TerraTX
Damit nun keiner denkt, ich würde einen Wettbewerbstext in einem öffentlichen Forum beta lesen lassen, da dies ja meistens verboten ist, kann ich an dieser Stelle alle beruhigen. Es ist so, dass in Berlin bald Einsendeschluss für ein Literaturlabor ist, an dem ich gerne teilnehmen möchte.
Allerdings ist das Projekt von Leute zwischen 16 und 21 Jahren, zu denen ich mit meinen süßen 14 leider noch nicht gehöre. Deshalb ist es wichtig, dass meine Texte gebetat und gut ausgesucht wurden.
Falls sich jemand freiwillig melden sollte, sich näher mit diesem Text oa. zu beschäftigen, wäre ich sehr dankbar. Allerdings muss ich die restlichen 1-3 Texte noch fertigstellen.
anm.: bitte entschuldigen, dass nichts kursiv gedruckt ist, da ich keine Lust habe, mich jetzt noch nachträglich mit den Codes abzuquälen
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Stern - inspiriert von dem Wettbewerb "Memory", verantstaltet ohne besonderen Preis von meiner Freundin
"You lost." Seine Worte treffen mich härter, als ich es jemals erwartet hätte, und ich sehe beschämt zu Boden. Mein Blick fällt auf das Foto, das ich in meiner wut vom Tisch gefegt habe. Der hölzerne Rahmen ist zersplittert, das Glas gerissen. Die feine Linie trennt die beiden lachenden Kinder von einander.
"Ich erinnere mich." Seufzend schließe ich die Augen. Manches braucht seine Zeit, doch inzwischen ist es überfällig geworden. "You lost. Was geschehen ist, ist geschehen, daran kannst du nichts ändern."
Auch wenn ich ihn nicht sehen kann, weiß ich, dass er verletzt ist. Wir kennen uns schon zu lange, alsdass ich seine Gefühle übersehen könnte.
"Diese Kinder..." Ich spüre, wie er mich fixiert. Die Spannung zwischen uns scheint greifbar und ich bin versucht, sie zu packen und aus dem Fensrer zu werfen - doch dieses Mal nicht.
Unruhig rutschte ich auf dem Sofa hin und her, nur um einen erneuten, genervten Blick von meinem Vater zu kassieren, der anschließend seine Zeitung straffte und sich wieder in den Wirtschaftsteil vertiefte. Ich hatte seine Begeisterung für diesen Bereich noch nie teilen können, doch alles, was er darauf zu erwiedern wusste, war, dass ich noch zu klein für solch ernsthafte Themen wäre. Natürlich war ich mit meinen jungen Jahren und der frühpubatären Reife vollkommen vom Gegenteil überzeugt, weshalb ich seine Warnung übersah und anfing, mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte herum zu hämmern.
Er schlug wütend die Zeitung nieder und starrte mich über den Rand seiner dicken Brille an. Ich hielt stand, bis ihm nichts anderes übrig blieb, als aufzustehen und im Türrahmen nach meiner Mutter zu rufen. "Marianne, sag deinem Kind, es soll endlich rausgehen! Es ist ein schöner Abend, Edward wartet draußen und das Telefon wird von ihrem Rumgehibbel auch nicht schneller klingeln!"
"Aber Daddy!", protestierte ich, verschränkte die Unterarme vor meiner wachsenden Brust und schob meine Unterlippe etwas vor. Einige blonde Locken fielen mir ins Gesicht, doch war ich zu sehr damit beschäftigt, mich durchzusetzen, alsdass ich mich um so ein unbedeutendes Thema kümmern konnte. Er sah mich nur an und verließ das Zimmer, als meine Mutter hinzu trat. Wahrscheinlich wollte er es ihr überlassen. Für ihn war es wohl eine Mutter-Tochte-Sache, von der Männer eh nichts verstanden. Allerdings hatte er vergessen, wie stur ich war.
"Schatz, lass deinen Vater in Ruhe Zeitung lesen", lächelte sie ihren Standartsatz, der nur selten Wirkung zeigte. Seltsamerweise versuchte sie es trotz allem immer wieder. "Die haben dir doch gesagt, dass sie dich anrufen werden, wenn sie sich entschieden haben."
Ich rollte genervt mit den Augen. "Nicht Die, Mama, das ist das Komitee der Hannelore-Bey-Schule für Baletttänzer benannt nach Hannelore Bey, die in Romeo und Julia, Cinderella, Dornröschen, La Mer-"
"Ich weiß, ich weiß."
Sie hätte mich besser nicht unterbrochen, denn das Strahlen verschwand ruckartig aus meinen Augen.
"Dein Desinteresse an mir überzeugt mich immer wieder, das unsere Familie von Verständnis und Rücksicht geprägt ist", murrte ich, versuchte dabei, sie so böse wie möglich anzufunkeln.
"Du verhältst dich auch nicht besser. Wahrscheinlich hast du noch nicht einmal mitgebekommen, dass es Edward seitdem er sofort bei der Tanzschule abgelehnt worden war schlecht geht. Er sitzt den gesamten Tag nur noch rum und starrt deprimiert Löcher in die Luft. Außerdem blockt er sofort ab, wenn ich mit ihm reden will. Allerdings scheint es dir ja alles egal zu sein, denn du musst ihm immer wieder aufs Neue unter die Nase reiben, dass du vielleicht bald nicht mehr hier bist, dass du ihn allein lässt, dass du zu deiner Schule da gehst."
Verständnislos starrte ich sie an, war sogar zu verletzt, um meinen Schmerz wie sonst zu verstecken. Es war weniger die Bösartigkeit mir alles klar und deutlich zu sagen, die mir Tränen in die Augen trieb, sondern dass ich mich mit dieser einen, verdammten Wahrheit auseinander setzen musste, die nicht nur meinen Bruder sondern auch mit seit jeher quälte. Anders als meine Mutter es sah, waren Ed und ich bereits seit seinem Unfall vor einem Jahr in dieser Stimmung. Sie war nur zu blind gewesen, es zu sehen. Genau wie ich. Nur Edward sah es. Jeden Tag aufs Neue. Nur er wurde jeden Tag aufs Neue daran erinnert, denn sein Leben war ruiniert.
Edward, der Junge, dem man einst Stipendien hinterher geschmissen hatte. Um den sich jeder Reporter nur so gerissen hatte. In der Zeitung war er gewesen. Im Radio hatte man von ihm gehört. Im Fernsehen hatte jeder ihn zu Gesicht bekommen. Auch nach seinem Unfall war es nicht anders gewesen, schließlich war die Geschichte eines verletzten Stars etwas, das jeden interessierte. Doch nachdem sie merkten, dass er sich nicht mehr erholen konnte, waren sie alle verschwunden. Das Fernsehen. Das Radio. Dann auch die Zeitung.
Das Klingeln des Telefons riss mich aus den Gedanken und ich starrte wie betäubt auf den Höhrer.
"Willst du nicht rangehen?"
Meine Mutter streckte ihre Hand nach meiner aus und fuhr sanft darüber. Ich war zu schwach, um mich gegen ihre Zärtlichkeit zu wehren, obwohl ich mir wünschte, dass sie mich einfach nur allein ließ. Mit zitternden Fingern griff ich nach dem Höhrer und hielt ihn an mein Ohr. "Hallo, hier ist Laurie Baumfell."
"Guten Tag, Krislowski, ich bin von der Hannelore-Bey-Schule für Baletttänzer. Sie haben neulich an einem Vortanzen teilgenommen."
Ich konnte es mir nicht verkneifen, bei seiner Bemerkung sarkastisch zu lächeln. Neulich war bereits über einen Monat her, doch diesen Kommentar behielt ich für mich. "Das stimmt." Meine Stimmte zitterte noch, weshalb ich versuchte, knappe Antworten zu geben, und einfach nur hoffte, dass es nicht unhöflich klang.
Der Mann am anderen Ende der Leitung gab mir die Beurteilung des Komitees bekannt, von dem ich bewertet worden war. Meine Bewegungen waren fließend gewesen und ich hätte die Stimmung der Melodie mit ihnen wiedergegeben, als wäre ich sie selbst. Doch trotz dieser Worte war keinerlei Begeisterung in seiner Stimme zu erkennen.
Irgendetwas, dachte ich, irgendetwas ist schief gelaufen. Erst das Gute, dann reißt er mich mit dem Schlechten herunter. So machen sie es immer.
"Sind Sie noch dran?"
"Ähm, ja, natürlich, entschuldigen Sie", stammelte ich etwas verwirrt und schüttelte den Kopf. Es war seltsam, doch meine Gedanken kreisten keineswegs mehr um Edward. Alles drehte sich um mich, die Schule, meinen Erfolg und meine Karriere, die hier und jetzt begann.
"Sie sind angenommen."
Es herrschte Stille an beiden Enden der Leitung, ehe ich mich zu einem kurzen "Dankeschön." durchringen konnte und mich schnell verabschiedete. Meine Mutter sah mich neugierig an. Sie konnte meinen Gesichtsausdruck nicht deuten, was man an ihrem deutlich sah.
"Ich", begann ich, als sich ein Lächeln schlagartig auf meinem Gesicht ausbreitete. "Ich bin angenommen!" Kreischend sprang ich vom Sofa auf und stürmte aus dem Zimmer, um meinen Bruder zu suchen. Wie immer fand ich ihn im Garten, wo er auf der Hollywood-Schaukel saß, den Kopf in den Nacken gelegt und die frühherbstliche Abendsonne genießend.
"Ed! Ed! Ed! Ich bin angenommen! Ist das nicht fantastisch!?" Völlig außer mir blieb ich kaum einen Meter von ihm entfernt stehen, beobachtete ihn einfach nur, wie er dort saß und mir nur langsam seine Aufmerksamkeit zuwandte. Es war enttäuschend, zehrte an meinen Nerven, doch ich wollte mich jetzt nicht von seiner ständigen Trauer mitreißen lassen. Sein Leben ging weiter, genauso wie meins.
Edward öffnete seine Augen und starrte mich aus diesen unendlichen, blauen Tiefen an, die zusammen mit seinem pechschwarzen Haar jeden faszinierten. Doch seitdem sie ihr geheimnisvolles Strahlen verloren hatten, war es für mich kein Problem mehr, ihnen zu widerstehen. "Ist das so?", fragte er grinsend und zog seine Augenbrauen in die Höhe.
"Ed, kannst du dich nicht einmal für mich freuen?", lachte ich und ließ mich neben ihm auf die Schaukel fallen. So ist er eben. Er kann nicht mehr zeigen, dass er sich freut, aber er tut es. Schließlich ist er mein Bruder., redete ich mir ein. Mein Blick folgte dem seinen in den Himmel. "Irgendwann werde ich ganz groß rauskommen", schwärmte ich, streckte meine Hand nach den ersten, matt leuchtenden Sternen aus - und griff zu.
Er seuzft und sieht mich an. Es ist das selbe Grinsen wie an jenem Tag, der für unser beider Leben so entscheiden gewesen war. "Nun siehst du, was passiert, wenn man nach den Sternen greift. Ich habe es dir schon immer gesagt, aber du wolltest nicht auf mich hören."
Ich sehe ihm verzweifelt in die Augen. "Es ist alles nur so geworden, weil du aufgehört hast, dich nach ihnen zu sehnen. Du hast deine Träume an die Wand genagelt und mit ihr auf den Schrotthaufen geworfen. Wenn du das nicht getan hättest, wären wir jetzt beide nicht hier, sondern würden das Leben leben, das wir uns als Kinder immer gewünscht hatten."
Tränen bahnen sich ihren Weg meinen Hals hinauf, bringen Nase und Augen zum Brennen. Es hätte alles so wunderbar sein können, wenn er seine Talente weiter ausgenutzt hätte. Natürlich, der andere Weg war weitaus angenehmer gewesen, doch nun bereut er es. Auch wenn er es mir nicht sagt, ich weiß es. Denn es ist sein Traum, nach den Sternen zu greifen.
Er dreht sich von mir weg und humpelt mit seinem Gehstock davon. Damals war es noch nicht so schlimm gewesen, doch nachdem er sich nicht mehr bewegt hatte, war sein rechtes Bein einfach erschlafft. Genau wie der Rest Hoffnung, der noch in ihm gelebt und nur darauf gewartet hatte, geweckt zu werden. Doch ich war noch zu jung und mit mir selbst beschäftigt gewesen, alsdass ich es versucht hätte.
"Wieso läufst du schon wieder weg?" Die ersten Tränen perlen meine Wangen hinab und fallen zu Boden.
Langsam dreht er sich um, ein wehleidiges Lächeln auf den Lippen, das mir entgültig den Rest gibt. Es ist nicht mehr zu ertragen, ich sinke auf die Knie und vergrabe meine Gesicht in den Händen. Meine Schultern zucken, das Schluchzen lässt sich nicht mehr aufhalten, als ich plötzlich spüre, wie er seine vernarbten Arme um mich legt. Mit geröteten Augen sehe ich auf. Er lehnt seine Stirn gegen meine.
"We lost."
Allerdings ist das Projekt von Leute zwischen 16 und 21 Jahren, zu denen ich mit meinen süßen 14 leider noch nicht gehöre. Deshalb ist es wichtig, dass meine Texte gebetat und gut ausgesucht wurden.
Falls sich jemand freiwillig melden sollte, sich näher mit diesem Text oa. zu beschäftigen, wäre ich sehr dankbar. Allerdings muss ich die restlichen 1-3 Texte noch fertigstellen.
anm.: bitte entschuldigen, dass nichts kursiv gedruckt ist, da ich keine Lust habe, mich jetzt noch nachträglich mit den Codes abzuquälen
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Stern - inspiriert von dem Wettbewerb "Memory", verantstaltet ohne besonderen Preis von meiner Freundin
"You lost." Seine Worte treffen mich härter, als ich es jemals erwartet hätte, und ich sehe beschämt zu Boden. Mein Blick fällt auf das Foto, das ich in meiner wut vom Tisch gefegt habe. Der hölzerne Rahmen ist zersplittert, das Glas gerissen. Die feine Linie trennt die beiden lachenden Kinder von einander.
"Ich erinnere mich." Seufzend schließe ich die Augen. Manches braucht seine Zeit, doch inzwischen ist es überfällig geworden. "You lost. Was geschehen ist, ist geschehen, daran kannst du nichts ändern."
Auch wenn ich ihn nicht sehen kann, weiß ich, dass er verletzt ist. Wir kennen uns schon zu lange, alsdass ich seine Gefühle übersehen könnte.
"Diese Kinder..." Ich spüre, wie er mich fixiert. Die Spannung zwischen uns scheint greifbar und ich bin versucht, sie zu packen und aus dem Fensrer zu werfen - doch dieses Mal nicht.
Unruhig rutschte ich auf dem Sofa hin und her, nur um einen erneuten, genervten Blick von meinem Vater zu kassieren, der anschließend seine Zeitung straffte und sich wieder in den Wirtschaftsteil vertiefte. Ich hatte seine Begeisterung für diesen Bereich noch nie teilen können, doch alles, was er darauf zu erwiedern wusste, war, dass ich noch zu klein für solch ernsthafte Themen wäre. Natürlich war ich mit meinen jungen Jahren und der frühpubatären Reife vollkommen vom Gegenteil überzeugt, weshalb ich seine Warnung übersah und anfing, mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte herum zu hämmern.
Er schlug wütend die Zeitung nieder und starrte mich über den Rand seiner dicken Brille an. Ich hielt stand, bis ihm nichts anderes übrig blieb, als aufzustehen und im Türrahmen nach meiner Mutter zu rufen. "Marianne, sag deinem Kind, es soll endlich rausgehen! Es ist ein schöner Abend, Edward wartet draußen und das Telefon wird von ihrem Rumgehibbel auch nicht schneller klingeln!"
"Aber Daddy!", protestierte ich, verschränkte die Unterarme vor meiner wachsenden Brust und schob meine Unterlippe etwas vor. Einige blonde Locken fielen mir ins Gesicht, doch war ich zu sehr damit beschäftigt, mich durchzusetzen, alsdass ich mich um so ein unbedeutendes Thema kümmern konnte. Er sah mich nur an und verließ das Zimmer, als meine Mutter hinzu trat. Wahrscheinlich wollte er es ihr überlassen. Für ihn war es wohl eine Mutter-Tochte-Sache, von der Männer eh nichts verstanden. Allerdings hatte er vergessen, wie stur ich war.
"Schatz, lass deinen Vater in Ruhe Zeitung lesen", lächelte sie ihren Standartsatz, der nur selten Wirkung zeigte. Seltsamerweise versuchte sie es trotz allem immer wieder. "Die haben dir doch gesagt, dass sie dich anrufen werden, wenn sie sich entschieden haben."
Ich rollte genervt mit den Augen. "Nicht Die, Mama, das ist das Komitee der Hannelore-Bey-Schule für Baletttänzer benannt nach Hannelore Bey, die in Romeo und Julia, Cinderella, Dornröschen, La Mer-"
"Ich weiß, ich weiß."
Sie hätte mich besser nicht unterbrochen, denn das Strahlen verschwand ruckartig aus meinen Augen.
"Dein Desinteresse an mir überzeugt mich immer wieder, das unsere Familie von Verständnis und Rücksicht geprägt ist", murrte ich, versuchte dabei, sie so böse wie möglich anzufunkeln.
"Du verhältst dich auch nicht besser. Wahrscheinlich hast du noch nicht einmal mitgebekommen, dass es Edward seitdem er sofort bei der Tanzschule abgelehnt worden war schlecht geht. Er sitzt den gesamten Tag nur noch rum und starrt deprimiert Löcher in die Luft. Außerdem blockt er sofort ab, wenn ich mit ihm reden will. Allerdings scheint es dir ja alles egal zu sein, denn du musst ihm immer wieder aufs Neue unter die Nase reiben, dass du vielleicht bald nicht mehr hier bist, dass du ihn allein lässt, dass du zu deiner Schule da gehst."
Verständnislos starrte ich sie an, war sogar zu verletzt, um meinen Schmerz wie sonst zu verstecken. Es war weniger die Bösartigkeit mir alles klar und deutlich zu sagen, die mir Tränen in die Augen trieb, sondern dass ich mich mit dieser einen, verdammten Wahrheit auseinander setzen musste, die nicht nur meinen Bruder sondern auch mit seit jeher quälte. Anders als meine Mutter es sah, waren Ed und ich bereits seit seinem Unfall vor einem Jahr in dieser Stimmung. Sie war nur zu blind gewesen, es zu sehen. Genau wie ich. Nur Edward sah es. Jeden Tag aufs Neue. Nur er wurde jeden Tag aufs Neue daran erinnert, denn sein Leben war ruiniert.
Edward, der Junge, dem man einst Stipendien hinterher geschmissen hatte. Um den sich jeder Reporter nur so gerissen hatte. In der Zeitung war er gewesen. Im Radio hatte man von ihm gehört. Im Fernsehen hatte jeder ihn zu Gesicht bekommen. Auch nach seinem Unfall war es nicht anders gewesen, schließlich war die Geschichte eines verletzten Stars etwas, das jeden interessierte. Doch nachdem sie merkten, dass er sich nicht mehr erholen konnte, waren sie alle verschwunden. Das Fernsehen. Das Radio. Dann auch die Zeitung.
Das Klingeln des Telefons riss mich aus den Gedanken und ich starrte wie betäubt auf den Höhrer.
"Willst du nicht rangehen?"
Meine Mutter streckte ihre Hand nach meiner aus und fuhr sanft darüber. Ich war zu schwach, um mich gegen ihre Zärtlichkeit zu wehren, obwohl ich mir wünschte, dass sie mich einfach nur allein ließ. Mit zitternden Fingern griff ich nach dem Höhrer und hielt ihn an mein Ohr. "Hallo, hier ist Laurie Baumfell."
"Guten Tag, Krislowski, ich bin von der Hannelore-Bey-Schule für Baletttänzer. Sie haben neulich an einem Vortanzen teilgenommen."
Ich konnte es mir nicht verkneifen, bei seiner Bemerkung sarkastisch zu lächeln. Neulich war bereits über einen Monat her, doch diesen Kommentar behielt ich für mich. "Das stimmt." Meine Stimmte zitterte noch, weshalb ich versuchte, knappe Antworten zu geben, und einfach nur hoffte, dass es nicht unhöflich klang.
Der Mann am anderen Ende der Leitung gab mir die Beurteilung des Komitees bekannt, von dem ich bewertet worden war. Meine Bewegungen waren fließend gewesen und ich hätte die Stimmung der Melodie mit ihnen wiedergegeben, als wäre ich sie selbst. Doch trotz dieser Worte war keinerlei Begeisterung in seiner Stimme zu erkennen.
Irgendetwas, dachte ich, irgendetwas ist schief gelaufen. Erst das Gute, dann reißt er mich mit dem Schlechten herunter. So machen sie es immer.
"Sind Sie noch dran?"
"Ähm, ja, natürlich, entschuldigen Sie", stammelte ich etwas verwirrt und schüttelte den Kopf. Es war seltsam, doch meine Gedanken kreisten keineswegs mehr um Edward. Alles drehte sich um mich, die Schule, meinen Erfolg und meine Karriere, die hier und jetzt begann.
"Sie sind angenommen."
Es herrschte Stille an beiden Enden der Leitung, ehe ich mich zu einem kurzen "Dankeschön." durchringen konnte und mich schnell verabschiedete. Meine Mutter sah mich neugierig an. Sie konnte meinen Gesichtsausdruck nicht deuten, was man an ihrem deutlich sah.
"Ich", begann ich, als sich ein Lächeln schlagartig auf meinem Gesicht ausbreitete. "Ich bin angenommen!" Kreischend sprang ich vom Sofa auf und stürmte aus dem Zimmer, um meinen Bruder zu suchen. Wie immer fand ich ihn im Garten, wo er auf der Hollywood-Schaukel saß, den Kopf in den Nacken gelegt und die frühherbstliche Abendsonne genießend.
"Ed! Ed! Ed! Ich bin angenommen! Ist das nicht fantastisch!?" Völlig außer mir blieb ich kaum einen Meter von ihm entfernt stehen, beobachtete ihn einfach nur, wie er dort saß und mir nur langsam seine Aufmerksamkeit zuwandte. Es war enttäuschend, zehrte an meinen Nerven, doch ich wollte mich jetzt nicht von seiner ständigen Trauer mitreißen lassen. Sein Leben ging weiter, genauso wie meins.
Edward öffnete seine Augen und starrte mich aus diesen unendlichen, blauen Tiefen an, die zusammen mit seinem pechschwarzen Haar jeden faszinierten. Doch seitdem sie ihr geheimnisvolles Strahlen verloren hatten, war es für mich kein Problem mehr, ihnen zu widerstehen. "Ist das so?", fragte er grinsend und zog seine Augenbrauen in die Höhe.
"Ed, kannst du dich nicht einmal für mich freuen?", lachte ich und ließ mich neben ihm auf die Schaukel fallen. So ist er eben. Er kann nicht mehr zeigen, dass er sich freut, aber er tut es. Schließlich ist er mein Bruder., redete ich mir ein. Mein Blick folgte dem seinen in den Himmel. "Irgendwann werde ich ganz groß rauskommen", schwärmte ich, streckte meine Hand nach den ersten, matt leuchtenden Sternen aus - und griff zu.
Er seuzft und sieht mich an. Es ist das selbe Grinsen wie an jenem Tag, der für unser beider Leben so entscheiden gewesen war. "Nun siehst du, was passiert, wenn man nach den Sternen greift. Ich habe es dir schon immer gesagt, aber du wolltest nicht auf mich hören."
Ich sehe ihm verzweifelt in die Augen. "Es ist alles nur so geworden, weil du aufgehört hast, dich nach ihnen zu sehnen. Du hast deine Träume an die Wand genagelt und mit ihr auf den Schrotthaufen geworfen. Wenn du das nicht getan hättest, wären wir jetzt beide nicht hier, sondern würden das Leben leben, das wir uns als Kinder immer gewünscht hatten."
Tränen bahnen sich ihren Weg meinen Hals hinauf, bringen Nase und Augen zum Brennen. Es hätte alles so wunderbar sein können, wenn er seine Talente weiter ausgenutzt hätte. Natürlich, der andere Weg war weitaus angenehmer gewesen, doch nun bereut er es. Auch wenn er es mir nicht sagt, ich weiß es. Denn es ist sein Traum, nach den Sternen zu greifen.
Er dreht sich von mir weg und humpelt mit seinem Gehstock davon. Damals war es noch nicht so schlimm gewesen, doch nachdem er sich nicht mehr bewegt hatte, war sein rechtes Bein einfach erschlafft. Genau wie der Rest Hoffnung, der noch in ihm gelebt und nur darauf gewartet hatte, geweckt zu werden. Doch ich war noch zu jung und mit mir selbst beschäftigt gewesen, alsdass ich es versucht hätte.
"Wieso läufst du schon wieder weg?" Die ersten Tränen perlen meine Wangen hinab und fallen zu Boden.
Langsam dreht er sich um, ein wehleidiges Lächeln auf den Lippen, das mir entgültig den Rest gibt. Es ist nicht mehr zu ertragen, ich sinke auf die Knie und vergrabe meine Gesicht in den Händen. Meine Schultern zucken, das Schluchzen lässt sich nicht mehr aufhalten, als ich plötzlich spüre, wie er seine vernarbten Arme um mich legt. Mit geröteten Augen sehe ich auf. Er lehnt seine Stirn gegen meine.
"We lost."