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Sport ist Mord .. oder? ( Part 1 )
In Gedanken versunken umkreiste ich wie der Rest meiner Klasse die Turnhalle. Der Schweiß rann mein Gesicht herunter und mein Atem ging röchelnd. Wie konnte man nur so jemanden quälen, wie es die Sportlehrer dieser Schule konnten? Das war ja geradezu unmenschlich, wie wir Runde um Runde durch die Turnhalle gehetzt und angeschrieen wurden, wenn wir etwas langsamer wurden.
Sport war schon immer eines meiner Hassfächer gewesen was wohl daran lag, dass ich es verabscheute zu rennen, zu springen, zu klettern oder sonst irgendeine Aktivität auszuführen, die mich der Lächerlichkeit preisgab. Eigentlich sollte man ja meinen, dass ich gut in Sport sein sollte. Ich war groß gewachsen, blond, dünn und sah auch sonst aus wie eine Sportlerin. Doch mein Aussehen verbesserte nicht gerade meine Leistung im Sportunterricht. Und mein Hang zur Ungeschicklichkeit trug auch nicht gerade positiv zu meiner Gesamtsituation bei, die gerade unerträglich wurde.
Das einzig Gute am Sportunterricht war, dass ich ohne irgendwelche Bedenken Zeit zum Nachdenken hatte. Ich dachte viel nach in Sport, meistens über mein Leben, meine Ziele und meinen engsten Freundeskreis. Und da wir hier sowieso nur herumgescheucht wurden wie ein Haufen Hühner oder sonst irgendwie misshandelt wurden und immer schön den Mund zu halten hatten, boten sich die wöchentlichen drei Stunden Sport gut dazu an, die Zeit mit nachdenken verstreichen zu lassen. So passierte es jedoch manchmal, dass ich gegen irgendetwas rann, stolperte oder von irgendwo hinunterfiel, denn ich war oft unaufmerksam wenn ich meinen Gedanken nachging. So passierte es schon hier und da, dass ich das Gleichgewicht verlor oder mir sonst irgendwie wehtat. Meine Mitschüler waren das schon gewohnt von mir und beachteten meine ungewollten Selbstattentate nicht mehr wirklich. Das war auch gut so.
Gerade jetzt, da ich in Gedanken war und nicht mehr darauf achtete, wo ich hinlief, passierte es. Ich hatte die Wand vor mir ganz und gar übersehen und lief geradewegs in diese hinein. „Woow!!“, entfuhr es mir gerade noch bevor ich geradewegs gegen die Turnhallenwand klatschte. Ich vernahm einen dumpfen Laut, und schon fand ich mich auf dem Turnhallenboden wieder. „Verdammt noch mal, Roberts! Kannst du nicht aufpassen oder willst du nicht aufpassen? Du bist zu dumm zum Geradeauslaufen!“ Das war meine Trainerin, Miss Reeser.
Um mich hatte sich schon die altbekannte Traube von Schülern gebildet, die alle auf mich herabglotzten. Das war immer das Peinlichste nach einem meiner Missgeschicke, die Blicke. Zuerst waren die Gesichter meiner Mitschüler teilweise belustigt oder genervt gewesen, doch jetzt änderten sich diese schlagartig. Melinda Brown schlug sich mit der flachen Hand auf den Mund und ihre Schwester Mandy hielt sich die Augen zu. „Oh mein Gott“, hörte ich es von irgendwo. Was war denn los? Warum sahen mich denn alle so komisch an? War meine Nase verschwunden? Und nun sah ich auch das Gesicht der Trainerin, das mein Gesicht anstarrte. Kurz war es totenstill, dann sagte Miss Reeser: “ Thompson, bring Roberts zur Krankenschwester – und zwar dalli dalli!“ Ich wurde hochgehievt und stand nun wackelig auf meinen Füßen. Da spürte ich das Blut meinen Kopf hinunterrinnen. Meine Augen weiteten sich ängstlich, doch ich hatte keine Zeit lange darüber nachzudenken, denn schon wurde ich von Laura mitgeschleift. Diese war schon seid meinen frühesten Kindheitstagen meine beste Freundin gewesen. Und nun sah sie mich besorgt anwährend wir zur Krankenschwester, Dr Brooks gingen. „Was ist denn los?“, brach ich nun das Schweigen, da Laura anscheinend nichts sagen wollte, was mich beunruhigte. „Autumn, Schatz, du hast eine Platzwunde überm Auge. Und die sieht mehr als beunruhigend aus.“ Sie tätschelte mir liebevoll den Arm. „Na toll, ich habs wieder mal geschafft.“, murmelte ich und verdrehte die Augen. Das war mal wieder typisch. Würde ich nicht so unaufmerksam sein, währe das alles nicht passiert.
Laura und ich blieben vor der „Praxis“ der Krankenschwester stehen. Eigentlich war diese Praxis ein einziges Zimmer, das vollgestopft war mit allem möglichen Zeug, was ein Arzt so brauchte. Doch der Titel dieses Raumes hatte sich schon so eingebürgert, dass alle nur mehr „Praxis“ dazu sagten. Laura klopfte kurz und nach einem kurzen „Herein“ betraten wir das Zimmer. Dr Brooks war ein gutaussehender junger Mann mit freundlichen Augen und einem immerwährenden Lächeln. Er war immer hilfsbereit und nett, was ihm bei mir schon viele Pluspunkte eingeheimst hatte. Überhaupt kannte er jeden seiner „Patienten“ mit dem Vornamen, was ihn gleich noch mal sympathischer machte. Als Dr Brooks mich erblickte, lachte er. Und auch meine Platzwunde beunruhigte ihn nicht. Nun gut, der Doctor, der von allen Schülern und Lehrern der Schule aus Spaß Krankenschwester genannt wurde, hatte bei mir schon schlimmeres gesehen. Einmal hatte ich mir sogar das Bein gebrochen, weil ich beim Reckturnen heruntergefallen war. „Hallo Autumn, hallo Laura.“, begrüßte er uns beide nachdem er sich wieder beruhigt hatte. Ich und Laura waren wohl die beiden Schüler, die die Krankenschwester am Meisten sah, mich, da ich mir gerne weh tat und Laura, weil diese mich immer ins Krankenzimmer brachte. Wir beiden winkten einmal kurz bevor wir näher traten. Sofort zog mich Dr Brooks aufs Krankenbett und begann meine Blutung zu stoppen. „Lass mich raten, du bist gegen eine Wand gerannt.“, sagte er scheinbar nebenbei, als er meine Wunde fachmännisch betrachtete und nebenbei Tücher aus einer Box riss, um das Blut, das aus meinem Kopf rann zu stoppen. „Ähhm .. ja, das ist richtig.“, sagte ich. Dr Brooks unterdrückte ein Kichern. „Kind, was soll nur aus dir werden, wenn du dich immer verletzt!? Ich kann nicht immer zur Stelle sein und dir helfen. Im Berufsleben wirst du später auch nicht immer zu mir kommen können.“ Ich seufzte. „Hoffentlich habe ich in meinem späteren Berufsleben keinen Sportunterricht.“ Die Krankenschwester erwiederte darauf nichts, ich vernahm nur einen Laut, der wie ein Grunzen klang.
Während Dr Brooks an meiner Platzwunde herumfummelte, sah ich zu Laura, die lässig gegen die Wand gelehnt dastand. Sie schmachtete den Arzt regelrecht an, ein Wunder, dass sie sich nicht auf ihn stürzte. Ich wusste, dass sie ihn sehr attraktiv fand und fragte mich, ob er das wusste. Vielleicht war er deswegen eher distanzierter ihr gegenüber. Ich jedenfalls würde Dr Brooks nie so offen anschmachten, gut, eigentlich würde ich nie etwas in dieser Richtung tun. Dazu war mir dieser Mann viel zu wichtig, denn er kümmerte sich um meine Verletzungen und ich wollte ihn mir nicht zum Feind machen. Gut, an der Behandlung meiner Wehwehchen würde es nichts ändern, wenn er sich von mir bedrängt fühlen würde, doch es würde dieses lockere Geplauder, das mir den Aufenthalt im Krankenzimmer versüßte stören, vielleicht sogar unterbinden. Und das wollte ich auf keinen Fall. Überhaupt war die Krankenschwester nicht gerade das Objekt meiner Begierde.
„So, ich muss dich leider nähen, Autumn.“ Ich schluckte. An Laura gerichtet sagte Dr Brooks: „ Halte du lieber ihre Hand, sie wird deine Unterstützung sicher brauchen denke ich.“ Laura trat auf mich zu und schnappte sich meine Hand, die sie leicht drückte. Auf ihrem Gesicht war ein kleines Lächeln, das mich wohl beruhigen sollte. Da spürte ich schon die Spritze, die die Gegend rund um meinen Kopf betäubte. Kurz darauf setzte die Narkose ein und wenn mich ein Baseballschläger am Kopf getroffen hätte, hätte ich das sicher nicht einmal gemerkt.
Nach fünf Stichen war die Wunde genäht und ich atmete erleichtert auf. Gerade fühlte ich mich etwas schwummerig, was auch Dr Brooks merkte, denn schon lag ich auf dem Krankenbett bevor ich überhaupt gemerkt hatte, dass ich nicht mehr saß. „Laura, sei so nett und hole Autumns Kleidung. Sag deinem Lehrer, dass sie heute nicht mehr am Sportunterricht teilnehmen wird und dass sie jetzt nach Hause geht. Sie braucht viel Ruhe.“ Meine beste Freundin nickte einmal gehorsam und verließ dann das Krankenzimmer. Wieder einmal war ich froh darüber, eine Freundin wie Laura zu haben. Denn trotz ihrer vielen kleinen Fehler war sie doch eine verdammt gute Freundin und immer für einen da.
„So, jetzt werden wir mal deine Eltern anrufen, dass dich jemand abholt und wenn du dann dein Zeug hast kannst du dich hinter dem Vorhang anziehen.“ Er deutete mit einer Hand auf die ach so vertraute Umkleidekabine. Ich nickte nur.
Nach einem kurzen Gespräch mit meiner Mutter verkündete Dr Brooks mir, dass in einer halben Stunde jemand da sei. Wieder kam von mir nur ein Nicken. Ich fühlte mich müde und ausgelaugt und wäre am Liebsten sofort eingeschlafen, doch das ging hier wohl schlecht. Kurz bevor ich wirklich ins Land der Träume gesunken wäre, hörte ich Laura zurückkommen. Ich öffnete die Augen und erblickte meine beste Freundin mit meiner Jeans und meinem T-Shirt im Arm und meiner Tasche um die Schulter. Ich bemühte mich um ein Lächeln, doch wahrscheinlich sah mein Mund eher verzerrt aus. Laura lächelte zurück.
Nachdem ich mich aus meinen verhassten Turnsachen geschält hatte, betrachtete ich mein Shirt und die dazugehörige Short. Beides war voller Blut und sah aus, als wäre ich gerade einer Zombieattacke entgangen. Angewidert warf ich die Turnsachen auf den Schemel, der neben mir stand. Dann zog ich mir meine Jeans und das T-Shirt an, stopfte das blutige Zeug in meine Tasche und verließ die Umkleidekabine. Laura war schon wieder gegangen, sie hatte wieder zum Unterricht gemusst und so stand ich nun im Krankenzimmer, den wachsamen Blick der Krankenschwester auf mir. Gott sei Dank war Dr Brooks ein wirklicher Arzt aus dem Krankenhaus, denn dieses hätte ich heute nicht ausgehalten, einen weiteren Nachmittag in der Notaufnahme hätte ich nicht ertragen. Ich wollte mich gerade bedanken, dass Dr Brooks mir schon wieder mal geholfen hatte, als ich ein Klopfen vernahm. Meine Mutter stand in der Tür und sah mich geschockt an. Mein Gesicht musste wohl ziemlich gruselig aussehen, denn Lisa Roberts kam auf mich zugestürmt wie ein wütender Elephant und drückte mich gegen ihre Brüste, dass ich fast erstickt wäre. „Luft .. ersticken .. ich .. hilfe.“ Schnell ließ mich meine Mutter los und nach einem zehnminütigen Gespräch mit der Krankenschwester war sie bereit, mich nach Hause zu verfrachten. Ich winkte Dr Brooks nochmals kurz zu, dann verließen wir das Krankenzimmer und .. ich lief geradewegs in den Jungen meiner Träume. Dieser fing mich mit seinen starken Armen auf bevor ich umkippte und betrachtete mich kurz, sichtlich erfreut von meinem Anblick. Vielleicht sah ich doch nicht so mies aus, wie ich mich fühlte. „Achtung, nicht dass du umkippst.“, sagte er mit samtener Stimme und zwinkerte mir zu. Ich brachte nur ein „Ähh..“ heraus, bevor mich meine Mutter mit sich mitriss und ich keine Chance mehr hatte mich umzudrehen, um sein Gesicht nochmals zu sehen.
Diese Begegnung hatte nur ein paar Sekunden gedauert, doch der Anblick dieses Jungen, seine dunkelbraunen, wunderbaren Haare, seine fast schwarzen Augen und seine weißen Zähne hatten sich in meinen Kopf gebrannt.
So folgte ich meiner Mutter ins Auto und fast hätte ich vergessen, dass ich gerade gegen eine Wand gerannt war.
.. Fortsetzung folgt ..
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