Der Beste Freund

Sternwanderin
Hab mir gedacht, dass ich auch einfach mal eine meiner Texte poste. Hier eine Kurzgeschichte, die sehr eigen ist. Ich wollte einfach mal schauen, wie sie bei euch ankommt.
Der Schreibstil ist iwie anders und ist denke ich reine geschmackssache.
na ja, mal schauen, was ihr so dazu sagt! smile
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Der Beste Freund

Ich sehe einfach schrecklich aus: Die klitschnassen Haare hängen strähnenweise an meinen Wangen herunter, meine Haut ist mit knallroten Punkten vom hart prasselnden Regen durchsprenkelt und an den neonpinken Ostfriesennerz, der mich eigentlich vor dem Unwetter schützen sollte, möchte ich gar nicht erst denken. Trotzdem drücke ich auf den vergoldeten Klingelknopf.
Denn ich weiß, dass du mich ohne irritierte, skeptische Blicke in deine Wohnung hineinlässt und nur fragen wirst, was passiert ist. Und dann werde ich dir mein Leid klagen und du wirst mich verstehen. Wie immer.
Du öffnest die Tür und verschwindest sofort wieder, um mir eines von deinen so gut riechenden, weißen Handtüchern zu holen. Du kennst das Ritual genauso gut wie ich. Ich warte im Flur und fange an zu weinen. Du kommst wieder, drückst mir das Handtuch in die kleine Hand und läufst in die Küche. Ich hinterher. Ich lasse mich, so nass wie ich bin, auf die mit edlen Polstern bestückte Sitzbank fallen und heule in das Frottee hinein. Wie immer.
Endlich setzt du dich zu mir, stellst zwei dampfende Kakaos auf den Küchentisch und nimmst mich in den Arm. Deine tiefe Stimme wirkt beruhigend auf mich: „Ach, Vera-Maus. Was ist los mit dir? Hast du Probleme mit Bastian? Hat er etwa von deiner Affäre mit Olli Wind bekommen?“ Als ich nicht antworte, fängst du an zu singen. Du kannst nicht singen, das ist klar. Aber ich mag es und fühle mich dabei geborgen. Ich spüre deinen warmen Atem auf meiner Stirn und rieche den für dich so typischen Duft, der sogar in dem weißen Handtuch steckt. Ich kann nicht aufhören deinen Duft in mir aufzunehmen.
Wie immer.
Nach einer halben Ewigkeit löse ich mich aus deiner Umarmung und fange an zu erzählen. Diesmal hat es nichts mit meinem Freund Bastian zu tun, auch nichts mit meiner Affäre Olli oder mit einem neuen Schwarm. Diesmal nicht.
Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll. Deshalb fange ich einfach an zu erzählen. Wie immer.
„Weißt du was?“ Ich atme tief ein und anschließend seufzend wieder aus. Das hört sich sehr theatralisch an. Aber ich weiß, dass du, wenn ich so atme, meine Hand nimmst oder den Arm um mich legst. Das brauche ich jetzt.
Du legst deinen Arm um mich.
„Weißt du, ich habe heute gemerkt, dass ich Bastian nicht liebe.“ Ich schaue dir ins Gesicht und sehe, wie du langsam die linke Augenbraue hochziehst. Ich weiß, dass das ein Zeichen dafür ist, dass du dich wunderst. Du fragst: „Hast du dich etwa in Olli verliebt?“ Ich schlucke und schaue wieder weg. „Nein, Olli liebe ich auch nicht.“ Jetzt suchen meine Augen wieder deine, die blau erstrahlen. Das Blau in deinen Augen ist strahlender und funkelnder als das Gold an deinem Klingelknopf. Ich wundere mich, wie das überhaupt geht, dass Blau glänzender ist als Gold.
Ich fahre nach einer Weile fort: „Da gibt es jemanden, den ich schon so lange liebe. Ich habe es nur nie gemerkt, weil diese Liebe schon so selbstverständlich war, die ich für diese Person empfinde.
Ich dachte immer, es wäre nur eine sehr gute Freundschaft.“
Jetzt erkenne ich an deinem zuckenden, linken Mundwinkel, dass du mich verstehst.
„Aber es ist Liebe.“
kleine-Araberstute
Hey Sternwanderin,

gefällt dir, der Text. Man muss erst mal ein bisschen lesen, bis man rein kommt, aber er ist definitiv mitreißend und auch irgendwie spannend - auch wenn man eigentlich ab der ersten Zeile weiß, was du sagen willst großes Grinsen

+freu+ Ich glaube, das ist eine der ersten Kurzgeschichten hier bei GB, die auch wirklich zu der Kategorie 'Kurzgeschichte' und nicht etwa 'Kurze Geschichte' zählen - plötzlicher anfang (nicht ganz soo plötzlich) und ein sehr offenes Ende <3

Zitat:
Du legst deinen Arm um mich.

Das brauchst du nicht. Du hast im vorherigen Satz schon gesagt, dass dein Prota weiß, dass diese Handlung folgen wird Augenzwinkern

Den Bezug mit "wie immer" finde ich sehr schön und auch, als du es das x-te mal gemacht hast, hat es mich nicht gestört. Es hat mir Sicherheit gegeben. Was mir aber ein bisschen fehlt ist die Unsicherheit. Denn die sollte definitiv da sein.
"wie immer passierte blablabla. "
Aber...naja, "Es ist nicht wie immer, ich weiß nicht, was du sagen wirst" blablabla eben xD

Ich hoffe, mein "bla" konnte dir irgendetwas vermitteln? Ansonsten muss ich überlegen, wie ich es in Worte fassen kann ^.^

Liebe Grüße
Kerstin
Sternwanderin
vielen Dank für die Kritik! smile

hast recht. das mit der unsicherheit hätte ich iwie mehr berücksichtigen sollen. ich hatte nur angst, dass ich dann den "wie-immer-effekt" kaputt mache. Augen rollen ich werd mir auf jeden fall nochmal die geschichte anschauen und gucken, was sich da noch machen lässt. Freude
und das mit "du legst meinen arm um mich" hab ich extra geschrieben. es waren ja zwei optionen offen: er hätte den arm um sie legen oder ihre hand nehmen können. deshalb dieser satz. sozusagen: "[k]heute[/k] legte er den arm um mich".
kleine-Araberstute
Ah, okay großes Grinsen

Naja, genau das mit dem "wie immer"-Effekt wird hier toll.
"Und ab jetzt begann der Teil, der nicht wie immer sein konnte. So etwas hatte ich dir noch nie gesagt" blabla xDD
TerraTX
Ich finde die Geschichte, wie sie ist, auf ihre eigene Art und Weise perfekt. Mir war am Anfang gar nicht klar, worauf es genau hinauslaufen würde, wobei es sich nach einer Weile schon festgestellt habe.
Mir gefällt deine Wortwahl wirklich gut. Jede einzelne Wiederholung passt und alles wirkt wie eine Selbstverständlichkeit. Der Text ist einerseits oberflächlich beschrieben, geht er doch nirgends auf Gefühle ein, und andererseits voller Emotionen, die einfach durch deinen Schreibstil in der Situation hervorgehoben werden.

Ich persönlich würde nich mehr auf ihre Unsicherheit eingehen, zumindest nicht, indem man sie erwähnt, denn das hast du bei all den anderen Gefühlen auch nicht getan und es würde die Geschichte wahrscheinlich ruinieren, da es die anderen Gefühle dadurch komplett in den Hintergrund stellen, wenn nich sogar verbannen, würde.
Sternwanderin
ja, ich habe mich nochmal rangesetzt und war ebenfalls der meinung, dass -egal was ich gemacht habe- nie wirklich in die geschichte gepasst hat. irgendwie hat sie dann eine ganz andere atmosphäre...

also meinst du auch, ich soll sie so lassen, TerraTX? ja, ich denke das werde ich auch. danke für deine kritik! smile
pcdfan
Echt schön geschrieben. smile
Ich vermute mal, dass sie in ihren besten freund ist, oder? Wenn ja, küssen sie sich dann noch? +_+
+Kussszene will+

Gegenbesuch?
.jinx
Süüüüss <3 xD
Mag ich echt gern. Die werd ich mir ausdrucken und in meine Agenda kleben xD Irgendwie... so schlicht und einfach geschrieben und doch so speziell ^^
Toll gemacht smile
TerraTX
@Sternenwanderin: Jap, würd ich sagen. So ist sie eben genau so, wie Nikkivieh sie meiner Meinung nach sehr passend bezeichnet hat.

Zitat:
Irgendwie... so schlicht und einfach geschrieben und doch so speziell ^^
Sternwanderin
Vielen Dank, nikkivieh! fühle mich geehrt! cool

freut mich auch, dass es dir gefällt, pcdfan. aber ne kussszene wirds nicht geben....
ju_1324
Der Titel is pervers. :>
Sternwanderin
Zitat:
Original von Esperanza
Es sind mir zuviele Adjektive drin.


ja, stimmt. ist mir noch gar nicht aufgefallen... danke fürs drauf aufmerksam machen. ich werd jetzt nicht nochmal alles umschreiben, aber ich merks mir fürs nächste Mal.

der titel ist pervers?! großes Grinsen