Aleu
Joa.
Die Idee zu der Geschichte an sich hatte ich schon vor längerer Zeit.
Richtig inspiriert dazu wurde ich dann letztendlich durch ein Buch - 'B:SEITE'.
Daraus stammt auch die Idee mit den zwei Seiten.
Aber ich will nicht zu viel verraten. ;D
Ich habe es letztens dann geschrieben. Eigentlich nur für mich selbst & so.
Von ein paar Freunden habe ich dann gehört,
dass sie's ganz ganz ganz toll fanden.
Aber gut, das waren Freunde von mir. Ich denke zwar, dass sie mir schon sagen würden, wenn's ihnen gar nicht gefallen würde.
Aber ein 'Außenstehender' kritisiert dennoch anders. (x
Und dadurch doch neugierig gemacht würde mich jetzt doch mal interessieren, was ihr davon haltet.
Also - eure Meinung dazu, direkt & frei raus. ;D
________________________________________
Imagine the real world
Where all the metaphers and pictures
aren’t just in your head.
Imagine that they are real…
Der alltägliche Lärm dringt wie aus weiter Ferne in mein Bewusstsein.
Ich sitze am Fenster, den Blick verloren nach draußen gerichtet, die Knie an den Oberkörper herangezogen.
Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie die Anderen herumrennen, reden, lachen.
Sie scheinen bester Laune zu sein. Sie sind so blind.
Im Gegensatz zu mir.
Wer ich bin?
Nun, mein Name tut nichts zur Sache.
Ob du mich kennst, weiß ich nicht; vielleicht.
Aber siehst du mich? Jetzt, gerade, in diesem Augenblick? Siehst du mich?
Ja? Was siehst du?
Lange, braune Haare. Braune Augen, die im Licht leicht grün schimmern.
Eine schlanke Figur, gehüllt in betonende, aber dunkle Kleidung.
Ein leichtes, warmes Lächeln auf den Lippen, der Blick wach und interessiert.
Das siehst du? Das ist es, was alle sehen.
Doch es ist falsch.
Es ist nicht das wahre Bild, das sich dir bietet; es ist nur ein Schein.
Man könnte es vergleichen mit einer Schallplatte: A-Seite und B-Seite.
Die A-Seite eines Menschen ist das, was er für die Außenwelt ist, der Mensch, der er vorgibt zu sein.
Es ist die Seite eines Menschen, die jeder auf den ersten Blick sehen kann.
Die Seite, der dagegen viel zu wenig bis gar keine Beachtung geschenkt wird, ist die andere Seite – die B-Seite.
Sie stellt das dar, was der Mensch wirklich ist, sein wahres Ich, dass er vor der Außenwelt geschützt in sich verbirgt.
Es ist das, was es zu finden gilt.
Und es ist das, wonach am wenigsten gesucht wird, ist es doch viel einfacher, sich einfach dem Schein hinzugeben.
Und nicht nur die Menschen haben diese zwei Seiten – die ganze Welt besteht aus ihnen.
Du glaubst, du siehst die Welt, wie sie wirklich ist? Du irrst.
Du bist gefangen, gefangen in einer Scheinwelt, aus der du nicht fliehen kannst, weil du es nicht einmal willst, nicht einmal versuchst.
Aber ich wollte es, ich habe es versucht. Und ich bin geflohen.
Lass mich dir nun einmal zeigen, wie die wahre Welt aussieht.
Die Welt, in der man nicht von Vergleichen und Metaphern spricht, in der Glaube nicht nur gedanklich Berge versetzt, sondern es wörtlich tut.
Und in der Blicke töten können.
Das Klingeln der Schulglocke ertönt und beendet die Stunde.
Die Anderen springen auf und eilen aus dem Raum.
Ich schultere ebenfalls meine Tasche und trete durch die Tür auf den Gang heraus.
Langsam blicke ich einmal von rechts nach links, ehe ich mich in Bewegung setze.
Als erstes wirst du feststellen, dass jeder Mensch nicht so aussieht, wie du ihn kennen gelernt hast.
Du kennst das Mädchen eine Klasse unter uns, die Kleine, die jeden Kerl haben kann und im Grunde der glücklichste Mensch auf Erden zu sein scheint?
Die A-Seite.
Dort vorne läuft sie, sieh sie dir an.
Siehst du, wie bleich ihre Haut ist?
Siehst du, wie dick die Schicht Schminke ist, die sie um die Augen trägt, um die dunklen Ringe zu verbergen, die sie vom nächtelangen Weinen davongetragen hat?
Siehst du die hauchdünnen Spuren auf ihren Wangen, die Linien, die gerade erst versiegte Tränen hinterlassen haben?
Ihr geht es nicht gut, schon eine ganze Weile nicht.
Die Kerle, mit denen sie zutun hat, schaden ihr. Einige sind einfach nur laut, stur.
Andere sogar aggressiv.
Ihr Augenringe sind nicht nur die Zeichen von Müdigkeit und Weinen.
Eigentlich will sie nicht mehr, eigentlich hat sie das Gefühl, für ihr Leben genug Erfahrungen mit Jungs gemacht zu haben.
Aber was soll sie tun, kann sie es doch nicht ändern, dass sie für diese Rolle auserwählt zu sein scheint.
Die B-Seite.
Und dort drüben, siehst du das dunkelhaarige Mädchen? Kennst du sie?
Sie, die dafür bekannt ist, immer geradeheraus zu sagen, was sie denkt, die sich von niemandem etwas vorschreiben lässt und vor nichts und niemandem Angst zu haben scheint.
A-Seite.
Das Mädchen, dass vor Selbstbewusstsein und Selbstzufriedenheit nur so zu strotzen scheint – sieh dir ihre Arme an.
Siehst du sie, die feinen Linien, die sich in wenigen Zentimeter Abständen auf ihren Unterarmen abzeichnen?
Es vergeht kein Abend, an dem keine Neuen dazukommen.
Wenn wir nun an ihr vorbeigehen, sieh ihr in die Augen.
Was siehst du? Siehst du Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen?
Es sind die Augen eines unsicheren, ängstlichen und misstrauischen Mädchens, in die du blickst.
Das vorgegebene Selbstbewusstsein, es ist nichts anderes als der Schutzpanzer, die Flucht nach vorne eines unsicheren Mädchens.
B-Seite.
Du bist erschrocken?
Warum? Weil du sie täglich gesehen hast ohne zu bemerken, wer oder was sie wirklich ist, wie es ihr wirklich geht?
Du hättest deine Augen nur etwas mehr öffnen müssen, hättest nur etwas genauer hinsehen müssen.
Die Scheinwelt ist keine vollkommen andere Welt, sie ist lediglich eine Verfälschung der wahren Welt.
Ich habe dir von den Metaphern und Vergleichen erzählt.
In Wirklichkeit ist es nichts davon.
In Wirklichkeit geschehen diese Dinge genau so, wie wir sie sinnbildlich aussprechen, nur dass sie vor den Augen der Scheinwelt verborgen bleiben.
Und sie sind noch viel schlimmer als die Dinge, die wir nur übersehen.
Es sind Dinge, die in der Scheinwelt einfach nicht sichtbar sind, Dinge, die wir dort nur als Gefühle bezeichnen und die deswegen viel zu sehr unterschätzt werden.
Ich kann dir zeigen, dass das ein Fehler ist.
Aber zunächst willst du bestimmt wissen, wieso ich dir das alles erzählt habe, wieso ich dir das alles gezeigt habe.
Es geht einfach nur darum, dass es Menschen gibt, die zu verloren sind in der unechten Welt als das sie auch nur die Chance hätten, dort wieder hinauszufinden.
Doch du, du kannst es.
Wenn ich dich ansehe, dann sehe ich, dass du dazu fähig bist, aus dieser Scheinwelt auszubrechen und der Wirklichkeit zu begegnen.
Einiges von ihr kannst du schon in der Scheinwelt wahrnehmen, wenn du nur genau hinsiehst – die B-Seiten.
Doch die Vergleiche, die Sinnbilder, die keine sind, sind es, die ich dir vor allem zeigen wollte.
Vielmehr ein Bestimmtes.
Ich trete langsam einen Schritt zurück, senke meinen Blick.
Meine Finger zittern ein wenig, als ich den Reißverschluss meiner Sweatshirtjacke ergreife und langsam nach unten ziehe.
Mit einer vorsichtigen Bewegung streife ich die Jacke ab.
Ich höre, wie du scharf die Luft einziehst, doch ich wage es nicht, den Blick zu heben.
Stattdessen starre ich an mir hinab, sehe den großen, roten Fleck mitten auf dem weißen Tshirt.
Inmitten von all dem rot, etwas oberhalb des Bauchnabels, ragt das Heft eines kleinen Dolches hervor.
Ich ziehe langsam den Stoff hoch, bis man die Stichwunde darunter erkennen kann.
Mit einer vorsichtigen Bewegung streiche ich um die Klinge herum.
„Es tut nicht weh“, flüstere ich leise, den Kopf immer noch gesenkt, „nicht sehr“
Du sagst immer noch nichts, ich höre nur, wie du tief ein und aus atmest.
Ich nehme all meinen Mut zusammen und hebe meinen Blick, sehe dir direkt in die Augen.
Du starrst zurück, sprachlos, fassungslos.
„Was...Wieso...!?“, bringst du schließlich stockend hervor.
Ich kann es nicht verhindern, dass ein leichtes Lächeln meine Lippen umspielt.
Ich hatte diese Reaktion erwartet, nein, erhofft.
„Kennst du nicht den Vergleich, dass sich etwas anfühlt wie ein Schlag in die Magengegend?“, frage ich kaum hörbar.
Du nickst nur zur Antwort.
„Manchmal fühlt es sich auch an wie Stöße, manchmal sind es Dolchstöße“, erwidere ich wispernd.
Ich sehe, wie deine Augen glasig werden, die erste Träne stumm deine Wange hinabrollt.
„Wieso?“, presst du hinter vorgehaltener Hand hervor.
„Weil es Dinge gibt, die eben so schmerzen. Weil es Dinge gibt, Menschen gibt, die einem so etwas antun können. Sinnbildlich in der Scheinwelt. Wirklich in der Realität. Aber sie gehören dazu. Und sie verheilen, ebenso wie sinnbildliche Wunden verheilen“
Mit einer langsamen Bewegung schließe ich die Finger um das kalte Heft der kleinen Klinge und ziehe vorsichtig daran.
Wie in Zeitlupe entferne ich das Metall, bis ich das gesamte Messer in der Hand halte.
Du blickst mich immer noch mit weit aufgerissenen Augen an.
„Es tut weh, ja“, beantworte ich deine ungestellte Frage, „und es sind meistens andere Menschen, die einen auf diese Art und Weise verletzen“
„Ich wusste nicht...“, beginnst du.
Ich sehe dich fragend an.
„Ich wusste nicht, dass es so....wehtut“
Ich lächle erneut.
„Deswegen zeige ich es dir“
„Wieso?“
„Damit du niemals einem Menschen so wehtust. Vergiss es nie, versprich mir das“
Du siehst mich eine Weile schweigend an, immer noch entsetzt dreinblickend, ehe du bedächtig nickst.
„Wer war es?“, fragst du, „wer war das bei dir?“
Ich senke den Blick.
„Du kennst ihn nicht“
Dann drehe ich mich um, wortlos, ohne irgendeinen Abschied.
Ich ziehe die Jacke, die nur noch an einem Arm hängt, wieder vollständig an und verschließe den Reißverschluss.
Ich spüre, dass du etwas sagen willst, mir nachkommen willst, doch du kannst nicht.
Du bist überrumpelt von all dem, was sich dir eben offenbart hat.
Und der Gedanke bringt mich zum Lächeln.
Wieso ich dir nicht wahrheitsgemäß geantwortet habe, wieso ich gelogen habe, als du fragtest, wer mir das angetan hatte?
Weil ich musste.
Weil ich dir nicht sagen kann, dass du es gewesen bist.
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LG,
Aleu
Die Idee zu der Geschichte an sich hatte ich schon vor längerer Zeit.
Richtig inspiriert dazu wurde ich dann letztendlich durch ein Buch - 'B:SEITE'.
Daraus stammt auch die Idee mit den zwei Seiten.
Aber ich will nicht zu viel verraten. ;D
Ich habe es letztens dann geschrieben. Eigentlich nur für mich selbst & so.
Von ein paar Freunden habe ich dann gehört,
dass sie's ganz ganz ganz toll fanden.
Aber gut, das waren Freunde von mir. Ich denke zwar, dass sie mir schon sagen würden, wenn's ihnen gar nicht gefallen würde.
Aber ein 'Außenstehender' kritisiert dennoch anders. (x
Und dadurch doch neugierig gemacht würde mich jetzt doch mal interessieren, was ihr davon haltet.
Also - eure Meinung dazu, direkt & frei raus. ;D
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Imagine the real world
Where all the metaphers and pictures
aren’t just in your head.
Imagine that they are real…
Der alltägliche Lärm dringt wie aus weiter Ferne in mein Bewusstsein.
Ich sitze am Fenster, den Blick verloren nach draußen gerichtet, die Knie an den Oberkörper herangezogen.
Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie die Anderen herumrennen, reden, lachen.
Sie scheinen bester Laune zu sein. Sie sind so blind.
Im Gegensatz zu mir.
Wer ich bin?
Nun, mein Name tut nichts zur Sache.
Ob du mich kennst, weiß ich nicht; vielleicht.
Aber siehst du mich? Jetzt, gerade, in diesem Augenblick? Siehst du mich?
Ja? Was siehst du?
Lange, braune Haare. Braune Augen, die im Licht leicht grün schimmern.
Eine schlanke Figur, gehüllt in betonende, aber dunkle Kleidung.
Ein leichtes, warmes Lächeln auf den Lippen, der Blick wach und interessiert.
Das siehst du? Das ist es, was alle sehen.
Doch es ist falsch.
Es ist nicht das wahre Bild, das sich dir bietet; es ist nur ein Schein.
Man könnte es vergleichen mit einer Schallplatte: A-Seite und B-Seite.
Die A-Seite eines Menschen ist das, was er für die Außenwelt ist, der Mensch, der er vorgibt zu sein.
Es ist die Seite eines Menschen, die jeder auf den ersten Blick sehen kann.
Die Seite, der dagegen viel zu wenig bis gar keine Beachtung geschenkt wird, ist die andere Seite – die B-Seite.
Sie stellt das dar, was der Mensch wirklich ist, sein wahres Ich, dass er vor der Außenwelt geschützt in sich verbirgt.
Es ist das, was es zu finden gilt.
Und es ist das, wonach am wenigsten gesucht wird, ist es doch viel einfacher, sich einfach dem Schein hinzugeben.
Und nicht nur die Menschen haben diese zwei Seiten – die ganze Welt besteht aus ihnen.
Du glaubst, du siehst die Welt, wie sie wirklich ist? Du irrst.
Du bist gefangen, gefangen in einer Scheinwelt, aus der du nicht fliehen kannst, weil du es nicht einmal willst, nicht einmal versuchst.
Aber ich wollte es, ich habe es versucht. Und ich bin geflohen.
Lass mich dir nun einmal zeigen, wie die wahre Welt aussieht.
Die Welt, in der man nicht von Vergleichen und Metaphern spricht, in der Glaube nicht nur gedanklich Berge versetzt, sondern es wörtlich tut.
Und in der Blicke töten können.
Das Klingeln der Schulglocke ertönt und beendet die Stunde.
Die Anderen springen auf und eilen aus dem Raum.
Ich schultere ebenfalls meine Tasche und trete durch die Tür auf den Gang heraus.
Langsam blicke ich einmal von rechts nach links, ehe ich mich in Bewegung setze.
Als erstes wirst du feststellen, dass jeder Mensch nicht so aussieht, wie du ihn kennen gelernt hast.
Du kennst das Mädchen eine Klasse unter uns, die Kleine, die jeden Kerl haben kann und im Grunde der glücklichste Mensch auf Erden zu sein scheint?
Die A-Seite.
Dort vorne läuft sie, sieh sie dir an.
Siehst du, wie bleich ihre Haut ist?
Siehst du, wie dick die Schicht Schminke ist, die sie um die Augen trägt, um die dunklen Ringe zu verbergen, die sie vom nächtelangen Weinen davongetragen hat?
Siehst du die hauchdünnen Spuren auf ihren Wangen, die Linien, die gerade erst versiegte Tränen hinterlassen haben?
Ihr geht es nicht gut, schon eine ganze Weile nicht.
Die Kerle, mit denen sie zutun hat, schaden ihr. Einige sind einfach nur laut, stur.
Andere sogar aggressiv.
Ihr Augenringe sind nicht nur die Zeichen von Müdigkeit und Weinen.
Eigentlich will sie nicht mehr, eigentlich hat sie das Gefühl, für ihr Leben genug Erfahrungen mit Jungs gemacht zu haben.
Aber was soll sie tun, kann sie es doch nicht ändern, dass sie für diese Rolle auserwählt zu sein scheint.
Die B-Seite.
Und dort drüben, siehst du das dunkelhaarige Mädchen? Kennst du sie?
Sie, die dafür bekannt ist, immer geradeheraus zu sagen, was sie denkt, die sich von niemandem etwas vorschreiben lässt und vor nichts und niemandem Angst zu haben scheint.
A-Seite.
Das Mädchen, dass vor Selbstbewusstsein und Selbstzufriedenheit nur so zu strotzen scheint – sieh dir ihre Arme an.
Siehst du sie, die feinen Linien, die sich in wenigen Zentimeter Abständen auf ihren Unterarmen abzeichnen?
Es vergeht kein Abend, an dem keine Neuen dazukommen.
Wenn wir nun an ihr vorbeigehen, sieh ihr in die Augen.
Was siehst du? Siehst du Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen?
Es sind die Augen eines unsicheren, ängstlichen und misstrauischen Mädchens, in die du blickst.
Das vorgegebene Selbstbewusstsein, es ist nichts anderes als der Schutzpanzer, die Flucht nach vorne eines unsicheren Mädchens.
B-Seite.
Du bist erschrocken?
Warum? Weil du sie täglich gesehen hast ohne zu bemerken, wer oder was sie wirklich ist, wie es ihr wirklich geht?
Du hättest deine Augen nur etwas mehr öffnen müssen, hättest nur etwas genauer hinsehen müssen.
Die Scheinwelt ist keine vollkommen andere Welt, sie ist lediglich eine Verfälschung der wahren Welt.
Ich habe dir von den Metaphern und Vergleichen erzählt.
In Wirklichkeit ist es nichts davon.
In Wirklichkeit geschehen diese Dinge genau so, wie wir sie sinnbildlich aussprechen, nur dass sie vor den Augen der Scheinwelt verborgen bleiben.
Und sie sind noch viel schlimmer als die Dinge, die wir nur übersehen.
Es sind Dinge, die in der Scheinwelt einfach nicht sichtbar sind, Dinge, die wir dort nur als Gefühle bezeichnen und die deswegen viel zu sehr unterschätzt werden.
Ich kann dir zeigen, dass das ein Fehler ist.
Aber zunächst willst du bestimmt wissen, wieso ich dir das alles erzählt habe, wieso ich dir das alles gezeigt habe.
Es geht einfach nur darum, dass es Menschen gibt, die zu verloren sind in der unechten Welt als das sie auch nur die Chance hätten, dort wieder hinauszufinden.
Doch du, du kannst es.
Wenn ich dich ansehe, dann sehe ich, dass du dazu fähig bist, aus dieser Scheinwelt auszubrechen und der Wirklichkeit zu begegnen.
Einiges von ihr kannst du schon in der Scheinwelt wahrnehmen, wenn du nur genau hinsiehst – die B-Seiten.
Doch die Vergleiche, die Sinnbilder, die keine sind, sind es, die ich dir vor allem zeigen wollte.
Vielmehr ein Bestimmtes.
Ich trete langsam einen Schritt zurück, senke meinen Blick.
Meine Finger zittern ein wenig, als ich den Reißverschluss meiner Sweatshirtjacke ergreife und langsam nach unten ziehe.
Mit einer vorsichtigen Bewegung streife ich die Jacke ab.
Ich höre, wie du scharf die Luft einziehst, doch ich wage es nicht, den Blick zu heben.
Stattdessen starre ich an mir hinab, sehe den großen, roten Fleck mitten auf dem weißen Tshirt.
Inmitten von all dem rot, etwas oberhalb des Bauchnabels, ragt das Heft eines kleinen Dolches hervor.
Ich ziehe langsam den Stoff hoch, bis man die Stichwunde darunter erkennen kann.
Mit einer vorsichtigen Bewegung streiche ich um die Klinge herum.
„Es tut nicht weh“, flüstere ich leise, den Kopf immer noch gesenkt, „nicht sehr“
Du sagst immer noch nichts, ich höre nur, wie du tief ein und aus atmest.
Ich nehme all meinen Mut zusammen und hebe meinen Blick, sehe dir direkt in die Augen.
Du starrst zurück, sprachlos, fassungslos.
„Was...Wieso...!?“, bringst du schließlich stockend hervor.
Ich kann es nicht verhindern, dass ein leichtes Lächeln meine Lippen umspielt.
Ich hatte diese Reaktion erwartet, nein, erhofft.
„Kennst du nicht den Vergleich, dass sich etwas anfühlt wie ein Schlag in die Magengegend?“, frage ich kaum hörbar.
Du nickst nur zur Antwort.
„Manchmal fühlt es sich auch an wie Stöße, manchmal sind es Dolchstöße“, erwidere ich wispernd.
Ich sehe, wie deine Augen glasig werden, die erste Träne stumm deine Wange hinabrollt.
„Wieso?“, presst du hinter vorgehaltener Hand hervor.
„Weil es Dinge gibt, die eben so schmerzen. Weil es Dinge gibt, Menschen gibt, die einem so etwas antun können. Sinnbildlich in der Scheinwelt. Wirklich in der Realität. Aber sie gehören dazu. Und sie verheilen, ebenso wie sinnbildliche Wunden verheilen“
Mit einer langsamen Bewegung schließe ich die Finger um das kalte Heft der kleinen Klinge und ziehe vorsichtig daran.
Wie in Zeitlupe entferne ich das Metall, bis ich das gesamte Messer in der Hand halte.
Du blickst mich immer noch mit weit aufgerissenen Augen an.
„Es tut weh, ja“, beantworte ich deine ungestellte Frage, „und es sind meistens andere Menschen, die einen auf diese Art und Weise verletzen“
„Ich wusste nicht...“, beginnst du.
Ich sehe dich fragend an.
„Ich wusste nicht, dass es so....wehtut“
Ich lächle erneut.
„Deswegen zeige ich es dir“
„Wieso?“
„Damit du niemals einem Menschen so wehtust. Vergiss es nie, versprich mir das“
Du siehst mich eine Weile schweigend an, immer noch entsetzt dreinblickend, ehe du bedächtig nickst.
„Wer war es?“, fragst du, „wer war das bei dir?“
Ich senke den Blick.
„Du kennst ihn nicht“
Dann drehe ich mich um, wortlos, ohne irgendeinen Abschied.
Ich ziehe die Jacke, die nur noch an einem Arm hängt, wieder vollständig an und verschließe den Reißverschluss.
Ich spüre, dass du etwas sagen willst, mir nachkommen willst, doch du kannst nicht.
Du bist überrumpelt von all dem, was sich dir eben offenbart hat.
Und der Gedanke bringt mich zum Lächeln.
Wieso ich dir nicht wahrheitsgemäß geantwortet habe, wieso ich gelogen habe, als du fragtest, wer mir das angetan hatte?
Weil ich musste.
Weil ich dir nicht sagen kann, dass du es gewesen bist.
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LG,
Aleu