Luca
Okay, nun ich selbst mal
- schon etwas älter, aus einer Laune heraus entstanden.
Es spritzte und schmatzte, während sich der schwerfällige Watt durch unsere Zehen hindurch quetschte. Die Sonne drängte sich durch die schnell vorrüberfliegenden Wolken während die Wellen übermütig gegen naheliegende Felsen klatschten oder sich zum Land hin streckten; das Wasser um unsere Beine verteilend um sich dann wie eine Schlange, die ohne Vorwarnung zugebissen hatte, zurück zuziehen. Vögel sprangen kreischend aus unserem Weg, während mein Schnaufen lauter und mein Atem schneller wurde, aber meine Beine mich kaum noch tragen wollten. Dicht gefolgt sprang ich über kleinere Steine, drehte mit dem Wind ab und rannte in Richtung der naheliegenden Bäume, um im Zickzack um sie herum zu springen und dann wieder abzudrehen um meinen Weg zurück zum Strand zu machen.
Er hatte mich wenden sehen und sprang seitlich an einem Baum vorbei, seine Hand nach mir ausstreckend und nur um Millimeter verfehlend. Erschrocken schrie ich leise auf, mein Tempo noch beschleunigend, während er nun direkt hinter mir war. Ich konnte die Äste unter seinen schweren Sprüngen knacken, seinen Atem rasseln und seine Rufe schallen hören, als ich endlich aus dem Unterlaub brach und japsend ins Freie stolperte. Meine Fußsohlen schmerzten bereits von den spitzen Steinen und zahlreichen Muscheln, die verstreut an der Kina Peninsula lagen. Plötzlich spürte ich wie mein Fuß nicht mehr folgte und ich krachend zu Boden schlug. Für einen Moment hatte ich das Gefühl die Orientierung zu verlieren, in dem sich alles nur für den Bruchteil einer Sekunde in einer unglaublichen Geschwindigkeit drehte und ich glaubte, die Vögel unter mir in die Lüfte steigen zu sehen und das Meer über mir rauschen zu hören. Bevor ich den Sand in meinem Mund schmeckte und mein Handgelenk schmerzen spürte und bevor ich den Ast erkannte, an dem ich hängen geblieben war, hatte er sich bereits auf mich geworfen.
„Nein! Nein bitte nicht!“, kreischte ich und wand mich unter seinen Fingern, die begonnen hatten, über meinen Körper zu fahren. „Nur was du verdienst, du Biest!“ Seine Stimme klang zittrig während er weiterhin nach Luft schnappte.
Lachend rollte ich über den Boden, während ich ihn versuchte mit meinen Beinen weg zu treten und meine Arme gegen seinen Oberkörper stemmte. „Bitte… bitte nicht… kitzeln!“, japste ich und spürte, wie sich mein Bauch zusammenzog und ich das Gefühl hatte, bald in Atemnot zu geraten. „Ich… ich krieg keine… Luu…“, Genauso plötzlich wie er begonnen hatte, lies er auch von mir ab und glitt wortlos neben mir in den Sand. „Okay, ich höre auf, ausnahmsweise!“
Einen Moment benötigte ich, bevor ich mich auf die Seite drehen und ihn angucken konnte. Er hatte den Mund und die Augen genießerisch geschlossen und seine Hände auf der Brust abgelegt, noch immer schwer atmend und verschwitzt. Es fühlte sich perfekt an, ihn einfach so anzustarren und an nichts denken zu müssen, während der Wind über den Sand strich und eine angenehme Abwechslung zur kräftigen, neuseeländischen Sonne bot. Ich brauchte ihn nicht einmal zu berühren, um seine Nähe zu spüren – es schien alles genug zu sein. Sein Anblick, sein Atem, seine Bewegung, sein Bauch der sich langsam auf und ab bewegte. Alles war plötzlich ein Teil von mir geworden; ich war alles und alles war ich.
Das Universum schien nicht mehr unendlich, denn es war plötzlich in mir. Der Strand schien nur ein Stück meiner Seele zu sein, schillernd und so echt wie nie zu vor. Das Schreien der Vögel und das Rauschen der Wellen kam von weit weg, tief in mir drin. Die frische Luft elektrisierte meine Haut während die Strahlen der Sonne in einer nie gekannten Intensität in meinen Körper eindrangen. Sein Anblick wirkte so perfekt und unecht, aber gleichzeitig wie nur ein kleiner Funke in meinem Gefühlsfeuer und die Grenzen zwischen Du und Ich verschwammen vor meinem inneren und äußeren Auge.
Und ganz plötzlich schmeckte ich etwas beinahe fremdartig Salziges auf meinen Lippen, das nicht vom Meer kam sondern ein Symbol meiner Emotionen war. Dort, wo die Tränen auf meiner Haut hinunterrollten und von ihr absprangen um sich in der Unendlichkeit des Seins zu verlieren, meinte ich zu fühlen, wie die Haut aufbrach und sich von mir löste, langsam mein Gesicht zur Unendlichkeit zerstörend.
„Was ist los?“ Und es war, als wenn seine Worte den Zauber durchstoßen müssten, messerscharf, und ihn unweigerlich umbringen würden. Mit einer Welle der Realität war auch das Gefühl der Unendlichkeit verloren und ich zurück in dem Hier und Jetzt, Raum und Zeit. Und es hinderte mich nicht daran, die Tränen noch schneller aus meinen Augen brechen zu lassen, bis mein Körper begann sich zu schütteln und meine Magen sich voller Schmerzen verzog.
„Izzy, was ist los?“ Unbeholfen strich mir er mir die Haare aus dem Gesicht und fuhr mit seinen Fingern über meine Wagen, um die feuchten Tränen auf meiner Haut zu verstreichen. Seine Berührung schien wie ein Gift, welches meinen Magen zusammenziehen lies, während das Weinen so schmerzhaft geworden war, dass ich mich krümmen musste, um die Pein etwas zu lindern. Seine Nähe war unhaltbar und meine Gefühle gaben mir den Befehl wegzurennen. Jetzt. Aber ich wusste, dass es dann nur noch schlimmer werden würde.
Und nachdem er nicht mehr wusste, was er sagen sollte, nachdem alles Fragen nichts brachte, hob er mich nur sanft vom Boden in seine Arme, meinen Kopf an seine Schulter, an der ich meinen Tränen freien Lauf lassen konnte. Es mag ein paar Minuten oder eine paar Stunden gewesen sein, bis jäh meine Tränen versiegten, aber für mich war es eine ganze Welt.
Und es schien, als wäre dieser Planet gerade untergegangen, denn an Stelle der Übermannung von Gefühlen, fühlte ich nun nichts. Wie ich noch zuvor alles empfunden hatte, empfand ich nun nichts. Nichts war ich. Alle Tränen waren geweint und alle Worte waren gesprochen. Und – stellte ich mit Erschrecken fest, als ich in Cailins Augen sah – alle Gefühle waren gelebt.
Der Kuss war sanft und bedeutungsvoll, aber dennoch schien mein Abschied morgen plötzlich etwas Notwendiges, etwas Normales, etwas Vorbestimmtes zu sein. Etwas, das man nicht verändern sollte, denn es gehörte so. Es gehörte hier hin, es gehörte zu mir und es war nicht mehr so schlimm, wie ich es noch vorher verspürt hatte. Und es war der Kuss, der wie ein Vorhang hinter dem gespielten Theaterstück schloss, der wie eine Beerdigung fungierte. Der mich das Leid ertragen lies.
Und doch - in mitten dieses Paradieses war etwas, das mich daran erinnerte, dass es da gewesen war. Dass sie da gewesen waren: diese intensiven Gefühle, diese Erinnerungen… diese Person vor mir, die mir einmal die Welt bedeutet hat. Die Welt, in der ich gelebt hatte.
Copyright by Charlotte H.

Sommernachtstraum
So laß uns Abschied nehmen wie zwei Sterne,
durch jedes Übermaß von Nacht getrennt,
das eine Nähe ist, die sich an Ferne erprobt
und an dem Fernsten sich erkennt.
Reiner Maria Rilke
So laß uns Abschied nehmen wie zwei Sterne,
durch jedes Übermaß von Nacht getrennt,
das eine Nähe ist, die sich an Ferne erprobt
und an dem Fernsten sich erkennt.
Reiner Maria Rilke
Es spritzte und schmatzte, während sich der schwerfällige Watt durch unsere Zehen hindurch quetschte. Die Sonne drängte sich durch die schnell vorrüberfliegenden Wolken während die Wellen übermütig gegen naheliegende Felsen klatschten oder sich zum Land hin streckten; das Wasser um unsere Beine verteilend um sich dann wie eine Schlange, die ohne Vorwarnung zugebissen hatte, zurück zuziehen. Vögel sprangen kreischend aus unserem Weg, während mein Schnaufen lauter und mein Atem schneller wurde, aber meine Beine mich kaum noch tragen wollten. Dicht gefolgt sprang ich über kleinere Steine, drehte mit dem Wind ab und rannte in Richtung der naheliegenden Bäume, um im Zickzack um sie herum zu springen und dann wieder abzudrehen um meinen Weg zurück zum Strand zu machen.
Er hatte mich wenden sehen und sprang seitlich an einem Baum vorbei, seine Hand nach mir ausstreckend und nur um Millimeter verfehlend. Erschrocken schrie ich leise auf, mein Tempo noch beschleunigend, während er nun direkt hinter mir war. Ich konnte die Äste unter seinen schweren Sprüngen knacken, seinen Atem rasseln und seine Rufe schallen hören, als ich endlich aus dem Unterlaub brach und japsend ins Freie stolperte. Meine Fußsohlen schmerzten bereits von den spitzen Steinen und zahlreichen Muscheln, die verstreut an der Kina Peninsula lagen. Plötzlich spürte ich wie mein Fuß nicht mehr folgte und ich krachend zu Boden schlug. Für einen Moment hatte ich das Gefühl die Orientierung zu verlieren, in dem sich alles nur für den Bruchteil einer Sekunde in einer unglaublichen Geschwindigkeit drehte und ich glaubte, die Vögel unter mir in die Lüfte steigen zu sehen und das Meer über mir rauschen zu hören. Bevor ich den Sand in meinem Mund schmeckte und mein Handgelenk schmerzen spürte und bevor ich den Ast erkannte, an dem ich hängen geblieben war, hatte er sich bereits auf mich geworfen.
„Nein! Nein bitte nicht!“, kreischte ich und wand mich unter seinen Fingern, die begonnen hatten, über meinen Körper zu fahren. „Nur was du verdienst, du Biest!“ Seine Stimme klang zittrig während er weiterhin nach Luft schnappte.
Lachend rollte ich über den Boden, während ich ihn versuchte mit meinen Beinen weg zu treten und meine Arme gegen seinen Oberkörper stemmte. „Bitte… bitte nicht… kitzeln!“, japste ich und spürte, wie sich mein Bauch zusammenzog und ich das Gefühl hatte, bald in Atemnot zu geraten. „Ich… ich krieg keine… Luu…“, Genauso plötzlich wie er begonnen hatte, lies er auch von mir ab und glitt wortlos neben mir in den Sand. „Okay, ich höre auf, ausnahmsweise!“
Einen Moment benötigte ich, bevor ich mich auf die Seite drehen und ihn angucken konnte. Er hatte den Mund und die Augen genießerisch geschlossen und seine Hände auf der Brust abgelegt, noch immer schwer atmend und verschwitzt. Es fühlte sich perfekt an, ihn einfach so anzustarren und an nichts denken zu müssen, während der Wind über den Sand strich und eine angenehme Abwechslung zur kräftigen, neuseeländischen Sonne bot. Ich brauchte ihn nicht einmal zu berühren, um seine Nähe zu spüren – es schien alles genug zu sein. Sein Anblick, sein Atem, seine Bewegung, sein Bauch der sich langsam auf und ab bewegte. Alles war plötzlich ein Teil von mir geworden; ich war alles und alles war ich.
Das Universum schien nicht mehr unendlich, denn es war plötzlich in mir. Der Strand schien nur ein Stück meiner Seele zu sein, schillernd und so echt wie nie zu vor. Das Schreien der Vögel und das Rauschen der Wellen kam von weit weg, tief in mir drin. Die frische Luft elektrisierte meine Haut während die Strahlen der Sonne in einer nie gekannten Intensität in meinen Körper eindrangen. Sein Anblick wirkte so perfekt und unecht, aber gleichzeitig wie nur ein kleiner Funke in meinem Gefühlsfeuer und die Grenzen zwischen Du und Ich verschwammen vor meinem inneren und äußeren Auge.
Und ganz plötzlich schmeckte ich etwas beinahe fremdartig Salziges auf meinen Lippen, das nicht vom Meer kam sondern ein Symbol meiner Emotionen war. Dort, wo die Tränen auf meiner Haut hinunterrollten und von ihr absprangen um sich in der Unendlichkeit des Seins zu verlieren, meinte ich zu fühlen, wie die Haut aufbrach und sich von mir löste, langsam mein Gesicht zur Unendlichkeit zerstörend.
„Was ist los?“ Und es war, als wenn seine Worte den Zauber durchstoßen müssten, messerscharf, und ihn unweigerlich umbringen würden. Mit einer Welle der Realität war auch das Gefühl der Unendlichkeit verloren und ich zurück in dem Hier und Jetzt, Raum und Zeit. Und es hinderte mich nicht daran, die Tränen noch schneller aus meinen Augen brechen zu lassen, bis mein Körper begann sich zu schütteln und meine Magen sich voller Schmerzen verzog.
„Izzy, was ist los?“ Unbeholfen strich mir er mir die Haare aus dem Gesicht und fuhr mit seinen Fingern über meine Wagen, um die feuchten Tränen auf meiner Haut zu verstreichen. Seine Berührung schien wie ein Gift, welches meinen Magen zusammenziehen lies, während das Weinen so schmerzhaft geworden war, dass ich mich krümmen musste, um die Pein etwas zu lindern. Seine Nähe war unhaltbar und meine Gefühle gaben mir den Befehl wegzurennen. Jetzt. Aber ich wusste, dass es dann nur noch schlimmer werden würde.
Und nachdem er nicht mehr wusste, was er sagen sollte, nachdem alles Fragen nichts brachte, hob er mich nur sanft vom Boden in seine Arme, meinen Kopf an seine Schulter, an der ich meinen Tränen freien Lauf lassen konnte. Es mag ein paar Minuten oder eine paar Stunden gewesen sein, bis jäh meine Tränen versiegten, aber für mich war es eine ganze Welt.
Und es schien, als wäre dieser Planet gerade untergegangen, denn an Stelle der Übermannung von Gefühlen, fühlte ich nun nichts. Wie ich noch zuvor alles empfunden hatte, empfand ich nun nichts. Nichts war ich. Alle Tränen waren geweint und alle Worte waren gesprochen. Und – stellte ich mit Erschrecken fest, als ich in Cailins Augen sah – alle Gefühle waren gelebt.
Der Kuss war sanft und bedeutungsvoll, aber dennoch schien mein Abschied morgen plötzlich etwas Notwendiges, etwas Normales, etwas Vorbestimmtes zu sein. Etwas, das man nicht verändern sollte, denn es gehörte so. Es gehörte hier hin, es gehörte zu mir und es war nicht mehr so schlimm, wie ich es noch vorher verspürt hatte. Und es war der Kuss, der wie ein Vorhang hinter dem gespielten Theaterstück schloss, der wie eine Beerdigung fungierte. Der mich das Leid ertragen lies.
Und doch - in mitten dieses Paradieses war etwas, das mich daran erinnerte, dass es da gewesen war. Dass sie da gewesen waren: diese intensiven Gefühle, diese Erinnerungen… diese Person vor mir, die mir einmal die Welt bedeutet hat. Die Welt, in der ich gelebt hatte.
Einen richtigen Abschied erkennt man daran, daß er nicht mehr weh tut.
Hans Noll
Hans Noll
Copyright by Charlotte H.