kleine-Araberstute
Hey GB-ler,
ja, man solle es kaum glauben, abere klein Keksi traut sich doch wirklich mal wieder, Cavien zu zeigen. Und ja, es ist mittlerweile zwölf Monate her dass ich angefangen habe und ich bin beim ersten Kapitel. Warum? Versuche über Versuche, Verbesserungen über Verbesserungen. Nur, damit ich vor ein paar Wochen festgestellt habe, dass es mir nicht mehr gefällt.
Aber der Ehrgeiz ist da.
Deswegen, ohne einen weiteren Kommentar, hier der Prolog und das, was vom ersten Kapitel schon steht [der Rest ist etwas weiter unten, die Nachricht ist sonst zu lang
]. Ich hoffe, ich habe alle Rechtschreibfehler vertrieben...Das ganze hab ich mal in großer Schrift gepostet, damit es nicht zu anstrengend ist zu lesen [ich erinner mich noch an die alten Beschwerden von wegen "Das ist zu klein, kann man nicht lesen" - ich sorge vor
Wer >das< nicht lesen kann muss eindeutig zum Optiker]
Wichtig!
Ich habe einige Änderungen (wichtige Änderungen) vorgenommen - zwar ist nicht alles verändert und vielleicht merkt man es auch nicht unbedingt, aber dennoch: Die neue Fassung findet ihr hier: KLICK [Nicht auf die Markierungen achten - das sind "Notizen" für mich
]
Das leise Hufgetrappel geht allmählich im Prasseln des Regens unter und verliert sich schließlich ganz in den unendlichen Fluten der Wolken. Stillschweigend betrachte ich die dicken Tropfen, welche die Blätter der Bäume in ein dunkles Grün tauchen und den Himmel ein tristes Grau strafen. Endlich, endlich sind auch die letzten Gäste abgereist. Und eigentlich, eigentlich darf ich mich über ihr Gehen nicht freuen, dient diese Freundschaft doch so sehr dem Wohle meines Volkes, stärkt die Bände, die zwischen Elben und Menschen geknüpft worden sind. Und doch bin ich schon beinahe glücklich darüber, wieder alleine zu sein. So alleine und so glücklich, wie es mir eben möglich ist.
Mit einem leisen Seufzen nehme ich die Pergamentrolle in die Hand und blicke erneut auf die ersten Zeilen.
Liebste Laelin,
keine Sekunde bereue ich, dass ich Nachariah verlassen habe. Wie sehr ich unsere Welt vermisst habe!
Ja, denn Hajid hat noch einen Grund mehr sich zu freuen. Endlich haben die Elben diesem Land wieder den Rücken zugekehrt, nachdem der Schaden, den sie angerichtet hatten, beinahe behoben war und endlich sind sie zurück in der Welt, die für immer nur ihnen gehören wird. Nur ich bin geblieben. Alleine lebe ich in Zirnail, unserer Stadt, die mich immer mit solch einem Stolz erfüllt hatte. Jetzt ist sie mein. Doch freuen kann ich mich darüber nicht.
Nachdem er nicht mehr da ist, verändert sich so viel. Und all diese Veränderungen haben wir nur ihm zu verdanken. Es passiert so Unerwartetes mit der Menschheit, den Elben. Mir. Ich vermag nicht zu sagen, ob nun Frieden einkehren wird, aber in meinem Herzen herrschte von dem Tage an, da ich seine Augen in meinen Träumen sah, ein unbesiegbarer Sturm.
Fünftausend Winder zählt mein schwaches Dasein nun und ich bin noch immer voll von Trauer. Trauer über jenes, was ich in einer kurzen Zeitspanne gewonnen habe und in einer noch kürzeren wieder verloren. Trauer über Ereignisse, die nicht hätten geschehen dürfen und doch mussten.
Ich will euch die Geschichte desjenigen erzählen, der mich lehrte zu lieben.
Der Blick der pechschwarzen Katze schweifte ungeduldig suchend umher. Sie fixierte jede Hütte des Dorfes, welches sich in einiger Entfernung von dem unberührten Grün der Natur abhob, als wolle sie durch das Holz sehen, die Menschen, die darin lebten, durchschauen. Selbst den Rauch, der aus einem der Schornsteine emporstieg, beobachtete sie kurz, als erwartete sie, dass er sich dort verstecken würde. Mit zusammengekniffenen Augen begutachtete sie die Strohdächer, die eher schlecht als recht vor Regen, selbst vor Sonne, zu schützen schienen. Jede einzelne Hütte des ovalförmigen Dorfes unterzog sie ihrem kritischen Blick, schätzte, in welcher er lebte. Bari entschied sich für die Kleinste, Schäbigste. Ihr Instinkt sagte, dass dies genau der Ort war, an dem der Junge wohnte, über den ganz Zirnail sprach. Fassungslos schüttelte die Katze den Kopf, konnte das Gefühl, auf den Arm genommen zu werden, nicht abwerfen. Zwar wusste sie, dass er unter den Menschen nicht gerade berühmt war, doch hätte sie sich nie träumen lassen, dass er so wenig Stolz besaß. Eine einfache Hütte. Bei dem Schicksal! Bei dem Blut!
Gut, oft hatte Bari miterlebt, dass die mutigsten Männer aus kleinen Dörfern kamen, und dennoch zweifelte sie stark daran, ob Hajid sie nicht an der Schnauze herumführen wollte. Das würde ihm ähnlich sehen. Das passte zu Hajid, selbst bei ihm Scherze zu machen. Doch alles sprach gegen dieses Gefühl, selbst ihr Instinkt.
Gerade wollte sie sich abwenden, den Baum herunterklettern und sich einen Rastplatz für die Nacht suchen, um alles noch einmal zu überdenken, als ihre grünen Augen einen Jungen, nicht älter als sechzehn, aus der kleinen Hütte rennen sahen.
Sollte Hajid doch die Wahrheit gesagt haben? Sollte ihr Instinkt Recht behalten, ihr Gefühl sie täuschen?
Sie hielt in der Bewegung inne und krallte sich aufgeregt an der Rinde fest. Trotz der Entfernung sah die Katze ihn, als stünde er vor ihr, mit seinen tiefschwarzen Locken, die golden glänzten, als er ins Sonnenlicht trat und ihm in die dunklen Augen fielen. Braune Augen, die ihm mit den kleinen, bernsteinfarbenen Sprenkeln einen aufgeweckten, kecken Blick verliehen.
Kein Zweifel. Er war es. Wie sonst sollten diese dunklen Augen zu erklären sein, wenn nicht durch sein seit Jahrtausenden bekanntes Schicksal?
Aufgeregt peitschte sie mit dem Schwanz hin und her, ehe sie von dem Ast sprang und auf den Jungen zulief. Sie würdigte den Baumstumpf, der ihren Weg versperrte, keines Blickes, sondern setzte leichtfüßig über ihn hinweg, wie es keine gewöhnliche Katze vermocht hätte. Ihre Pfoten glitten lautlos über das Gras, den Blick hatte sie auf den Jungen gerichtet.
Es war unnatürlich still im Dorf Jodgarth. Die Männer waren auf den Feldern, die Frauen kümmerten sich um die Kinder oder bereiteten das Abendbrot zu. Und trotzdem war es stiller als sonst, kein Vogel sang, kein Wind wehte. Die Natur schien auf irgendetwas zu warten und Cavien beschlich ein merkwürdiges Gefühl, das ihn dazu veranlasste, zum Brunnen zu rennen um möglichst schnell wieder in seiner sicheren Hütte zu sein. Er war bereits vor einer halben Stunde vom Feld zurückgekommen, hatte Holz für das Feuer am Abend gehackt und wollte nun Wasser für Tee aufsetzten. So schnell wie möglich und doch vorsichtig band Cavien den Eimer am Seil fest, ließ ihn an diesem in den Brunnen fallen. Kaum einen Augenblick später hörte er, wie er ins Wasser platschte. Langsam zog er den vollen Eimer nach oben, beförderte ihn ans Tagelicht und löste die Knoten wieder.
„Sei gegrüßt, mein Name ist Bari“, hörte er plötzlich hinter sich eine tiefe Stimme.
Vor Schreck ließ Cavien den Eimer fallen und der kostbare Inhalt ergoss sich über den ausgetrockneten Boden. Er wich vor Katze und Wasser zurück.
Bari war zur Seite gesprungen. „Kannst du nicht ein bisschen aufpassen?“, fauchte sie und leckte sich die linke Vorderpfote, die nass geworden war.
Mit großen Augen schaute Cavien die schwarze Katze an. Träumte er? Ungläubig rieb er sich die Lider, doch die Katze saß noch immer vor ihm und funkelte ihn wütend an.
„Ent…Entschuldigung, Katze. Du kannst sprechen?“
„Natürlich! Was hast du denn gedacht? Können wir die Einzelheiten vielleicht freundlicherweise in deiner Hütte klären?“, ihre Stimme klang rau, wütend. Genervt.
„Äh…“, doch ehe er hätte antworten können war Bari schon in Richtung Hütte stolziert, Kopf und Schwanz hoch in die Luft gereckt.
„Vergiss den Eimer nicht“, rief sie und verschwand dann durch die Tür.
„Wa-?“ Cavien kniff sich in den Arm, schüttelte den Kopf, schaute sich um. Niemand war zu sehen. Kein Gekicher war zu hören. Dabei hatte Cavien schon fast damit gerechnet, dass Dominik und Gerion hinter der Schmiede hervorsprängen und „Haha! Dein Gesicht war genial!“ riefen.
„Cavien?“, hörte er die weiche Stimme von Etina. Schnell hob er den Eimer auf und drehte sich um.
In Kleid und mit einer Schürze umgebunden stand sie vor ihm, ebenfalls einen Eimer in der Hand. „Was ist los?“ Sie blickte ihn fragend an und Cavien wurde bewusst wie verstört er aussehen musste.
„Ni…Nichts. Ich habe nur gedacht, ich… ach, egal.“
Die Frau des Wirtes lächelte ihn aufmunternd an. „Du kannst heute bei uns essen, wenn du magst“, bot sie an und band den Eimer am Seil fest, schöpfte Wasser.
„Nein, trotzdem vielen Dank. Ein anderes Mal gerne, aber das Essen ist schon fast fertig“, sagte Cavien und drehte sich auf dem Absatz um, eilte zu seiner Hütte. „Schönen Abend noch“, rief er über die Schulter und schloss die Tür hinter sich, stellte den Eimer ab und blickte sich suchend in dem kleinen Raum um. Das Feuer warf ein flackerndes Licht auf den Tisch, auf dem schon Brot und Käse bereit standen, und die drei Stühle. Auf einem davon saß die Katze und blickte ihn abwartend an.
Cavien ging zur Anrichte und nahm die Teekanne, stellte sie zurück ins Regal. Er wollte nicht wieder zum Brunnen, aus Angst, dass jemand anderes aus dem Dorf da sein könnte, und, wenn er ehrlich war, dass ihm noch ein sprechendes Tier begegnen würde.
„Wer bi-“
„Besonders gastfreundlich bist du ja nicht“, zischte Bari und schüttelte empört den Kopf. „Nicht mal etwas zu Fressen kriege ich!“
„Ich… äh… Entschuldigung“, beeilte er sich zu sagen und hastete durch die Tür hinter die Hütte, holte ein Stück getrocknetes Fleisch aus seinem kleinen Vorrat.
„Bitte.“
Schweigend machte Bari sich über das Fleisch her, beachtete Cavien nicht weiter.
„Ka… Katze, wa-“, setzte Cavien an und versuchte, die Schlinggeräusche, die sein ungewöhnlicher Besuch verursachte, zu ignorieren.
„Bari.“ Sie blickte von ihrem Stück Fleisch auf und schluckte. Beinahe schon feindselig schaute sie ihn an und Cavien sah augenblicklich zu Boden. Dieses Tier, wenn es überhaupt ein Tier war, machte ihm Angst. Sie strahlte eine Macht und Autorität aus, die nicht einmal ein Leopard besaß, und das, obwohl sie kaum größer als eine junge Katze war. Zudem konnte sie nicht nur sprechen, es waren auch ihre Augen, die auf Übernatürliches hinwiesen. Sie strahlten in solch einem intensiven Grün, waren so tief und unergründlich und gleichzeitig so feindselig, dass man ihrem Blick kaum standhalten konnte.
„Und nenn mich nie wieder eine gewöhnliche Katze!“, fauchte sie ihn, nun richtig wütend, an. „Ich bin die Ratgeberin der Rajid.“
„Der was?“
„Rajid, der Elbenrat.“ Mit diesen drei Worten war eindeutig, dass sie ihn für dumm erklärte.
Als Cavien sie ungläubig, aber auch fragend anschaute, seufzte sie resigniert und hob ihre rechte Vorderpfote.
„Irgendeine Ahnung, was das ist?“, fragte sie zischend, genervt. Es war offensichtlich, dass sie mit dieser Situation nicht zufrieden war.
Cavien blickte auf die Pfote. Zwischen den Krallen, genau in der Mitte, prangte ein silbern schimmerndes Brandzeichen; ein alter Baum umgeben von einer Rosenranke mit einer einzelnen leuchtend rosa Blüte. Es war alles so detailgetreu und lebendig abgebildet, dass er das Gefühl hatte, die Äste des Baumes leicht hin und her schwanken zu sehen, als hätte der Wind an ihnen gezupft. Doch das war nicht der einzige Grund, warum er Baris Pfote mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Er erkannte dieses Symbol. Er kannte diesen Baum mit der Ranke, wenn er auch nicht wusste, wofür es stand.
Es war auf dem Medaillon. Dem einzigen Erinnerungsstück an seine Mutter.
Ungläubig stand Cavien auf und ging wie benommen ins Schlafzimmer, griff unter seine Matratze und zog das braune Säckchen hervor. Die wenigen Münzen im Innern klimperten, als Cavien die Goldkette mit dem Medaillon herauszog, das Säckchen dann wieder versteckte und zurück zu seinem Stuhl ging um sich das Emblem auf dem Gold noch einmal genau anzusehen. Bari beobachtete ihn interessiert, während sie den letzten Happen Fleisch verschlang.
„Ah“, seufzte sie dann und es schien, als würden ihre Augen freudig aufblitzen.
„Das Medaillon. Helena hat also einen Weg gefunden es dir zu überlassen.“
Cavien schaute irritiert von der Kette auf. „Du kanntest meine Mutter?“ Was zum Teufel war hier los? Das konnte kein Traum sein, so etwas Ausgefallenes träumte man nicht.
„Natürlich. War eine liebenswerte, hübsche Frau. Wenn auch etwas töricht.“
Er starrte sie an, die Finger fest um die Kette geklammert, auf der vordersten Stuhlkante sitzend um möglichst nah an Bari zu sein, damit er auch ja jedes Wort hörte.
„Du hast es also nicht öffnen können? Natürlich nicht, du kannst schließlich kein Fareal. Und deswegen wurde ich hergeschickt.“ Sie blickte ihn mit ausdruckslosen Augen an, mit Augen, die Emotionen versteckten. „Um dich abzuholen“, setzte sie schließlich hinzu.
Verständnislos blickte Cavien sie an, konnte aus ihren Worten keinen logischen Sinn ziehen. Es öffnen? Kein Fareal? Doch alles, was er über die Lippen brachte war ein „Wohin?“ Zufrieden richtete Bari sich etwas auf.
„Zirnail, die Stadt der Elben.“
Elben? Alle in Nachariah kannten sie, die Legende der Elben, wurde sie doch bei jeder Gelegenheit zum Besten gegeben. Vor etlichen Jahrtausenden sollen sie übers Meer gekommen sein und schon vor den Menschen das Land besiedelt haben. Jahre, wenn nicht sogar Jahrhunderte, lebten die Völker friedlich miteinander, bis der damalige König die Macht des magischen Volkes entdeckt habe. Die Lösung aller Probleme wären sie gewesen, doch die Elben zogen sich in eine geheime Stadt irgendwo in Mitten Nachariahs zurück. Erzürnt über diesen Treuebruch, diesen Freundschaftsverrat erklärte der König ihnen den Krieg, doch war er nie in der Lage gewesen herauszufinden, wo die Elben lebten. Sowieso glaubten die wenigsten, dass jemand dazu im Stande wäre, sie ausfindig zu machen und zu besiegen. Die Gerüchte über das magische, das unsterblich schöne Volk waren fast noch bekannter als die Legende selbst. Cavien hatte ihnen bis jetzt keinen Glauben geschenkt, er hatte sie stets für das gehalten, wofür die Alten sie ausgaben: Legenden, Geschichten. Zur Unterhaltung bestimmt. Doch warum auch immer, aus dem Maul dieser Katze klang der Name Zirnail tatsächlich wie eine Elbenstadt. Und so schaffte er es einfach nicht zu widersprechen.
„Warum?“, fragte er stattdessen nur.
Bari schaute ob des fehlenden Widerspruchs sehr zufrieden aus. „Es ist nicht meine Aufgabe dir das zu erklären. Zumindest noch nicht jetzt. Na los, pack deine Sachen, wir müssen los!“
Beinahe wäre Cavien aufgesprungen und ihrem Befehl gefolgt, doch dann merkte er, wie lächerlich das wäre.
„Warum?“, wiederholte er, nun mit vom Trotz gestärkter Stimme.
Bari funkelte ihn wütend an. „Weil ich das sage“, zischte sie und sprang auf, versenkte ihre Krallen wütend im dunkeln Holz der Sitzfläche. Der Feuerschein warf flackernde Punkte und Streifen auf ihr Fell und brachte ihre Augen dazu noch intensiver zu leuchten, etwas, das Cavien für unmöglich gehalten hätte, würde er es nicht sehen. Wie es wohl ist, wenn die Sonne hinein scheint?, fragte er sich.
„Also los, im Morgengrauen müssen wir aufbrechen und du solltest ausgeschlafen sein. Es sei denn, es macht dir Spaß, müde durch die Gegend zu stolpern. Dann lass dich von mir nicht aufhalten.“ Baris Mund verzog sich zu einem merkwürdigen, schiefen Katzenlächeln, bei dem sie ihre spitzen Vorderzähne entblößte.
„Ich denke gar nicht daran.“ Es klang mutiger als Cavien sich fühlte. Ihm wurde schlagartig bewusst, wie lächerlich sich das anhörte. Er ließ sich von einer Katze einschüchtern! Und doch konnte er nichts gegen die Angst unternehmen, die sich seiner bemächtigte. Er war ihr vollkommen hilflos ausgeliefert.
„Was? Natürlich wirst du daran denken! Aber bitte, wenn du’s nicht anders haben willst.“ Sie seufzte und ließ sich wie eine Sphinx auf dem Stuhl nieder. Ihr Schwanz schlug unruhig hin und her, ihre sonst so wachsamen Augen waren entspannt geschlossen und ihre Schnurrbarthaare zuckten. Ein tiefes Summen drang aus ihrer Kehle und erfüllte den Raum. Die Minuten verstrichen ohne dass sich etwas an ihrer Position änderte. Nur das Summen nahm abwechselnd an Klang zu und ab.
Cavien blickte sie zweifelnd an. Das sollte der Beweis sein? Eine summende Katze? Das brachte ihn auch nicht viel weiter. Verärgert streckte er die Hand aus, wollte sie wachrütteln und auffordern seine Hütte zu verlassen, doch seine Finger stockten auf halber Strecke. Einen Fuß vor der Katze erschien, wie aus dem Nichts, ein Briefumschlag. Kurz schwebte er in der Luft, fiel dann mit einem knisternden Geräusch auf den Tisch. Caviens Hand zuckte zurück, er musterte den Brief kritisch, ängstlich, erwartete jede Sekunde, dass er wieder verschwand. Er versuchte das vermeintliche Trugbild wegzublinzeln, doch auch als er seine Augen wieder öffnete war der Umschlag noch immer da, vor ihm auf dem Tisch. Bari sprang auf und schüttelte energisch den Kopf als wolle sie ein Bild aus ihren Gedanken wischen oder Kopfschmerzen vertreiben. Sie funkelte Cavien wütend an, schwieg jedoch.
Wie von selbst fassten seine Finger nach dem Pergament. Halb erwartete er, dass er ins Leere griff, doch der Umschlag fühlte sich täuschend echt an, knisterte unter seinen Fingerkuppen.
„Wa… Was ist das?“
„Dein Brief“, antwortete Bari schlicht.
„Wo kommt der her?“, fragte er mit zittriger Stimme, noch immer den Umschlag abtastend.
„Aus Zirnail, vermute ich.“ Sie schien nicht vorzuhaben ihm weiteres zu erklären und so beschloss Cavien, den Brief zu öffnen, in der Hoffnung aus dessen Inhalt schlauer zu werden. Er blickte auf die verschnörkelte Schrift. Cavien, mein geliebter Sohn. Er zog die Augenbraue hoch, doch seine Finger zitterten, als er den Umschlag schließlich aufhob. Sollte der Brief etwa von seiner Mutter stammen? Aber das konnte nicht sein! Sie war an den Folgen seiner Geburt gestorben, wie hätte sie ahnen können, dass sie sterben würde?
Langsam drehte er den Umschlag um. Auf dem blutroten Siegel prangte ebenjenes Emblem welches auch Baris Pfote zierte.
„Es ist das Symbol der Elben.“
Verwundert blickte er auf. „Wofür stehen Baum und Ranke?“ Und warum ist es auf meiner Kette? Was hat meine Mutter mit den Elben zu tun?
„Der Baum symbolisiert das ewige Leben, die Unsterblichkeit. Die Rosenranke steht für die Schönheit und Güte der Elben und die Dornen für den Tod, den unser Zorn anderen bringt.“
Das Pergament knisterte leise als Cavien das Siegel brach und zwei Briefbögen hervorzog. Mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte er auf die schwarze Tinte, mit der die Bögen beschrieben waren. Sie schien im schwachen Licht zu schimmern. Es kostete ihn einige Mühe die verschlungene Handschrift zu entziffern.
L…Lie…Liebster, las er. Er hatte sich immer schwer mit Schriften getan, hatte auch nie ganz nachvollziehen können, warum er lesen lernen musste. Doch Lydia, die Frau, bei der er aufgewachsen war, hatte viel Wert auf seine Ausbildung gelegt. Jetzt war er ihr dankbar, dass er die Katze nicht bitten musste vorzulesen. Und er bereute, sich nicht mehr angestrengt zu haben.
ja, man solle es kaum glauben, abere klein Keksi traut sich doch wirklich mal wieder, Cavien zu zeigen. Und ja, es ist mittlerweile zwölf Monate her dass ich angefangen habe und ich bin beim ersten Kapitel. Warum? Versuche über Versuche, Verbesserungen über Verbesserungen. Nur, damit ich vor ein paar Wochen festgestellt habe, dass es mir nicht mehr gefällt.
Aber der Ehrgeiz ist da.
Deswegen, ohne einen weiteren Kommentar, hier der Prolog und das, was vom ersten Kapitel schon steht [der Rest ist etwas weiter unten, die Nachricht ist sonst zu lang


Wichtig!
Ich habe einige Änderungen (wichtige Änderungen) vorgenommen - zwar ist nicht alles verändert und vielleicht merkt man es auch nicht unbedingt, aber dennoch: Die neue Fassung findet ihr hier: KLICK [Nicht auf die Markierungen achten - das sind "Notizen" für mich

Prolog
Das leise Hufgetrappel geht allmählich im Prasseln des Regens unter und verliert sich schließlich ganz in den unendlichen Fluten der Wolken. Stillschweigend betrachte ich die dicken Tropfen, welche die Blätter der Bäume in ein dunkles Grün tauchen und den Himmel ein tristes Grau strafen. Endlich, endlich sind auch die letzten Gäste abgereist. Und eigentlich, eigentlich darf ich mich über ihr Gehen nicht freuen, dient diese Freundschaft doch so sehr dem Wohle meines Volkes, stärkt die Bände, die zwischen Elben und Menschen geknüpft worden sind. Und doch bin ich schon beinahe glücklich darüber, wieder alleine zu sein. So alleine und so glücklich, wie es mir eben möglich ist.
Mit einem leisen Seufzen nehme ich die Pergamentrolle in die Hand und blicke erneut auf die ersten Zeilen.
Liebste Laelin,
keine Sekunde bereue ich, dass ich Nachariah verlassen habe. Wie sehr ich unsere Welt vermisst habe!
Ja, denn Hajid hat noch einen Grund mehr sich zu freuen. Endlich haben die Elben diesem Land wieder den Rücken zugekehrt, nachdem der Schaden, den sie angerichtet hatten, beinahe behoben war und endlich sind sie zurück in der Welt, die für immer nur ihnen gehören wird. Nur ich bin geblieben. Alleine lebe ich in Zirnail, unserer Stadt, die mich immer mit solch einem Stolz erfüllt hatte. Jetzt ist sie mein. Doch freuen kann ich mich darüber nicht.
Nachdem er nicht mehr da ist, verändert sich so viel. Und all diese Veränderungen haben wir nur ihm zu verdanken. Es passiert so Unerwartetes mit der Menschheit, den Elben. Mir. Ich vermag nicht zu sagen, ob nun Frieden einkehren wird, aber in meinem Herzen herrschte von dem Tage an, da ich seine Augen in meinen Träumen sah, ein unbesiegbarer Sturm.
Fünftausend Winder zählt mein schwaches Dasein nun und ich bin noch immer voll von Trauer. Trauer über jenes, was ich in einer kurzen Zeitspanne gewonnen habe und in einer noch kürzeren wieder verloren. Trauer über Ereignisse, die nicht hätten geschehen dürfen und doch mussten.
Ich will euch die Geschichte desjenigen erzählen, der mich lehrte zu lieben.
1. Kapitel.
Eine Katze kann sprechen
Eine Katze kann sprechen
Der Blick der pechschwarzen Katze schweifte ungeduldig suchend umher. Sie fixierte jede Hütte des Dorfes, welches sich in einiger Entfernung von dem unberührten Grün der Natur abhob, als wolle sie durch das Holz sehen, die Menschen, die darin lebten, durchschauen. Selbst den Rauch, der aus einem der Schornsteine emporstieg, beobachtete sie kurz, als erwartete sie, dass er sich dort verstecken würde. Mit zusammengekniffenen Augen begutachtete sie die Strohdächer, die eher schlecht als recht vor Regen, selbst vor Sonne, zu schützen schienen. Jede einzelne Hütte des ovalförmigen Dorfes unterzog sie ihrem kritischen Blick, schätzte, in welcher er lebte. Bari entschied sich für die Kleinste, Schäbigste. Ihr Instinkt sagte, dass dies genau der Ort war, an dem der Junge wohnte, über den ganz Zirnail sprach. Fassungslos schüttelte die Katze den Kopf, konnte das Gefühl, auf den Arm genommen zu werden, nicht abwerfen. Zwar wusste sie, dass er unter den Menschen nicht gerade berühmt war, doch hätte sie sich nie träumen lassen, dass er so wenig Stolz besaß. Eine einfache Hütte. Bei dem Schicksal! Bei dem Blut!
Gut, oft hatte Bari miterlebt, dass die mutigsten Männer aus kleinen Dörfern kamen, und dennoch zweifelte sie stark daran, ob Hajid sie nicht an der Schnauze herumführen wollte. Das würde ihm ähnlich sehen. Das passte zu Hajid, selbst bei ihm Scherze zu machen. Doch alles sprach gegen dieses Gefühl, selbst ihr Instinkt.
Gerade wollte sie sich abwenden, den Baum herunterklettern und sich einen Rastplatz für die Nacht suchen, um alles noch einmal zu überdenken, als ihre grünen Augen einen Jungen, nicht älter als sechzehn, aus der kleinen Hütte rennen sahen.
Sollte Hajid doch die Wahrheit gesagt haben? Sollte ihr Instinkt Recht behalten, ihr Gefühl sie täuschen?
Sie hielt in der Bewegung inne und krallte sich aufgeregt an der Rinde fest. Trotz der Entfernung sah die Katze ihn, als stünde er vor ihr, mit seinen tiefschwarzen Locken, die golden glänzten, als er ins Sonnenlicht trat und ihm in die dunklen Augen fielen. Braune Augen, die ihm mit den kleinen, bernsteinfarbenen Sprenkeln einen aufgeweckten, kecken Blick verliehen.
Kein Zweifel. Er war es. Wie sonst sollten diese dunklen Augen zu erklären sein, wenn nicht durch sein seit Jahrtausenden bekanntes Schicksal?
Aufgeregt peitschte sie mit dem Schwanz hin und her, ehe sie von dem Ast sprang und auf den Jungen zulief. Sie würdigte den Baumstumpf, der ihren Weg versperrte, keines Blickes, sondern setzte leichtfüßig über ihn hinweg, wie es keine gewöhnliche Katze vermocht hätte. Ihre Pfoten glitten lautlos über das Gras, den Blick hatte sie auf den Jungen gerichtet.
* * *
Es war unnatürlich still im Dorf Jodgarth. Die Männer waren auf den Feldern, die Frauen kümmerten sich um die Kinder oder bereiteten das Abendbrot zu. Und trotzdem war es stiller als sonst, kein Vogel sang, kein Wind wehte. Die Natur schien auf irgendetwas zu warten und Cavien beschlich ein merkwürdiges Gefühl, das ihn dazu veranlasste, zum Brunnen zu rennen um möglichst schnell wieder in seiner sicheren Hütte zu sein. Er war bereits vor einer halben Stunde vom Feld zurückgekommen, hatte Holz für das Feuer am Abend gehackt und wollte nun Wasser für Tee aufsetzten. So schnell wie möglich und doch vorsichtig band Cavien den Eimer am Seil fest, ließ ihn an diesem in den Brunnen fallen. Kaum einen Augenblick später hörte er, wie er ins Wasser platschte. Langsam zog er den vollen Eimer nach oben, beförderte ihn ans Tagelicht und löste die Knoten wieder.
„Sei gegrüßt, mein Name ist Bari“, hörte er plötzlich hinter sich eine tiefe Stimme.
Vor Schreck ließ Cavien den Eimer fallen und der kostbare Inhalt ergoss sich über den ausgetrockneten Boden. Er wich vor Katze und Wasser zurück.
Bari war zur Seite gesprungen. „Kannst du nicht ein bisschen aufpassen?“, fauchte sie und leckte sich die linke Vorderpfote, die nass geworden war.
Mit großen Augen schaute Cavien die schwarze Katze an. Träumte er? Ungläubig rieb er sich die Lider, doch die Katze saß noch immer vor ihm und funkelte ihn wütend an.
„Ent…Entschuldigung, Katze. Du kannst sprechen?“
„Natürlich! Was hast du denn gedacht? Können wir die Einzelheiten vielleicht freundlicherweise in deiner Hütte klären?“, ihre Stimme klang rau, wütend. Genervt.
„Äh…“, doch ehe er hätte antworten können war Bari schon in Richtung Hütte stolziert, Kopf und Schwanz hoch in die Luft gereckt.
„Vergiss den Eimer nicht“, rief sie und verschwand dann durch die Tür.
„Wa-?“ Cavien kniff sich in den Arm, schüttelte den Kopf, schaute sich um. Niemand war zu sehen. Kein Gekicher war zu hören. Dabei hatte Cavien schon fast damit gerechnet, dass Dominik und Gerion hinter der Schmiede hervorsprängen und „Haha! Dein Gesicht war genial!“ riefen.
„Cavien?“, hörte er die weiche Stimme von Etina. Schnell hob er den Eimer auf und drehte sich um.
In Kleid und mit einer Schürze umgebunden stand sie vor ihm, ebenfalls einen Eimer in der Hand. „Was ist los?“ Sie blickte ihn fragend an und Cavien wurde bewusst wie verstört er aussehen musste.
„Ni…Nichts. Ich habe nur gedacht, ich… ach, egal.“
Die Frau des Wirtes lächelte ihn aufmunternd an. „Du kannst heute bei uns essen, wenn du magst“, bot sie an und band den Eimer am Seil fest, schöpfte Wasser.
„Nein, trotzdem vielen Dank. Ein anderes Mal gerne, aber das Essen ist schon fast fertig“, sagte Cavien und drehte sich auf dem Absatz um, eilte zu seiner Hütte. „Schönen Abend noch“, rief er über die Schulter und schloss die Tür hinter sich, stellte den Eimer ab und blickte sich suchend in dem kleinen Raum um. Das Feuer warf ein flackerndes Licht auf den Tisch, auf dem schon Brot und Käse bereit standen, und die drei Stühle. Auf einem davon saß die Katze und blickte ihn abwartend an.
Cavien ging zur Anrichte und nahm die Teekanne, stellte sie zurück ins Regal. Er wollte nicht wieder zum Brunnen, aus Angst, dass jemand anderes aus dem Dorf da sein könnte, und, wenn er ehrlich war, dass ihm noch ein sprechendes Tier begegnen würde.
„Wer bi-“
„Besonders gastfreundlich bist du ja nicht“, zischte Bari und schüttelte empört den Kopf. „Nicht mal etwas zu Fressen kriege ich!“
„Ich… äh… Entschuldigung“, beeilte er sich zu sagen und hastete durch die Tür hinter die Hütte, holte ein Stück getrocknetes Fleisch aus seinem kleinen Vorrat.
„Bitte.“
Schweigend machte Bari sich über das Fleisch her, beachtete Cavien nicht weiter.
„Ka… Katze, wa-“, setzte Cavien an und versuchte, die Schlinggeräusche, die sein ungewöhnlicher Besuch verursachte, zu ignorieren.
„Bari.“ Sie blickte von ihrem Stück Fleisch auf und schluckte. Beinahe schon feindselig schaute sie ihn an und Cavien sah augenblicklich zu Boden. Dieses Tier, wenn es überhaupt ein Tier war, machte ihm Angst. Sie strahlte eine Macht und Autorität aus, die nicht einmal ein Leopard besaß, und das, obwohl sie kaum größer als eine junge Katze war. Zudem konnte sie nicht nur sprechen, es waren auch ihre Augen, die auf Übernatürliches hinwiesen. Sie strahlten in solch einem intensiven Grün, waren so tief und unergründlich und gleichzeitig so feindselig, dass man ihrem Blick kaum standhalten konnte.
„Und nenn mich nie wieder eine gewöhnliche Katze!“, fauchte sie ihn, nun richtig wütend, an. „Ich bin die Ratgeberin der Rajid.“
„Der was?“
„Rajid, der Elbenrat.“ Mit diesen drei Worten war eindeutig, dass sie ihn für dumm erklärte.
Als Cavien sie ungläubig, aber auch fragend anschaute, seufzte sie resigniert und hob ihre rechte Vorderpfote.
„Irgendeine Ahnung, was das ist?“, fragte sie zischend, genervt. Es war offensichtlich, dass sie mit dieser Situation nicht zufrieden war.
Cavien blickte auf die Pfote. Zwischen den Krallen, genau in der Mitte, prangte ein silbern schimmerndes Brandzeichen; ein alter Baum umgeben von einer Rosenranke mit einer einzelnen leuchtend rosa Blüte. Es war alles so detailgetreu und lebendig abgebildet, dass er das Gefühl hatte, die Äste des Baumes leicht hin und her schwanken zu sehen, als hätte der Wind an ihnen gezupft. Doch das war nicht der einzige Grund, warum er Baris Pfote mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Er erkannte dieses Symbol. Er kannte diesen Baum mit der Ranke, wenn er auch nicht wusste, wofür es stand.
Es war auf dem Medaillon. Dem einzigen Erinnerungsstück an seine Mutter.
Ungläubig stand Cavien auf und ging wie benommen ins Schlafzimmer, griff unter seine Matratze und zog das braune Säckchen hervor. Die wenigen Münzen im Innern klimperten, als Cavien die Goldkette mit dem Medaillon herauszog, das Säckchen dann wieder versteckte und zurück zu seinem Stuhl ging um sich das Emblem auf dem Gold noch einmal genau anzusehen. Bari beobachtete ihn interessiert, während sie den letzten Happen Fleisch verschlang.
„Ah“, seufzte sie dann und es schien, als würden ihre Augen freudig aufblitzen.
„Das Medaillon. Helena hat also einen Weg gefunden es dir zu überlassen.“
Cavien schaute irritiert von der Kette auf. „Du kanntest meine Mutter?“ Was zum Teufel war hier los? Das konnte kein Traum sein, so etwas Ausgefallenes träumte man nicht.
„Natürlich. War eine liebenswerte, hübsche Frau. Wenn auch etwas töricht.“
Er starrte sie an, die Finger fest um die Kette geklammert, auf der vordersten Stuhlkante sitzend um möglichst nah an Bari zu sein, damit er auch ja jedes Wort hörte.
„Du hast es also nicht öffnen können? Natürlich nicht, du kannst schließlich kein Fareal. Und deswegen wurde ich hergeschickt.“ Sie blickte ihn mit ausdruckslosen Augen an, mit Augen, die Emotionen versteckten. „Um dich abzuholen“, setzte sie schließlich hinzu.
Verständnislos blickte Cavien sie an, konnte aus ihren Worten keinen logischen Sinn ziehen. Es öffnen? Kein Fareal? Doch alles, was er über die Lippen brachte war ein „Wohin?“ Zufrieden richtete Bari sich etwas auf.
„Zirnail, die Stadt der Elben.“
Elben? Alle in Nachariah kannten sie, die Legende der Elben, wurde sie doch bei jeder Gelegenheit zum Besten gegeben. Vor etlichen Jahrtausenden sollen sie übers Meer gekommen sein und schon vor den Menschen das Land besiedelt haben. Jahre, wenn nicht sogar Jahrhunderte, lebten die Völker friedlich miteinander, bis der damalige König die Macht des magischen Volkes entdeckt habe. Die Lösung aller Probleme wären sie gewesen, doch die Elben zogen sich in eine geheime Stadt irgendwo in Mitten Nachariahs zurück. Erzürnt über diesen Treuebruch, diesen Freundschaftsverrat erklärte der König ihnen den Krieg, doch war er nie in der Lage gewesen herauszufinden, wo die Elben lebten. Sowieso glaubten die wenigsten, dass jemand dazu im Stande wäre, sie ausfindig zu machen und zu besiegen. Die Gerüchte über das magische, das unsterblich schöne Volk waren fast noch bekannter als die Legende selbst. Cavien hatte ihnen bis jetzt keinen Glauben geschenkt, er hatte sie stets für das gehalten, wofür die Alten sie ausgaben: Legenden, Geschichten. Zur Unterhaltung bestimmt. Doch warum auch immer, aus dem Maul dieser Katze klang der Name Zirnail tatsächlich wie eine Elbenstadt. Und so schaffte er es einfach nicht zu widersprechen.
„Warum?“, fragte er stattdessen nur.
Bari schaute ob des fehlenden Widerspruchs sehr zufrieden aus. „Es ist nicht meine Aufgabe dir das zu erklären. Zumindest noch nicht jetzt. Na los, pack deine Sachen, wir müssen los!“
Beinahe wäre Cavien aufgesprungen und ihrem Befehl gefolgt, doch dann merkte er, wie lächerlich das wäre.
„Warum?“, wiederholte er, nun mit vom Trotz gestärkter Stimme.
Bari funkelte ihn wütend an. „Weil ich das sage“, zischte sie und sprang auf, versenkte ihre Krallen wütend im dunkeln Holz der Sitzfläche. Der Feuerschein warf flackernde Punkte und Streifen auf ihr Fell und brachte ihre Augen dazu noch intensiver zu leuchten, etwas, das Cavien für unmöglich gehalten hätte, würde er es nicht sehen. Wie es wohl ist, wenn die Sonne hinein scheint?, fragte er sich.
„Also los, im Morgengrauen müssen wir aufbrechen und du solltest ausgeschlafen sein. Es sei denn, es macht dir Spaß, müde durch die Gegend zu stolpern. Dann lass dich von mir nicht aufhalten.“ Baris Mund verzog sich zu einem merkwürdigen, schiefen Katzenlächeln, bei dem sie ihre spitzen Vorderzähne entblößte.
„Ich denke gar nicht daran.“ Es klang mutiger als Cavien sich fühlte. Ihm wurde schlagartig bewusst, wie lächerlich sich das anhörte. Er ließ sich von einer Katze einschüchtern! Und doch konnte er nichts gegen die Angst unternehmen, die sich seiner bemächtigte. Er war ihr vollkommen hilflos ausgeliefert.
„Was? Natürlich wirst du daran denken! Aber bitte, wenn du’s nicht anders haben willst.“ Sie seufzte und ließ sich wie eine Sphinx auf dem Stuhl nieder. Ihr Schwanz schlug unruhig hin und her, ihre sonst so wachsamen Augen waren entspannt geschlossen und ihre Schnurrbarthaare zuckten. Ein tiefes Summen drang aus ihrer Kehle und erfüllte den Raum. Die Minuten verstrichen ohne dass sich etwas an ihrer Position änderte. Nur das Summen nahm abwechselnd an Klang zu und ab.
Cavien blickte sie zweifelnd an. Das sollte der Beweis sein? Eine summende Katze? Das brachte ihn auch nicht viel weiter. Verärgert streckte er die Hand aus, wollte sie wachrütteln und auffordern seine Hütte zu verlassen, doch seine Finger stockten auf halber Strecke. Einen Fuß vor der Katze erschien, wie aus dem Nichts, ein Briefumschlag. Kurz schwebte er in der Luft, fiel dann mit einem knisternden Geräusch auf den Tisch. Caviens Hand zuckte zurück, er musterte den Brief kritisch, ängstlich, erwartete jede Sekunde, dass er wieder verschwand. Er versuchte das vermeintliche Trugbild wegzublinzeln, doch auch als er seine Augen wieder öffnete war der Umschlag noch immer da, vor ihm auf dem Tisch. Bari sprang auf und schüttelte energisch den Kopf als wolle sie ein Bild aus ihren Gedanken wischen oder Kopfschmerzen vertreiben. Sie funkelte Cavien wütend an, schwieg jedoch.
Wie von selbst fassten seine Finger nach dem Pergament. Halb erwartete er, dass er ins Leere griff, doch der Umschlag fühlte sich täuschend echt an, knisterte unter seinen Fingerkuppen.
„Wa… Was ist das?“
„Dein Brief“, antwortete Bari schlicht.
„Wo kommt der her?“, fragte er mit zittriger Stimme, noch immer den Umschlag abtastend.
„Aus Zirnail, vermute ich.“ Sie schien nicht vorzuhaben ihm weiteres zu erklären und so beschloss Cavien, den Brief zu öffnen, in der Hoffnung aus dessen Inhalt schlauer zu werden. Er blickte auf die verschnörkelte Schrift. Cavien, mein geliebter Sohn. Er zog die Augenbraue hoch, doch seine Finger zitterten, als er den Umschlag schließlich aufhob. Sollte der Brief etwa von seiner Mutter stammen? Aber das konnte nicht sein! Sie war an den Folgen seiner Geburt gestorben, wie hätte sie ahnen können, dass sie sterben würde?
Langsam drehte er den Umschlag um. Auf dem blutroten Siegel prangte ebenjenes Emblem welches auch Baris Pfote zierte.
„Es ist das Symbol der Elben.“
Verwundert blickte er auf. „Wofür stehen Baum und Ranke?“ Und warum ist es auf meiner Kette? Was hat meine Mutter mit den Elben zu tun?
„Der Baum symbolisiert das ewige Leben, die Unsterblichkeit. Die Rosenranke steht für die Schönheit und Güte der Elben und die Dornen für den Tod, den unser Zorn anderen bringt.“
Das Pergament knisterte leise als Cavien das Siegel brach und zwei Briefbögen hervorzog. Mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte er auf die schwarze Tinte, mit der die Bögen beschrieben waren. Sie schien im schwachen Licht zu schimmern. Es kostete ihn einige Mühe die verschlungene Handschrift zu entziffern.
L…Lie…Liebster, las er. Er hatte sich immer schwer mit Schriften getan, hatte auch nie ganz nachvollziehen können, warum er lesen lernen musste. Doch Lydia, die Frau, bei der er aufgewachsen war, hatte viel Wert auf seine Ausbildung gelegt. Jetzt war er ihr dankbar, dass er die Katze nicht bitten musste vorzulesen. Und er bereute, sich nicht mehr angestrengt zu haben.