Hornisse
Wie schon angekündigt, habe ich meine Geschichte "Gnadenhof", die ihr auch hier bei GB finden könnt, die ich wirklich erlebt habe, komplett überarbeitet, da mir der Stil überhaupt nicht gefällt.
Auch (oder grade) wenn ihr die alte Geschichte schon kennt, würde ich mich freuen wenn ihr euch die überarbeitete Version durchlest und sie bewertet, halt grad was den Stil angeht.
Ich hab sie umbenannt, denn Gnadenhof war ja nun wirklich nur ein Arbeitstitel.
Aber nun gehts ma los.
Es ist ein grauer Novemberabend, der Regen prasselt unaufhörlich an mein Fenster. Schon lange ist die Sonne untergegangen und ich kann spüren, wie die Realität von der Dunkelheit verschluckt wird.
Ich ziehe meine Decke noch etwas enger um mich, drehe mich um und starre unwillkürlich auf das kleine Bild auf meinem Nachtschrank. Es ist bedeckt von einer leichten Staubschicht und vergilbt von der Sonne. Trotzdem kommt es mir so klar vor wie lange nicht mehr, brennt sich durch meine Augen in meinen Kopf, ruft alte Bilder hervor. Bilder, die zwar tief vergraben, aber keineswegs verstaubt sind. Zwar alt, aber doch so klar, so frisch.
Wie kann ein Foto, eine unbedeutende Lichtprojektion, eine Erinnerung hervorrufen, die so stark ist, so bedeutend, dass sie mich nicht schlafen lässt? So zentral, dass sie alle anderen, aktuellen Gedanken verdrängt und mich zurück in die Vergangenheit schickt?
„Lass dich nicht immer wieder darauf ein“, haben sie mir gesagt. „Das ist doch krank.“
Ja, sie haben sicher Recht. Die Zeiten, in denen mich Yoshi, das kleine Pony auf dem Foto, angesehen hat – durch seine Augen, nicht durch das Foto – sind lange vorbei. Die Zeiten, die sicher die naivsten, aber auch die glücklichsten in meinem Leben waren, in denen ich glaubte, die Welt verändern zu können – und es auch zu schaffen, und in denen die Wirklichkeit außerhalb des kleinen Hofes, unseren Hofes, für mich keine Rolle spielte – ja, gar nicht existierte, gehören längst der Vergangenheit an.
Trotzdem werden die Tage und Nächte wieder häufiger, in denen die Bilder und Geschichten aus jenen Tagen zurück in meinen Kopf dringen. Ich lasse mich darauf ein, nur dieses eine Mal noch. Nur so, wegen der Langeweile, wegen der Liebe... und wegen der Sehnsucht, die sonst mein Herz zerreißt.
Es ist nun etwa sieben Jahre her, aber die Erinnerung verblasst nicht.
Das Datum weiß ich nicht, nicht einmal den Wochentag. Es war im Herbst, ein Tag wie jeder andere Tag auch. Weder kalt noch warm, weder stressig noch langweilig, weder laut noch leise. Wahrscheinlich wehte der Wind durch die großen Eichen, die den Hof umgaben und langsam auch den letzten Rest ihres Laubes verloren. Vielleicht wieherte zwischendurch ein Pferd, oder ein Hund bellte, vielleicht hörte man auch die Vögel in den Bäumen. Oder man hörte nur das Kratzen der Harke des fünfzehnjährigen Mädchens, durch dessen Augen ich diese Geschichte immer wieder sehe, und die an diesem Tag versuchte, das Kopfsteinpflaster des Hofes möglichst laubfrei zu bekommen.
Ich arbeitete seit den Sommerferien auf Silkes Pferdegnadenhof. Zuerst als Ferienjob, dann, weil mir die Pferde wichtiger wurden, auch an den Wochenenden und auch immer öfter an den Nachmittagen.
Sehr gerne verbrachte ich Zeit auf dem Hof, half Silke und ihrem „Trupp“, wie sie ihre drei Pferdepfleger nannte, und sah zu, wie alten ungeliebten Pferden ein schöner Lebensabend ermöglicht wurde. Silke war erst Anfang zwanzig, kein Alter, in dem man sein Leben aufgibt um verwahrlosten Tieren zu helfen, jedenfalls nannten es so meine Eltern. „Das Leben aufgeben“ war sicher nicht der richtige Ausdruck für Silkes Beschäftigung. Ganz im Gegenteil, Silke war eine der ganz Wenigen, die ich kannte, die ihr Leben wirklich lebten, und zwar so wie sie es wollten. Nachdem sie den Hof und einiges an Geld von ihren Eltern geerbt hatte, war es ihre Bestimmung gewesen, diese Art der Existenz aufzubauen und trotz der gesellschaftlichen Kritik weiterzuführen.
Ich erinnere mich noch gut, wie Silke an jenem Herbsttag aus ihrem Büro kam, ihre langen blonden Locken unordentlich zu einem Dutt zusammengebunden, wie sie es immer tat, und mir zurief, dass ich mich fertig machen sollte, weil wir ein neues Pferd abholen würden.
Ich hatte also endlich einen Grund, mit dem Harken aufzuhören, stellte erleichtert die Harke an die rote Stallmauer und spritzte meine Gummistiefel mit dem Schlauch ab. Schon drei Mal war ich dabei gewesen, wenn ein neues Pferd geholt wurde, und trotzdem war ich immer noch aufgeregt und sehr gespannt.
„Beeil dich“, rief Silke mir aus dem silbernen Geländewagen zu, während sie den Motor startete.
Die Weide, auf der das Pony stand, war etwa 30 Kilometer entfernt, und obwohl dieses wahrlich keine lange Strecke war, kam die Zeit mir endlos vor. Silke fuhr keinen Tick zu schnell und selbst wenn wir von keiner Schnecke überholt wurden - jede wäre schneller gewesen.
Um die Zeit zu überbrücken und die Spannung abzubauen, fragte ich Silke über das neue Pferd aus.
„Es ist ein Pony“, sagte sie ruhig. „Vielleicht 20 oder 30 Jahre alt. ‚Vernachlässigt und ungepflegt’ haben sie mir gesagt. Ein kleiner Wallach. Er hat’s verdient, einen ruhigen Lebensabend zu bekommen. Sicherlich nicht so schlimm wie Dingo oder Arcoss, aber halt auch nicht in Ordnung.“ Sie drehte die Musik aus. „Dieses Fröhlichgetue geht mir sonst wohin. ‚I would die for you’, haha, wenn die wüssten. Keine Ahnung vom Leben, uns aber jeden Tag belästigen. Verdammte Popmusik.“
Da ich nicht wusste, was ich entgegnen sollte, schwieg ich.
„Hmm... hier muss es schon irgendwo sein“, unterbrach Silke die Stille nach scheinbar endlosen Minuten.
Sie fuhr langsamer und sah sich um. Graugrüne Weiden, mit altem Stacheldraht umzäunt, bestimmten das Landschaftsbild. Hier, mitten im Nirgendwo, sollte ein Pony stehen?
„Das Tor, das mit einem roten Strick zugebunden ist, haben sie gesagt. Kann also nur das hier sein.“ Silke parkte den Wagen am Straßenrand und wir stiegen aus.
Auf der Weide war weit und breit nichts von einem Pony zu sehen. Es gab einen kleinen Holzunterstand, na ja, eigentlich war es eher ein Bretterverschlag, in dem es stehen musste. Wir öffneten das morsche Tor und standen prompt fast bis zu den Knien im Matsch. Ich rollte die Augen, ersparte mir aber jeden Kommentar und ging hinter Silke her zum Stall. Er war zu einer Seite offen und als wir ihn erreicht hatten sahen wir, dass darin wirklich ein Pony stand.
Vorsichtig ging Silke auf den Kleinen zu. Ich erwartete, dass dieser zurückweichen würde, aber er sah sie einfach nur mit seinen großen braunen Augen an.
Auch (oder grade) wenn ihr die alte Geschichte schon kennt, würde ich mich freuen wenn ihr euch die überarbeitete Version durchlest und sie bewertet, halt grad was den Stil angeht.
Ich hab sie umbenannt, denn Gnadenhof war ja nun wirklich nur ein Arbeitstitel.
Aber nun gehts ma los.
Und es ist nicht egal...
Es ist ein grauer Novemberabend, der Regen prasselt unaufhörlich an mein Fenster. Schon lange ist die Sonne untergegangen und ich kann spüren, wie die Realität von der Dunkelheit verschluckt wird.
Ich ziehe meine Decke noch etwas enger um mich, drehe mich um und starre unwillkürlich auf das kleine Bild auf meinem Nachtschrank. Es ist bedeckt von einer leichten Staubschicht und vergilbt von der Sonne. Trotzdem kommt es mir so klar vor wie lange nicht mehr, brennt sich durch meine Augen in meinen Kopf, ruft alte Bilder hervor. Bilder, die zwar tief vergraben, aber keineswegs verstaubt sind. Zwar alt, aber doch so klar, so frisch.
Wie kann ein Foto, eine unbedeutende Lichtprojektion, eine Erinnerung hervorrufen, die so stark ist, so bedeutend, dass sie mich nicht schlafen lässt? So zentral, dass sie alle anderen, aktuellen Gedanken verdrängt und mich zurück in die Vergangenheit schickt?
„Lass dich nicht immer wieder darauf ein“, haben sie mir gesagt. „Das ist doch krank.“
Ja, sie haben sicher Recht. Die Zeiten, in denen mich Yoshi, das kleine Pony auf dem Foto, angesehen hat – durch seine Augen, nicht durch das Foto – sind lange vorbei. Die Zeiten, die sicher die naivsten, aber auch die glücklichsten in meinem Leben waren, in denen ich glaubte, die Welt verändern zu können – und es auch zu schaffen, und in denen die Wirklichkeit außerhalb des kleinen Hofes, unseren Hofes, für mich keine Rolle spielte – ja, gar nicht existierte, gehören längst der Vergangenheit an.
Trotzdem werden die Tage und Nächte wieder häufiger, in denen die Bilder und Geschichten aus jenen Tagen zurück in meinen Kopf dringen. Ich lasse mich darauf ein, nur dieses eine Mal noch. Nur so, wegen der Langeweile, wegen der Liebe... und wegen der Sehnsucht, die sonst mein Herz zerreißt.
Es ist nun etwa sieben Jahre her, aber die Erinnerung verblasst nicht.
Das Datum weiß ich nicht, nicht einmal den Wochentag. Es war im Herbst, ein Tag wie jeder andere Tag auch. Weder kalt noch warm, weder stressig noch langweilig, weder laut noch leise. Wahrscheinlich wehte der Wind durch die großen Eichen, die den Hof umgaben und langsam auch den letzten Rest ihres Laubes verloren. Vielleicht wieherte zwischendurch ein Pferd, oder ein Hund bellte, vielleicht hörte man auch die Vögel in den Bäumen. Oder man hörte nur das Kratzen der Harke des fünfzehnjährigen Mädchens, durch dessen Augen ich diese Geschichte immer wieder sehe, und die an diesem Tag versuchte, das Kopfsteinpflaster des Hofes möglichst laubfrei zu bekommen.
Ich arbeitete seit den Sommerferien auf Silkes Pferdegnadenhof. Zuerst als Ferienjob, dann, weil mir die Pferde wichtiger wurden, auch an den Wochenenden und auch immer öfter an den Nachmittagen.
Sehr gerne verbrachte ich Zeit auf dem Hof, half Silke und ihrem „Trupp“, wie sie ihre drei Pferdepfleger nannte, und sah zu, wie alten ungeliebten Pferden ein schöner Lebensabend ermöglicht wurde. Silke war erst Anfang zwanzig, kein Alter, in dem man sein Leben aufgibt um verwahrlosten Tieren zu helfen, jedenfalls nannten es so meine Eltern. „Das Leben aufgeben“ war sicher nicht der richtige Ausdruck für Silkes Beschäftigung. Ganz im Gegenteil, Silke war eine der ganz Wenigen, die ich kannte, die ihr Leben wirklich lebten, und zwar so wie sie es wollten. Nachdem sie den Hof und einiges an Geld von ihren Eltern geerbt hatte, war es ihre Bestimmung gewesen, diese Art der Existenz aufzubauen und trotz der gesellschaftlichen Kritik weiterzuführen.
Ich erinnere mich noch gut, wie Silke an jenem Herbsttag aus ihrem Büro kam, ihre langen blonden Locken unordentlich zu einem Dutt zusammengebunden, wie sie es immer tat, und mir zurief, dass ich mich fertig machen sollte, weil wir ein neues Pferd abholen würden.
Ich hatte also endlich einen Grund, mit dem Harken aufzuhören, stellte erleichtert die Harke an die rote Stallmauer und spritzte meine Gummistiefel mit dem Schlauch ab. Schon drei Mal war ich dabei gewesen, wenn ein neues Pferd geholt wurde, und trotzdem war ich immer noch aufgeregt und sehr gespannt.
„Beeil dich“, rief Silke mir aus dem silbernen Geländewagen zu, während sie den Motor startete.
Die Weide, auf der das Pony stand, war etwa 30 Kilometer entfernt, und obwohl dieses wahrlich keine lange Strecke war, kam die Zeit mir endlos vor. Silke fuhr keinen Tick zu schnell und selbst wenn wir von keiner Schnecke überholt wurden - jede wäre schneller gewesen.
Um die Zeit zu überbrücken und die Spannung abzubauen, fragte ich Silke über das neue Pferd aus.
„Es ist ein Pony“, sagte sie ruhig. „Vielleicht 20 oder 30 Jahre alt. ‚Vernachlässigt und ungepflegt’ haben sie mir gesagt. Ein kleiner Wallach. Er hat’s verdient, einen ruhigen Lebensabend zu bekommen. Sicherlich nicht so schlimm wie Dingo oder Arcoss, aber halt auch nicht in Ordnung.“ Sie drehte die Musik aus. „Dieses Fröhlichgetue geht mir sonst wohin. ‚I would die for you’, haha, wenn die wüssten. Keine Ahnung vom Leben, uns aber jeden Tag belästigen. Verdammte Popmusik.“
Da ich nicht wusste, was ich entgegnen sollte, schwieg ich.
„Hmm... hier muss es schon irgendwo sein“, unterbrach Silke die Stille nach scheinbar endlosen Minuten.
Sie fuhr langsamer und sah sich um. Graugrüne Weiden, mit altem Stacheldraht umzäunt, bestimmten das Landschaftsbild. Hier, mitten im Nirgendwo, sollte ein Pony stehen?
„Das Tor, das mit einem roten Strick zugebunden ist, haben sie gesagt. Kann also nur das hier sein.“ Silke parkte den Wagen am Straßenrand und wir stiegen aus.
Auf der Weide war weit und breit nichts von einem Pony zu sehen. Es gab einen kleinen Holzunterstand, na ja, eigentlich war es eher ein Bretterverschlag, in dem es stehen musste. Wir öffneten das morsche Tor und standen prompt fast bis zu den Knien im Matsch. Ich rollte die Augen, ersparte mir aber jeden Kommentar und ging hinter Silke her zum Stall. Er war zu einer Seite offen und als wir ihn erreicht hatten sahen wir, dass darin wirklich ein Pony stand.
Vorsichtig ging Silke auf den Kleinen zu. Ich erwartete, dass dieser zurückweichen würde, aber er sah sie einfach nur mit seinen großen braunen Augen an.