tears.
- Bis hierhin für immer -
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Kapitel 1
Seit einer kleinen Ewigkeit, zumindest erschien es mir so, haftete mein Blick nun schon an der großen, runden Plastikuhr, die über der Tafel hing und deren Zeiger sich so langsam wie nie zuvor zu bewegen schienen. Schule besonders diese letzte Stunde am Montag, nämlich Mathematik war schon immer langsamer vergangen, als der Rest des Tages. Das war eine Tatsache, auch wenn es noch nicht wissenschaftlich bewiesen war. Und sofern es noch möglich war, schlichen die Sekunden an diesem heißen Junitag noch schleppender dahin. Das lag einzig und allein an dem Mann, der uns seit etwa einer halben Stunde eine Standpauke hielt. Es war der Direktor unserer Schule Herr Karlson , der schwitzend an dem Lehrerpult stand, an dem ausnahmsweise mal nicht unser Mathelehrer saß. Der lehnte nämlich an der Wand neben dem einzigen offenen Fenster im Raum und nickte immer mal wieder bekräftigend.
Warum? Ich weiß es nicht genau, denn wirklich zugehört habe ich nicht. Es war zu warm, noch dazu ein Montag der unbeliebteste Tag der ganzen Woche und es sah ganz danach aus, als wenn unser Schulleiter die Stunde noch überziehen würde. Das tat er nämlich immer, wenn er irgendeine Klasse zu erziehen versuchte.
Die meisten von uns hatten bereits nach dem ersten Satz abgeschaltet. Es ging um den Abgängerstreich, den wir als erstes Jahrgang nicht machen durften, weshalb wir natürlich lautstark protestiert hatten. Zehn Jahre bei manchem waren es sogar noch mehr harter Plackerei und nun durften wir die Früchte nicht ernten, den Tag nicht erleben, auf den wir uns gefreut hatten, seit wir als Grundschulkinder selbst eingeseift worden waren. Von den damals noch so großen, unerreichbaren Abgängern. Die, vor denen wir Angst gehabt hatten, vor denen wir kreischend davongelaufen waren, wenn sie mit fauligen Eiern und Rasierschaum auf uns zukamen, nur um im nächsten Moment wieder wagemutig näher zu kommen.
Es war ein Spaß gewesen, solange sie uns nicht wirklich nassgespritzt oder mit Farbe bemalt hatten. Dann hatten wir gegrummelt, in der nächsten Stunde gewetteifert, wessen Klamotten am meisten ruiniert worden waren und uns geschworen, den späteren Kleinen mal alles heimzuzahlen.
Jetzt durften wir das nicht mehr, weil der Jahrgang vom letzten Jahr das Auto von einem Lehrer kaputt gemacht hatte. Zwar war der Schaden ersetzt worden, aber ein Risiko wollte man trotzdem nicht mehr eingehen.
Mir war inzwischen alles egal. Ich freute mich nur noch darauf, endlich die Schule beenden zu können. Wie, kümmerte mich nicht mehr. So ging es offensichtlich den meisten meiner Klasse. Einige versuchten, wie ich, die Uhr aus purer Willenskraft zum schneller laufen zu bringen, andere starrten aus den geschlossenen Fenstern in den Himmel, der sich wie ein blaues Seidentuch über den grünen Stadtpark spannte, der direkt neben der Schule lag. Es war paradiesisch, vor allem, wenn man an die letzten zwei Wochen dachte, die ziemlich verregnet, grau und kühl gewesen waren. Der Sommer ging jetzt scheinbar endlich los, pünktlich zum Schulende. Dumm nur, dass wir in unserem stickigen Klassenraum sitzen mussten.
Es gab allerdings auch noch ein paar Leute unter meinen Mitschülern sie waren zum Großteil männlich , die versuchten, den übergewichtigen Direktor umzustimmen. Den interessierte das jedoch nicht die Bohne, das sah man ihm deutlich an seinen Lippen an, die er immer dann zusammenpresste, wenn einer der Schüler es wagte, ihn mit erhobenem Arm zu unterbrechen, um ihn mit den blumigsten Theorien zu erklären, warum dieses Ereignis im Leben eines Heranwachsenden pädagogisch wertvoll sei.
Genervt verdrehte ich die Augen und wandte mich von der Uhr ab, um mich zu dem Teil der Schüler zu gesellen, die aus dem Fenster stierten. Aus dem Augenwinkel sah ich dabei meinen Mathelehrer, der gleichzeitig auch mein Klassenlehrer war. Er schien aufgehört zu haben, Autorität ausüben zu wollen, denn er nickte nicht mehr. Stattdessen zuckte es verdächtig um seine Mundwinkel, als Steffen der Klassenclown irgendwas von Freud plapperte, von dem er selbstverständlich keine Ahnung hatte.
Herr Behrens war nicht der Grund, warum wir Mathe nicht mochten unsere Abneigung lag in dem Fall ganz einfach an dem Stoff. Mit ihm als Lehrer dagegen konnten wir uns glücklich schätzen. Er war nicht unbedingt besonders gnädig, aber er hatte für gewöhnlich immer eine Geschichte auf Lager, mit der er schon mal den ganzen Unterricht ausfüllen konnte, nur um dann überrascht zu bemerken, dass er eine ganze dreiviertel Stunde von seinem Urlaub in Frankreich berichtet hatte, anstatt mit uns lineare Funktionen durchzugehen. Nur wenn sein Boss im Raum war, riss er sich zusammen, aber immer gelang ihm das auch nicht. So wie jetzt, auch wenn es nur eine kleine Gefühlsregung war.
Sicher war aber auch er erleichtert, als Herr Karlson schlussendlich fünf Minuten nach dem Glockenläuten mit der Hand auf das Pult schlug das Holz ächzte verdächtig unter der Last und den Tag als beendet erklärte. Wie die fünfzehn anderen Schüler um mich herum, schoss auch ich wie von der Tarantel geschossen hoch, packte meine Sachen und stürmte aus dem Klassenraum. Na endlich ... ich war ja noch verabredet!
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Das ist der Anfang einer Geschichte, die mir gerade in den Sinn gekommen ist. Über ein paar Kommentare und ernst gemeinte Kritik würde ich mich freuen (: