heartxmaster
Der Abschiedsbrief
„Ich bin verliebt“, hat er gesagt, und ein verträumtes Lächeln umspielte seine schmalen Lippen. Er sah in den Sonnenuntergang und sein Blick strahlte unglaubliche Wärme und Zufriedenheit aus. Ich sagte nichts, sah ihn nur an. Instinktiv umklammerte ich seinen Arm ein wenig fester, zog die Beine an und biss mir auf die Lippe. Ich wusste, er würde nicht mich meinen. Trotzdem gefrierte das Blut in meinen Adern. Es war nicht, als würde ich weinen wollen. Nur eine leere Kälte, die sich in meinem Inneren ausbreitete. Ein Schauer, der mir über den Rücken lief. Ich sah ihn an und wartete, ob er noch etwas sagen würde.
„Es fing vor einiger Zeit an“, sagte er schließlich. Wäre er still geblieben, so wäre ich es auch gewesen. Immer noch konnte ich nichts sagen, geschweige denn einen klaren Gedanken fassen. Ich wusste nicht was in mir vorging, ich machte mir auch keine Gedanken darüber. Es war nur das glückliche Gefühl, das von mir fiel und nur eine leere Hülle zurück ließ. Wieder drückte ich mich ein wenig fester an ihn.
Langsam wendete er seinen Blick von den Bergen die die Sonne nun komplett verbargen und den Himmel in ein trübes Schwarz tauchten. Immer noch lächelnd sah er auf mein Gesicht herab. „Es ist Lina“
Keine Ahnung wie ich den Abend überstand. Er erzählte mir von den Treffen, drei insgesamt, in denen ihr euch näher gekommen seid und euch zuletzt auch küssten. Ihr wolltet noch keine große Geschichte daraus machen, solange ihr noch kein Paar wart. Aber Darren war sich sicher, die Lästerschwestern in unserer Schule würden bald schon Gerüchte darüber in die Welt setzen. Er wollte nicht, dass ich es von anderen erfahre, wo ich doch seine beste Freundin war. Außerdem wollte er wissen, was ich von dem ganzen halten würde. Als seine beste Freundin.
Ich habe mich kurz gehalten, er müsse das selber wissen. Schließlich ging ich schon früher als sonst nach Hause. „Wegen plötzlichen Kopfschmerzen“.
Als ihr schließlich ein Paar wurdet, habe ich ihm gleich von Anfang an gesagt, ich würde mich aus der Sache raushalten, in Sachen Liebe würde ich mich nicht auskennen, er solle sich für dieses Thema jemanden anders suchen. In Wirklichkeit war ich verletzt. Ich hatte bemerkt, wie wichtig er mir geworden ist, dass ich Gefühle für ihn hegte, die es nicht zuließen, dass er eine andere küsste.
Ich glaube, er hat es mir übel genommen. Seitdem haben wir uns kein einziges Mal alleine getroffen, nur mit unserer Clique. Wir redeten nur mehr über ganz wenige Dinge, keine tiefgründigen Gespräche mehr. Anfangs hat es mich nicht gestört.
Mit der Zeit fing ich an, die Geschichte auf seine Freundin zu schieben. Auf dich. Du hättest ihm eingeredet, er würde mit mir nur seine Zeit verschwenden. Bestimmt lag es an dir, dass er mich nicht mehr sehen wollte. Du wolltest immer mit ihm zusammen sein – er hatte gar keine andere Chance.
Doch diese Zeit ist vorbei. Ich weiß, es war mein Fehler. Mich diese neuen Gefühle für ihn ausleben zu lassen, ihn anzuhimmeln – es war mein Fehler. Mädel er ist mit Lina zusammen. Er liebt sie. Du bist nur seine Freundin. Komm endlich auf den Boden zurück und such dir einen anderen! Hätte ich mir denken sollen. Eine Woche heulen, Frustfressen und Liebesschinken hineinziehen. Dann alle Erinnerungen an ihn wegschmeißen, den Kontakt völlig abbrechen – zumindest solange, bis ich nicht mehr verliebt war. Doch ich tat es nicht. Ich weinte nicht ein einziges Mal. Ich begann eine Diät, da „seine neue Freundin“ dünner war als ich. Ich kannte ihn länger, also wäre eigentlich nur ich berechtigt auf eine Beziehung. Ich wollte ihn dir nicht ausspannen. Vergessen wollte ich ihn genauso wenig. Ich wollte gar nichts, denn ich dachte nicht nach. Es interessierte mich nicht, was in mir vorging. Hätte ich in mich gehorcht, mich meinen Gefühlen hingegeben und überlegt, was dies nun bedeutete – sähe mein Weg nun anders aus. Doch ich tat es nicht. Oder zumindest zu spät.
Ich habe erkannt, wie viele Fehler ich machte. Doch das alles nützt mir nichts. Mein Leben hat keinen Sinn. Keinen Sinn ohne ihn. Es ist zu spät. Zu lange habe ich ihn geliebt, meine Welt hinter mir gelassen und mich in einem Luftschloss versperrt. Denn genau genommen war es das auch. Eine Burg. Abgeschottet von Allem. Außer meinem Schmerz.
Nach einiger Zeit, verlor ich die Lust auf meine Freunde. Es interessierte mich nicht, was sie erlebten. Genauso wenig wollte ich etwas mit ihnen erleben. Ich wollte alleine sein. Meinen Kummer spüren.
Nachmittage saß ich zu Hause. Meine Eltern arbeiteten. Schwestern habe ich keine. Zuerst noch damit beschäftigt, in meinem Zimmer zu sitzen, heulen und traurige Musik zu hören kam ich schließlich auf die Idee, mir selbst weh zu tun. Meinen Kummer in mir zu zeichnen. Für ihn, meinen besten Freund, meinen besten Freund den ich liebe. Ich schrieb mir seinen Namen auf den Unterarm. Mit Blut. Mit meinem Blut. Es tat weh, zuerst. Doch mit der Zeit bemerkte ich, wie sehr der Schmerz mich von meinem Kummer ablenkte.
Es blieb nicht bei diesem einen Mal. Aus dem Namen wurden einfache Linien, einfach um den Schmerz zu spüren, den Kummer, mein Leben. Nur um mich zu vergewissern, ich lebte. Ich konnte noch etwas spüren.
Dieses Mal werde ich nicht nur eine Linie zeichnen. Ich werde mein Leben zeichnen. Zu sterben, und dieser Welt zu entkommen. Dem Kummer. Dem Schmerz. Auf ewig. Ihm zu entkommen, währenddessen ich spüre, dass ich liebe. Denn ich liebe ihn wirklich. Er soll die Wahrheit erfahren. Sag ihm, dass ich ihn liebte. Ihn liebe. Ihn immer lieben werde. Mein letzter Atemzug, er wird ihm gelten. Und während ich einen Strich unter all meinen Schmerz und Kummer ziehe, werde ich an ihn denken. Mein letzter Gedanke, er wird ihm gelten. Wie mein Leben, dass ich ihm schenke. Dem Jungen, den ich liebe. Obwohl ich nie verliebt war.