lautlos
hallo,
durch meinen Beruf bin ich auf die Thematik des Gehirntumors gekommen und möchte nun versuchen, diese Informationen + Erlebnisse zu verarbeiten.
Gerade die ersten Teile werden zuerst etwas stockend sein, weshalb ich über Kritik besonders dankbar wäre, dies ist ein Thema, in dass ich mich erst einfinden & - schreiben muss.
[B]
Oligo-Astrozytom. Ein Wort, oder seien es auch zwei, die mit knapp 16 Jahren mein gerade doch erst begonnenes Leben aus den Fugen geraten ließ. Es sei ein Tumor des 2.Grades .Behandelbar. Wer kann sich vorstellen, was dies für ein junges Mädchen bedeutet? Niemand, man befasst sich damit nicht. Krebs ist eine Krankheit die alte Leute oder Leute die ungesund leben betrifft, aber doch nicht junge, gesunde Menschen. 2. Grad bedeutete nur eine Heilungschance von 50-80%. Inzwischen bin ich Grad 3 und weiß, dass die Uhr des Lebens einen Zacken schneller läuft. Isabell ist mein Name. Die ehemals schönen schwarzen Haare sind nun kurz und stumpf. Das rosige Gesicht von damals wirkt ausgemergelt und leblos. Das Einzige, was an mir immer noch strahlt, sind die blauen Augen. Sie strahlen voller Hoffnung, Wärme, Schmerz und Akzeptanz, sagen meine Eltern. Damals, vor drei Jahren war mein Leben noch sorglos, noch voller Wünsche und Träume, voller Leichtsinn und Übermut. Die Schattenseiten des Lebens überrollten mich mit einer Wucht, der niemand standhalten kann. Die physischen Schmerzen waren das eine, die psychischen Qualen das andere. Keine Eltern können sich vorstellen, wie das Gefühl sein mag, wenn man die Gewissheit, dass man seinem Kind den Weg ins Licht vorbereitet, um ihm wenigstens diesen letzten Gang noch so angenehm wie nur irgendwie möglich zu gestalten. Dazu gehört ein gewisser Selbsterhaltungstrieb, sich nicht hängen zu lassen, seinen eigenen Schmerz nicht zuzulassen, um es für das eigene Kind nicht noch schwerer zu machen.
Meine Eltern wissen, dass ihre Tochter eine Kämpfernatur ist. Sie wissen auch, dass jeder Tag ein Geschenk ist. Ein Geschenk, von dem niemand den Absender und Zweck kennt. Es macht Angst und Hoffnung zugleich. Angst vor neuen Schmerzen, Hoffnung für eine weitere, gemeinsame Erinnerung. Zumindest sagen sie das.
Als ich wegen Kopfschmerzen und Schwindel damals einen Allgemeinmediziner aufsuchte, vermutete man Migräne. Eine Computertomographie brachte nach erfolglosen Linderungsversuchen die Diagnose. Die Symptome tauchen heute noch auf, aber sie gehören zu meinem Alltag. Sie haben sich mit eingefügt, genau wie alle anderen. Von vielen Neurochirugen, Onkologen und allen anderen möglichen Medizinern kamen sofort viele, verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Erwähnt wurde aber immer, dass es keine vollständige Heilung geben könnte, nur eine Linderung.
Mit 16 sind die meisten Menschen zu unreif, um zu verstehen, dass man gerade jetzt, wo das Leben doch beginnen sollte, nur noch drei, vielleicht vier Jahre Zeit waren. Restliche Zeit, die zugleich der Rest des jungen Lebens bedeutete.
Die letzte Operation liegt noch nicht lange zurück. Frisch bestrahlt und entlassen stehe ich wieder im Leben. In einem kurzen, hoffnungslosen Leben. Man hat nur zwei Optionen, entweder sich hängen lassen und warten bis es von selbst zu Ende geht oder aber zu versuchen, die letzten Wochen, Monate intensiv zu leben. Ich habe für das erste entschieden. Auch wenn es durch die letzte Operation vor einem halben Jahr eine weiter Einschränkung gibt. Ausfälle des Kurzzeitgedächtnisses darf ich nun zu den weiteren Symptomen meines Alltages zählen. Bisher sind davon nur Alltagssituationen betroffen, was das letzte Essen war, oder die Jacke vom morgen. Besonders wertvolle Momente speichern sich bisher immer noch gut ab. Die Ärzte wissen nicht, ob das weiterhin möglich ist oder ob es sich auch noch ändert. Man hat versucht, das zu retten, was zu retten war, um das Leben zu verlängern. Und dabei das zerstört, was wirklich wichtig ist. Zu wissen, ob man in den letzten paar Minuten glücklich war.
Vor ein paar Tagen durfte ich nach Hause, mit einem letzten Wunsch. Die Welt zu sehen. Was war dieser kleine Wunsch schon im Gegensatz zu dem Wunsch leben zu dürfen? Dank Medikamenten kann ich halbwegs normal leben. Bei meiner Entlassung galt ich als austherapiert. Es heißt mit ganz einfachen Worten, man hat alles versucht, was möglich war und nun konnte man nur noch die Schmerzen lindern und warten bis es vorbei war.
Das typische Mädchenzimmer in dem ich sich gerade befand, war seit drei Jahren nicht verändert worden. Man hatte keine Zeit gehabt, aber auch keine Lust. Wofür denn auch, die letzten Wochen wollte ich nicht in meinem Zimmer verbringen sondern draußen, unter Menschen. Als ich damals den Wunsch geäußert hatte, die Welt zu sehen, haben meine Eltern ihre Ersparnisse zusammengelegt, alles was sie kriegen konnten und mit mir gemeinsam geplant. Es sollten meine letzten, schönen Erlebnisse werden.
Der Rolli war fast fertig gepackt, es fehlte nur noch ein Stück. Die Sofortbildkamera. Sie ermöglicht mir alle Erinnerungen sofort festzuhalten und benennen zu können um sie dann zuhause noch einmal durchleben zu können, wenn die Schmerzen kamen. Keiner sprach es aus, aber jeder wusste, dass dies der einzig wahre Zweck dieser Reise war.
Das Abendessen mit meiner Familie, zu der auch noch die Großeltern, nahe Verwandschaft und vor allem meine Handvoll Freunde zählte, verlief gedrückt und ruhig. Es war nicht besonders, es war schön. Ich verabschiedete mich so, als würde ich nur ein Jahr weg sein, und anschliessend hätten wir noch zig gemeinsame Jahre vor uns.
Mit diesem Gefühl ging ich auch in mein Bett, mit dem Gefühl, noch ewig zu leben. Vor dem Zubettgehen packte ich auch die Kamera in den Koffer. Nun sollte es also beginnen, das letzte Jahr meines Lebens.
Wenige Stunden später läutete der Wecker und ich erwachte aus dem für mich typisch gewordenen leichten Schlaf. Aufgeregt und mit Vorfreude ging ich in das kleine, weiß gekachelte Bad, dass ich mein Eigen nennen durfte. Damals hatten meine Eltern mir diesen kleinen Raum als Zeichen der Privatsphäre überlassen. Diese Privatsphäre gibt es in einem Krankenhaus nicht, weswegen mich diese wenige Quadratmeter glücklich werden ließ. Noch einmal duschen, anziehen und dann tappte ich runter in die Küche. Das Frühstück hatte Mutter schon tags zuvor hergerichtet und abgedeckt stehen lassen. Ich wusste, dass meine Eltern im Zimmer über der Küche wach im Bett lagen und gerne noch mal kommen würden, um sich zu verabschieden. Aber ich wollte das nicht, ich wollte keinen weiteren Abschiedsschmerz. Wenig später kontrollierte ich meinen Koffer, packte meine Medikamente, sowie die kopierte Krankenakte und weitere lebenswichtige Utensilien in den Rucksack und schloss wenig später die Haustür hinter mir. Ohne sich noch einmal umzudrehen ging ich aus der Hofeinfahrt und machte mich auf den Weg zum Bahnhof. Meine Eltern standen eng beieinander am Fenster, das zur Straße rausging und winkten mir stumm ein letztes Mal. Ich fühlte es.
durch meinen Beruf bin ich auf die Thematik des Gehirntumors gekommen und möchte nun versuchen, diese Informationen + Erlebnisse zu verarbeiten.
Gerade die ersten Teile werden zuerst etwas stockend sein, weshalb ich über Kritik besonders dankbar wäre, dies ist ein Thema, in dass ich mich erst einfinden & - schreiben muss.
[B]
Oligo-Astrozytom. Ein Wort, oder seien es auch zwei, die mit knapp 16 Jahren mein gerade doch erst begonnenes Leben aus den Fugen geraten ließ. Es sei ein Tumor des 2.Grades .Behandelbar. Wer kann sich vorstellen, was dies für ein junges Mädchen bedeutet? Niemand, man befasst sich damit nicht. Krebs ist eine Krankheit die alte Leute oder Leute die ungesund leben betrifft, aber doch nicht junge, gesunde Menschen. 2. Grad bedeutete nur eine Heilungschance von 50-80%. Inzwischen bin ich Grad 3 und weiß, dass die Uhr des Lebens einen Zacken schneller läuft. Isabell ist mein Name. Die ehemals schönen schwarzen Haare sind nun kurz und stumpf. Das rosige Gesicht von damals wirkt ausgemergelt und leblos. Das Einzige, was an mir immer noch strahlt, sind die blauen Augen. Sie strahlen voller Hoffnung, Wärme, Schmerz und Akzeptanz, sagen meine Eltern. Damals, vor drei Jahren war mein Leben noch sorglos, noch voller Wünsche und Träume, voller Leichtsinn und Übermut. Die Schattenseiten des Lebens überrollten mich mit einer Wucht, der niemand standhalten kann. Die physischen Schmerzen waren das eine, die psychischen Qualen das andere. Keine Eltern können sich vorstellen, wie das Gefühl sein mag, wenn man die Gewissheit, dass man seinem Kind den Weg ins Licht vorbereitet, um ihm wenigstens diesen letzten Gang noch so angenehm wie nur irgendwie möglich zu gestalten. Dazu gehört ein gewisser Selbsterhaltungstrieb, sich nicht hängen zu lassen, seinen eigenen Schmerz nicht zuzulassen, um es für das eigene Kind nicht noch schwerer zu machen.
Meine Eltern wissen, dass ihre Tochter eine Kämpfernatur ist. Sie wissen auch, dass jeder Tag ein Geschenk ist. Ein Geschenk, von dem niemand den Absender und Zweck kennt. Es macht Angst und Hoffnung zugleich. Angst vor neuen Schmerzen, Hoffnung für eine weitere, gemeinsame Erinnerung. Zumindest sagen sie das.
Als ich wegen Kopfschmerzen und Schwindel damals einen Allgemeinmediziner aufsuchte, vermutete man Migräne. Eine Computertomographie brachte nach erfolglosen Linderungsversuchen die Diagnose. Die Symptome tauchen heute noch auf, aber sie gehören zu meinem Alltag. Sie haben sich mit eingefügt, genau wie alle anderen. Von vielen Neurochirugen, Onkologen und allen anderen möglichen Medizinern kamen sofort viele, verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Erwähnt wurde aber immer, dass es keine vollständige Heilung geben könnte, nur eine Linderung.
Mit 16 sind die meisten Menschen zu unreif, um zu verstehen, dass man gerade jetzt, wo das Leben doch beginnen sollte, nur noch drei, vielleicht vier Jahre Zeit waren. Restliche Zeit, die zugleich der Rest des jungen Lebens bedeutete.
Die letzte Operation liegt noch nicht lange zurück. Frisch bestrahlt und entlassen stehe ich wieder im Leben. In einem kurzen, hoffnungslosen Leben. Man hat nur zwei Optionen, entweder sich hängen lassen und warten bis es von selbst zu Ende geht oder aber zu versuchen, die letzten Wochen, Monate intensiv zu leben. Ich habe für das erste entschieden. Auch wenn es durch die letzte Operation vor einem halben Jahr eine weiter Einschränkung gibt. Ausfälle des Kurzzeitgedächtnisses darf ich nun zu den weiteren Symptomen meines Alltages zählen. Bisher sind davon nur Alltagssituationen betroffen, was das letzte Essen war, oder die Jacke vom morgen. Besonders wertvolle Momente speichern sich bisher immer noch gut ab. Die Ärzte wissen nicht, ob das weiterhin möglich ist oder ob es sich auch noch ändert. Man hat versucht, das zu retten, was zu retten war, um das Leben zu verlängern. Und dabei das zerstört, was wirklich wichtig ist. Zu wissen, ob man in den letzten paar Minuten glücklich war.
Vor ein paar Tagen durfte ich nach Hause, mit einem letzten Wunsch. Die Welt zu sehen. Was war dieser kleine Wunsch schon im Gegensatz zu dem Wunsch leben zu dürfen? Dank Medikamenten kann ich halbwegs normal leben. Bei meiner Entlassung galt ich als austherapiert. Es heißt mit ganz einfachen Worten, man hat alles versucht, was möglich war und nun konnte man nur noch die Schmerzen lindern und warten bis es vorbei war.
Das typische Mädchenzimmer in dem ich sich gerade befand, war seit drei Jahren nicht verändert worden. Man hatte keine Zeit gehabt, aber auch keine Lust. Wofür denn auch, die letzten Wochen wollte ich nicht in meinem Zimmer verbringen sondern draußen, unter Menschen. Als ich damals den Wunsch geäußert hatte, die Welt zu sehen, haben meine Eltern ihre Ersparnisse zusammengelegt, alles was sie kriegen konnten und mit mir gemeinsam geplant. Es sollten meine letzten, schönen Erlebnisse werden.
Der Rolli war fast fertig gepackt, es fehlte nur noch ein Stück. Die Sofortbildkamera. Sie ermöglicht mir alle Erinnerungen sofort festzuhalten und benennen zu können um sie dann zuhause noch einmal durchleben zu können, wenn die Schmerzen kamen. Keiner sprach es aus, aber jeder wusste, dass dies der einzig wahre Zweck dieser Reise war.
Das Abendessen mit meiner Familie, zu der auch noch die Großeltern, nahe Verwandschaft und vor allem meine Handvoll Freunde zählte, verlief gedrückt und ruhig. Es war nicht besonders, es war schön. Ich verabschiedete mich so, als würde ich nur ein Jahr weg sein, und anschliessend hätten wir noch zig gemeinsame Jahre vor uns.
Mit diesem Gefühl ging ich auch in mein Bett, mit dem Gefühl, noch ewig zu leben. Vor dem Zubettgehen packte ich auch die Kamera in den Koffer. Nun sollte es also beginnen, das letzte Jahr meines Lebens.
Wenige Stunden später läutete der Wecker und ich erwachte aus dem für mich typisch gewordenen leichten Schlaf. Aufgeregt und mit Vorfreude ging ich in das kleine, weiß gekachelte Bad, dass ich mein Eigen nennen durfte. Damals hatten meine Eltern mir diesen kleinen Raum als Zeichen der Privatsphäre überlassen. Diese Privatsphäre gibt es in einem Krankenhaus nicht, weswegen mich diese wenige Quadratmeter glücklich werden ließ. Noch einmal duschen, anziehen und dann tappte ich runter in die Küche. Das Frühstück hatte Mutter schon tags zuvor hergerichtet und abgedeckt stehen lassen. Ich wusste, dass meine Eltern im Zimmer über der Küche wach im Bett lagen und gerne noch mal kommen würden, um sich zu verabschieden. Aber ich wollte das nicht, ich wollte keinen weiteren Abschiedsschmerz. Wenig später kontrollierte ich meinen Koffer, packte meine Medikamente, sowie die kopierte Krankenakte und weitere lebenswichtige Utensilien in den Rucksack und schloss wenig später die Haustür hinter mir. Ohne sich noch einmal umzudrehen ging ich aus der Hofeinfahrt und machte mich auf den Weg zum Bahnhof. Meine Eltern standen eng beieinander am Fenster, das zur Straße rausging und winkten mir stumm ein letztes Mal. Ich fühlte es.