Original von Evi
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„Die Mathearbeit, nicht wahr?“, fragte sie freundlich und mit leiser Stimme nach. Nun schien sie auch die Aufmerksamkeit der beiden anderen Mädchen zu begehren und als sie so die Blicke auf sich ruhen spürte, war sie sich ihrer selbst sehr unsicher. Doch nun gab es kein Zurück mehr, nun musste sie tun, was zu tun war. „Ich ... ich bin ja neu hier und ... ich wollte nur fragen, ob ihr ... ob ihr Frederik kennt?“ Wieder trat diese peinlich-schwere Ruhephase ein, in der jeder nur die Luft anhielt und darauf wartete, eine Anwort zu bekommen. Mark war jener, der diese beudeutungsschwangere Pause durchbrach. „Ja“ Kurz und bündig. Tat einer den ersten Schritt, so schlossen sich auch alsbald die anderen an und es war kaum verwunderlich, dass nun auch die beiden Mädchen zu schnattern begannen. „Keiner kann ihn leiden, kein Wunder, so wie er sich benimmt“ Okay, entweder ich bin dumm, lese zu unaufmerksam oder du hast einen logischen Fehler gemacht, was sich alles natürlich nicht ausschließt, aber was sollte das mit der Mathearbeit?
„Er fehlt ziemlich oft, hat Probleme mit Schule und zu Hause, angeblich ...“
„Wäre ich du, würde ich die Finger davon Davon? Eher "von ihm". lassen. Wer weiß, was der zu Hause alles treibt...“ Antworten über Antworten, die eigentlich keineswegs "alles andere" fände ich besser als "keineswegs". zur Klärung von Emilys Fragen beitrugen. Sie warfen lediglich noch mehr auf.
„Ihr könnt ihn also nicht leiden?“, hakte sie schüchtern nach und schon brach die nächste Flut von Worten über sie herein.
„Nein, wer kann das schon? Er hat weder Freunde, noch Hobbies. Zumindest sieht es ganz danach aus. Hockt manchmal auch bei den Pennern in der U-Bahn-Station“, warf Mark ein, als wäre es das Normalste der Welt und er schien sich nicht einmal groß darüber Gedanken zu machen, warum Fred dort saß und was er dort machte. Konnte es denn wirklich sein, dass es hier in dieser Stadt normal war, sich neben Asozialen zu betten? Allmählich geriet Emilys Weltbild ins Schwanken. „Warum fragst du eigentlich?“, stichelte eines der Mädchen, die Braunhaarige war es. Die Provokation in ihrer Stimme war kaum zu überhören.
„Nur so“, antwortete Emily, wohlwissend, dass die Brünette sich mit dieser Antwort nicht zufrieden geben würde.
„Nur so? Ahja“, erwiderte sie schnippisch und strich sich eine der Haarsträhnen aus dem herzförmigen Gesicht. Glücklicherweise schaffte Emily es, eine Antwort zu verweigern, da ein Schwall Schüler gerade das Klassenzimmer betrat. So war es dem Mädchen gewährt, ihren Blick wieder starr aus dem Fenster zu richten und von Sommerträumen zu fantasieren. Ein sehr umständlicher, auf den zweiten Blick aber schöner Satz.
Wie froh sie war, als der bereits liebgewonnene, schrille Ton der Pausenglocke ihre empfindlichen Ohren erreichte. Nicht einmal ihren Apfel nahm sie heute aus der Tasche, sondern begab sich auf direktem Weg zum Mäuerchen am Ende des Pausenhofes, eine beträchtliche Geräuschkulisse hinter sich lassend. Sie sah sich aufmerksam um, Frederik konnte nicht weit sein. Schließlich war er an ihrem ersten Tag hier gewesen und auch gestern. Und da Emily beiweitem kein ungeduldiges Mädchen war, setzte sie sich in den kühlen Schatten des Baumes und wartete. Und wartete ... Doch Frederik kam nicht. Auch, als sie den Schulhof nach ihm durchforstete, fand sie den Jungen nicht, der ihr gleichzeitig Angst und Freude bereitete. Je näher die Pause ihrem Ende zurückte, desto größer wuchs die Enttäuschung in ihr und als die Schulglocke abermals läutete – dieses Mal jedoch, um das Ende der Pause zu verkünden – war sie kaum noch zu bändigen. Sie würde den Tag wohl ohne Frederik überstehen müssen.
Langsam und gesenkten Hauptes schlenderte Emily dahin, so, als hätte sie alle Zeit der Welt. Ein Schritt, noch einer. Zumindest hatte sie sich heute ihren Klassenkameraden ein wenig angenähert. Diese Tatsache alleine stimmte sie schon ein wenig fröhlicher. Zu Hause würde sie wohl nur eine leere Wohnung und eine Schüssel kalter Ravioli erwarten, weswegen Emy sich für die Dönerbude entschied, welche nicht weit war von der Henrick - Berens – Schule. Eigentlich mochte sie diesen „Frass“, wie sie ihn bezeichnete, nicht, aber die Gesellschaft würde sie zu Hause sicher missen. So peilte sie das türkische Esslokal an und trieb ihr Tempo etwas in die Höhe. Schon als sie die Tür zur kleinen Bude öffnete, schlug ihr der altbekannte Duft von Zwiebel, Knoblauch und gebratenem Fleisch entgegen. Leibspeise der Deutschen. An der Tür hatte man ein kleines Glöckchen montiert, welches nun fröhlich bimmelte. „Hallo?“ Lediglich türkische Musik dudelte aus einem der Lautsprecher, jedoch war von Verkäufern, ergo Gesellschaft keine Spur. Auch mit Kunden war der Laden nicht allzu sehr bestückt. Nur ein etwas älterer Herr saß in einer düsteren Ecke und hatte sich hinter der lokalen Tageszeitung versteckt. Von draußen hörte man Schritte, verbalen Schlagabtausch, bis endlich eine Blondine – wohl zwei Ich würde das nicht so genau kategorisieren, schließlich schätzt man ja nicht immer richtig. Du verleihst Emily hier eine Information, die sie eigentlich gar nicht kennen kann. Jahre älter als Emily – durch den klimpernden Vorhang gerauscht kam.
„Guten Tag, sorry du, aber da draußen ist wieder die Hölle los“ Sie rollte mit den Augen, was Emily beinahe ein Grinsen entlockte. „Was kann ich für dich tun? Wir haben alles außer...Döner. Momentan“ Wieder rollte sie mit den Augen und fuhr sich gekonnt durch das seidene Haar.
„Oh...ähm, naja, wenn das so ist, nehme ich wohl ein Brötchen mit Salat“
„Ein Brötchen mit ... Salat? Ohne alles?“ Fast ein wenig misstrauisch beäugte die Blonde ihre Kundin mit den seltsamen Marotten.
„Ja, ich hätte ohnehin nur ein Brötchen mit Salat bestellt, von daher ist es nicht sonderlich schlimm, dass es zur Zeit keine Döner gibt hier in dieser netten ... DÖNERbude“, grinste Emily und fühlte sich dem Mädchen ihr gegenüber sehr zugetan. Sie war ihr auf Anhieb sympathisch.
„Dann ähm ... werde ich deinen Wunsch schnellstmöglich erfüllen“ In Anbetracht der Tatsache, dass das Mädchen ihr sympathisch ist, sind mir da zu viele "ähm"s drin & zu wenig gegenseitiges Anlächeln. Sofort flitzte sie wieder durch den Vorhang nach draußen. Man hörte das Geräusch von Besteck, welches aufeinander klapperte, von Stimmen und von der Blonden, welche sich gerade darüber beschwerte, dass keine Brötchen mehr vorhanden waren. Nach gut zehn Minuten kam sie wieder zum Vorschein, dieses Mal tatsächlich mit dem Bestellten.
„Hier bitteschön, lass es dir schmecken, hau rein“ Das ließ Emily sich nicht zweimal sagen, schließlich hatte sie heute sogar auf ihre Pause verzichtet und allmählich meldete sich ihr Magen doch zu Wort. Die Blonde legte derweil ihre Schürze ab und wuselte hinüber zu dem Alten, der noch immer in seiner Zeitung las. Sie redete leise mit ihm, lachte gedämpft, fasste an seine Schulter und wandte sich dann Emily zu. Ohne großartig zu fragen, setzte sie sich ihr gegenüber, stützte das geschminkte Gesicht in ihre Hände und blickte sie aus wasserblauen Augen heraus an. „Schmeckt’s?“ Emily hatte den Mund zu voll, um zu antworten, so reckte sie nur den Daumen ihrer rechten Hand in die Luft, um die Frage zu bejahen. „Dann ist’s recht. Du bist neu“, stellte sie nüchtern fest. Emy war verwirrt, es war keine Frage gewesen. Sie nickte vorsichtshalber trotzdem. „Kennst du hier schon mehr Leute?“, fragte die Blonde nach, während sie ihre Fingernägel einer provisorischen Maniküre unterzog. Der Anblick derselbigen zügelte Emilys Appetit drastisch, sie legte das übrig gebliebene Essen beiseite. „Ja, ich kenne Fred“ Und sie erwähnte NUR Fred. Nicht Mark, nicht die beiden Mädchen, nicht Ophelia Hieß sie nicht Ophelie. „Fred, ja? Kein guter Umgang, schon gar nicht für Neue“ |