuscht von mir.
„Bis morgen dann“, sagt er.
Sie lassen mich allein in dem großen, leeren Raum. Leer bis auf eine Lampe, einen Tisch, einen Stuhl und mich. Und ein Buch.
Die Lampe auf dem Tisch, grell in mein Gesicht scheinend. Auf dem Stuhl ich. Das Buch auf meinem Schoß.
„Das System und wie es uns hilft“, steht auf dem Buch. Ich schlage die erste Seite auf.

Das System hat immer Recht.

„Haben Sie das Buch gelesen?“, fragt der Mann. Er ist nur einer von zweien. Der andere guckt finster. Sie spielen Guter Bulle – Böser Bulle. Nur dass sie eine merkwürdige Auffassung von Gut haben.
„Zum Teil“, sage ich. „Es ist sehr dick.“
Er nickt. „Machen Sie nachher weiter. Jetzt will ich Ihnen etwas zeigen.“
Sie bringen mich in einen Raum. Einen kleineren, leereren Raum mit einem Fenster.
„Schauen Sie hinaus“, sagt der Mann.
Ich schaue hinaus.
Sie leben in bunten Häusern, fahren bunte Kombis und schlafen in weichen Betten. Sie tragen ein Lächeln auf dem Gesicht spazieren.
Ich lächele nicht.
„Sehen Sie, wie glücklich sie alle sind?“, fragt er.
Ich nicke.
„Haben Sie schon einmal Ameisen beobachtet?“
Ich schüttele den Kopf.
„Ameisen brauchen sich keine Sorgen zu machen. Und wissen Sie, warum das so ist?“
Ich schüttele den Kopf.
Sein Gesicht ganz nah an meinem. Er macht mir Angst.
„Weil jemand für sie denkt. Die Königin denkt für sie und deshalb können sie glücklich sein.“
Ich nicke.
„Wer denkt, macht sich auch Sorgen. Und so jemand kann nie glücklich sein. Das verstehen Sie doch, oder?“
Ich nicke.
Dann fällt mir etwas ein: „Aber Sie denken doch.“
Seine Lippen lächeln. „Ein paar von uns müssen denken, damit Sie anderen glücklich sein können. Wir tun das für Sie.“
Ich nicke.
„Verstehen Sie jetzt endlich? Wir sind nicht Ihre Feinde. Wir sind Helden.“

Das System hat immer Recht.

„Sind Sie mit dem Buch weitergekommen?“, fragt der Mann. Er ist nur einer von zweien. Der andere guckt finster. Sie spielen Guter Bulle – Böser Bulle. Nur dass sie eine merkwürdige Auffassung von Gut haben.
Ich schüttele den Kopf. „Ich habe geträumt.“
„Was haben Sie geträumt?“
„Ich habe von einer Wiese geträumt. Nicht von so einer wie in den Vorgärten. Sie war wild und groß und das Gras war lang.“ Ich lächele in mich hinein. „Und ich habe sie gemalt, im Traum. Sie war so schön. Ganz ohne Häuser und Straßen.“
Er schaut mich enttäuscht an. „Sie scheinen es noch nicht verstanden zu haben“, sagt er.
Ich schüttele den Kopf. „Nein! So meine ich das nicht! Ich… ich bin aufgewacht… ich meine… ich habe geweint und-“
Er seufzt. „Geweint. Auch das noch. Lernen Sie endlich, dankbar zu sein.“
Er nickt seinem Kollegen zu. Sie spielen Guter Bulle – Böser Bulle. Nur dass sie eine merkwürdige Auffassung von Gut haben.
„Ich werde Sie beide jetzt alleine lassen“, sagt er. Verlässt den Raum.
Er macht mir Angst.
Ich weiß, was jetzt kommt.
Der andere Mann knackt mit den Fingerknöcheln, als die Tür zuschlägt.
Ich schließe die Augen und warte auf den Schmerz.

Das System hat immer Recht.

„Sind Sie fertig mit dem Buch?“, fragt der Mann. Er ist nur einer von zweien. Der andere guckt finster. Sie spielen Guter Bulle – Böser Bulle. Aber das ist nicht echt. Es soll mir helfen.
Ich nicke. „Gestern Abend.“
„Sie sehen gut aus“, sagt er.
Ich betaste mein Gesicht.
„Die Schwellungen sind bald so gut wie weg und die Risse fast verheilt“, sagt er.
Ich lächele.
„Passen Sie in Zukunft besser auf, damit Sie nicht wieder stürzen.“
Ich nicke. „Danke.“

Das System hat immer Recht.

Ich drücke auf den Klingelknopf. Einen Moment lang frage ich mich, wie ich hierher gekommen bin.
Die Tür wird geöffnet.
„Hallo Liebling, wie war die Arbeit?“, fragt meine Frau. Sara.
„Gut“, sage ich.
Meine Nachbarn grüßen im Vorbeigehen. Sie leben in bunten Häusern, fahren bunte Kombis und schlafen in weichen Betten. Sie tragen ein Lächeln auf dem Gesicht spazieren.
Ich lächele zurück.
„Komm doch rein“, sagt Sara und ich gehe in das gelbe Haus mit dem kleinen, gepflegten Vorgarten und dem grünen Kombi auf dem Hof und weichen Betten im Schlafzimmer.
„Ich war heute bei der Behörde“, sagt Sara. „Wenn wir die Unterlagen ausfüllen, bekommen wir ein Kind, sobald eines frei wird.“
Das freut mich.
Ich drücke ihre Hand. Es ist schön, eine Frau zu haben, deren Hand man drücken kann und die in ihrem Bett neben dem eigenen schläft, nur ein paar Meter entfernt.
„Was gibt es zu essen?“, frage ich. Folge ihr in die Küche.
Es ist schön, wie es ist.

Das System hat immer Recht.
kleine-Araberstute
Still: Liebe *.*
Wuschel
Mein Gott, über 30 Hits und keine weiteren Kommentare?
Leute, ich freu mich über welche, ernsthaft. ^^
nymphy
Das is krass.. ähm ja... es ist gut... auch wenn schockierend...
Wuschel
Dankeschön. smile
Colorida
Toll. Mir gefällt's, die Wiederholungen, das Muster, das ist einfach genial.
Wuschel
+blush+
Danke, danke, danke! smile
Luthien
Zitat:
Der andere guckt finster. Sie spielen Guter Bulle – Böser Bulle. Nur dass sie eine merkwürdige Auffassung von Gut haben.

Spätestens nach dem dritten Mal ist mir dieser Satz sowas von auf den Wecker gegangen!
Hornisse
Erinnert mich sehr an 'Schöne neue Welt' - zwischendrin leider zu sehr. Leider wirkt es so schon fast wie eine Kopie. Sehr schade.

Das außen vor gelassen, ist es gut. Einige Sachen stören mich, aber an sich ist es gut, auch gut geschrieben. Schade nur, dass es diese Idee schon gab -.-
Luthien
Nur weil es eine Utopie ist, heisst es ja nicht, dass es eine Kopie von "Brave new world" sein muss... Was erinnert dich denn daran? So Distopien haben meistens ähnliche Grundzüge und ich muss sagen, mich erinnert es nicht so wirklich an das von dir erwähnte Werk, aber eben, du kannst mir da sicher auf die Sprünge helfen!?
Hornisse
Luthien: zB Sätze wie
Zitat:
„Jeder muss seinen Beitrag leisten. Sonst steht Ihnen auch nichts zu, das verstehen Sie doch.“


Zitat:
„Weil jemand für sie denkt. Die Königin denkt für sie und deshalb können sie glücklich sein.“


Zitat:
„Wer denkt, macht sich auch Sorgen. Und so jemand kann nie glücklich sein. Das verstehen Sie doch, oder?“


Zitat:
Ein paar von uns müssen denken, damit Sie anderen glücklich sein können. Wir tun das für Sie.“





Dann die ganze Sache mit dem System, den Helden & Arbeitern (Alpha und Epsilons?) den verbotenen Büchern und noch weitere Sachen. Muss jetzt weg, kann es morgen aber gerne noch einmal genauer erläutern.
Luthien
Nun, dann war "Schöne neue Welt" wohl das einzige Buch dieses Genres , sonst hättest du nämlich wahrscheinlich mitbekommen, dass genau diese Dinge "Nicht denken" "Arbeiten für die Gemeinschaft" etc in mehreren Büchern vorkommt. Das liegt wohl daran, dass gewisse Menschen eine Tendenz spüren, in welche Richtung unsere heutige Gesellschaft geht, davor Angst haben und somit alle ähnliche Elemente in ihren Werken aufnehmen.
Wuschel
So, erstmal vorweg: Ich habe Brave New World noch nicht gelesen, aus dem Genre kenne ich ehrlich gesagt bisher nur 1984. ^^
Klar ist der Gedanke nicht neu, allerdings finde ich es eh schwer, neue Gedanken zu finden und bleibe deswegen lieber bei (relativ) neuer Umsetzung - da ich in diesem Genre recht "unbelesen" bin, hielt ich es für recht gut möglich, einigermaßen einflusslos zu bleiben.

² Luthien: Geschmackssache. ^^ Ich liebe den Satz, ich liebe Wiederholungen - dauernde Wiederholungen - und ich liebe es, so zu schreiben. Mag sein, dass dir das irgendwann auf den Wecker geht, mir nicht. Augenzwinkern

² alle beide: Äh ... danke erstmal für Kommentare ... Lob (von dir, Hornisse?! +erstaunt ist+ xD) ... äh ... +such+ Kritik, die ich nicht verstehe. ^^ Äh. Ja. Danke. +verwirrt ist+
Hornisse
Luthien: Ich habe durchaus schon mehrere Bücher dieses Genres gelesen, u.a. auch 1984 und weiß schon, dass die Idee immer die selbe ist.
Allerdings finde ich auch, dass nicht 'tausend Mal' neu aufgeschrieben werden muss, was andere Autoren vor vielen Jahren schon zur Genüge niedergeschrieben haben. Ich habe eben in dieser Story hier wenig Neues entdeckt, was ich schade finde.
Das ist aber nur meine Meinung dazu, scheinbar sehen andere das ja ganz anders, und das ist auch okay, ich wollte einfach nur meine Meinung näher erläutern.

Wuschel: Erst jetzt erinnere ich mich an dich großes Grinsen Und natürlich lobe ich durchaus, wenn ich etwas gut finde, nur kritisiere ich, im Gegensatz zu einigen anderen, eben auch, wenn ich etwas weniger gut finde. Ich weiß, dass das bei dir einmal falsch angekommen ist, finde aber, dass wir das nicht jedes Mal aufs Neue austragen sollten smile Oder? Augenzwinkern Was genau verstehst du an meiner Kritik nicht?
Da sich dieser Post jetzt so durchweg negativ anhört, möchte ich nochmals sagen, dass ich den Schreibstil, auch die Wiederholungen, echt gut finde. Hätte ich 'Schöne neue Welt' vllt. nicht grade vor zwei Wochen gelesen, oder überhaupt nicht gelesen, wäre ich sicherlich von Grunde auf beeindruckt. So bin ich leider etwas beeinflusst. Sorry^^
Wuschel
Zitat:
Original von Hornisse
Wuschel: Erst jetzt erinnere ich mich an dich großes Grinsen Und natürlich lobe ich durchaus, wenn ich etwas gut finde, nur kritisiere ich, im Gegensatz zu einigen anderen, eben auch, wenn ich etwas weniger gut finde. Ich weiß, dass das bei dir einmal falsch angekommen ist, finde aber, dass wir das nicht jedes Mal aufs Neue austragen sollten smile Oder? Augenzwinkern Was genau verstehst du an meiner Kritik nicht?
Da sich dieser Post jetzt so durchweg negativ anhört, möchte ich nochmals sagen, dass ich den Schreibstil, auch die Wiederholungen, echt gut finde. Hätte ich 'Schöne neue Welt' vllt. nicht grade vor zwei Wochen gelesen, oder überhaupt nicht gelesen, wäre ich sicherlich von Grunde auf beeindruckt. So bin ich leider etwas beeinflusst. Sorry^^


Verzeih den kleinen Seitenhieb, der musste sein. Augenzwinkern Hat nicht näher was zu bedeuten.
Was ich an deiner Kritik nicht verstehe ... hm ... alles. ^^ Wäre irgendwie lieb, wenn du mir noch einmal konkret sagen könntest, was dir nicht gefällt und wie ich es besser machen kann (falls das möglich ist, ohne die komplette Geschichte zu ändern), weil deine Kritik sehr allgemein gehalten war. Wenn's dir also nicht zu viele Umstände bereitet, würde ich mich drüber freuen. smile
Und vielen Dank für das Lob. <3 +glücklich im kreis hops+ Und wie bereits erklärt, ist es schade, dass du so viele Parallelen siehst, aber die kamen ohne Vorkenntnis des Buches und somit rein zufällig (also keine Kopie ^^).

Liebe Grüße,
Wuschel