Das Problem an Karls Lehre ist die unheimliche Kompliziertheit des ganzen.
Das ist aber Leider bei vielem klassischen so, dass es gerade Leuten ohne Reitleher, der das ganze erklärt sehr schwer fällt, das umzusetzen, v.A. wenn sie es vollkommen anders gelernt haben, da sie nicht mal ein praktisches Beispiel vor Augen haben, sondern nur ihre Theorie.
Nicht umsonst siehst du-leider Gottes- viele Möchtegern-Klassischreiter, die ohne Unterbrechung die Hände in den Himmel reißen und deren normale Handhaltung deutlich höher ist, als normal, die -auf Nachfrage, oder auch nicht- dir lauthals erzählen, sie reiten nach Philippe Karl und "es funktioniert ja gaaanz toll". Warum? Eine dauerhaft hohe Hand bringt eine deutlich stärkere Beizäumung mit sich, die tendenziell nur Hals und Genick eng macht. Und das gaukelt Leuten, die keine Ahnung haben natürlich ein "ganz toll laufendes Pferd" vor.
Das ist das Problem. Karls Lehre ist sinnvoll, aber dazu gehört
a) viel mehr als nur ein Anheben der Hand und
b) lässt sich aus Büchern nicht der richtige Moment dafür erlernen.
Ich habe und hatte das Glück bei Reitlehrerinnen zu reiten, die bei Ph. Karl geritten sind, und bei ihm gelernt haben.
Diese Hand-Hoch geschichte ist derart komplex, dass es selbst amit RU schwer fällt, sie anfangs richtig auszuüben.
Ich habe mein Pferd damals auch -unter Anleitung- angefangen zu korrigieren.
Und als Reiter musst du bereits ein so geschärftes Auge und Gefühl haben, dass du es bemerkst, wenn dein Pferd 5mm nach unten nachgibt, denn es funktioniert nicht (das ist leider selten beschrieben) über ein "Ich halte die Hand hoch und warte bis das Pferd abknickt" -Verhalten.
Dass es viel komplexer ist, sagte ich ja bereits.
Ein kleines Bsp:
Man hat ein Pferd, beispielsweise ein Korrekturpferd. Das Pferd läuft (drastisch zu demonstrationszwecken so ausgedrückt) wie ein Hirsch.
Dann hebe ich die Hand an, generell nur für einen kurzen Zeitraum von 2-5 Sekunden, je nach Reaktionsschnelligkeit von Pferd und Reiter.
Dabei darf ich keinen Druck nach oben ausüben. Natürlich soll die Anlehnung nicht verloren gehen, aber beim Anheben der Hand soll nur kurz -bildlich ausgedrück- der Maulwinkel angehoben werden.
Danach lasse ich die Hand wieder sinken, und lade das Pferd dabei ein, der Hand nach unten zu folgen. Tut es das nicht, so wiederhole ich das ganze.
Gibt das Pferd nach, während ich die Hand oben habe, sollte ich im Idealfall die Hand in genau dem Moment wieder sinken lassen.
Wie gesagt- sehr komplex und es fordert eine extrem schnelle Reaktion und ein sehr scharfes Auge+Gefühl beim Reiter.
Reagiert man nicht schnell genug, versteht das Pferd nicht Sinn und Zweck des ganzen, und das gesamte Prozedere war sinnlos.
Sinn und Zweck einer feiner werdenden Hilfengebung geht dabei auch verloren, da das Pferd einfach nicht versteht, was es machen soll, da auf ein nachgeben nach unten keine prompte Reaktion als Belohnung erfolgte.
Wirklich gut danach ausgebildete Pferde reagieren nach einiger Zeit bereits auf ein Anheben der Hand um 1cm, oder sogar weniger.
Und selbst mit Unterricht schafft man es anfangs einfach nicht, so zu reagieren.
Und wenn man ohne Unterricht reitet erst recht nicht. Was wenn man nicht merkt, dass das Pferd reagiert hat( und wir reden hier von einem reagieren um cm, oder mm, das kann NIEMAND behaupten, er könnte das einfach so)? Keiner sagt einem das in dem Moment.
Und die Lehre von PH. Karl beinhaltet noch so viel anderes komplexes, das kann ich hier leider nicht auflisten

.
Nur soviel zur Hand oben-Sache:
Bei manchen Dingen ist es so, wenn man sie ausprobiert und man macht sie falsch, entsteht kein großer Schaden.
Bei
dieser konkreten Geschichte kann weitaus mehr passieren.
Kaum ein Reiter ohne Reitunterricht bei einem in dem Gebiet bewanderten RL
weiß überhaupt, dass er die Hand wieder sinken lassen muss nach einem Moment. Und natürlich erkennt man das-ohne es zu wissen- auch nicht, wenn das Pferd den Kopf um 5mm sinken lässt.
Das ist die Präzision des Ganzen, die neben oben aufgelisteten Eigenschaften auch noch ganz viel Fingerspitzengefühl fordert.
Das ist eine Präzision wie sie eigentlich niemand (ich habe es zumindest noch nie erlebt oder gehört) aus dem FN-Sport beherrscht. Schade, aber Tatsache.
Und gerade Leute, die sich reiterlich (nach FN gesehen) auch noch weiter unten in den Leistungsstandards befinden,
können das einfach noch nicht können.
Ich habe schon angeblich nach Ph.Karl gerittene Pferd gesehen, das war einfach grauenhaft.
Pferde mit offenen Mäulern, weggedrücktem Rücken, rausgestrecktem Unterhals, und der Reiter dazu, mit der Hand im Himmel im Maul hängend, hoffen, dass das Pferd irgendwann (irgendwo

-->falscher Knick) im Hals abknickt.
Das ist die Geschichte mit der Beizäumung.
Das ist nämlich Typ 2, das Pferd, dass sich dem einfach nicht wiedersetzt, bei zu engem Hals, zu engem Genick, bei nicht aktivem Rücken bzw. HH durch die Gegend läuft, und der Reiter findet es ja "ach so toll, wie das Pferd seit es nach Ph.Karl geritten wird am Zügel geht"

.
Und Wichtig: Ich habe
nichts dagegen, wenn ein Reiter sich durch klassische Fachbücher liest, dabei zwangsläufig an Ph. Karl kommt, der ja wirklich eigentlich sehr gut ist, und auch das liest.
Dass ihm das was Karl sagt, plausibel vorkommt, ist normalerweise eben so.
Alles kein Problem, weiterlesen, neugierig werden, informieren, weiter über Karl informieren, theoretisches Wissen dazu gewinnen, kein Problem.
Nur dieser Nachahmungseffekt, im Willen das genauso zu machen, ohne das nötige Hintergrundwissen zu haben, geschweige denn Anleitung, um dieses zu bekommen, macht das ganze so schwierig.
Und diese Leute sehen im ersten Moment nur "aha, ich nehme die Hand hoch, irgendwann nimmt das Pferd den Kopf runter, wie schön".
Was dabei für Schäden entstehen, und dass das ganze dabei nur eine Mogelpackung ist, merken sie -wenn überhaupt- erst später.
Deshalb- wenn von Philippe Karl als einem fantastischen Reiter und Ausbilder gesprochen wird, stimme ich dem größtenteils zu, aber dabei ist dann doch auch immer eine kleine Warnung an die zu richten, die sich in einem plötzlichen Anfall allzu begeistert auf einmal auf das Thema Klassische Dressur stürzen.
Denn der Fall kann dann auch mal sehr tief sein. Das muss man wohl dazu sagen.
Daher warne ich lieber vor überstürztem Nachmachen, da -Philippe Karl ist ein großer Reiter, ja- aber wer sonst ist das? Wenige.
Und eben die, die es noch nicht können, wollen das nachahmen. Die, die es schon können, brauchen es nicht nachahmen.
Dabei vergessen die meisten, dass es mehr braucht, als ein Buch, um etwas völlig neues lernen zu können.
Ich streite nicht ab, dass man nicht auch aus Büchern etwas lernen kann, aber etwas völlig neues ohne Zusatzwissen-und Informationen aus einem Buch zu lernen halte ich- auch aus eigener Erfahrung- sehr schwierig. Ist man einmal mit einem gewissen Wissen ausgestattet, fällt es leichter, aus Büchern zu lernen. Aber da muss man schon um einiges weiter sein in seinem theoretischen und praktischen Wissen, als die meisten, die einfach mal eben so nach PH.Karl reiten wollen. Denen fehlt meist sogar die elementare Grundlage.
Und Gefühl (für den richtigen Augenblick) und das nötige Background-Wissen, das meist leider nichtmal vorhanden ist, lernt man nicht aus einem Buch.
Lernen kann man aus Büchern, ja, aber nicht, wenn einem die nötige Grundlage dazu fehlt, um es korrekt auszuüben, um damit
Sinn und Zweck dessen zu erfüllen, zu dem es ursprünglich gedacht war.
Hat man das Elementare, ist es kein Problem, kleinere Dinge ohne-ich sage mal- größeres Schadenspotenzial auszuprobieren und zu übernehmen.
Aber so komplexe Sachen, wie die nach oben geführte Hand sind einfach sehr schwer, wenn nicht nahezu unmöglich aus Büchern zu lernen-immer dabei eine korrekte Ausführung vorrausgesetzt.
Kleines Gegenbeispiel dazu, Ausbildungsskala, korrektes (nach FN korrektes) an die Hand treiben etc,etc. Wo bitte sieht man das? Es wird in jeder Reitabzeichen-Theorie abgefragt. Dafür wird es gelernt.Aus Büchern.
Und wer setzt es um? Kaum einer.
Verstehst du was ich meine?
Ich will hier im Übrigen niemandem konkret etwas unterstellen, da ich niemanden hier beurteilen kann.
Das ist nur etwas allgemeines, woran jeder denken sollte, wenn er daran denkt, so etwas doch schweres alleine aus einem Buch selbst umzusetzen.
Was jeder daraus macht, ist nicht meine Sache, das muss jeder selbst entscheiden.